Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

18.5.15

Die geplante Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung

Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur geplanten Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung wurde Ende letzter Woche an Verbände zur Stellungnahme verschickt.

Die Neuregelung wird zunächst von einem sprachlichen Euphemismus flankiert. Der Gesetzesentwurf spricht nicht mehr von einer Vorratsdatenspeicherung sondern von der Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten.

Der Gesetzesentwurf ist von dem Bemühen getragen, die Vorgaben der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen. Der Entscheidung des EuGH wird vor allen Dingen durch die recht kurze Speicherfrist von (nur) 10 Wochen Rechnung getragen und dadurch, dass man eine zusätzliche Vorschrift zum Schutz von Berufsgeheimnisträgern schaffen will.

Die Neuregelung wählt bei der Neufassung des § 100g StPO konstruktiv einen Ansatz, der im Gesetzgebungsverfahren sicherlich noch zu Diskussionen führen wird.

§ 100g StPO (n.F.) enthält jetzt in seinem Absatz 1 eine Regelung zum Abruf von Verkehrsdaten, die von den Providern nach der Vorschrift des § 96 TKG gespeichert werden, während der Abruf der eigentlichen Vorratsdaten, also derjenigen Daten, die nach § 113b TKG (n.F.) gespeichert werden, in § 100g Abs. 2 StPO (n.F.) geregelt wird. § 96 TKG ermöglicht den TK-Anbietern eine Erhebung von Verkehrsdaten wie Nummern oder Kennungen (z.B. IP-Adressen), Beginn und Ende einer Verbindung insbesondere zu Abrechungszwecken und zum Erkennen, Eingrenzen oder Beseitigen von Störungen oder Fehlern. Diese Daten sollen nach § 100g Abs. 1 StPO für Strafverfolgungsbehörden weiterhin bei allen Straftaten abrufbar sein, die mittels Telekommunikation begangen worden sind.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil nämlich § 100g Abs. 1 S. 1 StPO (a.F.) nur insoweit für verfassungswidrig erklärt, als nach der Vorschrift Verkehrsdaten nach § 113a TKG (a.F.) erhoben werden durften. Die Erhebung von Verkehrsdaten, die nach § 96 TKG von den Providern gespeichert wurden, hat das BVerfG nicht beanstandet. Die Vorschrift war insoweit aber auch nicht angegriffen worden.

Da die Verkehrsdaten im Sinne von §§ 96 und 113b TKG (n.F.) zumindest teilweise identisch sind, ergibt sich daraus für die Provider zwingend die Schaffung von zwei getrennten Datenpools, zumal für die Vorratsdaten nach der Rechtsprechung des BVerfG besondere Anforderung an die Datensicherheit gelten, die der Entwurf versucht in §§ 113 d – 113g TKG (n.F.) umzusetzen.

TK-Anbieter brauchen also künftig einen Datenpool für Verkehrsdaten, die aufgrund eigener Interessen der Provider gespeichert werden und einen zweiten, strikt zu trennden Datenpool, in dem Vorratsdaten gespeichert werden. Das ergibt sich letztlich unmittelbar auch aus der Vorschrift des § 113d S. 2 Nr. 2 TKG (n.F.), der für Vorratsdaten die Speicherung in gesonderten, von den für die üblichen betrieblichen Aufgaben getrennten Speichereinrichtungen, verlangt.

Die Frage ist auch, was das für die Abrufpraxis bedeutet. Strafverfolgungsbehörden werden künftig Verkehrsdaten nach §§ 100g Abs. 1 StPO i.V.m. § 96 TKG anfordern und zusätzlich bzw. parallel Vorratsdaten nach § 100g Abs. 2 StPO i.V.m. § 113b TKG.

