Sauerland, Streisand und das Landgericht Köln
Eigentlich hatte ich fest vor, nichts zum Thema Loveparade zu bloggen, weil ich mir bei der Ursachenforschung keine Meinung anmaßen möchte.
Aber die heutige Nachricht betrifft die Schnittstelle von Meinungsfreiheit und Urheberrecht. Die Stadt Duisburg hat dem Blog xtranews per einstweiliger Verfügung des Landgerichts Köln verbieten lassen, behördeninterne Dokumente zu veröffentlichen, weil dies gegen das Urheberrecht der Stadt verstoßen würde.
Mir stellt sich angesichts dieser Rechtsprechung zunächst die Frage, ob Köln das neue Hamburg ist, zumal eine Mandantin von mir die meinungsfeindliche Rechtsprechung des Landgerichts Köln unlängst ebenfalls zu spüren bekam.
In rechtlicher Hinsicht kann man natürlich die Frage stellen, ob derartige Dokumente überhaupt urheberrechtlichen Schutz genießen, ob sie über die erforderliche Schöpfungshöhe verfügen und schließlich, ob nicht das Veröffentlichungsinteresse hier Vorrang hat vor einem (nur vorgeschobenen) urheberrechtlichen Schutz.
In tatsächlicher Hinsicht kann man festhalten, dass Sauerland ganz ähnlich klingt wie Streisand und der Duisburger Oberbürgermeister den nach der Künstlerin benannten Effekt jetzt ebenfalls kennenlernen wird. Diese einstweilige Verfügung wird die Verbreitung der fraglichen Dokumente nicht verhindern, sondern vielmehr deutlich beschleunigen.
Update vom 20.08.2010:
Wie man nunmehr bei Rechtsanwalt Vetter nachlesen kann, stützt sich die Beschlussverfügung des Landgerichts Köln wohl primär auf die Verletzung der Rechte eines Datenbankherstellers und nicht auf die Verletzung von Urheberrechten im engeren Sinne. Und Rechtsinhaber sollen insoweit die Rechtsanwälte Heuking Kühn Lüer und Wojtek sein, die ihre Rechte nur an die Stadt Duisburg abgetreten haben, damit die Stadt als Antragsteller auftreten kann. Bei dieser Sachlage stellt sich umso mehr die Frage, weshalb sich das Landgericht keine Gedanken über die Frage eines Rechtsmissbrauchs gemacht hat. Ich bin sehr gespannt, ob die Verfügung Bestand haben wird.
Alle einzeln auf: http://linksunten.indymedia.org/de/node/24275
Comment by Die Dokumente — 17.08, 2010 @ 21:41
An der erforderlichen Schöpfungshöhe gem § 2 Abs. 2 UrhG dürfte es wohl tatsächlich fehlen bei gleichzeitig enormem öffentlichen Informationsinteresse und damit einhergehendem publizistisch-journalistischem Veröffentlichungsinteresse.
Auch Behördenschriftstücke und Gutachten-Auszüge sind als Schriftwerke zwar grundsätzlich nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG dem Urheberrechtsschutz zugänglich. Sie sind hier aber eher dem „wissenschaftlichen“ oder „technischen“ als dem literarischen Bereich zuzuordnen. Bei wissenschaftlich-technischen Werken findet der erforderliche geistig-schöpferische Gehalt seinen Niederschlag und Ausdruck in erster Linie in der Form und Art der Sammlung, Einteilung und Anordnung des dargebotenen Stoffes und nicht ohne weiteres auch – wie meist bei literarischen Werken – in der Gedankenformung und -führung des dargebotenen Inhalts.
Die Frage, ob ein solches Schriftwerk einen hinreichenden schöpferischen Eigentümlichkeitsgrad besitzt, bemisst sich dabei nach dem geistig-schöpferischen Gesamteindruck der konkreten Gestaltung, und zwar im Gesamtvergleich gegenüber vorbestehenden Gestaltungen. Lassen sich nach Maßgabe eines Gesamtvergleichs mit dem „Vorbekannten“ schöpferische Eigenheiten feststellen, so sind diese der durchschnittlichen Gestaltertätigkeit gegenüberzustellen.
