Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

13.5.10

„Das Internet darf kein strafverfolgungsfreier Raum sein“

Das sagte der um keine Plattitüde verlegene BKA-Präsident Jörg Ziercke auf einer Konferenz zur IT-Sicherheit in Berlin, um damit seine Forderung nach einer Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung zu bekräftigen. Die alte Regelung ist Ziercke freilich nicht genug, er möchte mehr, nämlich die Erstreckung der Vorratsdatenspeicherung auf alle Fälle von Internetkriminalität. Ob Herr Ziercke die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eigentlich gelesen hat?

Ziercke spricht außerdem vom „Tatmittel Internet“, während andere das Internet als Gefahrenquelle betrachten. Wenn man sich angesichts solcher, durchaus als vorherrschend zu bezeichnender Ansichten nicht in Sarkasmus flüchten will, muss man zumindest konstatieren, dass wir noch einen weiten Weg vor uns haben.

posted by Stadler at 00:31  

4.5.10

Verwaltungsgericht Wiesbaden: BKA verletzt Persönlichkeitsrecht einer Sportlerin

Das Verwaltungsgericht Wiesbaden lässt mit einer sehr interessanten Eilentscheidung aufhorchen.

In einer Pressemitteilung hatte das Bundeskriminalamt mit Blick auf ein Urteil des Internationalen Sportgerichts CAS vom 25.11.2009 über eine bekannte, des Dopings verdächtige Eisschnellläuferin behauptet: „In der Urteilsbegründung wird der Athletin Blutdoping vorgeworfen, welches nach Einschätzung des Gerichts so nur in einem professionellen ärztlichen Umfeld möglich ist.

Mit Beschluss vom 22.04.2010 (Az.: 4 L 243/10.WI) hat das Verwaltungsgerichts Wiesbaden dem Eilantrag der Sportlerin stattgegeben und dem Bundeskriminalamt diese Aussage untersagt. Bgründet wurde dies mit einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Antragstellerin nach Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG.

Die Entscheidung könnte künftig auch im Hinblick auf geschwätzige Staatsanwaltschaften oder Polizeibehörden, man denke nur an die Fälle Kachelmann oder Tauss, von Interesse sein.

Man sollte in diesem Zusammenhang auch beachten, dass sich das BKA nicht in derselben Weise öffentlich äußern kann wie die Presse oder ein Privater. Denn das BKA ist ein Organ der öffentlichen Gewalt – worauf das Gericht ausdrücklich hinweist – und es hat als solches auch die Unschuldsvermutung zu beachten.

Quelle: Pressemitteilung des VG Wiesbaden

posted by Stadler at 16:29  

1.2.10

Warum der BKA-Präsident weiterhin für Netzsperren ist

Ein Interview des Präsidenten des Bundeskriminalamts Jörg Ziercke, in dem er sich u.a. erneut für Netzsperren und die Umsetzung des Zugangserschwerungsgesetzes ausgeprochen hat, erregte am Wochenende die Gemüter.

Dabei ist die Aussage Zierckes, Websperren würden abschreckend wirken, nur eine weitere nicht belegbare These der Gesetzesbefürworter, die wegen ihrer offensichtlichen Unrichtigkeit keine inhaltliche Auseinandersetzung lohnt.

Viel interessanter erscheint mir die Frage, weshalb gerade der BKA-Präsident einer der stärksten Befürworter dieses Gesetzes ist. Denn auch Ziercke weiß, dass dieses Gesetz keinen effektiven Beitrag zur Bekämpfung der Kinderpornografie leisten kann. In Wirklichkeit geht es, wie so oft, um Kompetenzen, Einfluss und Macht.

Das Bundeskriminalamt ist nach wie vor primär eine Koordinierungs- und Sammelstelle, der es an originären polizeilichen Befugnissen fehlt. Das ist Ziercke ein Dorn im Auge, er möchte das BKA gerne zu einer mächtigen Bundespolizei umbauen. Das kann aber nur dann funktionieren, wenn der Gesetzgeber in verschiedenen Bereichen neue Kompetenzen zugunsten des BKA schafft. Und hierbei ist das Zugangserschwerungsgesetz ein Baustein. Ziercke wird also immer solche Bestrebungen unterstützen, die auf die Erweiterung der Kompetenzen des BKA abzielen. Sachliche Notwendigkeiten sind insoweit kein Kriterium. Politiker lassen sich hierfür leider sehr gerne von den „Experten“ des BKA instrumentalisieren und einen entsprechenden Handlungsbedarf einreden.

