Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

29.10.15

Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde auf Zusendung einer Urteilskopie

Das Bundesverfassungsgericht hat der Verfassungsbeschwerde eines Zeitungverlags gegen eine Entscheidung des Thüringer Oberverwaltungsgerichts stattgegeben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen (Beschluss vom 14.09.2015, Az.:  1 BvR 857/15). Das OVG hatte es zuvor abgelehnt, einen Landgerichtspräsidenten zur Zusendung einer anonymisierten Urteilskopie über ein von hohem Medieninteresse begleitetes Strafverfahren zu verpflichten.

Zur Begründung seiner Entscheidung führt das BVerfG u.a. aus:

bb) Für die Auskunft über Gerichtsentscheidungen gelten jedoch Besonderheiten, die das Oberverwaltungsgericht nicht hinreichend beachtet hat. Es ist weithin anerkannt, dass aus dem Rechtsstaatsgebot einschließlich der Justizgewährungspflicht, dem Demokratiegebot und dem Grundsatz der Gewaltenteilung grundsätzlich eine Rechtspflicht zur Publikation veröffentlichungswürdiger Gerichtsentscheidungen folgt (vgl. BVerwGE 104, 105 <108 f.> m.w.N.). Diese Veröffentlichungspflicht erstreckt sich nicht nur auf rechtskräftige Entscheidungen, sondern kann bereits vor Rechtskraft greifen (vgl. Putzke/Zenthöfer, NJW 2015, S. 1777 <1778>). Sie bezieht sich auf die Entscheidungen als solche in ihrem amtlichen Wortlaut. Hiermit korrespondiert ein presserechtlicher Auskunftsanspruch von Medienvertretern

cc) Der Zugang zu Gerichtsentscheidungen ist allerdings nicht unbegrenzt. So sind die Entscheidungen etwa hinsichtlich persönlicher Angaben und Umstände in der Regel zu anonymisieren. Dies ändert an der grundsätzlichen Öffentlichkeit solcher Entscheidungen nichts.
Unberührt von der grundsätzlichen Zugänglichkeit von Gerichtsentscheidungen bleiben auch die allgemeinen gesetzlichen wie verfassungsrechtlichen Anforderungen an den weiteren Umgang der Medien mit den Entscheidungen. Äußerungen und Publikationen können, wie etwa nach den Grundsätzen zur Verdachtsberichterstattung (vgl. BVerfGE 12, 113 <130 f.>; 114, 339 <354>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 25. Juni 2009 – 1 BvR 134/03 -, NJW-RR 2010, S. 470 <473>; BGH, Urteil vom 17. Dezember 2013 – VI ZR 211/12 -, NJW 2014, S. 2029 <2032>) oder zur Zurückhaltung bei Berichten über zurückliegende Straftaten, die die Resozialisierung von Straftätern beeinträchtigen (BVerfGE 35, 202 <233 ff.>), Grenzen unterliegen. Die Medien haben insoweit gesteigerte Sorgfaltspflichten zu beachten. Die Verantwortung für die Beachtung dieser Pflichten liegt dabei grundsätzlich bei den Medien selbst. Diese Sorgfaltspflichten können nicht schon generell zum Maßstab für das Zugänglichmachen der gerichtlichen Entscheidungen seitens der Gerichtsverwaltung gemacht werden.

Die Entscheidung des BVerfG führt noch nicht zwingend dazu, dass das OVG den Landgerichtspräsidenten zur Urteilsübersendung verpflichten muss. Das BVerfG hat aber deutlich gemacht, dass die vom Oberverwaltungsgericht angeführten Gründe eine Gefährdung des noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahrens oder weiterer Strafverfahren nicht erkennen lassen, weshalb mit der gegebenen Begründung eine Urteilsübersendung nicht abgelehnt werden kann.

posted by Stadler at 10:30  

21.9.15

Was taugt Blendle?

Blendle, eine Art Onlinekiosk für digitale journalistische Inhalte ist seit einer Woche offiziell auch in Deutschland am Start, nachdem das Projekt in den Niederlanden bereits sehr erfolgreich läuft.

Ich habe am Samstag auf der DJV-Fachtagung „Besser Online“ einen Vortrag von Blendle-Gründer Marten Blankesteijn darüber gehört, was Blendle ist und wie es funktioniert und mich dann entschlossen, den Dienst einfach mal zu testen.

Blendle bietet die Möglichkeit, einzelne Artikel beispielsweise aus dem SPIEGEL, der ZEIT oder der SZ online zu lesen, ohne gleich die komplette Zeitung/Zeitschrift kaufen zu müssen. Blendle bietet als Testanreiz ein Startguthaben von 2,50 EUR an. Sein Guthaben kann man dann immer wieder per Kreditkarte, PayPal oder Sofortüberweisung aufladen. Beim erstmaligen Aufladen spendiert Blende nochmals EUR 2,50 an zusätzlichem Guthaben.

