Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

25.4.10

Enttäuscht vom Rechtsstaat

In der Freisinger SZ, einem Regionalteil der Süddeutschen, wird in der Ausgabe vom 24./25.April 2010 über den Fall eines jungen Freisingers berichtet, der anlässlich des Besuchs von Papst Benedikt in der Domstadt im Jahre 2006 nicht in den allgemeinen Jubel einstimmen wollte, sondern stattdessen ein Transparent mit der Aufschrift „Diskriminierung, Verleugnung…Kirche – Nein Danke!“ am Küchenfenster der elterlichen Wohnung angebracht hatte. Dieses Transparent hing dort allerdings nicht sehr lange, denn die Wohnung wurde von einem Einsatzkommando der Polizei gestürmt und das Transparent entfernt. Gegen diese unheilige Allianz aus bayerischer Polizei und katholischer Kirche, zu Lasten der Meinungsfreiheit, hat der Betroffene vergeblich versucht, mit Hilfe des Strafrechts vorzugehen.  Die Justiz weigerte sich, Strafverfahren gegen die beteiligten Polizeibeamten einzuleiten. Hiergegen hat der Betroffene schließlich Verfassungsbeschwerde erhoben, die allerdings, wie die SZ berichtet, vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen worden ist. Die für jeden Juristen nachvollziehbare Begründung lautete, dass der Rechtsweg nicht ausgeschöpft wurde. Vor Erhebung einer Verfassungsbeschwerde hätte die Rechtswidrigkeit der polizeilichen Maßnahme nämlich vor den Verwaltungsgerichten angegriffen werden müssen. Das ist keine Willkür des Verfassungsgerichts, sondern ergibt sich so aus dem Gesetz. Denn zwei Senate des Verfassungsgerichts mit ihren nur 16 Richtern können eben nicht unmittelbar mit jeder rechtswidrigen Maßnahme des Staates befasst werden. Es wäre in diesem Fall deshalb notwendig gewesen, sogleich das Verwaltungsgericht zu bemühen und nicht auf Strafanzeigen gegen die Polizeibeamten zu setzen.

Dass allerdings derartig rechtswidrige Maßnahmen der Polizei immer noch möglich sind und auch keinerlei dienstrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, gibt Anlass zur Besorgnis.

posted by Stadler at 13:08  

8 Comments

  1. Der Artikel „Polizeistaat zu Ehren Gottes?“ unter http://hpd.de/node/2561 führt das ganze für nicht SZ Abonnementen noch einmal näher aus. Bleibt abzuwarten, wie der Kläger vor den Verwaltungsgerichten voran kommt.

    Comment by Christoph — 25.04, 2010 @ 14:12

  2. Zwei Anmerkungen:

    1) § 93 Abs. 2 BVerfGG:
    „Das Bundesverfassungsgericht kann
    jedoch über eine vor Erschöpfung des Rechtswegs eingelegte Verfassungsbeschwerde sofort
    entscheiden, wenn sie von allgemeiner Bedeutung ist oder wenn dem Beschwerdeführer ein
    schwerer und unabwendbarer Nachteil entstünde, falls er zunächst auf den Rechtsweg
    verwiesen würde.“ – Das Bundesverfassungsgericht hätte also durchaus etwas unternehmen können -wenn es gewollt hätte.
    2) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann u.U., wenn rechtzeitiger Rechtsschutz nicht möglich war, (z.B. bei rechtswidrigen Durchsuchungen) die Rechtswidrigkeit des Verwaltungshandelns auch nach der Erledigung im Wege der Feststellungsklage festgestellt werden.

    Comment by A. Fischer, RA und CPA (USA) — 26.04, 2010 @ 11:18

  3. Mich würde mal interessieren, was man im Vorfeld tun kann, um solche Willkür zu vermeiden. Als ich beim letzjährigen CSD in Stuttgart mit einem Schild darauf hinwies, daß einige Pius-brüder der Holokaust verharmlosen, wurde ich nach ca. 10min von einer Polizeibeamtin aufgefordert den Platz zu räumen. Auf meine Nachfrage, weshalb ich dies tun solle, antwortete sie, daß sie die öffentliche Ordnung wahren müssten. Ich entgegnete, welche Bedrohung von mir als Einzelperson den aus gehen würde und daß die christlichen Pius-Anhänger hinter mir ja wohl ebenfalls kaum Handgreiflich werden würden.
    Nach einigem Hin- und her gab ich halt auf und ging weiter. Das will ich mir eigentlich nicht noch einmal gefallen lassen. Wenn schon, dann sollen – bitteschön – die Pius-Brüder gehen, denn diese stören ja wohl offensichtlich den CSD und nicht ich mit meinem Schild.