In einer Vielzahl von älteren Beiträgen und einem Brief an den Bundespräsidenten, habe ich erläutert, was in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht gegen Access-Sperren spricht.

posted by Stadler at 13:00  

30.9.09

BKA-Ermittlungen belegen Nutzlosigkeit von Netzsperren

Das Bundeskriminalamt hat nach einer eigenen Pressemitteilung vom heutigen Tag einen Kinderpornografie-Ring zerschlagen, dessen Mitglieder über das Internet Daten ausgetauscht haben sollen.

Was dort freilich nicht steht ist, dass in einem solchen Fall die nunmehr geplanten Netzsperren gänzlich wirkungslos gewesen wären, weil sich dieser Tausch, wie es beim BKA heißt, in „eigens dazu eingerichteten Foren“ abgespielt hat. Kinderpornografisches Material wird im Netz nämlich primär über P2P-Netzwerke und (Chat-)Foren ausgetauscht, das WWW gegen das sich das Zugangserschwerungsgesetz allein richtet, stellt allenfalls einen Nebenkriegsschauplatz dar.

Die eigenen Ermittlungen des BKA belegen somit die Unsinnigkeit der Blockade von Websites.

Update: Es handelte sich in diesem Fall nicht um ein offenes Forum im Web. Die eigenen Erkenntnisse des BKA zeigen, dass Kinderpornografie im Netz in der Regel nicht offen zu finden ist, sondern der Austausch primär über P2P-Netzwerken und Foren (mit geschlossenen Benutzergruppen) stattfindet. Die „Szene“ erweist sich als Closed-Shop. Die Pädophilen benutzen die Hinterzimmer, sie agieren vorsichtig und bleiben unter sich. In diesem Umfeld können die geplanten Websperren nichts ausrichten. Websperren zielen deshalb von vornherein nur auf einen Nebenkriegsschauplatz ab und nehmen die relevanten Umschlagplätze gar nicht erst ins Visier.

posted by Stadler at 13:07  

21.9.09

Fehlerhafte Kriminalstatistik und ihr Einfluss auf die öffentliche Diskussion

Im Beck Blog berichtet Prof. Henning Ernst Müller in einem sehr interessanten Beitrag über Fehler der Kriminalitätsstatistik 2008 und ihren Einfluss auf die politische Diskussion.

Unabhängig von den Aspekten die Müller beleuchtet, sollte man sich immer den grundlegenden Schwächen und Unzulänglichkeiten der deutschen Kriminalitätsstatistik bewusst sein.

Die Erhebung heißt aus gutem Grund „Polizeiliche Kriminalstatisitk“. Erfasst werden nämlich nur Verdachtsfälle, die bei der Polizei eingehen, unabhängig davon, ob sich hieraus ein förmliches Ermittlungsverfahren entwickelt, ob es zur Anklage oder gar zu einer Verurteilung kommt. Auch Verfahren die eingestellt werden und sogar solche die später vor Gericht mit einem Freispruch enden, verbleiben in der Statistik.

Das war zum Beispiel auch der Grund dafür, dass diejenigen, die das Zugangserschwerungsgesetz durchsetzen wollten, in der Diskussion immer einen sprunghaften Anstieg der Fälle von Kinderpornografie behaupten konnten. Denn Ende 2007 fand die sog. Operation Himmel statt, die angeblich 12.000 Verdachtsfälle zu Tage gefördert hatte, die auch Eingang in die Statisitk gefunden haben. Nur wenige Wochen nach Bekanntwerden der Operation Himmel, war freilich kar, dass die Staatsanwaltschaften die Mehrzahl der Verfahren mangels Tatverdacht einstellen mussten und allenfalls eine Hand voll Fälle übrig geblieben ist, die weiter verfolgt worden sind. Man hatte es nicht mit 12.000, sondern wohl nur mit einer zweistelligen Zahl von Straftaten zu tun. Das wussten natürlich auch BKA und Bundesregierung. Gleichwohl hat man sich – wider besseren Wissen – auf das überholte Zahlenmaterial berufen, um die Netzsperren durchzusetzen.