Die Urheberrechtsschutzfähigkeit erfordert dabei ein deutliches Überragen des Alltäglichen, des Handwerksmäßigen, der mechanisch-technischen Aneinanderreihung des Materials (vgl. z.B. BGH GRUR 1986, 739 [740] – „Anwaltsschriftsatz“ m.w.N.).
Es ist wohl davon ausgegangen, dass den fraglichen Dokumenten die für die urheberrechtliche Schutzfähigkeit erforderlichen deutlich überragenden Elemente im Sinne der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs nicht zukommen, zumal es den Verfassern kaum auf besondere, eigentümliche Anordnung, Ausformung und Gestaltung angekommen sein dürfte.
An einem überragenden berechtigten journalistischen Veröffentlichungsinteresse unter angemessener Berücksichtigung auch der verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 5 GG kann nun wirklich kein ernsthafter Zweifel bestehen.
Comment by Ralf Petring — 17.08, 2010 @ 22:12
Wenn man sich die Dokumente anschaut, dann finden sich dort auch einige von Lopavent, der Polizei, Gutachtern,..
Selbst wenn man den Unterlagen nun die Schöpfungshöhe zuerkennt, wie kann die Stadt an nicht von ihr erstellten Unterlagen das Urheberrecht einklagen?
Comment by Urheber — 17.08, 2010 @ 23:43
hxxp://217.7.176.26-addr.arpa.bka.net.in/
Comment by gerd5 — 18.08, 2010 @ 00:00
@gerd5: Die zip Datei unter
http://217.7.176.26-addr.arpa.bka.net.in/
wurde aus rechtlichen Gründen zunächst entfernt.
Allerdings gibt es das ganze Paket unter
http://zeig.in/sauerland
und die einzelnen Dateien ordentlich auf einer Webseite gelistet unter
http://zeig.in/dokumente-loveparade
Comment by Emil Blume — 18.08, 2010 @ 00:46
Bei kurzen Aktenvermerken kann ein Urheberrechtsschutz nicht in betracht kommen.
Comment by Dr. Klaus Graf — 18.08, 2010 @ 01:33
http://www.duisburg.de/news/medien-12/Zwischenbericht_Loveparade.pdf
http://www.stoppp-strassen-lippe.de/Flugblatt_PPP_Strassen_Lippe_Dubiose_Beratung.pdf
http://www.mbi-mh.de/bis2009/MBI-Arbeit/Presse/MEG/MEG-Zukunft/meg-zukunft.html#dreamteam
mehr bei google
Comment by gerd5 — 18.08, 2010 @ 02:14
köln ist nicht das neue hamburg, sondern verfügt – wie leider nur wenige gerichte – über eine spezialisierte kammer, die über viele jahre erfahrung im urheberrecht verfügt. Auch wenn es im ergebnis nicht gefällt hat das gericht das gesetz angewendet und keine gefühle bedient, was auch nicht seine aufgabe ist.
Comment by urs — 18.08, 2010 @ 09:10
@urs: So ist es. Das beantwortet auch die Frage von Herrn Kompa (http://www.kanzleikompa.de/2010/08/18/duisburg-lasst-gutachten-in-blog-loschen/) sinnvoll(!), warum man nicht zum LG Duisburg gegangen ist.
Comment by ElGraf — 18.08, 2010 @ 10:13
Jedes Landgericht in einer Millionenstadt hat eine Kammer mit Spezialisierung Urheberrecht, wobei in Köln die ZK 28 auch das Presserecht mit abdeckt.
„Erfahrung“ würde ich nicht mit „Kompetenz“ gleichsetzen. Vielleicht haben die in den letzten zwei Jahren dazugelernt. Nach Köln gehen bestimmte Presseanwälte wohl deshalb, weil dort in den letzten Jahren immer mal wieder verbietende Urteile wegen Emails u.ä. ergangen sind. Jedes Gericht hat so seine Spezialitäten.