Nach meiner ersten Einschätzung kann man bezweifeln, dass die Vorgaben der Entscheidung des EuGH ausreichend umgesetzt werden. Die Rn. 57 – 59 des EuGH-Urteils lassen sich dahingend interpretieren, dass die anlasslose Speicherung sämtlicher TK-Verbindungsdaten, die ohne jede Ausnahme und ohne jede Differenzierung stattfindet, unzulässig ist. Der EuGH stellt nämlich explizit darauf ab, dass auch Daten von Personen gespeichert werden, bei denen keinerlei Anhaltspunkt dafür besteht, dass ihr Verhalten in einem auch nur mittelbaren oder entfernten Zusammenhang mit schweren Straftaten steht. Außerdem bemängelt der EuGH, dass die Vorratsspeicherung weder auf die Daten eines bestimmten Zeitraums und/oder eines bestimmten geografischen Gebiets und/oder eines bestimmten Personenkreises beschränkt ist.

Demgegenüber sieht § 113b Abs. 1 – 3 TKG (n.F.) nach wie vor die anlasslose und undiffernzierte Speicherung von Verkehrs- und Standortdaten vor.

Beispielsweise der Schutz von Berufsgeheimnisträgern findet auch nicht auf der Ebene der Speicherung, sondern erst auf der Ebene des Datenabrufs durch Strafverfolgungsbehörden im Rahmen der Vorschrift des § 100g Abs. 4 StPO statt.

Die Diskussion über die Neuregelung ist jetzt also eröffnet.

posted by Stadler at 14:14  

19.2.15

War es Ernst, August oder doch Dieter?

Kommerzielle Werbung darf sich auch über Prominente lustig machen. Jedenfalls dann, wenn sich die Werbung in humorvoller oder satirischer Form mit dem öffentlich bereits bekannten Verhalten von Prominenten auseinandersetzt. Das hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) heute entschieden (Az.: 53495/09 und 53649/09).

Gegenstand des Streits waren Werbeanzeigen des Zigarettenherstellers Lucky Strike.

Eine Anzeige enthielt eine Anspielung auf die Autobiografie Dieter Bohlens mit den Worten „Schau mal, lieber Dieter, so einfach schreibt man super Bücher“, wobei in der Anzeige die Worte „lieber“ „einfach“ und „super“ geschwärzt waren.

Eine andere Anzeige zeigte eine eingedrückte Zigarettenschachtel mit der Aufschrift: „War das Ernst? Oder August?“ Damit wurde auf Medienberichte angespielt, nach denen Ernst August von Hannover in Schlägereien bzw. tätliche Auseinandersetzungen verwickelt gewesen war.

Der EGMR betont in seiner Entscheidung einmal mehr, dass es maßgeblich darauf ankommt, ob ein Beitrag zu einer Debatte von allgemeinem Interesse geleistet wird, inwieweit die betroffene Person im Licht der Öffentlichkeit steht, wie sich der Betroffene zuvor verhalten hat sowie auf Inhalt, Form und Wirkung der Veröffentlichung.

Letztlich billigt der EGMR die Abwägung des BGH und sah darin einen fairen Ausgleich zwischen den Persönlichkeitsrechten und dem Recht auf Meinungsfreiheit.

Quelle: PM des EGMR vom 19.02.2015

 

posted by Stadler at 16:57  

31.1.15

Noch ein paar Gedanken zu Böhmermann und dem Urheberrecht

Der Fernsehmoderator Jan Böhmermann hatte vor einiger Zeit ein Foto eines Berufsfotografen online gestellt bzw. getwittert, das er nach eigenen Angaben über die Google-Bildersuche gefunden hatte. Wenig überraschend hat er später von dem Fotografen eine anwaltliche Abmahnung erhalten und sollte einen Betrag von ca. 900 EUR (Schadensersatz und Anwaltskosten) bezahlen.

Böhmermann hatte anschließend nichts besseres zu tun, als den Fotografen öffentlich unter Namensnennung anzuprangern.

Die Rechtslage ist an dieser Stelle denkbar einfach und sollte auch für Journalisten und Medienleute nachvollziehbar sein. Wenn Böhmermann nur auf eine bereits vorhandene Quelle im Netz verlinkt hat, stellt sein Verhalten nach der Rechtsprechung des EuGH keine öffentliche Zugänglichmachung dar und damit auch keine Urheberrechtsverletzung. Wenn er das Foto allerdings selbst ins Netz stellt und dann twittert – was offenbar der Fall war – liegt ein öffentliches Zugänglichmachen und damit eine relevante Nutzungshandlung vor. Warum hat also Böhmermann nicht einfach nur verlinkt?