    Comment by ixtinct — 26.04, 2010 @ 11:24

  4. Stimmt so auch nicht ganz.

    Ich habe mal vor einem Verwaltungsgericht gegen eine Maßnahme einer Universität geklagt. Bei der Vorstellung der Kandidaten einer Rektorwahl hatte man mich aus dem Hörsaal gewiesen, nachdem ich unerwünschte Fragen gestellt hatte (ich hatte die drei Kandidaten danach gefragt, wie gut sie sich mit Prüfungsrecht auskennen, da es damals Aufgabe des Rektors war, über Widersprüche zu entscheiden. Der erste wußte nicht, was das, ist. Die zweite meinte, es hätte was mit Buchhaltung zu tun. Der dritte meinte, das solle man den Juristen überlassen….)

    Das Gericht hielt die Klage für unzulässig, weil es gegen eine bereits erfolgte und nicht mehr rückgängig zu machende Tatsache ging, obwohl man durchblicken ließ, daß man es für in der Sache rechtswidrig hielt. Zitat des vorsitzenden Richters: „Ist der Hund erst tot, kann der Richter auch nichts mehr machen.“

    Ähnlich war es in einer Sache wegen einer E-Mail-Sperre (selbes Gericht, selbe Uni), bei mir das Gericht dann aber ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse anerkannte und die Rechtswidrigkeit feststellte (aber auch nur, weil ein anderes Gericht bereits die Strafbarkeit bestätigt hatte und strafbare Handlungen verwaltungsrechtlich nicht zulässig sein können). Genutzt hat es aber nichts, weil der Verwaltung nichts passiert, wenn sie sich darüber hinwegsetzt. Verwaltungsgerichte haben keine Gerichtsvollzieher gegen die Verwaltung.

    Also ist der Verwaltungsrechtsweg im Prinzip wirkungslos und manchmal sogar unzulässig.

    Comment by Hadmut Danisch — 26.04, 2010 @ 13:03

  5. Das mit dem Kreuz- und Glockenfaschismus ist das eine. Das mit dem Rechtsstaat (Was für ein….. und WESSEN) ist ein anderes Problem. Ein Grundsätzliches!
    Mein Name kann gegoogelt werden. Die Dokumentation wie ein Rechtsstaat aus einem Opfer einen Täter macht. Niemand interessierts!
    Das hatten wir doch schon mal, somit ergibt sich für mich der Eindruck dass der Faschismus (deutsch)genetischem Ursprungs ist.

    Comment by Helmut Karsten — 26.04, 2010 @ 15:25

  6. P.S. „Dieses pseudostaatliche Gebilde hat nichts anderes als den baldigen Untergang verdient und jeder, der es „Rechtsstaat“ nennt, sollte auf seinen Geisteszustand untersucht werden! omg, http://www.helmutkarsten.de

    Comment by Helmut Karsten — 26.04, 2010 @ 15:40

  7. „Diskriminierung, Verleugnung…Kirche – Nein Danke“
    So ein Transparent gehört tatsächlich abgehängt.

    Dass sich nahezu niemand über die Kirche (und speziell bzgl. der V2-Sekte) Gedanken macht, sondern statt dessen nur den Hexenkessel der Gerüchteküche weiter anheizt, gibt Anlass zur Besorgnis.

    Comment by Pater Rolf Hermann Lingen — 26.04, 2010 @ 20:59

  8. Pater Rolf… alias PRHL „glaubt“ ja auch „Homosexualität sei eine heilbare Krankheit […] und verlangt die Bestrafung von Homosexuellen, die ihre Neigung ausleben“ siehe
    http://esowatch.com/ge/index.php?title=Rolf_Hermann_Lingen
    Eine, wie ich meine, extreme Aussenseitermeinung, welche mit logischem Denken und einem humanistischen Weltbild unvereinbar ist.
    Auch das Gebot „liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ wird damit aufs perversete missachtet.
    Meine Meinung „Herr Pater“: schämen sie sich und halten’s Maul.

    Comment by ixtinct — 26.04, 2010 @ 23:46

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