Ich komme gerade aus einer Sitzung der entsprechenden Kammer in München, die sogar Patentsachen zu machen scheinen. Die drei Richter dort waren souverän, kompetent und sehr humorvoll. Kollege Stadler ist um sein Hausgericht wohl zu beneiden.
Comment by RA Kompa — 18.08, 2010 @ 14:22
Ich hoffe, dass der Druck der Internetgemeinde groß genug wird, dass die Stadt Duisburg bzw. der nie was unterschreibende OB Sauerland die Kanzlei zurück ruft und der Blog xtranews wieder in Ruhe arbeiten kann.
Comment by Jürgen — 18.08, 2010 @ 14:35
Gibt es in diesen Ländern kein dem IFG entsprechendes Gesetz? In Deutschland ist das IFG und vergleichbare Länderreglungen kaum bekannt, was immer wieder zu bizzaren Rechtsansichten führt.
Comment by Joachim — 18.08, 2010 @ 14:45
„souverän, kompetent und sehr humorvoll“. Auch meine Erfahrung bei der ZK 28. In Köln.
Comment by RA — 18.08, 2010 @ 15:33
Die Anlagen enthielten ungeschwärzte, personenbezogene Daten, begründete ein Stadtsprecher das Verbot. Mehrere andere Portale haben unterdessen die Daten kopiert und sie erneut im Internet zur Verfügung gestellt. Die Stadt will dagegen keine weiteren juristischen Schritte unternehmen, sagte ein Stadtsprecher. Die unkontrollierbare Verbreitung der Dokumente sei faktisch nicht mehr zu unterbinden, hieß es.
„Es war für uns eine Abwägung zwischen Urheberrecht und öffentlicher Aufklärung. Da haben wir uns für die Aufklärung entschieden“, sagte Rodenbücher der dpa. Die Öffentlichkeit habe ein Recht, diese Dokumente zu sehen.
http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/5/0,3672,8101413,00.html
… nur um dem Affenzirkus die Krone aufzusetzen.
Comment by Shual — 18.08, 2010 @ 18:46
@6. Natürlich ist Erfahrung nicht zwingend mit Kompetenz gleichzusetzen, oftmals wird es anderswo aber an beidem fehlen. Und: Duisburg ist keine Millionenstadt.
Comment by ElGraf — 18.08, 2010 @ 19:00
Und noch mal eine Frage, Streisand hin oder her: Nach welcher Vorschrift sollte denn die Veröffentlichung urheberrechtlich zulässig gewesen sein? Schöpfungshöhe dürfte ein umfangreiches Gutachten jedenfalls besitzen.
Comment by ElGraf — 18.08, 2010 @ 19:11
@ElGraf: Es mag überraschend klingen, aber das Gericht hat Art. 5 GG bei seiner Rechtsprechung unmittelbar zu beachten und auch das Urheberrecht in einer verfassungskonformen Art und Weise anzuwenden. Und im konkreten Fall sehe ich nicht nur ein erhebliches, sondern ein überragendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit.
@urs: Es gibt Gründe dafür, dass bei manchen Themen immer wieder die gleichen Gerichte angerufen werden. Weil die Antragsteller wissen, dass sie bei anderen Gerichten mit dem Antrag auf die Nase fallen. Und Köln ist nach meiner Erfahrung in der Tendenz meinungsfeindlich. Mit Gefühlen hat das, jedenfalls bei mir, nichts zu tun.
Comment by Stadler — 18.08, 2010 @ 21:23
@Stadler: Nun ja, unmittelbare Drittwirkung ohne Einfallstor für das Verfassungsrecht (in § 50 UrhG sehe ich jedenfalls für „unseren“ Fall keine) ist halt immer ein wenig „schwierig“, von der Europarechtswidrigkeit solcher verfassungsunmittelbarer Urheberrechtsschranken einmal abgesehen. Vielleicht kenne ich mich aber auch nur nicht gut genug mit dem Urheberrecht aus, aber können Sie mir ein Urteil, gerne auch vom BVerfG, nennen, in dem Art. 5 GG unmittelbar dazu führte, dass eine an und für sich urheberrechtlich unzulässige Handlung doch zulässig wäre?