Bei Menschen die privat twittern, greift zudem die Privilegierung des § 97a Abs. 3 S. 2 UrhG, mit der Folge, dass die erstattungsfähigen Anwaltskosten gedeckelt sind, regelmäßig auf EUR 124 (netto), soweit dies nicht nach den Umständen des Einzelfalls unbillig ist. Dass sich Böhmermann auf diese Deckelung berufen kann, halte ich für eher unwahrscheinlich. Denn er twittert als Fersehmoderator mit ca. 150.000 Followern, verfügt also über eine erhebliche Reichweite.

Ungeachtet der juristischen Betrachtung gibt es vermutlich schlimmere Schicksale als das, dass ein Fernsehmoderator für eine Urheberrechtsverletzung ca. 900 EUR zu berappen hat.

Wer an dieser Stelle dem Fotografen Vorwürfe macht, sollte sich fragen, was die Alternative wäre. Dass ein Fotograf die beliebige kostenlose Nutzung und Weiterverbreitung seines Fotos in jedweden Medien zu dulden hat? Der Fotograf hat offenbar auch keine normalen Twitternutzer abgemahnt, sondern Jan Böhmermann und auch BILD-Chef Kai Diekmann, der durch dieselbe Urheberrechtsverletzung aufgefallen ist. Es hat hier bestimmt nicht die Falschen getroffen. Anders als beispielsweise Dirk von Gehlen in der SZ, habe ich für das Verhalten Böhmermanns wenig Verständnis, zumal er dann auch noch gemeint hat, den Fotografen attackieren zu müssen. Die Rechtslage ist hier nicht so schwierig. Man kann von Medienleuten wie Böhmermann und Diekmann erwarten, dass sie wissen, was sie dürfen und was nicht.

posted by Stadler at 21:39  

9.1.15

Bestpreisklauseln von HRS sind kartellrechtswidrig

Mit Beschluss vom 09. Januar 2015 (Az.: VI – Kart. 1/14 (V)) hat das Oberlandesgericht Düsseldorf die Auffassung des Bundeskartellamts bestätigt, dass die zwischen dem Hotelbuchungsportal HRS und seinen Vertragshotels vereinbarten „Bestpreisklauseln“ kartellrechtswidrig sind. Der 1. Kartellsenat des OLG Düsseldorf hat die Beschwerde von HRS gegen einen Beschluss des Bundeskartellamts zurückgewiesen, mit dem HRS die weitere Durchführung und Vereinbarung von „Bestpreisklauseln“ untersagt wurde.

Nach Auffassung des OLG bewirken die von HRS praktizierten Bestpreisklauseln eine Einschränkung des Wettbewerbs u. a. zwischen den verschiedenen Hotelportalanbietern. Das stellt einen Verstoß gegen § 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) dar. Die Hotels sind aufgrund der Bestpreisklauseln gehindert, ihre Hotelzimmerpreise und sonstigen Konditionen gegenüber den verschiedenen Portalen sowie im Eigenvertrieb unterschiedlich festzulegen. Durch die Bestpreisklauseln werden sie nämlich verpflichtet, HRS immer mindestens die gleich günstigen Zimmerpreise und Preisbedingungen einzuräumen.

Die Vereinbarung einer Bestpreisklausel nehme, so das OLG Düsseldorf, anderen Hotelportalen ferner den wirtschaftlichen Anreiz, den HRS-Hotelunternehmen niedrigere Vermittlungsprovisionen anzubieten, um im Gegenzug die Möglichkeit zu erhalten, die Hotelzimmer über ihr Portal zu günstigeren Preisen und Konditionen als HRS anbieten zu können.

Da der vom Bundeskartellamt festgestellte Marktanteil von HRS 30% übersteigt, bewirkt die Bestpreisklausel eine spürbare Wettbewerbsbeeinträchtigung und ist deshalb nicht durch die einschlägige Gruppenfreistellungsverordnung (Art. 101 Abs. 3 AEUV i. V. m. Art. 3, 7 Vertikal GVO) vom Kartellverbot freigestellt. Die Bestpreisklauseln sind auch nicht aufgrund von Effizienzvorteilen nach der Legalausnahme des Art. 101 Abs. 3 AEUV zulässig.