Man kann außerdem online in den einzelnen Zeitungen und Zeitschriften blättern und sich beispielsweise neue Artikel nach Themengebieten wie Politik, Kultur, Sport, Medien u.a. anzeigen lassen.

Die Preisgestaltung wird nach der Aussage von Blankesteijn von den Verlagen vorgegeben und variiert deutlich. Während SZ und SPIEGEL mit stolzen 79 bzw. 75 Cent pro Artikel hinlangen – die Titelstory des SPIEGEL kostet gar 1,99 (!) – zahlt man für Artikel der FAZ – soweit für mich ersichtlich – im Normfall 45 Cent und für Texte aus anderen durchaus renommierten Blättern wie WELT oder Tagesspiegel häufig nur 25 Cent. Gleichzeitig gibt es aber auch die Möglichkeit, die Gesamtausgabe zu erwerben. Die Gesamtausgabe der heutigen SZ kostet beispielsweise 1,99 EUR, die der FAZ 1,71 EUR. Wenn man zuerst einen einzelnen Artikel kauft und anschließend noch die Gesamtausgabe, wird der Preis des einzelnen Artikels abgezogen. Einmal gelesene Artikel bleiben unter „Mein Archiv“ weiterhin aufrufbar und können beliebig oft geöffnet werden.

Das Angebot von Blendle ist bereits beim Start recht beeindruckend. Mit SZ, FAZ, SPIEGEL, ZEIT, Stern, Focus, Welt, BamS, Wirtschaftswoche und Handelsblatt sind viele Flaggschiffe bereits dabei. Hinzu kommen einige regionale Tageszeitungen sowie Boulevard- und Special-Interest-Titel wie Kicker, Gala, 11Freunde, SportBild, Chip, Brigitte, Journalist, Cicero und Neon. Angekündigt sind u.a. Münchener Merkur, NZZ, Freitag, Wired, AutoMotorSport, Audio, Connect, GQ und RunnersWorld. Internationale Titel sind bislang noch eher schwach vertreten, aber zumindest hat man die Washington Post und das Wall Street Journal im Programm, die New York Times ist angekündigt.

Eine große Schwachstelle stellt aus meiner Sicht aber die App dar, die ich mir für iOS angeschaut habe und die leider nicht annähernd die Usability der Website erreicht.

Auch wenn einzelne Verlage wie SPIEGEL oder Süddeutsche sicherlich noch darüber nachdenken sollten, ob ihre Artikelpreise nicht deutlich zu hoch sind, ist das Angebot von Blendle insgesamt interessant und zukunftsweisend. Zumal die aktuellen Gesamtausgaben immer zum Normalpreis verfügbar sind, so dass es sich durchaus anbietet, diese bei Blendle zu kaufen.

posted by Stadler at 12:31  

22.6.15

Wird der Journalismus der Zukunft gemeinnützig sein?

Daniel Bouhs hat den Blogger Moritz Tschermak interviewt, dessen Unternehmergesellschaft (UG), die das Blog „Topf voller Gold“ betreibt, jetzt als gemeinnützig anerkannt worden ist. Tschermak erläutert in dem Interview, dass Journalismus nicht als gemeinnützig gilt, weshalb man für den Antrag beim Finanzamt die Bildungstätigkeit in den Vordergrund gestellt hat.

Dieses Beispiel wirft die Frage auf, ob Gemeinnützigkeit nicht ein Weg wäre, um die aktuelle Krise des Journalismus aufzulösen. Vielleicht sollte und könnte der Journalismus der Zukunft also gemeinnützig sein. Das würde seinem Auftrag, die Meinungsvielfalt zu sichern und die Öffentlichkeit zu informieren, entsprechen. Hierzu müsste allerdings zunächst der Gesetzgeber tätig werden, denn die journalistische Tätigkeit bzw. die Förderung des Journalismus gehören bislang nicht zu den gemeinnützigen Zwecken im Sinne von § 52 AO.

Journalismus wird in Deutschland traditionell von gewinnorientiert agierenden Verlagen betrieben. Den Journalismus als Tätigkeit zu betrachten, die dem Gemeinwohl dient und ihn auch mit entsprechenden gesetzlichen Rahmenbedingungen auszustatten, ist bisher noch nicht einmal andiskutiert worden. Aber warum nicht? Weil das nicht ins Bild einer Gesellschaft passt, in der die Marktwirtschaft regiert? Was spricht gegen Non-Profit-Organisationen als Träger moderner Medien? Bei vernünftiger Betrachtung vermutlich nicht viel.

