Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

11.12.08

Schäuble, der Datenschutz und die Onlinedurchsuchung

Die Zeitungen sind heute voll mit der Meldung über einen neuen Gesetzesenwtwurf der Bundesregierung zur Eindämmung des illegalen Datenhandels. Eine Verarbeitung von Adressdaten für Werbezwecke oder zum Zwecke der Marktforschung soll ausnahmslos nur noch mit Zustimmung des Betroffenen erlaubt sein. Dadurch will Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble die Datensammelwut der Privatwirtschaft eindämmen und die personenbezogenen Daten der Bürger besser schützen.

Mit der Normierung der Onlinedurchsuchung im neuen BKA-Gesetz und der Vorratsdatenspeicherung verfolgt Herr Schäuble für staatliche Stellen allerdings ein gegenläufiges Konzept. Die Befugnisse Daten und Informationen über den Bürger zu sammeln, werden laufend ausgeweitet. Vorgeblich zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und damit zum Schutz des Bürgers nimmt der Staat in immer stärkerem Maße Einblick in die Privatsphäre der Bürger.

In beiden Fällen geht es um das Vertrauen der Menschen in die Vertraulichkeit ihrer persönlichen Daten, um das Vertrauen in Datensicherheit und -integrität.

Bei der Onlinedurchsuchung muss sich der Staat sogar Hackermethoden bedienen, er muss gezielt Daten und Informationssysteme manipulieren, um so die Festplatten von Bürgern durchstöbern zu können.

Beide Konzepte, nämlich einerseits die Daten der Bürger besser schützen zu wollen, andererseits aber die Datensammelbefugnisse des Staates immer stärker auszuweiten, stehen in einem unauflösbaren Gegensatz. Ein Staat, der selbst immer mehr Daten sammelt und im Falle der Onlinedurchsuchung sogar Daten manipuliert, macht sich unglaubwürdig, wenn er gleichzeitig besseren Schutz gegen privaten Datenhandel verlangt.

Der Staat zeigt durch seine Gesetzegebung, dass ihm der Schutz der Vertraulichkeit und der Privatspähre des Einzelnen nicht viel bedeutet. Und dies hat Auswirkungen auf das Handeln der Privatwirtschaft und Vorbildfunktion für den Missbrauch von Daten in allen Bereichen.

Die tragenden Prinzipien des Datenschutzes sind Datenvermeidung, Datensparsamkeit und Datensicherheit. Diese Grundsätze werden vom Staat bei der Vorratsdatenspeicherung und der Onlinedurchsuchung nicht beachtet. Ein Staat, der sich derart widersprüchlich verhält, wird es zunehmend schwerer haben, von anderen die Einhaltung dieser Prinzipien einzufordern.

Wolfgang Schäuble begründet die Ausweitung der technischen Überwachungs- und Eingriffsbefugnisse stets damit, dass der Staat nicht ohnmächtig werden dürfe, sondern in der Lage bleiben muss, Kriminalität und Terrorismus mit neuesten technischen Mitteln zu bekämpfen. Ist diese Argumentation tatsächlich schlüssig? Die technischen Möglichkeiten die Bürger zu kontrollieren, Daten und Informationen über den Bürger zu sammeln und anschließend IT-gestützt zusammenzuführen, haben rapide zugenommen. Sollte man auf die Zunahme der technischen Möglichkeiten nicht damit reagieren, die Befugnisse des Staates zu beschränken, anstatt sie auszuweiten? Ist nicht das exakte Gegenteil von dem was Wolfgang Schäuble und die Mehrzahl der Innenpolitiker propagiert in Wahrheit folgerichtig? Wenn man auf die Zunahme technischer Überwachungsmöglichkeiten immer mit der Ausweitung staatlicher Eingriffsbefugnisse reagiert, dann kann man nicht gleichzeitig annehmen, dass das grundrechtliche Schutzniveau unverändert bleibt. Will man also die Balance von Grundrechtsschutz und staatlichen Eingriffsbefugnissen beibehalten, dann muss auf die Zunahme technischer Möglichkeiten zwangsläufig mit einer Beschränkung der hoheitlichen Befugnisse reagiert werden.

Wir erleben allerdings in den letzten Jahren das exakte Gegenteil und müssen deshalb den zügigigen Verfall der Grundrechte mitansehen. Die fortschreitende Ausweitung der staatlichen Eingriffsbefugnisse erfasst mittlerweile alle Lebensbereiche und betrifft alle Mitglieder dieser Gesellschaft.

Man hat als Bürger manchmal allerdings das beruhigende Gefühl, dass es eine Instanz gibt, die dem Einhalt gebietet. Das Bundesverfassungsgericht. Ob großer Lauschangriff, Onlinedurchsuchung oder Rasterfahndung, die meisten Gesetzesvorhaben dieser Art wurden vom Verfassungsgericht in weiten Teilen kassiert. Das sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Verfassungsgericht diesen Prozess nur verlangsamen aber nicht aufhalten kann. Die Salamitaktik Wolfang Schäubles und seines Amtsvorgängers Otto Schily verfehlt ihre Wirkung nicht. Scheibchenweise werden die Bürgerrechte ausgehöhlt. Denn die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts lassen inhaltlich einen roten Faden erkennen, der lautet, grundsätzlich nicht, aber in eng begrenzten Ausnahmefällen dann doch. Auch so kommen die Sicherheitspolitiker Schritt für Schritt ihrem Ziel näher. Wir sind heute vielleicht noch kein Überwachungsstaat aber zumindest ein überwachter Staat. Aber die Entwicklung ist noch nicht zu Ende.

posted by Stadler at 10:00  

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