Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

5.10.11

Markenrechtsverletzung durch Benutzung des VW-Symbols in der Werbung

Grundsätzlich besteht im Reparatur-, Ersatzteil- und Zubehörgeschäft in gewissem Umfang die Notwendigkeit, die Marken des Herstellers zu verwenden.

Dem trägt die Vorschrift des § 23 Nr. 3 MarkenG Rechnung, indem sie gestattet, die Marke oder die geschäftliche Bezeichnung als Hinweis auf die Bestimmung einer Ware, insbesondere als Zubehör oder Ersatzteil, oder einer Dienstleistung zu benutzen, soweit die Benutzung dafür notwendig ist und nicht gegen die guten Sitten verstößt.

Hierzu hat der BGH jetzt entschieden (Urteil vom 14.04.2011, Az.: I ZR 33/10), dass die Verwendung einer bekannten Wort-/Bildmarke eines Automobilherstellers (VW) in der Werbung einer Autoreparaturwerkstatt für Inspektionsarbeiten gegen die guten Sitten  verstößt, wenn die Benutzung der bloßen Wortmarke die schützenswerten Interessen des Markeninhabers weniger beeinträchtigt.

Der BGH ist sogar der Meinung, dass die  Verwendung einer Wortmarke die berechtigten Interessen des Markeninhabers regelmäßig weniger einschneidend berührt als die Benutzung seiner Wort-/Bildmarke oder Bildmarke, weil sich die Wortmarke in erster Linie zur Beschreibung der Bestimmung der Dienstleistungen eignet und zumindest ein bekanntes Wort-/Bildzeichen oft zusätzliche Aufmerksamkeit erzeugt und deshalb eher die Gefahr der Rufausbeutung in sich birgt.

Auf die Benutzung bekannter Bild oder Wort-/Bildmarken im Zubehör- und Ersatzteilgeschäft sollte man deshalb besser verzichten. Das gilt für alle bekannten Marken in gleichem Maße. Wer also Apples angebissenen Apfel im Zubehörgeschäft verwendet, dürfte ebenso die Markenrechte verletzten wie die Autowerkstatt, die das VW-Symbol ohne Gestattung benutzt.

posted by Stadler at 17:31  

4.10.11

EuGH verbietet nationale Exklusivrechte beim PayTV

Der EuGH hat heute (Az.: C-403/08 und C-429/08entschieden, dass die gängige Praxis der Vermarktung von Fußballübertragungsrechten durch Gewährung nationaler Exklusivrechte gegen EU-Recht verstößt. Der Leitsatz des Urteils lautet:

Ein Lizenzsystem für die Weiterverbreitung von Fußballspielen, das Rundfunkanstalten eine gebietsabhängige Exklusivität für einzelne Mitgliedstaaten einräumt und den Fernsehzuschauern untersagt, diese Sendungen in den anderen Mitgliedstaaten mittels einer Decoderkarte anzusehen, verstößt gegen das Unionsrecht.

Außerdem verstoßen nach Ansicht des EuGH nationale Rechtsvorschriften, die die Einfuhr, den Verkauf und die Verwendung ausländischer Decoderkarten untersagen, gegen die Dienstleistungsverkehrsfreiheit.

 

posted by Stadler at 20:30  

4.10.11

Das antiparlamentarische Europa

„Europa ist eine antiparlamentarische Veranstaltung“ schreibt der Politikwissenschaftler Jan-Werner Müller in der heutigen Ausgabe der SZ (Wer ist hier eigentlich der Herr im Haus?, Süddeutsche Zeitung vom 04.10.2011, S. 11), was der Autor aber gar nicht so schlecht findet, wie man im Verlauf der Lektüre seines Artikels erfährt.

Müller stützt sich zunächst vordergründig auf die starken Rollen der Verfassungsgerichte, insbesondere auch des BVerfG, im Nachkriegseuropa, die er als eine Art negativer Gesetzgeber betrachtet, worin er  eine sinnvolle Beschneidung des Prinzips der parlamentarischen Demokratie sieht. Dieses Konzept findet nach Ansicht Müllers auf Ebene der EU, deren Entscheidungen praktisch ausschließlich von Exekutivorganen getroffen werden, lediglich ihre konsequente Fortsetzung.

Diese Betrachtungsweise erscheint mir reichlich undiffernziert. Die Schaffung einer starken Rechtsprechung, mit einem Verfassungsgericht an der Spitze, die parlamentarische Entscheidungen in grundrechtsintensiven Bereichen punktuell kontrollieren kann, ist nämlich lediglich Ausdruck des rechtsstaatlichen Prinzips der Gewaltenteilung, das gleichberechtigt neben dem Demokratieprinzip steht. Starke Verfassungsgerichte verschaffen also nur dem Gewaltenteilungsgrundsatz Geltung und sind daher wichtiger Bestandteil einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Die originäre Entscheidungskompetenz der Parlamente wird dadurch auch nicht beschnitten, sie wird nur unter rechtsstaatliche Kuratel gestellt.

Das hat nur sehr wenig mit demjenigen Demokratiedefizit zu tun, das wir auf EU-Ebene beobachten können. Denn dort werden alle wesentlichen Entscheidungen nicht mehr originär von einem Parlament getroffen, sondern von den Exekutivorganen Kommission und Rat, die beide noch nicht einmal indirekt demokratisch legitimiert sind. Daran ändert auch die Existenz des EU-Parlaments nichts, denn dieses hat nach wie vor nicht die Aufgabe eines Gesetzgebers, was an sich aber unabdingbare Voraussetzung eines demokratischen Staatsgefüges ist.