Die großen Verlage, die trotz der seit Jahren herrschenden Zeitungskrise, faktisch nach wie vor über die Meinungshoheit verfügen, würden dies vermutlich als Angriff auf ihre Existenz betrachten und alle lobbyistischen Hebel in Bewegung setzen, um eine derartige Gesetzgebung zu verhindern. Und wer sich beispielsweise mit der Entstehung des Leistungsschutzrechts für Presseerzeugnisse befasst hat, wird schnell erkennen, über welch enormen Einfluss auf die Politik Springer, Burda und Co. nach wie vor verfügen.

Dennoch gehört die Diskussion auf die politische Tagesordnung.

 

posted by Stadler at 09:11  

30.3.15

Der Sinkflug des deutschen Journalismus

Die Berichterstattung über den Absturz von Flug 4U9525 macht mich immer noch und immer wieder fassungslos. Mir fällt es nach wie vor relativ schwer zu glauben, dass ein Pilot, psychische Probleme hin oder her, gezielt einen minutenlangen kontrollierten Sinkflug einleitet, um 150 Menschen umzubringen und dabei angeblich die ganze Zeit über ruhig atmet. Diese medial vermittelte Gewissheit kommt mir etwas zu schnell, zumal man bei anderen Flugzeugabstürzen oft monatelang ermittelt. Was, wenn es doch noch eine andere Erklärung gibt?

Schockierend ist zudem, dass man selbst bei Flaggschiffen wie FAZ.NET , der ZEIT oder dem SPIEGEL nicht mehr unbedingt eine zurückhaltende und verantwortungsbewusste Berichterstattung vorfindet. FAZ.NET hielt es für notwendig, ein Bild des Piloten zu veröffentlichen, das man seinem Facebook-Profil entnommen hat, vermutlich auch unter Missachtung der Rechte des Fotografen. Im SPIEGEL wird der Pilot mit den Attentätern von 9/11 und Anders Breivik verglichen, während die ZEIT über den Absturz des Mythos Lufthansa schreibt. Letzteres wurde von Marcus Lindemann und Thomas Knüwer schon sehr zutreffend kritisch gewürdigt. Die seltsamen Rechtfertigungsversuche der FAZ und der ZEIT bestätigen die Berechtigung der Kritik eher als sie zu entkräften.

Unter dem Eindruck dieser Berichterstattung hatte ich auf Twitter die zugespitzt Frage gestellt, ob es in diesem Land überhaupt noch seriösen und verantwortungsvollen Journalismus gibt. Das war natürlich unfair gegenüber denjenigen Redaktionen und Journalisten, die sich bemühen, zurückhaltend und ernsthaft über den Flugzeugabsturz zu berichten und der Versuchung widerstanden haben, sich dem weit verbreiteten Boulevard-Niveau anzunähern. Dennoch ist die Berichterstattung über den Absturz auch die Geschichte des Niedergangs des deutschen Journalismus. Die erwartbar niederträchtige und widerwärtige Darstellung bei Bild & Co. schockiert mich dabei weniger als das, was Flaggschiffe wie FAZ, SPIEGEL oder auch die ZEIT angeboten haben. Der Weg führt in der Tendenz weg vom seriösen, informierenden Journalismus und hin zur Sensationsberichterstattung des Boulevards. Es erscheint mir daher mehr als verständlich, wenn Hans Hoff zu der Schlussfolgerung gelangt, dass der Journalismus nicht mehr existiert. Er ist zumindest schwer unter Druck und derzeit deutet wenig auf eine zukünftig positive Entwicklung hin.

Die Kritik an der Art und Weise der Berichterstattung findet übrigens fast ausschließlich in Blogs und sozialen Netzwerken statt. Auch das erscheint mir bemerkenswert und bezeichnend.

 

posted by Stadler at 10:50  

19.3.15

Varoufake oder Varoufuckis?

Der Hashtag Varoufake trended aktuell immer noch auf Twitter. Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis hatte das Video mit dem Stinkefinger in der Talkshow von Günter Jauch als „doctored“ bezeichnet und dadurch eine kontroverse Diskussion ausgelöst.