Das Oberlandesgericht hat die Rechtsbeschwerde zum BGH zugelassen.

Quelle: PM des OLG Düsseldorf vom 09.01.2015

posted by Stadler at 12:05  

20.12.14

Die meistgelesenen Beiträge bei internet-law 2014

1. ZEIT-Journalisten gehen gerichtlich gegen das ZDF und “Die Anstalt” vor

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3. Zwei bekannte ZEIT-Journalisten und ihr Kampf gegen die Pressefreiheit

4. Nach der kinox.to-Razzia: Was haben die Nutzer zu befürchten?

5. Gabriel heuchelt wieder: Gegen Google aber nicht gegen die NSA

6. Die Stunde der Polit-Gaukler

7. Ist das Internet wirklich kaputt?

8. Filesharing: Debcon mahnt mal wieder

9. Schwierige Gegenwehr: Die sog. sekundäre Darlegungslast in Filesharing-Verfahren

10. Eine Anmerkung zur angeblichen OSZE-Mission in der Ukraine

posted by Stadler at 14:22  

10.12.14

Gute und schlechte Folter

Dass die USA (im Ausland) systematisch foltern, bzw. dies zumindest über einen längeren Zeitraum hinweg getan haben, und auch Menschen entführt und verschleppt haben, ist keine neue Erkenntnis. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), der Polen wegen Unterstützung amerikanischer Verschleppungs- und Folterpraktiken verurteilt hat, hat hierzu in seinem Urteil eine ausführliche Tatsachenfeststellung durchgeführt, die man gelesen haben sollte.

Wenn der US-Senat jetzt einen Bericht über Folterpraktiken der CIA veröffentlicht, ist dies einerseits eine gute Nachricht, denn damit wird diese Praxis erstmals auch durch eine offizielle amerikanische Stelle bestätigt. Die Diskussion über gute und schlechte Folter, die sich daran anschließt, sowie die Rechtfertigungsstrategie der CIA, die u.a. vom früheren Präsidenten George W. Bush gestützt wird, ist andererseits allerdings mehr als befremdlich.

Allein der Umstand, dass in einem vermeintlich freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat über die Legitimität der Folter überhaupt diskutiert wird und öffentlich darüber gestritten wird, ob die Folterpraxis denn zu irgendwelchen verwertbaren Erkenntnissen geführt hätte, beinhaltet einen Paradigmenwechsel. Diese öffentliche Diskussion in den USA stellt nämlich die Ächtung der Folter in Frage.

Folter ist nicht deshalb geächtet, weil sie ungeeignet ist, zuverlässige Erkenntnisse zu liefern. Dies ist allenfalls ein Nebeneffekt, der die Richtigkeit des Folterverbots bestärkt. Folter ist deshalb geächtet, weil sie immer die Würde des Menschen verletzt. Das Folterverbot muss daher absolut sein, ohne jegliche Ausnahme. Die Folter zählt zu den gravierendsten Menschenrechtsverletzungen.

Es gibt in vielen westlichen Staaten leider die Tendenz, dass sich ihre politische Führung von den Grundwerten einer freien, rechtsstaatlichen Gesellschaft verabschiedet. Das ist nicht nur, aber auch in den USA zu beobachten.

Die US-Regierung muss die Folterpraxis der CIA und anderer Behörden nicht nur beenden und unterbinden, sondern sie muss diejenigen, die für die Foltermaßnahmen verantwortlich sind, strafrechtlich belangen. Wenn die Verstöße der Vergangenheit nicht sanktioniert werden, werden CIA & Co. diese Maßnahmen auch in Zukunft bei Bedarf ohne Risiko einsetzen. Eine Strafverfolgung würde allerdings u.a. wohl auch die Herren Bush und Rumsfeld betreffen. Und daran zeigt sich das tatsächliche Dilemma. Wir haben es nicht mit einzelnen behördlichen Exzessen zu tun, sondern um eine systematische Praxis der Folter, die vom Präsidenten und seiner Regierung wenn nicht ausdrücklich angeordnet, so doch wissentlich geduldet worden ist.