Dieses enorme Demokratiedefizit dürfte auch den Hauptgrund für die bürgerfernen und intransparenten Entscheidungsprozesse der Institutionen der EU darstellen.

Auch wenn viele Bürger das noch nicht wirklich realisiert haben, aber in weiten Bereichen der Politik entscheiden heute nicht mehr die von ihnen gewählten Abgeordneten, sondern Institutionen, denen es an einer ausreichenden demokratischen Legitimation mangelt. Sämtliche Richtlinien der EU – die Verordnungen gelten ohnehin unmittelbar – müssen von den nationalen Parlamenten umgesetzt werden. Die gewählten Abgeordneten nicken also nur noch das ab, was ihnen demokratisch nicht legitimierte Institutionen vorschreiben.

Die EU – und damit auch zu einem guten Teil die Mitgliedsstaaten – erhält nur noch eine demokratische Fassade aufrecht. Alle Staatsgewalt geht, wegen der enormen Kompetenzverschiebung nach Brüssel, schon lange nicht mehr vom Volke aus, wie Art. 20 Abs. 2 GG es verlangt. Auch das Bundesverfassungsgericht hatte dieser Entwicklung nichts entgegenzusetzen, wenngleich es mehrfach – in unterschiedlichen Zusammenhängen – eine stärkere Beteiligung des Parlaments angemahnt hat.

Die zunehmende Verlagerung der Gesetzgebung auf Exekutivorgane der EU führt dazu, dass wir uns schleichend vom Prinzip einer parlamentarischen Demokratie verabschieden. Ein allzu willfähriger Bundestag verstärkt diesen Prozess nur noch.

posted by Stadler at 16:59  

3.10.11

Die SPD will wieder einmal die Demokratie erneuern

Die SPD will wieder – oder immer noch? – mehr Demokratie wagen, denn seit der berühmten Ankündigung Willy Brandts aus dem Jahre 1969 ist bei Lichte betrachtet, nicht wirklich viel passiert. Unter der Überschrift „Demokratie erneuern, Demokratie leben“ hat die Arbeitsgruppe „Demokratie“ der SPD-Bundestagsfraktion für drei ausgewählte Bereiche (Reformen im politischen Betrieb, demokratische Bildung in den Schulen und Demokratie und Medien) Thesen aufgestellt und Vorschläge erarbeitet.

Eine gute Gesamtanalyse des insgesamt wenig innovativen SPD-Papiers findet sich bei Jacob Jung. Mein Blick richtet sich naturgemäß auf die Aussagen der Arbeitsgruppe zu den (neuen) Medien, zumal man dort Erschreckendes lesen muss:

Welche Legitimation und Verbindlichkeit steht z.B. hinter Millionen Klicks auf Facebook? Die bisherigen Versuche in Deutschland, eine „Online“-Bewegung (Gauck, Guttenberg) in eine reale politische Bewegung zu transformieren, etwa durch große Demonstrationen auf der Straße, sind gescheitert. Und ob die Freiheitsbewegungen in der arabischen Welt erst durch Internetkommunikation über Facebook oder Twitter möglich wurden, daran lässt sich zweifeln. Die Dritte Welle der Demokratisierung in den 1980er Jahren in Europa kam schließlich auch noch ganz ohne das Internet aus. Man sollte vorsichtig sein, die Möglichkeiten des Internets zu überschätzen: Am Ende bleibt es ein Kommunikations-Mittel, wenn auch ein wirkungsmächtiges!

Diese Ausführungen machen deutlich, dass die Bundestagsfraktion der SPD nicht nur den Anschluss, sondern auch zentrale Entwicklungen der letzten Jahre, vollständig verpasst hat. Es lohnt sich eigentlich gar nicht, das zu kommentieren, zumal man nicht weiß, wo man anfangen soll.

Man hätte beispielsweise fragen können, welche Bedeutung das Internet für den Erfolg der Piratenpartei hat(te) oder welche Rolle das Netz bei den Entwicklungen und Entscheidungen zu Themen wie Netzsperren, Vorratsdatenspeicherung oder Jugendmedienschutzstaatsvertrag gespielt hat. Das würde allerdings in einem ersten Schritt eine halbwegs realistische Betrachtung des aktuellen Ist-Zustandes erfordern. Und bereits daran scheitert das Papier.

Den Bürgerjournalisten (vulgo: Bloggern) will die Arbeitsgruppe der SPD übrigens beibringen, wie es geht:

Das Potential des Bürgerjournalismus wird derzeit bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Die politischen Parteien könnten die Entwicklungen auf diesem Sektor stärker propagieren und vorantreiben. Dazu könnten Einrichtungen aufgebaut werden, in denen unterschiedliche Arten von Bürgerjournalismus nach bestimmten qualitativen Maßstäben von jedem interessierten Bürger „erlernt“ werden können. Dieser Bürgerjournalismus könnte als neue Form des Journalismus negativen oder restriktiven Tendenzen der Mediengesellschaft erfolgreich entgegenwirken.

Dieses Papier belegt einmal mehr, dass es für die SPD in Zukunft sehr sehr schwer werden wird, denn ihre Mandatsträger sind nicht vorbereitet auf die Anforderungen des 21. Jahrhunderts. Bevor man den Anspruch erhebt, die Demokratie erneuern zu wollen, sollte man sich besser zunächst selbst auf den aktuellen Stand der Dinge bringen.

posted by Stadler at 12:10  
« Vorherige Seite