Man muss sich darüber im Klaren sein, dass die deutsche Kriminalitätsstatisitk nur über einen sehr begrenzten Erkenntniswert verfügt und stets kritisch und mit Vorsicht zu betrachten ist. Das scheinen auch viele Journalisten nicht erkannt zu haben oder immer wieder aus den Augen zu verlieren.

posted by Stadler at 10:50  

12.8.09

BKA wirklich bereit für Netzsperren?

Das BKA ist, entgegen anders lautender und ganz bösartiger Gerüchte, bereit, mit den Netzsperren zu beginnen und hat auch die Sperrlisten angeblich schon fertig. Das meldet die TAZ. Trotzdem will man bis Mitte Oktober warten, weil die Provider sich angeblich diese Zeit erbeten hatten. Jetzt sind es also wieder die Provider.

In der Zwischenzeit hat unser liebster Internet-Iro, dessen Ruf in letzter Zeit allerdings leicht gelitten hat, in einem Interview griffig erläutert, warum er gegen Netzsperren ist.

posted by Stadler at 16:10  

4.8.09

Die neue Abhörzentrale beim Bundesverwaltungsamt

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar hat die die Inbetriebnahme einer neuen Überwachungsanlage, die beim Bundesverwaltungsamt angesiedelt ist, kritisiert, vor allem weil die gesetzliche Grundlage hierfür bislang fehlt. Der Bund hat sich für diese neue Überwachungsbehörde mit „Service Center TKÜ“ einen harmlos klingenden Namen ausgedacht. Aber was soll sich hinter einem Service Center Telekommunikationsüberwachung schon verbergen?

Dieses Vorhaben ist u.a. auch deshalb so umstritten, weil die als Service Center getarnte Überwachungsbehörde dem BKA und dem BND dienen soll. Insoweit droht aber eine sachliche Vemengung und Zusammenführung der Erkenntnisse und Daten von Polizeibehörden und Geheimdiensten, die m.E. vom Grundgesetz nicht gedeckt ist. Die rechtlichen Befugnisse beider Behörden unterscheiden sich aufgrund ihrer Aufgaben stark und das BKA ist nicht ohne weiteres berechtigt, Daten und Erkenntnisse des BND zu nutzen. Verfassungsrechtliche Bedenken werden neuerdings aber, wie wir wissen, von den politisch Verantwortlichen in immer stärkerem Maße beseite geschoben, wie sich in fast allen Bereichen beobachten lässt.

posted by Stadler at 15:57  

11.5.09

Vom Bock zum Gärtner: BKA verweigert Einsicht in Sperrverträge

Das Bundeskriminalamt hat einen Antrag auf Einsicht in die zwischen dem BKA und mehreren Internetprovidern abgeschlossenen Verträge zur Blockade kinderpornografischer Websites abgelehnt.

Der Auskunftsanspruch stützt sich auf das Informationsfreiheitsgesetz.

Die Ablehnung wird vom BKA damit begründet, dass eine Auskunft die öffentliche Sicherheit gefährden würde und das geistige Eigentum des BKA und der Provider an den Vertragstexten (sic!) einer Auskunft entgegensteht.

Der Versuch, etwas mehr Transparenz in das undurchsichtige Treiben des BKA zu bringen, gefährdet also die öffentliche Sicherheit? Oder dient die öffentliche Sicherheit dem BKA nicht eher als Vorwand dafür, sein eigenes rechtswidriges Tun zu kaschieren?

Das Gusto-Stück der Argumentation ist freilich der Hinweis auf das geistige Eigentum des BKA und seiner Vertragspartner. Ein wirklicher Leckerbissen.
Aber beim BKA hat der Bock längst die Rolle des Gärtners übernommen, weshalb man sich über nichts mehr wundern sollte. Man kann als rechtsstaatlich gesinnter Bürger vor solchen Behörden wirklich Angst bekommen.

Deshalb ist es auch höchste Zeit, dass die Verwaltungsgerichte dem BKA die Handhabung des Informationsfreiheitsgesetzes mal erklären.

posted by Stadler at 09:01  
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