In den USA verfolgt man Whistleblower, die die rechtswidrigen Praktiken der US-Dienste und der Army ans Licht zerren, weil sie das Gewissen plagt, mit drakonischen Strafen. Und das betrifft nicht nur Snowden und Manning, sondern auch rechtstreue CIA-Mitarbeiter die die Folterpraxis öffentlich angesprochen haben. Die tatsächlichen Verbrechen, nämlich die Entführung, Verschleppung und Folterung von Menschen bleiben demgegenüber ungeahndet. Die Folterknechte werden von Teilen der Politik und Geselllschaft sogar noch als gute Patrioten gelobt. Was wir hier beobachten können, ist eine komplette Pervertierung des Rechts und aller Grundsätze für die eine freiheitlich-demokratische Gesellschaftsordnung steht.

posted by Stadler at 10:45  

10.10.14

BND-Präsident Schindler: Völlig losgelöst von der Erde

Als ich den Hinweis auf diesen ZEIT-Online-Artikel auf Twitter gesehen habe, kam mir zuerst das hervorragende Satiremagazin Postillon in den Sinn. Die Aussage von BND-Präsident Schindler, wonach die Satellitendaten die der BND in Bad Aibling erhebt, ja eigentlich im Weltall erhoben werden, in dem keine deutschen Gesetze gelten, ist aber ganz offensichtlich keine Erfindung des Postillon, obwohl sie exakt danach klingt.

Das was BND-Präsident Schindler sagt, entspricht offenbar auch der Rechtsauffassung der Bundesregierung. Diese geht nämlich davon aus, dass es für die Auslandsaufklärung des BND überhaupt keiner speziellen gesetzlichen Ermächtigung bedarf. Das hat der Verfassungsrechtler Matthias Bäcker in seiner Stellungnahme für den NSA-Untersuchungsausschuss (S. 16 ff.) bereits deutlich kritisiert.

Das BVerfG hat bereits 1999 entschieden, dass das Fernmeldegeheimnis des Art. 10 GG jedenfalls dann gilt, wenn ausländischer Fernmeldeverkehr mit Überwachungsanlagen aufgezeichnet wird, die sich auf deutschem Boden befinden. In der letzten Entscheidung des BVerfG zum G 10 heißt es ganz ausdrücklich:

Dabei wird bereits durch die Erfassung und Aufzeichnung des Telekommunikationsverkehrs mit Hilfe der auf deutschem Boden stationierten Empfangsanlagen des Bundesnachrichtendienstes eine technisch-informationelle Beziehung zu den jeweiligen Kommunikationsteilnehmern und ein – den Eigenarten von Daten und Informationen entsprechender – Gebietskontakt hergestellt. Auch die Auswertung der so erfaßten Telekommunikationsvorgänge durch den Bundesnachrichtendienst findet auf deutschem Boden statt. Unter diesen Umständen ist aber auch eine Kommunikation im Ausland mit staatlichem Handeln im Inland derart verknüpft, daß die Bindung durch Art. 10 GG selbst dann eingreift, wenn man dafür einen hinreichenden territorialen Bezug voraussetzen wollte.

(…)

Die Überwachung und Aufzeichnung internationaler nicht leitungsgebundener Telekommunikationen durch den Bundesnachrichtendienst greift in das Fernmeldegeheimnis ein.

Es ist also bereits eindeutig entschieden, dass Art. 10 GG zumindest dann gilt, wenn die Erfassung, Aufzeichnung und Auswertung der TK-Vorgänge auf deutschem Boden stattfinden. Das was der BND in Bad Aibling macht, unterliegt also einer vollständigen Grundrechtsbindung. Einfachgesetzlich bedeutet das, dass ausreichend klare Eingriffsermächtigungen vorliegen müssen, die den verfassungsrechtlichen Anforderungen an Bestimmtheit und Normklarheit genügen. Wenn der sachliche Schutzbereich von Art. 10 GG eröffnet ist, kommt es für den Grundrechtsschutz weder auf die Staatsangehörigkeit noch auf auf den Aufenthaltsort des Kommunikationsteilnehmers an.