Comment by ElGraf — 19.08, 2010 @ 10:27
Wenn überhaupt, kommt eigentlich nur bei einem einzigen der fraglichen Dokumente eine Diskussion über das Urheberrecht infrage: Das Dokument „Anlage 33 – Passende Besucherzahlen.pdf“ stellt ein sog. Brandschutzkonzept dar, das die Fa. ÖKOTEC Fire & Risk (www.oekotec-gruppe.de) für die Lopavent GmbH erstellt und mit einem entsprechenden Urheberrechtsvermerk versehen hat. Allerdings wurde ein fast deckungsgleicher Inhalt schon in einem nicht mit Urheberrechtsvermerk von der Lopavent GmbH erstellten Dokument, das ebenfalls eine der Anlagen darstellt, verbreitet.
Mir stellt sich die Frage, warum nicht ÖKOTEC die Einstweilige Verfügung erwirkt hat, sondern die Stadt Duisburg, die ja sicher kein exklusives Vervielfältigungsrecht an dem Dokument hat. Das riecht natürlich nach Verbergen von Informationen und war sicher der schlechteste Schachzug, auch und gerade wegen des Streisand-Effekts. Das Internet ist eben mehr als die Summe seiner Teile.
Comment by Ulf Dunkel — 19.08, 2010 @ 15:06
@ElGraf: Es geht hier m.E. nicht um die Frage der unmittelbaren Drittwirkungen von Grundrechten. Das Gericht ist als Träger hoheitlicher Gewalt ja unmittelbar den Grundrechten verpflichtet und hat deren Wirkung prinzipiell immer zu beachten. Wenn man gegen ein Urteil eine (zulässige) Verfassungsbeschwerde erhebt, prüft das BVerfG, ob das Gericht die Wirkungen und Tragweite des Grundrechts verkannt hat. Da ich gerade im Urlaub bin, habe ich leider nur eingeschränkte Recherchemöglichkeiten.
Wir müssen hier aber nicht gleich nach den Sternen greifen. M.E. muss im konkreten Fall bei den meisten der betreffenden Dokumenten ein urheberrechtlicher Schutz ohnehin verneint werden. Das Gericht hat es mit der summarischen Prüfung bereits an dieser Stelle etwas übertrieben. Wenn z.T. hier damit argumentiert worden ist, dass Namen von Personen im Klartext genannt worden sind, ist das ja durchaus eine andere juristische Baustelle.
Comment by Stadler — 19.08, 2010 @ 17:01
Lieber Herr Stadler,
ich will Ihren Urlaub gar nicht weiter stören, aber vielleicht kommen Sie in einer ruhigen Stunde noch einmal dazu, die Lüth-Entscheidung zu lesen: http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv007198.html
Die übrigen Einwände (kein UrhR-Schutz) haben mit Art. 5 GG und dessen Einwirkung aufs UrhR nur bedingt etwas zu tun und dass die datenschutzrechtlichen Fragen eine andere Baustelle bilden (die ebenfalls eine Untersagung der Veröffentlichung rechtmäßig erscheinen lässt), habe ich nie bezweifelt.
Comment by ElGraf — 20.08, 2010 @ 19:39
@ElGraf: Mir ist jetzt nicht klar, inwieweit die Lüth-Entscheidung dem widerspren sollte, was ich ausgeführt habe.
Die Entscheidung bestätigt doch nur, dass der Zivilrichter die allgemeinen Gesetze, also auch die Normen des UrhG, im Lichte der besonderen Bedeutung des Grundrechts der freien Meinungsäußerung auszulegen hat. Wenn sich eine Behörde auf das Urheberrecht beruft, um die Veröffentlichung brisanter interner Dokumente zu verhindern, um damit evtl. eigene Versäumnisse zu vertuschen, muss sich auch das Zivilgericht die Frage stellen, ob das geht. Wenn wir auf die zivilrechtlichen Generalklauseln als Einfallstore für die Grundrechte abstellen, dann liegt im konkreten Fall § 242 BGB nahe.