Den vorläufigen Höhepunkt markierte dann TV-Moderator Jan Böhmermann mit seiner Aussage, er und seine Redaktion hätten das Video gefälscht und den Stinkefinger montiert. Das war natürlich nichts weiter als Böhmermanns Versuch, die Debatte um den Fuck-Finger endgültig ad absurdum zu führen und der Fernseh- und Medienbranche den Stinkefinger zu zeigen. Der Medienbetrieb hatte deswegen freilich kurzzeitig Schnappatmung, denn man hat Böhmermann offenbar tatsächlich zugetraut, diese Geschichte inszeniert zu haben. Das werden im Nachhinein allerdings nur ein paar ehrliche Blogger wie Stefan Niggemeier zugeben. Böhmermann führt seine Medienkollegen am Nasenring durch die Manege, um dann seine eigentliche Botschaft an die Jauch-Redaktion anzubringen, die lautet:

Ihr habt einfach das Video nur aus dem Zusammenhang gerissen und einen griechischen Politiker am Stinkefinger durchs Studio gezogen. Damit sich Mutti und Vati abends nach dem Tatort noch mal schön aufregen können: ‚Der Ausländer! Raus aus Europa mit dem! Er ist arm und nimmt uns Deutschen das Geld weg. Das gibt’s ja wohl gar nicht. Wir sind hier die Chefs! So!‘ Das habt ihr gemacht.

Oder wie Stefan Plöchinger in der SZ schreibt: „Böhmermann zeigt Erregungsdeutschland den Stinkefinger“.

Damit sind wir wieder beim eigentlichen Thema, nämlich der tendenziösen Darstellung bei Jauch. In diesem Zusammenhang fand ich beispielsweise den von Friedrich Hartmann vorgenommenen Abgleich des von der Produktionsfirma veröffentlichten Originaltranskripts mit einer eigenen Übersetzung und einer eigenen Transkription des Simultandolmetschers mit einer Rückübersetzung der simultan gedolmetschten Version, sehr instruktiv.

Möglicherweise wollte Varoufakis auch gar nicht zum Ausdruck bringen, dass der Stinkefinger montiert wurde, sondern nur, dass das Video (von Jauch) manipulativ gegen ihn verwendet wird, wie z.B. Anatol Stefanowitsch meint. Allerdings betont Varoufakis in einem aktuellen Interview nochmals deutlich, dass er niemals eine solche Geste gemacht hätte und das deutsche Volk bessere Medien verdiene.

Die ganze Sache zeigt jedenfalls sehr schön, wie einfach es ist, mit einer Nebensächlichkeit öffentliche Aufregung zu erzeugen, die Stimmung anzuheizen und damit von anderen Themen abzulenken. Bei Jauch hat man uns nicht die Wahrheit angeboten und zwar selbst dann nicht, wenn das Video kein Fake sein sollte. Böhmermann, den ich persönlich häufig kritisch sehe, hat nicht nur der Öffentlichkeit, sondern gerade auch den Medienleuten eine Lektion erteilt. Wenn man künftig über die oft beschworene Medienkompetenz spricht, wird man wohl häufig das Beispiel Varoufake nennen.

Denn es geht am Ende darum, wie die Meinung des Bürgers bewusst oder unbewusst durch eine verzerrende oder unrichtige mediale Darstellung beeinflusst wird und wie einfach und schnell sich die Maschinerie der öffentlichen Erregung in Gang setzen lässt.

posted by Stadler at 21:12  

7.3.15

Albig träumt vom öffentlich-rechtlichen Internet

Unter dem Titel „Google ist nicht zu durchschauen“ hat Torsten Albig, Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, in der aktuellen Ausgabe der ZEIT (Nr. 10 vom 05.03.2015, S. 29) einen Gastbeitrag veröffentlicht, der ein gerade in der Politik recht populäres Google-Bashing enthält, das mit der Forderung einer gesetzgeberischen Regulierung von Suchmaschinen und der Schaffung einer Medienaufsichtsbehörde verbunden wird.

Einige der durchaus bemerkenswerten Aussagen und Thesen Albigs möchte ich nachfolgend einer kritischen Bewertung unterziehen.

Albig schreibt:

Eine der großen Errungenschaften, auf die wir in Deutschland mit Recht stolz sind, ist die pluralistische Medienlandschaft. Wir haben vielfältige Print-, Rundfunk- und TV-Angebote, die in ihrer Gesamtheit das komplette Meinungsspektrum abbilden und bedienen. (…) Diese Vielfalt können und dürfen wir uns nicht nehmen lassen. Momentan erleben wir aber, wie einzelne Internetunternehmen ebendieses Medienkonzept aushöhlen und unterwandern. (…) Wir finden, was die Suchmaschine uns finden lässt. (…) Wissen wir wenigstens wie Informationen identifiziert, gesichtet und eingeordnet werden? Nein ganz und gar nicht. Suchmaschinen wie Google sind ähnlich wie fast alle modernen Apparate für den Laien nicht zu durchschauen…