Der Verfassungsrechtler Matthias Bäcker zieht in seiner Stellungnahme für den NSA-Untersuchungsausschuss daraus folgende, zwingende Schlussfolgerung:

Die gegenwärtige Praxis der Auslandsaufklärung ist darum rechtswidrig und muss in dieser Form gestoppt werden. Um einen verfassungskonformen Rechtszustand herzustellen, könnte die strategische Auslandsaufklärung auf § 5 G 10 gestützt werden, der nach seinem Wortlaut als Rechtsgrundlage passt. Der BND müsste dann allerdings auch das gesetzlich vorgesehene Verfahren einhalten, um eine solche Aufklärung durchzuführen. Insbesondere wäre er der Kontrolle der G 10-Kommission unterworfen.

Der BND agiert also manchmal im Weltraum und dabei stets und in jedem Fall wie in dem alten NDW-Hit völlig losgelöst von der Erde. Und nicht nur das, er agiert damit leider auch völlig losgelöst von den Grundrechten in einem – nach eigenem Verständnis – gänzlich grundrechtsfreien Raum.

Man möchte deshalb gerade auch den Unionspolitikern, die uns matraartig immer wieder erklärt haben, dass das Internet kein rechtsfreier Raum sei, zurufen: Sorgt bitte dafür, dass der BND das Internet nicht weiter zum grundrechtsfreien Raum machen kann. Stoppt den Verfassungsbruch!

posted by Stadler at 15:31  

1.9.14

Neue juristische Onlinezeitschrift aus der Schweiz

Mit sui-generis.ch ist in der Schweiz gerade eine juristische Onlinezeitschrift an den Start gegangen. Die Selbstbeschreibung weist auf ein ambitioniertes und begrüßenswertes Vorhaben hin:

Ziel von sui-generis.ch ist die Publikation von juristischen Beiträgen zu Themen, die insbesondere wegen ihrer Aktualität nicht nur für das juristische Publikum interessant sind. sui-generis.ch will via Open Access die Brücke von der Wissenschaft in die Gesellschaft schlagen und gleichzeitig den schon längst fälligen Schritt in die Zukunft des wissenschaftlichen Publizierens gehen.

Gleich zu Beginn sind auch einige gehaltvolle und lesenswerte juristische Aufsätze erschienen. Hier eine Auswahl der Erstbeiträge, die für die Leser meines Blogs von Interesse sein dürften:

Sarah Progin-Theuerkauf, Asylrechtliche Überlegungen zu Edward Snowden

Daniel Hürlimann, Das Google-Urteil des EuGH

Ludwig A. Minelli, Die Kritik am EGMR hält wissenschaftlicher Betrachtung nicht stand

posted by Stadler at 10:36  

25.3.14

Der politische Einfluss ist zu groß: ZDF-Staatsvertrag verfassungswidrig

Das Bundesverfassungsgericht hat heute entschieden, dass die Organisation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks dem Gebot der Staatsferne genügen muss und der Staat den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zwar zu organisieren hat, aber gleichzeitig dafür Sorge tragen muss, dass eine Beeinflussung der Berichterstattung durch staatliche und staatsnahe politische Akteure wirksam verhindert wird (Urteil v. 25.03.2014, Az.: 1 BvF 1/11, 1 BvF 4/11). Das BVerfG stört sich u.a. an den sog. „Freundeskreisen“ von Union und SPD, die sich informell vorab treffen, um bestimmte Entscheidungen vorzubesprechen.

Konkret bedeutet das, dass der Anteil  staatlicher und staatsnaher Mitglieder auf ein Drittel der gesetzlichen Mitglieder des jeweiligen Aufsichtsgremiums nach klaren Kriterien begrenzt werden muss. Dies gilt ausdrücklich auch für weitere Untergliederungen wie Ausschüsse. Was als staatsnah gilt, definiert das Bundesverfassungsgericht folgendermaßen:

