Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

21.4.09

Der Gesetzesentwurf zur Bekämpfung der Kinderpornografie genauer betrachtet

Der neue Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen ist online.

Das Gesetz führt einen neuen § 8a TMG ein, der mit „Bekämpfung der Verbreitung von Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen“ überschrieben ist.

Die Sperrliste beim BKA soll nicht nur Sites mit kinderpornografischem Inhalt erfassen, sondern auch verweisende Sites. (§ 8a Abs. 1 TMG-E). Man wird sehen, welche Linkketten ausreichend sind, um auf die Sperrliste zu gelangen. ;-) Damit dürfte aber auch klargestellt sein, dass die einschlägigen Veröffentlichungen von Sperrlisten z.B. auf Wikileaks ebenfalls auf der Sperrliste des BKA auftauchen werden. Und das führt dann natürlich bei der von den Providern zumeist prakizierten DNS-Manipulation dazu, dass alles was unter einer Second-Level-Domain läuft, komplett ausgeblendet wird. Also kein Wikileaks mehr in Deutschland. Und das wäre dann wiederum eine Maßnahme – ich sage es nur sehr ungern – die tatsächlich wie eine echte Vorzensur wirkt.

Ausgenommen von der Sperrpflicht sind außerdem Provider mit weniger als 10.000 Teilnehmern bzw. Nutzungsberechtigten. Außerdem beschränkt sich die Pflicht auf Anbieter die ihre Leistung in der Regel gegen Entgelt erbringen (§ 8a Abs. 2 TMG-E). Damit dürfte z.B. auch das DFN ausgenommen sein. Die Gesetzesbegründung spricht sogar ausdrücklich davon, dass alle staatlichen Einrichtungen (Behörden, Bibliotheken, Universitäten, Schulen)ausgenommen sein sollen. Das allerdings ist wenig konsequent, weil über diese staatlichen Internetzugänge bekanntlich auch Privatnutzung in großem Umfang stattfindet.

Die Sperrlisten sind von den Providern außerdem geheim zu halten (§ 8a Abs. 3 TMG-E). Wie gut das funktioniert, werden wir sehr bald sehen, wenn die ersten Sperrlisten auf Wikileaks oder in Blogs auftauchen.

Die Provider loggen nunmehr entgegen früher Verlaubarungen der Bundesregierung doch IP-Adressen und dürfen diese auf Anforderung an Strafverfolgungsbehörden übermitteln (§ 8a Abs. 4 TMG-E). Wer also eine „gesperrte“ Site aufruft, muss mit einem Ermittlungsverfahren rechnen.

Das Gesetz schränkt das Grundrecht aus Art. 10 GG ein (§ 8a Abs. 10 TMG-E). Damit soll das sog. Zitiergebot (Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG) erfüllt werden.

Auch wenn Art. 5 GG nach der Rechtsprechung des BVerfG nicht dem Zitiergebot unterliegt, wird in materieller Hinsicht die durch das Gesetz bewirkte Einschränkung der Informationsfreiheit von zentraler Bedeutung sein, wenn es an die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit geht.

Die Gesetzesbegründung wiederholt außerdem eine ganze Reihe von unrichtigen Tatsachenbehauptungen, worauf in diesem Blog mehrfach hingewiesen wurde.

Es gilt meines Erachtens den Abgeordneten des Bundestages klarzumachen, dass dieses Gesetz nicht verfassungskonform ist und u.a. auch dazu führen wird, dass wichtige und nützliche unabhängige Informationsquellen gesperrt werden.

posted by Stadler at 14:07  

5 Comments

  1. Eine GEHEIME Verbotsliste wird eh vom EuGH angemeckert werden – da gibt es schon einen Präzedenzfall zu: http://curia.europa.eu/jurisp/cgi-bin/form.pl?lang=DE&Submit;=rechercher&numaff;=C-345/06

    Comment by jnievele — 21.04, 2009 @ 14:58

  2. Werden die Strafverfolger nicht eigentlich selber straffällig, wenn
    sie eine Straftat zur Kenntnis nehmen und sie dann nicht verfolgen,
    sondern nur eine Domain auf eine „privatrechtliche“ Sperrliste
    setzen? Ich dachte immer da besteht eine Verfolgungspflicht für
    Polizeibeamte (Legalitätsprinzip).

    http://de.wikipedia.org/wiki/Legalit%C3%A4tsprinzip

    Comment by Anonymous — 21.04, 2009 @ 18:16

  3. Wieso „Kein wikileaks mehr in Deutschland“? Bisher war doch eine Hauptkritik an der Umleitung auf das Stoppschild, dass sie so leicht zu umgehen sei. Lässt es sich nun umgehen oder nicht?

    Comment by Henning Ernst Müller — 21.04, 2009 @ 21:37

  4. Was denn, sollte es tatsächlich Bundestagsabgeordnete in Regierungsparteien geben, denen Verfassungsmäßigkeit in Gesetzen nicht völlig schnurzpiepegal ist? Bisher sah das nicht so aus; vielleicht mal Bauchschmerzen, aber das war es dann.

    Es wird Zeit, daß das Formulieren und Zustimmen von verfassungsfeindlichen Gesetzen endlich mit spürbaren Konsequenzen für »unsere« Pseudo-Politiker endet: Entlassung als Minister, Kürzung von Diäten, Verlust der Rentenansprüche. Erst dann werden sie sich überlegen, weiterhin verfassungsfeindliche Gesetze zu verabschieden.

    @Henning Ernst Müller:

    Das Stoppschild läßt sich leicht umgehen. Jedoch nur für die Leute, die wissen, wie es geht und die eben die drei Klicks durchführen. Die große Mehrheit der Bevölkerung wird sich damit jedoch nicht beschäftigen (die meisten wissen vermutlich nicht einmal, daß das Internet zensiert wird und wie leicht sie es umgehen könnten) und ist damit von der Zensur direkt betroffen.

    Auch in China gibt es zahlreiche Bürger, die sich hinter der Great Firewall frei informieren, obwohl diese deutlich anspruchsvoller aufgebaut ist als unsere laienhafte Internetzensur.

    Comment by Weirdo Wisp — 22.04, 2009 @ 11:09

  5. Das ganze wirkt schon im Ansatz sehr stümperhaft, sowohl technisch wie rechtlich, eher ein Versuchsballon.

    Comment by Emil Blume — 11.07, 2009 @ 19:28

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