Comment by Stadler — 20.08, 2010 @ 21:50
Zum Spannungsfeld Urheberrecht / Verfassungsrecht(mit Meinungsfreiheit / Pressefreiheit) lesenswert: medienprofessor.at http://goo.gl/EqJ7 OGH 2001. Es geht eben auch anders als vor dem Kammergericht Berlin (Urteil v. 27.11.2007, Aktenzeichen: 5 U 63/07) http://goo.gl/s6Cp bei den Grass-Briefen.
Comment by Ralf Petring — 20.08, 2010 @ 23:10
Genau um die Einfallstore geht es, die eben benötigt werden. Es reicht gerade nicht, dass das Gericht irgendwie auch die Grundrechte zu beachten hat! Und § 242 BGB liegt bei einem urheberrechtlichen Streit grundsätzlich nicht allzu nahe, welche Fallgruppe schwebt Ihnen denn da vor, die durch Art. 5 I GG aufgeladen werden könnte?
@Petring: Vielen Dank, danach suchte ich.
Comment by ElGraf — 21.08, 2010 @ 11:13
Und noch ein Gedanke/eine Frage @Petring: Das ÖOGH-Urteil erging vor Inkrafttreten der Richtlinie 2001/29/EG. Haben Sie Informationen darüber, ob seitdem noch einmal eine solche freihändige Abwägung UrhR./.Art. 10 EMRK vorgenommen wurde?
Comment by ElGraf — 21.08, 2010 @ 11:28
@ElGraf: Die Richtlinie 2001/29 EG http://goo.gl/7Z2S schließt m. E. eine gebotene Beachtung verfassungsrechtlicher Normen u. Konventionen nicht aus. Was soll eine „freihändige“ Abwägung sein? Die Abwägung findet doch nicht im rechtsfreien Raum statt. Der Kollege Stadler hat im Übrigen bereits auf die Generalklausel des § 242 BGB hingewiesen, wobei ohnehin ein oder mehrere Grundrechte einschränkende Gesetze auch als verfassungsmäßig grundsätzlich zugelassene Schranken wiederum im Lichte der Verfassung auszulegen und anzuwenden sind.
Comment by Ralf Petring — 21.08, 2010 @ 12:13
Win Grund mehr, das Urheberrecht ersatzlos zu streichen. Wenn jetzt schon Dokumente verdunket werden sollen, die helfen könnte, künftige Massentötungen zu vermeiden, entwickelt sich das Urheberrecht zu einer entarteten tödlichen Waffe. Weg damit. Skandalös auch, dass Anwälte Autfräge der öffentlichen Hand, die im wesentlichen aus Papiersichten und Ordnen bestehen nun auch noch urheberrechtlich schützen wollen. Diesen Anwälten, die den Schutz von Massenveranstaltungen hemmen wollen, sollte die Zulassung entzogen werden. Die gehen offenbar über Leichen.
Comment by Jan Dark — 21.08, 2010 @ 15:26
@Jan Dark: Massentötungen? Entartete tödliche Waffe? Hemmen des Schutzes von Massenveranstaltungen?
Gehts noch?
Comment by ElGraf — 21.08, 2010 @ 15:38
@ElGraf:
Hatte ich das nicht schon dargestellt? Der Zivilrichter hat Art. 5 GG bei der Anwendung des Urheberrechts zu berücksichtigen. Ungeachtet der typischen Einfallstore ist Art. 5 GG geeignet, den Umfang der urheberrechtlichen Befugnisse zu beschränken. Der Kollege Peters hat auf Twitter zudem auf die Entscheidung des BGH vom 20.03.2003, Az. I ZR 117/00 hingewiesen, wonach das Interesse der Allgemeinheit an einem möglichst unbeschränkten Zugang zum Werk bei der Bestimmung des Umfangs der dem Urheber zustehenden Verwertungsrechte berücksichtigt werden kann. Ein erhebliches Interesse der Allgemeinheit am Zugang zu diesen Werken, dürfte wohl kaum zu bestreiten sein.