Drehen wir die Betrachtung doch einfach mal um. Wissen wir als Leser, Zuschauer oder Nutzer denn, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk oder eine große Tageszeitung Informationen identifiziert, sichtet und einordnet? Nein. Aus Sicht des Zuschauers oder Lesers ist das was in den Redaktionen da passiert, vollkommen intransparent. Im Ergebnis stellt man nur immer wieder fest, dass sich alle großen Medien zeitgleich fast immer mit denselben Themen beschäftigen, während andere Themen, die man durchaus für relevant halten kann, überhaupt nicht vorkommen. Davon, dass unsere Print-, Rundfunk- und TV-Angebote das komplette Meinungsspektrum abbilden, kann daher überhaupt keine Rede sein. Mir erscheint die Berichterstattung der großen Medien vielmehr häufig einseitig, unausgewogen und unvollständig. Als Leser und Zuschauer hat man von den alten Medien stets vorgefilterte Informationen erhalten, von denen eine Redaktion meint, sie seien berichterstattungsrelevant. Erst seit es das Netz gibt, bietet sich dem Bürger die Möglichkeit auf alternative Informationsquellen zurückzugreifen – von denen große Medien nicht ganz selten, dann auch wieder abschreiben – wodurch es erstmals möglich wurde, sich ein zumindest umfassenderes Informations- und Meinungsspektrum zu erschließen. Diese Quellen finde ich als Bürger/Nutzer u.a. durch eine Suchmaschien wie Google oder ein soziales Nachrichtenmedium wie Twitter.

Albig erklärt auch überhaupt nicht, wie und wodurch speziell Google das angeblich so gute, altüberkommene (deutsche) Medienkonzept unterwandert. Er behauptet dies lediglich apodiktisch.

Es gibt anders als von Albig behauptet außerdem natürlich Informationen darüber, wie Suchmaschinen grundsätzlich arbeiten und funktionieren. Dass Google selbst die Suchergebnisse manipuliert, ist eine von Albig zwar in den Raum gestellte, aber anschließend nicht untermauerte These. Die Suchergebnisse von Google werden sicherlich beeinflusst und manipuliert, allerdings vielfach von außen. Eine Heerschar von Suchmaschinenoptimierern versucht fortlaufend, die Websites ihrer Auftraggeber in den Trefferlisten nach vorne zu bringen. Gerichte und Behörden fordern von Google mittlerweile häufig, bestimmte, als rechtswidrig beanstandete Suchergebnisse nicht mehr anzuzeigen. Der Datenschutz, das Persönlichkeitsrecht, das Strafrecht, das Urheberrecht und der Jugendschutz bilden die juristische Grundlage dafür, dass von Google verlangt wird, bestimmte Quellen nicht mehr anzuzeigen.

Wenn man diese Aspekte berücksichtigt, wird man erkennen, dass Google als Suchmaschine immer noch einen sehr guten Job macht, wenn es darum geht, möglichst relevante Ergebnisse zu liefern.

Konkret stellt Albig dann u.a. folgende Forderungen für eine Medienregulierung auf:

Wir sollten uns darüber klar werden, ob wir eine privilegierte Auffindbarkeit im Sinne eines must be found brauchen, das hieße: Suchmaschinen würden verpflichtet, immer auch ein öffentliches Informationsangebot unter den obersten Suchergebnissen anzuzeigen. Nur so stellen wir sicher, nicht in die Falle privater medialer Manipulation zu laufen.

Albig fordert also allen Ernstes, dass Suchmaschinen verpflichtet werden sollen, ein Priorisierung von öffentlich-rechtlichen Informationsangeboten vorzunehmen. Wäre aber nicht gerade das eine Manipulation von Suchergebnissen, die auf eine verfassungsrechtlich kaum begründbare Privilegierung öffentlich-rechtlicher Inhalte hinauslaufen würde und durch die die Suchmaschine die Position des neutralen Informationsvermittlers aufgeben müsste?

Albig beschließt seinen Text mit den Worten:

Denn auch in der digitalen Welt gilt: Die freie ungefilterte Meinungsbildung ist ein unersetzliches Gut mit Verfassungsrang.

Nein. Es wird überall gefiltert, bei Google und erst recht beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Die Vorstellung von ungefilterter Information ist eine Illusion. Meinungsbildung setzt auch gerade beim Nutzer die Beherrschung von Filtertechniken voraus. Medienkompetenz besteht im Internetzeitalter vor allem auch darin, Filtertechniken zu erlernen und zu praktizieren. Eine Kompetenz, die bei Torsten Albig ganz offensichtlich noch nicht in ausreichendem Maße vorhanden ist.

posted by Stadler at 12:28  

16.1.15

Im öffentlich-rechtlichen Fernsehen mit und über Pegida diskutieren

In der Talkshow von Günther Jauch wird am kommenden Sonntag über die „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida) diskutiert. Erstmals ist zu einer solchen Diskussion mit Kathrin Oertel auch ein Mitglied des Organisationsteams von Pegida eingeladen.

