Auskunftsanspruch gegen Facebook & Co.?
Zu dem geplanten Netzwerkdurchsetzungsgesetz, das ich erst kürzlich kritisch beleuchtet habe, liegt nunmehr ein weiterer, geänderter Referentenentwurf vor, der den Katalog derjenigen Inhalte, die das Gesetz als rechtswidrig qualifiziert erweitert und zudem – jedenfalls nach Ansicht des BMJ und einiger Blogs – den Weg hin zu einem zvilrechtlichen Auskunftsanspruch bei Persönlichkeitsrechtsverletzung ebnen soll. Dies soll erreicht werden, indem § 14 Abs. 2 TMG um die Wörter „oder anderer absolut geschützter Rechte“ ergänzt wird.
Insoweit ist zunächst zu beachten, dass § 14 Abs. 2 TMG unstreitig keinen Auskunftsanspruch begründet, sondern lediglich eine datenschutzrechtliche Gestattung des Anbieters darstellt, die es Facebook & Co. erlauben würde, Bestandsdaten eines Nutzers an eine zuständige Stelle zu übermitteln. Der BGH hat in einer Entscheidung zu Bewertungsportalen (Urteil vom 1.7.2014, Az.: VI ZR 345/13) die Auffassung vertreten, dass bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen zwar grundsätzlich ein Auskunftsanspruch auch gegen den Portalbetreiber aus § 242 BGB in Betracht kommt, aber einem solchen Auskunftsanspruch das Gebot der engen datenschutzrechtlichen Zweckbindung (§ 12 Abs. 2 TMG) entgegen stünde. Wer jetzt allerdings glaubt, ein solcher Auskunftsanspruch ließe sich bereits begründen, indem man die datenschutzrechtliche Gestattung des § 14 Abs. 2 TMG erweitert, übersieht gleich mehrere Aspekte.
Die Vorschrift des § 14 Abs. 2 TMG ist ersichtlich auf Behörden ausgelegt, was sich bereits aus dem Wortlaut „auf Anordnung der zuständigen Stelle“ und die anschließende Aufzählung hoheitlicher Aufgaben ergibt. Da es sich um einen Ausnahmetatbestand handelt, ist die Vorschrift entgegen anderslautender Ansichten auch nicht analogiefähig. Die vom BMJ geplante Erweiterung führt also nur dazu, dass der Anbieter befugt ist, Bestandsdaten an Behörden herauszugeben. Eine Öffnungsklausel, die eine Datenweitergabe an private Anspruchsteller ermöglichen würde, stellt § 14 Abs. 2 TMG folglich nicht dar.
Eine solche Auslegung stünde auch in Konflikt mit § 13 Abs. 6 TMG, der den Anbieter grundsätzlich dazu verpflichtet, dem Nutzer eine anonyme oder pseudonyme Nutzung des Dienstes zu ermöglichen. Es stellt einen Wertungswiderspruch dar, von einem Anbieter Auskunft über die Person eines Nutzers zu verlangen, dessen Anonymität er gleichzeitig wahren und gewährleisten soll. Dieses Problem wird übrigens auch in der genannten Entscheidung des BGH angerissen, aber vom BGH nicht weitergehend erörtert.
Darüber hinaus wäre es auch die falsche Schlussfolgerung aus der Entscheidung des BGH, anzunehmen, gegen einen Portalbetreiber wie Facebook ließe sich aus § 242 BGB ein uneingeschränkter Auskunftsanspruch ableiten. Der Auskunftsanspruch ist seinem Wesen nach ein Hilfsanspruch, der der Durchsetzung eines Hauptanspruchs dient, also regelmäßig eines Unterlasungs- und/oder Schadensersatzanspruchs. Voraussetzung eines Auskunftsanspruchs, gerade aus § 242 BGB, ist allerdings das Bestehen des Hauptanspruchs. Soweit es um Portalbetreiber geht, besteht allerdings die Besonderheit, dass ihre Haftung auf Schadensersatz nach § 10 TMG und die Haftung auf Unterlassung nach den Grundsätzen der Störerhaftung eingeschränkt ist. Eine uneingeschränkte Haftung des Diensteanbieters tritt erst ein, wenn er nach Kenntnis von einer Rechtsverletzung nicht unverzüglich handelt und den beanstandeten Inhalt nicht entfernt. Wenn also zunächst nur ein eingeschränkter Hauptanspruch besteht, ist es nicht naheliegend, dem Portalbetreiber sogleich einen uneingeschränkten Auskunftsanspruch aufzuerlegen. Der Auskunftsanspruch muss nämlich derselben Haftungsprivilegierung unterliegen. In der Entscheidung des BGH, auf die sich das BMJ bezieht, hat sich diese Frage nicht gestellt, denn das Bewertungsportal hatte gerade nicht reagiert und wurde daher rechtskräftig zu einer vollständigen Unterlassung verurteilt.