Im konkreten Fall kommt (auch) die Anwendung des § 242 BGB unter dem Aspekt des Rechtsmissbrauchs in Betracht. Die Stadt Duisburg hat urheberrechtliche Unterlassungsansprüche förmlich konstruiert, um eine unliebsame Veröffentlichung zu verhindern. Die Stadt Duisburg hat sich Unterlassungsansprüche einer Anwaltskanzlei abtreten lassen, die sich auf Datenbankschutz stützen. Und dieser Schutz soll wiederum daraus resultieren, dass die Kanzlei die fraglichen Dokumente zu einer Datenbank i.S.d. UrhG zusammengefasst haben. Wenn man hierin keinen Rechtsmissbrauch sieht, dann gibt es wohl nie einen.
M.E. liegen damit bereits mehrere Umstände vor, von denen schon jeder Einzelne für sich ausreichend wäre, um einen Unterlassungsanspruch abzulehnen.
Comment by Stadler — 22.08, 2010 @ 21:59
Gut, dann sind wir uns wohl nicht einig, denn mir fallen durchaus eindeutigere Fälle von Rechtsmissbrauch ein als den hiesigen. Inwiefern außerdem der Gies-Adler-Fall hier herein passt, ist mir nicht klar, zumal es dort heißt:
„Mit Recht wendet sich die Revision allerdings gegen die Annahme des Berufungsgerichts, das Verhalten der Beklagten könne trotz des Vorliegens aller Tatbestandsmerkmale einer Urheberrechtsverletzung aufgrund einer verfassungsrechtlichen Güter- und Interessenabwägung gerechtfertigt sein.“
@Petring: Mit freihändiger Abwägung meine ich, dass man nicht einfach, nachdem man alle Schranken durch hat, eine Abwägung zwischen Eigentumsrechten und Kommunikationsfreiheiten vornimmt und das Ergebnis dann zurechtbiegt (siehe auch die zitierte Passage des BGH-Urteils).
(Sicherlich nicht nur) Ich bin gespannt auf den Ausgang des jetzt von Star-Urheberrechtsanwalt Vetter betreuten Verfahrens.
Comment by ElGraf — 22.08, 2010 @ 22:57
„Datenbankhersteller“…!? Ich glaub‘, ich les‘ nicht richtig!
Die werden immer bekloppter auf der Luxemburgerstraße! Bei aller Liebe, aber langsam frage ich mich ob die da noch sauber ticken oder ob man die nicht besser ‚mal zwangseinweisen sollte!?
„Datenbankhersteller“… daß ich nicht lache!
Wie haben die Anwälte die (vermeintliche) Datenbank denn hergestellt? Na? Obwohl: Ich ziehe diese Frage zurück, denn die Frage setzt voraus, daß der Begriff „Datenbank“ klar ist.
Von daher: Wissen die Anwälte überhaupt, was eine „Datenbank“ ist? Weiß das LG Köln das überhaupt? In dem Zusammenhang: War die Frau Richterin Reske evtl. involviert?
Comment by Baxter — 23.08, 2010 @ 06:24
Lieber Baxter,
weißt Du denn, was eine Datenbank ist?
http://www.gesetze-im-internet.de/urhg/__87a.html
Comment by ElGraf — 23.08, 2010 @ 12:18
Lieber El Graf (#32):
Ja, der Paragraph ist mir in der Tat bekannt. Mir ist dabei auch vollkommen klar, daß ich hier nicht von der rein technischen Seite kommen „darf“… muss und will ich aber m.E. auch gar nicht, hier liegen in meinen Augen die typischen Schwierigkeiten hinsichtlich Urheberrecht vs. Leistungsschutzrecht vor. Also in dem Fall die Urheberrechte am Datenbankwerk gegenüber den Leistungsschutzrechten eines Datenbankherstellers!