Ob das öffentlich-rechtliche Fernsehen dieser rassistischen und fremdenfeindlichen Bewegung tatsächlich ein Forum bieten sollte, ist einer der Punkte, über die man dabei diskutieren kann.

Was mich allerdings noch stärker irritiert, ist die Zusammensetzung der Diskussionrunde, die mit der Vertreterin von Pegida, dem stellvertretender Parteichef der AfD und einem CDU-Politiker mehrheitlich eher rechtslastig erscheint. Als Pegida-Gegner soll da wohl (nur) Wolfgang Thierse dienen. Welche Position der ebenfalls eingeladene Chef der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung Frank Richter einnimmt, ist mir unklar. Richter plädiert aktuell jedenfalls dafür, auf die Pegiada zuzugehen und organisiert Gespräche zwischen Pegida-Anhängern und ihren Gegnern. Ob das das richtige Konzept ist, kann man bezweifeln, zumal die Landeszentrale auch bislang ganz offensichtlich nicht die richtigen Rezepte gegen die starken rechten Strömungen in Sachsen gefunden hat.

Der vielleicht heikelste Punkt bei der Zusammensetzung der Diskussionsrunde ist allerdings, dass man in der ARD mit führenden Repräsentanten von Pegida und der AfD über deren Propagandathema „Islamisierung des Abendlandes“ diskutiert, ohne einen Vertreter der Muslime dazu einzuladen. Das ist an Einseitigkeit kaum mehr zu überbieten und sicher nicht das, was man vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk erwarten darf.

Ob der Unterhaltungsmoderator Günther Jauch mit dem Thema und seinen Gästen einmal mehr überfordert sein wird, ist eine Frage die sich zusätzlich stellt.

posted by Stadler at 15:37  

19.11.14

BGH zur Berichterstattung über den Inhalt rechtswidrig beschaffter E-Mails

Der BGH hält die Berichterstattung über den Inhalt von E-Mails die der frühere Brandenburger Ministers Rainer Speer mit seiner Ex-Geliebten gewechselt hatte, für zulässig, obwohl die Mails rechtswidrig beschafft wurden. Über die Entscheidung hatte ich hier bereits ausführlich berichtet. Nunmehr liegt das Urteil im Volltext vor.

Wichtig an der Entscheidung des BGH ist zunächst die Feststellung, dass auch die Veröffentlichung rechtswidrig beschaffter oder erlangter Informationen vom Schutz der Meinungsfreiheit umfasst ist. Das bedeutet, dass in diesen Fällen dann immer auch eine Abwägung des von der Presse verfolgten Informationsinteresses und ihres Rechts auf Meinungsfreiheit mit dem Interesse des Betroffenen am Schutz seiner Persönlichkeit vorzunehmen ist.

Der BGH betont dann einen für die Abwägung in solchen Fällen stets als zentral anzusehenden Aspekt:

Dem Grundrecht der Meinungsfreiheit kommt umso größeres Gewicht zu, je mehr es sich um einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage handelt. Der Gewährleistung des Art. 5 Abs. 1 GG kommt dagegen umso geringeres Gewicht zu, je mehr sich die Äußerung unmittelbar gegen ein privates Rechtsgut richtet und im privaten Verkehr in Verfolgung eigennütziger Ziele abgegeben wird.

Der BGH führt anschließend aus, dass die Veröffentlichungsbefugnis im Falle von rechtswidrig beschafften Informationen durchaus eingeschränkt ist, insbesondere wenn die Informationen durch Täuschung erlangt wurden:

In Fällen, in denen der Publizierende sich die Informationen widerrechtlich durch Täuschung in der Absicht verschafft hat, sie gegen den Getäuschten zu verwerten, hat die Veröffentlichung grundsätzlich zu unterbleiben. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kommt nur in Betracht, wenn die Bedeutung der Information für die Unterrichtung der Öffentlichkeit und für die öffentliche Meinungsbildung eindeutig die Nachteile überwiegt, die der Rechtsbruch für den Betroffenen und die Geltung der Rechtsordnung nach sich ziehen muss. Das wird in der Regel dann nicht der Fall sein, wenn die in der dargelegten Weise widerrechtlich beschaffte und verwertete Information Zustände oder Verhaltensweisen offenbart, die ihrerseits nicht rechtswidrig sind; denn dies deutet darauf hin, dass es sich nicht um Missstände von erheblichem Gewicht handelt, an deren Aufdeckung ein überragendes öffentliches Interesse besteht.

