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Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

14.12.10

BGH: Keine vorzeitige Kündigung eines DSL-Vertrags

Der amtliche Leitsatz des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 11.11.2010 (Az.: III ZR 57/10) bringt das wesentliche Ergebnis der Entscheidung bereits auf den Punkt:

Der Inhaber eines DSL-Anschlusses hat kein Recht zur Kündigung des mit dem Telekommunikationsunternehmen geschlossenen Vertrags vor Ablauf der vereinbarten Laufzeit, wenn er an einen Ort umzieht, an dem keine Leitungen verlegt sind, die die Nutzung der DSL-Technik zulassen.

Der BGH führt zunächst aus, dass er dazu neigt, den Vertrag mit dem Zugangsprovider als Dienstvertrag zu qualifizieren, worauf es aber für die Entscheidung nicht ankam.

Wesentlich ist, dass der BGH einen Umzug nicht als wichtigen Grund i.S.v. § 626 oder 314 BGB ansieht, der eine außerordentliche Kündigung des DSL-Vertrags rechtfertigt. Der Kunde, der einen längerfristigen Vertrag über die Erbringung einer Dienstleistung abschließt, geht damit auch grundsätzlich das Risiko ein,  dass er die Leistung aufgrund einer Veränderung seiner persönlichen Verhältnisse nicht mehr nutzen kann. Dementsprechend stellt ein Umzug, aus familiären oder beruflichen Gründen, nach Ansicht des BGH, prinzipiell keinen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung dar.

posted by Stadler at 09:56  

15 Comments

  1. Heißt das nur, dass der Kunde weiter bezahlen muss, oder dass er die Leistung auch weiter abnehmen muss? Die TAL will ja der nächste Bewohner benutzen …

    Comment by Jens — 14.12, 2010 @ 10:05

  2. Lebensfern, in meinen Augen. Bleibt nur zu hoffen, dass der Markt das reguliert und Kunden nur noch zu Monatsverträgen greifen.

    Comment by Christian — 14.12, 2010 @ 10:37

  3. Dieses Urteil ist so wi-der-lich.
    Wenn ich von meiner Firma versetzt werde, ist das doch kein privates Schicksal. Um weiter Kohle zu verdienen, muß ich dann doch umziehen, und wenn es da keinen besch….. 16.000er Anschluß gibt bin ich der gelackmeierte.
    Dieses Land hat sowas von fertig!!!

    Comment by Eddie — 14.12, 2010 @ 11:50

  4. Ich finde das Urteil auf den ersten Blick gerecht und überzeugend, lasse mich aber auch gerne von guten Argumenten vom Gegenteil überzeugen.

    @Christian: Was meinst Du mit „Lebensfern“? Meinst Du damit die Annahmen, denen der BGH sein Urteil zugrunde gelegt hat?

    @Eddie: Was verstehst Du unter „privates Schicksal“? Was soll das sein und was soll es in diesem Zusammenhang bedeuten? Meinst Du damit soviel wie: „der Arbeitnehmer kann für die Versetzung nichts“? Sollte man also differenzieren, ob man wegen Arbeit oder „einfach so“ umzieht? Und warum soll das wichtig sein? Immerhin kann der DSL-Anbieter ja mindestens genauso wenig für die Versetzung.

    Comment by Lutz — 14.12, 2010 @ 12:29

  5. Hmmmm, wenn ich umziehe müßte dann nicht auch der Arbeitgeber seine Gehaltsfortzahlung weiterführen, obwohl ich dann nichgt mehr bei ihm arbeite.

    Ich kann #2 und #3 nur zustimmen.

    Gab es nicht mal etwas von der „Unmöglichkeit der Leistung“ oder ähnlich?

    Bin gerne bereit, die Leistung des DSL-Anbieters entgegen zu nehmen. Soll er liefern. Ach er kann nicht?

    Comment by Christian — 14.12, 2010 @ 12:36

  6. Das Urteil zeigt nur, wie sehr man als Kunde Unternehmen mit 24-Monatsverträgen den Stinkefinger zeigen sollte. Klar kann der Anbieter nichts für den Umzug. Dennoch ist er ja nicht mehr in der Lage die Leistung zu erbringen. Die Ansicht, dass dies nicht seine Schuld sei, halte ich für falsch. Er könnte ja Leitungen verlegen und den neuen Wohnort erschließen. Will er das nicht, kann er ja von dem Vertrag zurücktreten (was ich als Kunde ja schon wollte).
    Rechtsdogmatisch ist das Urteil sicherlich korrekt. Lebensfremd ist es aber trotzdem.