Aber nehmen wir doch einfach die Fakten zur Hand (gemäß den Schilderungen seitens Udo Vetter). So schreibt Herr Vetter in seinem blog z.B. folgendes:
D.h. die Stadt Duisburg hat durch seinen Stellvertreter, den Bürgermeister, ein Gutachten in Auftrag gegeben, welches von 2 (oder mehr) weiteren Juristen angefertigt wurde, d.h. die vermeintliche Urheberin (§ 7 UrhG) und vermeintliche Miturheber (§ 8 UrhG) machen aus dem Anhang eines beauftragten Gutachtens „irgendwie“ ein urheberrechtlich geschütztes Datenbankwerk! Interessant…
1. Die Fragestellung des Auftraggebers, die i.d.R. den Umfang eines Gutachtens bestimmt, zielte auf die Beantwortung der Frage nach den „Zuständigkeiten und der Aufgabenerfüllung“ der Stadt Duisburg.
2. Ohne es zu wissen und ohne es überprüft zu haben gehe ich persönlich davon aus, daß die Frau Anwältin keine öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige ist und die Beauftragung im Grunde über § 34 RVG abgewickelt wurde. Das hieße, daß das Gutachten quasi sowieso vom Steuerzahler (also von der Allgemeinheit) bezahlt wurde. Ich bezweifel nämlich, daß das der Herr Sauerland das aus seiner eigenen Tasche finanziert hat.
Und hier liegt der dicke Fehler, der mich persönlich bereits seit Jahren verfolgt (bei meinem Hobby: „Kampf gegen den Abmahnwahn“): Urheber = Datenbankwerk (§ 4 UrhG), Inhaber verwandter Schutzrechte = Datenbank (§ 87a UrhG)
Wenn die Anwältin und ihr Kollege also Urheberrechte geltend machen, dann reden wir in diesem Zusammenhang und bezogen auf die Anwältin auch bitte nicht vom verwandten Schutzrecht, sondern bitte gefälligst vom Urheberrecht und in dem Zusammenhang auch brav vom §4 UrhG!
3. Bei einem Anhang eines Gutachtens ist die schöpferischen Leistung bei der Auswahl und Anordnung hinsichtlich Systematik und Methodik des Anhangs doch mehr als fraglich. Zumal das eigentliche Werk (also das Gutachten als solches)gar keine Bedeutung zu haben scheint. Selbst aus dem Zwischenbericht ist klar ersichtlich, daß der Anhang (wie es für einen Anhang eines Gutachtens auch völlig zu erwarten ist) die Feststellungen des Gutachtens untermauern sollen bzw. die Schlußfolgerungen (für den Laien) nachvollziehbar bzw. (für den Experten) nachprüfbar machen! Siehe: http://www.duisburg.de/news/medien-12/Zwischenbericht_Loveparade.pdf
Fakt ist, daß die Begründung der Anwaltskanzlei Blödsinn ist und im Grunde nur deren Inkompetenz aufzeigt! Da die Anwälte aber im Grunde lediglich Blätter soritert haben ist es durchaus möglich, daß sie sich selbst als „Datenbankhersteller“ sehen, nur dann wären sie keine Urheber eines Datenbankwerkes und könnten auch logischerweise keine Nutzungsrechte in der Position des Urhebers (gemäß §31 UrhG) einräumen!
Weiter heißt es bei Udo Vetter:
Das hätten die in meinen Augen übrigens bereits ab dem Zeitpunkt der Auftragannahme sowieso abgetreten –> Auftrag, Gutachtenerstellung, Gebühr gemäß § 34 RVG, Aus die Maus. OK, darum geht es ja nicht…
M.E. formuliert der Herr Vetter diesbzgl. im Grunde sehr unsauber, denn das Urheberrecht ist nicht übertragbar, siehe § 29 UrhG!
Da die Stadt Duisburg in dem vorliegenden Fall aber einen Anspruch auf Unterlassung gemäß § 97 UrhG geltend macht, MÜSSEN entsprechende Nutzungsrechte gemäß § 31 UrhG EINGERÄUMT worden sein. In dem Fall mit der Nutzungsart gemäß § 87c UrhG (vervielfältigen, verbreiten, öffentlich wiedergeben). Sollten die Anwälte (s.o.) dabei bleiben, selbst auch „nur“ der Datenbankhersteller zu sein, dann hätten die das ausschließliche Nutzungsrecht gemäß §31 Abs.3 … von wem auch immer!