Wenn das BMJ meint, durch eine bloße Ergänzung des § 14 Abs. 2 TMG ließe sich faktisch ein zivilrechtlicher Auskunftsanspruch bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen begründen, so ist es einem juristischen Irrtum aufgesessen. Wenn der politische Wille vorhanden ist, einen Auskunftsanspruch auch für solche Fälle zu schaffen, wie es beispielsweise der Deutsche Richterbund fordert, dann müsste der Gesetzgeber einen solchen Auskunftsanspruch positiv normieren und zusätzlich eine klare datenschutzrechtliche Gestattung schaffen. Was wir stattdessen sehen, ist nur ein weiterer handwerklicher Mangel eines insgesamt nicht wirklich stimmigen Gesetzesentwurfs.
Herr Stadler, bemühen Sie sich bitte nicht ellenlang über Referentenentwürfe, sondern um aktuelle Urteile. Vor allem bezüglich Filesharing und die Haftung des Anschlussbetreibers für Rechtsbrüche innerhalb des Haushaltes.
Benennt der Anschlussinhaber den Täter nicht, haftet er selber. Das ist aktuell, das wird diskutiert.
Über irgendwelche Entwürfe sollte man sich dann kümmern, wenn sie drohen, Gesetz zu werden. Das ist bis dato nicht so, vor allem nicht vor der Bundestagswahl.
Comment by Gerhard — 31.03, 2017 @ 14:54
Ps. Natürlich ist es immer unschön, wenn man als Fachanwalt für IT-Recht wiederholt gründlich neben der Spur gelegen hat. So als Zorro der armen und entrechteten Filesharer. :-)
Schweigen ist eben doch nicht immer Gold, vor allem dann nicht, wenn man dann selber zahlen muss. Ein gutes, richtungsweisendes Urteil, das den Anschlussinhaber in die Pflicht nimmt.
Nehmen Sie es sportlich. ;-))))
Comment by Gerhard — 31.03, 2017 @ 15:17
„Schweigen ist eben doch nicht immer Gold“
Achja? Und wo ist nun der silberne Unterschied? Letztlich hätten die Eltern doch so oder so für ihre Kinder haften müssen, wenn die verknackt worden wären.
Naja, Hauptsache mal irgend nen unpassendes Sprichwort rausgehauen. Is scho recht, Chekov.
Comment by PeterPan — 31.03, 2017 @ 16:03
Mitunter lohnt es sich auf einen Artikel von Internet-Law zu warten, bevor man sich über Beiträge in anderen Medien zu dem angesprochenen Thema überhaupt Gedanken macht :-).
Comment by Schmunzelkunst — 3.04, 2017 @ 20:25
Nach europäischem Recht ist Facebook nicht zur Inhaltskontrolle ermächtigt..
http://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/DE/NetzDG.html;jsessionid=B2AD9F2171EDBF805607B329A6327B1F.2_cid334?nn=6704238
Zwar verwehrt Artikel 15 Absatz 1 e-commerce-RL de
n Mitgliedstaaten, den
Diensteanbietern eine allgemeine Verpflichtung aufz
uerlegen, die von ihnen
übermittelten oder gespeicherten Informationen zu ü
berwachen oder aktiv nach
Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige T
ätigkeit hinweisen. Diese
allgemeine Recherchepflicht wird in diesem Entwurf
auch nicht statuiert.
und auch noch Extrawürste für Verlage.
„Plattformen mit journalistisch
-redaktionell gestalteten Angeboten, die
vom Diensteanbieter selbst verantwortet werden, gel
ten nicht als soziale Netzwerke im
Sinne dieses Gesetzes. „
Comment by kupier — 10.04, 2017 @ 12:36