Im konkreten Fall des Ex-Ministers Speer hat der BGH einen hohen Öffentlichkeitswert der Informationen bejaht und dies wie folgt begründet:

Abgesehen davon haben die Informationen, deren Verbreitung der Kläger mit seinem vorbeugenden Unterlassungsantrag verhindern wollte und deren Wahrheit er nicht in Frage stellt, einen hohen „Öffentlichkeitswert“. Sie offenbaren einen Missstand von erheblichem Gewicht, an dessen Aufdeckung ein überragendes öffentliches Interesse besteht. Die der Beklagten zu 1 zugespielte E-Mail-Korrespondenz zwischen dem Kläger und Frau G. belegt, dass sich der Kläger, der von 1994 bis zu seinem Rücktritt im Jahre 2010 herausgehobene öffentliche Ämter bekleidete, über viele Jahre der wirtschaftlichen Verantwortung für seine Tochter E. entzogen hat. Er hat seine ehemalige Geliebte dadurch in die Situation gebracht, für die gemeinsame Tochter Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz in Anspruch zu nehmen, und es im eigenen persönlichen, wirtschaftlichen und politischen Interesse hingenommen, dass sie Leistungen bezog, obwohl die Voraussetzungen hierfür nicht gegeben waren.

Speer habe, so der BGH weiter, die wirtschaftliche Verantwortung für sein nichteheliches Kind aus Eigeninteresse  auf den Steuerzahler abgewälzt. Ein derartiges Verhalten sei, so der BGH, für die Beurteilung der persönlichen Eignung Speers als Finanz- und Innenminister und Landtagsabgeordneter von maßgeblicher Bedeutung.

Letztlich kann also bei einer Person des öffentlichen Lebens ein hohes Informationsinteresse der Allgemeinheit auch eine Beeinträchtigung der Privatssphäre überwiegen und zwar selbst dann, wenn die Informationen rechtswidrig beschafft worden sind.

posted by Stadler at 10:36  

18.11.14

BGH zur nachträglichen Berichtigung einer Verdachtsberichterstattung

Der BGH hat im Hinblick auf eine zulässige Verdachtsberichterstattung entschieden, dass auch nach Ausräumung des Verdachts von dem Presseorgan keine Richtigstellung der ursprünglichen Berichterstattung, sondern nur die nachträgliche Mitteilung (Nachtrag) verlangt werden kann, dass nach Klärung des Sachverhalts der berichtete Verdacht nicht mehr aufrechterhalten wird (BGH, Urteil vom 18.11.2014, Az.: VI ZR 76/14).

Quelle: PM des BGH

posted by Stadler at 17:54  

11.11.14

„Deutsche Wirtschafts Nachrichten“ mahnen netzpolitik.org ab

Die Deutschen Wirtschaftsnachrichten, die sich gerne als alternative Nachrichtenquelle darstellen, denen im Netz allerdings zu Recht tendenziöser Journalismus vorgeworfen wird, haben netzpolitik.org abgemahnt und die Unterlassung von zwei Äußerungen aus einem Blogbeitrag verlangt.  Die Unterlassungserklärung fordert konkret folgendes:

in Bezug auf das von der Unterlassungsgläubigerin betriebene Onlineportal „Deutsche WirtschaftsNachrichten“ wörtlich oder sinngemäß zu behaupten und/oder zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen,

„[…] Auf den verschwörungstheoretischen Kopp-Verlag wurde gelinkt. […]“;

„[…] Die Deutschen Wirtschafts-Nachrichten sind der Kopp—Verlag für ‚irgendwas mit Wirtschaft‘. […]“

und dadurch den Eindruck zu erwecken, das Onlineportal der Unterlassungsgläubigerin würde dem Kopp-Verlag gehören bzw. sei mit dem Kopp-Verlag rechtlich, zumindest aber tatsächlich verbunden

In juristischer Hinsicht kann man zunächst bezweifeln, dass überhaupt der Eindruck erweckt wird bzw. entsteht, die DWN würden dem Kopp-Verlag gehören bzw. seien mit dem Kopp-Verlag in irgendeiner Form verbunden. Beim durchschnittlich aufmerksamen Leser entsteht dieser Eindruck nicht. Vielmehr wird man als Leser diesen Hinweis dahingehend deuten müssen, dass die DWN ähnlich stark auf Verschwörungstheorien setzen, wie es der Kopp-Verlag tut.

Ungeachtet dessen, erscheint mir die Bewertung der Aussage “Kopp-Verlag für irgendwas mit Wirtschaft” nicht zu beanstandungsfähig. Es handelt sich um ein Werturteil, bei dem nicht eine Schmähung oder Diffamierung im Vordergrund steht, sondern erkennbar folgende im Text angefügte Sachaussage:

Das Geschäftsmodell ist einfach erklärt: Möglichst hysterische Untergangsszenarieren an die Wand malen, damit unbedarfte Leserinnen und Leser auf allen Kanälen alle ihre Kontakte darauf hinweisen, die das wiederum anklicken (sollen) und damit wird dann mit wenig Aufwand viel Werbung verkauft. Je reißerischer, je mehr Weltuntergang und Verschwörungstheorie dabei ist, umso besser verkauft sich eine Geschichte.