    Comment by Kommentator — 14.12, 2010 @ 12:52

  7. Mal andersrum: Der DSL-Anbieter ist ja aufgrund des weiterhin bestehenden Vertrages verpflichtet, die Leitung an der alten Adresse aufrecht zu erhalten. Das ist aber spätestens dann nicht mehr möglich, wenn jemand anders dort seine Leitung rauflegen läßt. Nun könnte der Kunde die permanente Störung melden und auf Behebung bestehen – schließlich wird die Leistung auch am vertraglich vereinbarten Ort nicht mehr erbracht.

    Interessant düften die Auswirkungen dieses Urteils zudem für die Praxis der ARGEn sein. Verpflichten diese den Bezieher von ALG-II-Leistungen zu einem Umzug, so entstehen ihm ggf. doppelte Kosten, wenn z.B. nur der aktuelle Provider an der neuen Adresse nicht leisten kann.
    Andererseits können die Betroffenen den Umzug auch nicht verweigern, da andernfalls empfindliche Leistungseinbußen drohen. Gerade diese Bevölkerungschicht muss aber am ehesten die „subventionierten“ Anschlüsse nutzen – schließlich liegen (auch) diese der Leistungsberechnung zu Grunde.
    Liegt in diesem Fall dann doch ein wichtiger Grund vor? Wenn ja, handelt es sich nicht um eine Ungleichbehandlung von ALG-II- und ALG-I-Beziehern? Wenn nein, müssen die ARGEn für die durch ihre Anweisung entstandenen Doppelkosten immer Sinne eines Sonderbedarfs aufkommen?

    Comment by Malte S. — 14.12, 2010 @ 13:42

  8. @4
    Warum muss ich dann nicht ggf. Wasser/Strom/Gas bei einem Umzug weiterbezahlen?

    Oder wie ist es bei Tod? Schließlich kann der DSL-Anbieter nichts für den Tod. Sollen die Erben doch weiterzahlen…

    Comment by Christian — 14.12, 2010 @ 14:24

  9. Manche Umzüge kann man einfach nicht 24 Monate vorher planen. Mein ehemaliger Anbieter war bereit bei Nachweis einer bereits bestehenden Verbindung am neuen Wohnort den alten Vertrag vorzeitig zu lösen, aber sowas ist Kulanz.

    Finde das auch etwas einseitig, warum ist zwar der Kunde verpflichtet die Dienstleistung weiter zu bezahlen, aber der Anbieter nicht diese weiter zu leisten?
    Kunde ist schuld, weil er den Rahmen durch Umzug ändert?
    Riesenspaß für Leute die berufsbedingt öfter umziehen müssen.

    Comment by pulegon — 14.12, 2010 @ 14:24

  10. BGH strebt Umbenennung an in BUH – BundesUngerechtsHof…oder auch die Frage, wie man Richter am BUH wird und warum das falsche Parteibuch eine Karriere am BUH verhindert.

    Hier wird der Vertrag eindeutig zu sehr zu Lasten des Kunden ausgelegt, es sollte jedoch ein Interessenabgleich stattfinden – zieht der Kunde aus was für Gründen auch immer um und kann der Vertragspartner am neuen Wohnort den Vertrag nicht erfüllen, MUSS automatisch ein Sonderkündigungsrecht bestehen.

    Mal schauen, was das BVerfG dazu sagt…

    gruß

    Comment by Frank Schenk — 14.12, 2010 @ 14:35

  11. Die meisten Postings hier gehen davon aus, dass der DSL-Anbieter aufgrund des Vertrags dazu verpflichtet sein soll, auch in der neuen Wohnung eine DSL-Leitung anzubieten. Ich denke, hier steckt ein Denkfehler. Der DSL-Anbieter hat sich vertraglich nur dazu verpflichtet, an die ursprünglich genannte Adresse zu leisten. Zum einen gehe ich davon aus, dass die Adresse als Leistungsort im Vertrag genannt wird. Zum anderen wäre es aber auch aberwitzig, dass sich ein DSL-Anbeiter vertraglich dazu verfplichten würde, überallhin DSL zu liefern, ohne zu wissen, ob er dazu überhaupt in der Lage ist.

    Zieht der Kunde jetzt also um, wird die Leistungserbringung für den DSL-Anbieter unmöglich, allerdings ohne, dass der DSL-Anbieter dafür verantwortlich ist. Verantwortlich ist allein der Kunde, der durch seinen Umzug die Leistungserbringung unmöglich macht. Deswegen bleibt er weiterhin zur Zahlung verpflichtet. Das sind die ganz normalen allgemeingültigen Regeln des allgemeinen Schuldrechts, die selbstverständlich auch bei DSL-Verträgen gelten. Jedenfalls habe ich hier noch kein gutes Argument dagegen gelesen.

