Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

29.11.10

Internet-Enquete diskutiert über das Urheberrecht in der digitalen Gesellschaft

In der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ des Bundestages steht heute das Urheberrecht auf dem Programm. Zu diesem Thema werden eine ganze Reihe von Sachverständigen befragt, deren schriftliche Stellungnahmen man online nachlesen kann.

Juristisch innovativ finde ich z.B. den Ansatz von Thomas Dreier, sich von einer engen Auslegung der Schrankenbestimmungen zu verabschieden und das Urheberrecht als Instrumentarium zu sehen, das dem Ausgleich der Interessen aller am Informationsaustausch Beteiligter dient. Darüber hinaus fordert Dreier den Schrankenkatalog um eine flexible Schrankenbestimmung zu ergänzen, die es den Gerichten ermöglicht, in überschaubarem Umfang angemessen auf technologische Entwicklungen zu reagieren.

Wenn ich die Stellungnahmen von mir hochgeschätzten Wissenschaftlern wie Spindler oder Dreier zu Aspekten wie dem Filesharing lese, spürt man allerdings die fehlende Nähe zur Praxis. Von der Entspannung, über die die beiden Wissenschaftler berichten, bemerkt man als Anwalt der diese Fälle täglich auf dem Tisch hat, nämlich wenig. Die Anzahl der Filesharing-Abmahnungen hat vielmehr in den letzten beiden Jahren drastisch zugenommen, weshalb ich eher von einer Verschärfung sprechen würde.

Passend zur Enquete-Anhörung hat Kulturstaatsminster Neumann mit zwölf wenig zukunftsorientierten Thesen zum Urheberrecht letzte Woche bereits einen Diskussionsbeitrag geliefert.

posted by Stadler at 15:43  

4 Comments

  1. Eine etwas subjektivere Einschätzung dieser unerfreulichen Veranstaltung, die ich inzwischen nurnoch nebenbei verfolge findet sich hier.

    http://bearbeiter.blogspot.com/2010/11/anhorung-der-enquete-kommission.html

    Die Diskussion um fair use war einer der wenigen positiven Aspekte, der sich alledings wegen europarechtlicher Grenzen wohl nicht umsetzen lassen wird.

    Comment by Der Bearbeiter — 29.11, 2010 @ 15:51

  2. Zu der Frage des Ausgleichs von Interessen im Urheberrecht kann man sich auch ein paar höchst instruktive Werke von Lawrence Lessig durchlesen, der sich auch mit Vorliebe solchen Fragestellungen widmet.
    Er vertritt für Amerika die These, dass das Urheberrecht die Interessen von Allgemeinheit und Urhebern ausgleichen soll, diese Funktion aber in den letzten Jahren immer weiter verloren hat. Und sein Werk ist schon ein paar Jahre alt…
    Das dürfte ebenso für Deutschland gelten.

    Comment by nutella — 29.11, 2010 @ 16:03

  3. Was ist mit einer stärkeren Berücksichtigung und Abwägung widerstreitender Grundrechte im Rahmen weiterer Auslegung der Schrankenbestimmungen, wie z. B. vom OLG Brandenburg mit Urteil v. 09.11.2010 (vgl. hierzu: http://goo.gl/SbtKJ) praktiziert?
    Gesetzgeberische Neu-Justierungen im UrhG wären sicherlich hilfreich, wünschenswert und zeitgemäß.

    Comment by Ralf Petring — 29.11, 2010 @ 21:12

  4. „Juristisch innovativ finde ich z.B. den Ansatz von Thomas Dreier, sich von einer engen Auslegung der Schrankenbestimmungen zu verabschieden“

    Das war letzte Woche auch Thema bei einer Fortbildung in Düsseldorf. Regel: kein urheberrechtlicher Schutz. Ausnahme (und dementsprechend eng auszulegen): urheberrechtlicher Schutz. Und dann wieder Rückkehr zur Regel: extensive Auslegung der Schrankenbestimmung. D.h. mE bewegt sich die Idee im geltenden Recht und ist prima facie argumentativ gut vertretbar.

    Viele Grüße
    Dominik

    Comment by Dominik Boecker — 29.11, 2010 @ 21:50

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