Damit ist diese Äußerung eindeutig von der Meinungsfreiheit gedeckt. Ein Unterlassungsanspruch besteht nicht.

Etwas schwieriger ist es mit der Aussage, auf den verschwörungstheoretischen Kopp-Verlag würde verlinkt. Hierbei handelt es sich um eine Tatsachenbehauptung, die im Zweifel wahr sein muss. Diese Äußerung findet sich im Blogbeitrag von netzpolitik.org freilich gar nicht, sondern erst in dem verlinkten Video des Elektronischen Reporters. Wenn man insoweit die Rechtsprechung des Landgerichts Hamburg als Maßstab nimmt, käme man wohl dennoch zur Schlussfolgerung, dass netzpolitik.org als Verbreiter des Videos des elektronischen Reporters für sämtliche im Filmbeitrag getätigten Äußerungen auf Unterlassung haftet. Zumindest hat man das im Hamburg in einem durchaus ähnlichen Fall – der immer noch beim OLG Hamburg in der Berufung anhängig ist – so entschieden. Es ist also im Zweifel hilfreich, wenn netzpolitik.org tatsächlich darlegen kann, dass die DWN auf den Kopp-Verlag verlinkt haben.

Ungeachtet der juristischen Bewertung ist allerdings bemerkenswert, dass ausgerechnet ein Portal wie Deutsche Wirtschaftsnachrichten, das von der Verzerrung lebt, Äußerungen in einem kritischen netzpolitischen Blog beanstandet.

Update vom 13.11.2014
Der Herausgeber von Deutsche Wirtschaftsnachrichten Herr Dr. Michael Maier hat mir gegenüber angekündigt, die Unterlassungsansprüche gegenüber netzpolitik.org nicht weiterverfolgen zu wollen. Seine Stellungnahme vom 13.11.2014 gebe ich mit seiner Zustimmung nachfolgend wörtlich wieder:

Die Deutschen Wirtschafts Nachrichen stehen für eine liberale Demokratie, wie unserem Impressum zu entnehmen ist. Als junges Medium profitieren wir von der umfassenden Pressefreiheit in Deutschland. Wir sind Anhänger der freien Rede und Gegenrede. Falsche Tatsachenbehauptungen sind in jeder demokratischen Rechtsordnung allerdings nicht Teil der Meinungsfreiheit.

In unserer Auseinandersetzung mit netzpolitik.org haben wir die Abmahnung nicht ausgesprochen, um die Pressefreiheit von netzpolitik.org zu beschränken. Die kritische Auseinandersetzung mit der Netzpolitik der Bundesregierung ist gerade heute von größter Bedeutung. Die Verdienste, die sich Markus Beckedahl in dieser Diskussion erworben hat – auch unter Inkaufnahme persönlicher Nachteile – sind unbestritten. Im Internet werden falsche Tatsachenbehauptungen allerdings schnell verbreitet. Deshalb wird sich der Verlag der DWN gegen falsche Tatsachenbehauptungen immer auch mit rechtlichen Mitteln zur Wehr setzen, wenn eine andere Form der Verständigung nicht möglich ist.

In den vergangenen Tagen ist ein wichtiger Sponsor von netzpolitik.org an uns herangetreten. Er hat uns gebeten, von weiteren rechtlichen Schritten abzusehen. Der Streit würde „für beiden Seiten nur unnötig Geld und Energie verbrennen“. Er hat, wie einige kluge Kommentatoren auf netzpolitik.org auch, festgestellt, dass es „da bei den journalistischen Überzeugungen doch so einige Überschneidungen mit den DWN“ gebe.

Es war nie unsere Absicht, netzpolitik.org Schaden zuzufügen. Wir verstehen, dass sich netzpolitik.org in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld bewegt. Wir werden daher in diesem Fall auf eine gerichtliche Durchsetzung unserer Ansprüche gegenüber netzpolitik.org verzichten. Wir wollen unseren Beitrag leisten, dass sich netzpolitik.org auf die Kernkompetenzen – Aufklärung und Kontrolle in netzpolitischen Fragen – konzentrieren und seine immer engen Ressourcen in Journalismus und nicht in Rechtsstreitigkeiten stecken muss.“

Dr. Michael Maier
Herausgeber
Deutsche Wirtschafts Nachrichten

posted by Stadler at 15:58  
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