    Aber zum Glück gibt es auch immer noch Anbieter, die monatlich kündbare Tarife anbieten, deswegen sehe ich auch hier keine großen Probleme. Sollen doch diejenigen, die häufiger umziehen, Verträge mit kurzen Laufzeiten abschließen.

    Und das BVerfG wird natürlich überhaupt garnichts dazu sagen. Warum auch? Welches Grundrecht soll hier verletzt sein?

    Comment by Lutz — 14.12, 2010 @ 15:37

  12. Der Vertragsnehmer wird einseitig benachteiligt. Ein Sonderkündigungsrecht muss im Falle eines Umzuges eingeräumt werden und wenn dies mit Zahlung eines Einmalbetrages einhergeht, der 3-6 monatliche Zahlungen umfasst, sollte das dem Vertragsgeber gegenüber ein angemessener Ausgleich sein. Eventuell gestellte kostenlose Geräte wären dann natürlich zurückzugeben.

    Aber es kann nicht sein, daß man garkeine Chance hat, so einen Vertrag aufzulösen. Was wenn der Vertragsnehmer stirbt, dürfen dann die Erben den DSL-Anschluß auf dem Friedhof weiterzahlen?

    Generell meide ich allerdings solche Anbieter so weit es geht.

    gruß, Frank

    Comment by Frank Schenk — 14.12, 2010 @ 18:09

  13. Ich bin kein Jurist. Aber interessant wäre, wie mit der unter 7. diskutierten Problematik umzugehen ist und ob sie eine Möglichkeit bietet den Provider zu einer einvernehmlichen Lösung zu bewegen …?

    Comment by steuerpirat — 15.12, 2010 @ 08:11

  14. Der Umstand, dass der Provider die Leistung am ursprünglichen Leistungsort gar nicht mehr erbringen könnte, weil jemand anders – z.B. ein Nachmieter – dort dann seinen Anschluss hat, ist durchaus interessant.

    Vermutlich würde das an der juristischen Betrachtung aber nichts ändern, weil es sich hierbei auch um ein Leistungshindernis, das der Kunde durch seinen Umzug geschaffen hat. Die Argumentation des BGH, dass der Kunde das Risiko für diejenigen Umstände aus seinem Lebensbereich trägt, lässt sich also auch hier anwenden. Das lässt sich juristisch mit § 326 Abs. 2 BGB begründen. Der Kunde hat durch seinen Umzug selbst verursacht, dass der Provider nicht mehr leisten kann und ist hierfür auch verantwortlich, weshalb der Provider seinen Anspruch auf Gegenleistung (Zahlung) behält. Er muss sich allerdings dasjenige anrechnen lassen, was er sich erspart oder anderweitig erwirbt. Und an dieser Stelle wird es möglicherweise dann doch noch einmal interessant, wenn der Fall eintritt, dass derselbe Anschluss nunmehr beim selben Provider (z.B. Telekom) vom Nachmieter genutzt wird, wofür der ISP ja wieder kassiert.

    Comment by Stadler — 15.12, 2010 @ 09:43

  15. Aus eig. Erleben Wegzug ins Ausland:
    # Der Leitungsanbieter (Telekom) gekündigt und Abschaltung problemlos innerhalb der Frist 1-3 Mon)
    -> !! der stellt die Kabelverbindungen her oftmals mit viel Aufwand und hat eine Verpflichtung dazu!(Telefon)

    # ein grosser DSL Anbieter (der baute damals auf die Leitung der Telekom auf) stellte sich stur – auf meine Anfrage, wie er denn seine Leistung anbieten will, wenn ich die Leitung gar nicht mehr habe oder nutzen kann … stur so weiter … nach längerem Hin und Her dann ein Einsehen, dass es technisch gar nicht möglich ist mir die Leistung weiter bereitzustellen.
    -> nannte sich dann „aus Kulanz“ (ca 1Monat später)
    -> !! dieser schaltet praktisch per Software auf die Nummer des #1 Anschlusses und hat mehr oder weniger Kapazitäten frei
    (anders als bei #1 – wie in den Offline Orten

    # Handyvertrag war problematischer, da der Anbieter ja über Roaming überall anbietet und ich so erreichbar bin- gut das ist teurer – im Ausland wohnend kann der Anbieter wirklich nichts dafür — umgestellt auf Minivertrag und Ablauf zum … und OK

    Von daher ist das Urteil zwar im Sinne des Unternehmens nachvollziehbar (kann ja nichts dafür) aber weltfremd für den Kunden.
    Richtiger wäre zu sagen es muss kürzere Laufzeiten geben (max 3 Monate)

    Was ist eigentlich beim Ableben des Vertragspartners – der nimmt die Leistung nie wieder in Anspruch bzw kann seinen Vertrag selbst nicht mehr erfüllen.

    Comment by Auswanderer — 15.12, 2010 @ 13:48

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