Wer im Sinne dieser Anteilsbegrenzung als staatliches und staatsnahes Mitglied zu gelten hat, bestimmt sich nach einer funktionalen Betrachtungsweise. Maßgeblich ist hierfür, ob es sich um eine Person handelt, die staatlich-politische Entscheidungsmacht innehat oder im Wettbewerb um ein hierauf gerichtetes öffentliches Amt oder Mandat steht und insoweit in besonderer Weise auf die Zustimmung einer breiteren Öffentlichkeit verwiesen ist. Diese Betrachtungsweise schließt neben Regierungsmitgliedern, Abgeordneten, politischen Beamten auch Wahlbeamte in Leitungsfunktionen oder Mitglieder politischer Parteien mit herausgehobener Verantwortung ein. Demgegenüber sind Personen, die von Hochschulen, aus der Richterschaft oder aus der funktionalen Selbstverwaltung wie etwa den Industrie- und Handelskammern in die Aufsichtsgremien entsandt werden, nicht als staatliche oder staatsnahe Mitglieder in diesem Sinne anzusehen.

Die anteilsmäßig zu begrenzende Gruppe der staatlichen und staatsnahen Mitglieder schließt nach Ansicht des BVerfG grundsätzlich Personen ein, die von politischen Parteien in die Aufsichtsgremien entsandt werden, weil sie bei funktionaler Betrachtung als staatsnah zu qualifizieren sind.

Aber auch bei der Auswahl der als staatlich und staatsnah zu bestellenden Mitglieder, die künftig auf 1/3 zu beschränken ist, müssen die verschiedenen politischen Strömungen möglichst vielfältig abgebildet werden. Dem Grundsatz der Vielfaltsicherung entspricht es hierbei, dass gerade auch kleinere politische Strömungen einbezogen werden.

Diesen Anforderungen genügt der geltende ZDF-Staatsvertrag nicht. Er verstößt damit in weiten Teilen gegen die Rundfunkfreiheit. Das BVerfG hat die Regelung freilich nicht für nichtig erklärt, sondern dem Gesetzgeber nur aufgegeben, bis spätestens zum 30.06.2015 eine Neuregelung zu schaffen, die den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt.

In seiner Entscheidung betont das Gericht außerdem erneut den Programmauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der auch durch die Entwicklung neuer Kommunikationstechnologien und neuer Medienmärkte nicht überholt sei. Es wird sehr deutlich, dass das BVerfG keinen Grund dafür sieht, das Betätigungsfeld des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, gerade auch mit Blick auf die Entwicklung des Internets, in irgendeiner Form einschränkend zu interpretieren. Das Gericht bleibt auf der Linie seiner bisherigen Rechtsprechung und beschreibt den Programmauftrag der öfentlich-rechtlichen Sender stattdessen wie folgt:

Entsprechend dieser Bedeutung (für die publizistische Vielfalt als Gegengewicht zum privaten Rundfunk, Anm. d.Verf.) beschränkt sich sein Auftrag nicht auf eine Mindestversorgung oder auf ein Ausfüllen von Lücken und Nischen, die von privaten Anbietern nicht abgedeckt werden, sondern erfasst die volle Breite des klassischen Rundfunkauftrags, der neben seiner Rolle für die Meinungs- und Willensbildung, neben Unterhaltung und Information eine kulturelle Verantwortung umfasst (vgl. BVerfGE 73, 118 <158>; 119, 181 <218>) und dabei an das gesamte Publikum gerichtet ist (vgl. BVerfGE 83, 238 <298>). Dabei muss sein Programmangebot für neue Publikumsinteressen oder neue Inhalte und Formen offenbleiben und darf auch technisch nicht auf einen bestimmten Entwicklungsstand beschränkt werden (vgl. BVerfGE 74, 297 <324 f., 350 f.>; 83, 238 <298, 299 f.>; 119, 181 <218>).

posted by Stadler at 12:32  

2.2.14

internet-law ist das beste Jurablog 2014 im Bereich IP, IT, Medien

Der Kollege Johannes Zöttl führt in seinem Kartellblog eine Umfrage zu den besten Jurablogs in verschiedenen Kategorien durch. Mein Blog hat in der Rubrik „IP, IT, Medien“ gewonnen, vor „I Law It“ und  „Recht am Bild„.

Ich freue mich sehr über diese Auszeichnung und möchte mich ganz herzlich für Euer/Ihr Voting bedanken.

posted by Stadler at 20:42  
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