Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

25.8.09

Verfassungsrichter Di Fabio sieht durch das Internet die Pressefreiheit bedroht

Der Richter am Bundesverfassungsgericht Udo Di Fabio sieht die Pressefreiheit bedroht und zwar durch das Internet. In der WZ wird er u.a. folgendermaßen zitiert:

„Kommerzielle oder anonym auftretende politische Interessengruppen können die scheinbare Anarchie des Netzes für ihre Zwecke geschickt nutzen.“ (…) „Wer schreibt für Wikipedia, das jeder Schüler als digitales Lexikon ohne zu zögern konsultiert? Warum zeigt sich das Gesicht der Kommunikationsteilnehmer nicht offen im Netz?“

Hier hängt ein konservativer Geist zu sehr einer tradierten Vorstellung von Presse nach. Gerade die Vorbehalte gegenüber Wikipedia sind nicht neu, werden aber jeden Tag durch die insgesamt hohe Qualität dieses von Nutzern geschaffenen Online-Lexikons widerlegt. Warum Wikipedia funktioniert, wird vermutlich noch Gegenstand zahlreicher wissenschaftlicher Untersuchungen sein. Dass es funktioniert, steht aber außer Frage. Die Antwort gibt vielleicht ein Phänomen, das man als Kollektiv- oder Schwarmintelligenz bezeichnen könnte.

Die Aussage von Di Fabio, dass es ohne freie Presse keine Demokratie gibt, würde ich sofort unterschreiben. Aber wer sagt, dass die Aufgabe einer freien Presse ausschließlich von Presseorganen im herkömmlichen Sinne wahrgenommen werden kann? Es gibt mittlerweile eine Fülle qualitativ hochwertiger Blogs und viele Dinge werden heute zuerst über das Netz publiziert und dann von traditionellen Medien übernommen.

Die Reaktion von Udo Di Fabio erscheint mir typisch für Menschen, die nicht viel mit dem Internet arbeiten und denen das Internet irgendwie unheimlich ist und als Bedrohung erscheint.

Das ist es aber nicht. Der mündige Bürger kann sich heute viel umfassender und besser informieren, als dies vor 20 Jahren der Fall war.

Die scheinbare Anarchie des Netzes ist eine Schimäre. Das Netz kontrolliert und reguliert sich selbst sehr gut. Um das zu erkennen, muss man aber mit dem Medium und seinen Wirkweisen vertraut sein.

posted by Stadler at 13:45  

Keine Kommentare

  1. Die Zusammenfassung der WZ halte ich für irreführend.

    Der Volltext der Ansprache steht online (die Aussagen zum Internet finden sich im zweiten Teil):
    Erster Teil:
    http://www.solinger-tageblatt.de/Home/Solingen/Ohne-freie-Presse-gibt-es-keine-Demokratie-d1a2b4a0-ed9d-46ed-a2dd-b80186f14187-ds

    Zweiter Teil:
    http://www.solinger-tageblatt.de/Home/Solingen/Fortsetzung-Leuchturm-im-offenen-Meer-der-Information–d5fa8ae7-d87c-4475-bb55-9a34d5eb34e9-ds

    Comment by Marc B. — 25.08, 2009 @ 14:50

  2. Etwas ähnliches gibt es auch bei den traditionellen Medien zu beobachten. Die Praxis des "Astroturfing", also Lobbygruppen tarnen sich z.B. als Bürgerinitiativen und verschleiern, in wessen Auftrag sie auftreten, wird ja nicht nur gegenüberder Politik angewandt, sondern auch gegenüber traditionellen Medien. So wurden schon häufiger von Lobbyisten fertige Radio- oder TV-Beiträge produziert, die dann auch tatsächlich gesendet wurden. Dem Zuhörer/Zuschauer wurde nicht mitgeteilt, von wem der Beitrag eingekauft wurde.

    Comment by Stefan — 25.08, 2009 @ 18:34

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