Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

19.1.09

Was gegen Netzsperren zur Bekämpfung der Kinderpornografie spricht

Familienministerin von der Leyen hat sich nach Pressberichten (u.a. SZ vom 16.01.09, S. 5) mit den Innen- und Wirtschaftsministern, den 7 größten Providern, drei Verbänden und dem BKA darauf verständigt, dass die Internetprovider sog. elektronische Zugangssperren zur Bekämpfung von Kinderpornografie im Internet einrichten sollen.

Grund genug, einen Überblick zu geben, der die tatsächlichen Hintergründe und Probleme dieses Vorhabens verdeutlicht.

1. Handelt es sich tatsächlich um eine Sperrung von kinderpornografischen Inhalten?

Nein, der Begriff der Sperrung ist irreführend. Es werden nämlich keine Inhalte aus dem Internet verbannt. Die deutschen Zugangsprovider haben keinerlei Zugriff auf fremde Inhalte und können demzufolge diese Inhalte auch nicht sperren. Die Zugangsprovider versuchen deshalb zu verhindern, dass ihre eigenen Kunden auf diese Inhalte zugreifen, indem man durch technische Manipulationen die Inhalte vor den Nutzern verbirgt. Diese Inhalte bleiben aber im Netz und sind auch weiterhin weltweit erreichbar.

2. Können die geplanten „Sperren“ die große Masse der kinderpornografischen Inhalte erfassen?

Nein. Nur ein geringer Bruchteil des kinderpornografischen Materials das über das Internet verbreitetet wird, ist über Webseiten abrufbar. Hauptumschlagsplatz für solche Inhalte sind vielmehr sog. Peer-To-Peer Netzwerke und Chat-Plattformen. Diese werden von den geplanten Maßnahmen überhaupt nicht erfasst.

3. Wie funktionieren diese Netzsperren technisch?

Praktiziert wird derzeit primär die Methode der sog. DNS-Sperrung. Das sog. Domain Name System (DNS) basiert darauf, dass die vom Nutzer eingegebene Klartext-URL (www.xyz.de) an einem sog. Domain-Name-Server in eine numerische Adresse (sog. IP-Adresse) umgewandelt wird. Durch diese IP-Adresse wird der Server, auf dem die zu sperrenden Inhalte liegen adressiert. Der Zugangsprovider, der den Domain-Name-Server betreibt, kann den dortigen Eintrag nunmehr so ändern, dass sein Kunde nicht mehr zu dem eigentlichen Server weitergeleitet wird, sondern woanders hin oder aber eine Fehlermeldung erhält.

4. Ist eine sog. DNS-Sperre leicht zu umgehen?

Ja. Im Netz finden sich haufenweise Anleitungen zur Umgehung solcher DNS-Sperren, die auch für wenig versierte Nutzer einfach zu realisieren ist. Man muss lediglich im Browser einen anderen DNS-Server eintragen, als den des eigenen Providers. Der Chaos Computer Club (CCC) hat dies anschaulich erläutert.

5. Wird durch diese Sperrung tatsächlich der Zugang für die große Masse der durchschnittlich versierten Internetnutzer blockiert, wie die Bundesregierung behauptet?

Möglicherweise, allerdings nur für Inhalte des WWW. Die meisten kinderpornografischen Inhalte werden aber wie gesagt ohnehin aus anderen Quellen bezogen. Die Frage ist allerdings auch, ob sich Menschen mit pädophilen Neigungen, die sich im Web gezielt auf die Suche nach solchen Inhalten begeben, wie normale, durchschnittliche Internetnutzer verhalten. Wer bestimmte Inhalte unbedingt haben will, der ist auch darüber informiert, wie er triviale Blockaden umgehen kann. M.E. sind diese Maßnahmen dehsalb nicht geeignet, die Verbreitung von kinderpornografischen Inhalten nennenswert einzudämmen.

6. Ist es richtig, dass in anderen Staaten (Norwegen, Schweden, England) beträchtliche Erfolge mit solchen Maßnahmen erzielt werden?

Dies wird zumindest behauptet. Sieht man sich aber beispielsweise die schwedische Sperrliste an, so soll es sich bei nur ca. 1 % der Webseiten die auf dieser Sperrliste stehen, tatsächlich um kinderpornografische Inhalte handeln.

Es ist außerdem wohl unklar, wie oft diese „Sperren“ anschließend umgangen werden. Die politik hat auch kein Interesse daran, dies zu erforschen.

7. Besteht die Gefahr, dass durch solche Sperrungen legale Inhalte in Mitleidenschaft gezogen werden und quasi mitgesperrt werden?

Ja, diese Gefahr besteht entgegen der Behauptungen der Bundesregierung. Ein aktuelles prominentes Beispiel ist die Sperrung der kompletten Wayback Machine (archive.org) in England. Derartige „Sperrungen“ beinträchtigen also immer wieder den freien Zugang zu Informationen und damit das Grundrecht der Bürger auf Informationsfreiheit.

8. Warum fordert die Bundesregierung gerade jetzt solche Sperren?

Das ist in der Tat eine interessante Frage, nachdem das Thema seit vielen Jahren bekannt ist.

Man kann nur mutmaßen, dass ein Zusammenhang mit dem „Superwahljahr 2009“ besteht.

In jedem Fall möchte die Politik dem Bürger vorgaukeln, dass sie handelt und entschlossen gegen Kinderpornografie vorgeht. Dabei schreckt man leider auch nicht vor der gezielten Irreführung und Desinformation des Bürgers zurück.

posted by Stadler at 08:45  

3 Comments

  1. Ich stehe dem Ganzen sehr kritisch Gegenüber. Aber bei allen Argumenten dagegen, sollte auch ein Argument dafür nicht vernachlässigt werden: DNS-Sperren „leicht“ erreichbaren Inhaltes haben den Vorteil, die Anzahl der Fälle zu reduzieren, in denen Unschuldige wg. Kinderpornografie verfolgt werden, siehe Prefetching. Wie wäre es andersherum mit einen zensierten DNS-Dienst, den ich wähle, wenn ich mich beschränken lassen möchte, um sicher zu gehen?

    Comment by Anonymous — 20.01, 2009 @ 08:48

  2. Hallo,

    unter 4. wird eine Methode zum Umgehen der DNS-Sperre beschrieben. Muss man bei Windows dazu den DNS-Server nicht in der Netzwerkeinstellung statt im Browser einstellen? Bei anderen Betriebssystemen dürfte es kaum anders sein, allerdings habe ich die Situation hier nicht im Kopf.
    Vielleicht verwechseln Sie hier ja Proxy und alternativer DNS-Server. Proxies kann man in Browsern eintragen (z.B. bei Opera).
    Beides wären effektive Methoden zur Umgehung der offensichtlich etwas lächerlichen Netzsperre. :)

    MfG

    Comment by Anonymous — 24.01, 2009 @ 17:41

  3. dns-sperren. lächerlich.

    Comment by Anonymous — 20.02, 2009 @ 13:00

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