Zusammengefasst:
– Die Anwälte geben vor, Urheber eines Datenbankwerkes zu sein, argumentieren aber gleichzeitig aus der Position des Inhabers verwandter Schutzrechte.
– Die Stadt Duisburg macht Ansprüche auf Unterlassung gemäß §97 UrhG geltend. Und zwar basierend auf dem §87b UrhG
– Die Stadt Duisburg hat das Gutachten in Auftrag gegeben und die erbrachte Leistung (vermutlich) mit öffentlichen Mitteln gemäß § 34 RVG vergütet. Von der Beauftragung eines Datenbankwerkes kann nicht ausgegangen werden, weswegen die Einräumung entsprechender Nutzungsrechte ebenfalls skeptisch betrachtet werden dürfen.
– Wenn die Stadt Duisburg vorgibt, die auschließlichen Nutzungsrecht entsprechend der Nutzungsart (Lizenz) eingeräumt bekommen zu haben, dann stellt sich die Frage nach der angemessenen Vergütung für die Nutzung des Werkes.
– Das Argument „wesentliche Investition“ betrifft den Datenbankhersteller, also den Leistungsschutzrechteinhaber. Der BGH hatte diesbzgl. folgendes festgehalten (BGH, Urteil vom 30. 4. 2009 – I ZR 191/ 05)
Comment by Baxter — 23.08, 2010 @ 16:31
Oh, das wollte ich nicht, dass ich mit so einer kurzen Nachfrage so viel Arbeit hervorrufe, die ich auch gar nicht gebührend würdigen kann/will. Im Prinzip musste ich aufhören zu lesen, als von den „Fakten (gemäß den Schilderungen seitens Udo Vetter)“ die Rede war. Denken Sie wirklich, dass Herrn Vetters Schilderungen verlässliche Rückschlüsse über die „Fakten“ zu entnehmen sind?
Vielleicht raffe ich mich noch mal auf, alles zu lesen, kann es aber derzeit nicht versprechen.
Comment by ElGraf — 23.08, 2010 @ 20:33
@El Graf (#34), ist doch kein Problem. Es herrscht doch kein Zwang!
Dennoch möchte ich dich kurz darauf aufmerksam machen, daß du in deinem posting (sicherlich versehentlich) auf das Leistungsschutzrecht hinweist (§87a UrhG), wobei es ja in dem Fall im Bezug auf den Urheber §4 UrhG heißen muss (i.V.m. mit dem Datenbankwerk). Die Stadt Duisburg erwirkt also als Inhaber verwandter Schutzrechte (§87b UrhG), d.h. hier als Datenbankhersteller eine Unterlassung gemäß §97 UrhG wegen der Verletzung der entsprechenden Rechte gemäß Nutzungsart. Allerdings ist das Urheberrecht nicht übertragbar (§29 UrhG), weswegen der Stadt Duisburg ein ausschließliches Nutzungsrecht (§ 31 UrhG) vom Urheber eingeräumt worden sein müsste. Richtig?
Ich würde mich sehr freuen, wenn du mir in dem Zusammenhang erklären würdest, inwiefern dem Inhaber des verwandten Schutzrechtes (also der Stadt Duisburg) „wesentliche Investitionen“ hinsichtlich der Datenbankherstellung entstanden sein sollen und wie dann eine diesbzgl. „angemessene Vergütung“ an den Urheber des Datenbankwerkes (Vgl. §11 UrhG) durch die Ausübung des Nutzungsrechtes aussehen könnte. Dabei evtl. mit dem folgenden Satz des BGH im Hinterkopf (Quelle: http://tinyurl.com/337uv9j):
Vielen Dank und liebe Grüße aus Kölle, Baxter
__________________________
–> http://tinyurl.com/347ocso
–> http://tinyurl.com/35u5vu2
–> http://tinyurl.com/35x7wup
Comment by Baxter — 23.08, 2010 @ 22:48
Halbwissen ist (nicht nur, aber auch) im juristischen Bereich besonders gefährlich.
Comment by ElGraf — 24.08, 2010 @ 18:52