Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

18.5.15

Die geplante Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung

Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur geplanten Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung wurde Ende letzter Woche an Verbände zur Stellungnahme verschickt.

Die Neuregelung wird zunächst von einem sprachlichen Euphemismus flankiert. Der Gesetzesentwurf spricht nicht mehr von einer Vorratsdatenspeicherung sondern von der Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten.

Der Gesetzesentwurf ist von dem Bemühen getragen, die Vorgaben der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen. Der Entscheidung des EuGH wird vor allen Dingen durch die recht kurze Speicherfrist von (nur) 10 Wochen Rechnung getragen und dadurch, dass man eine zusätzliche Vorschrift zum Schutz von Berufsgeheimnisträgern schaffen will.

Die Neuregelung wählt bei der Neufassung des § 100g StPO konstruktiv einen Ansatz, der im Gesetzgebungsverfahren sicherlich noch zu Diskussionen führen wird.

§ 100g StPO (n.F.) enthält jetzt in seinem Absatz 1 eine Regelung zum Abruf von Verkehrsdaten, die von den Providern nach der Vorschrift des § 96 TKG gespeichert werden, während der Abruf der eigentlichen Vorratsdaten, also derjenigen Daten, die nach § 113b TKG (n.F.) gespeichert werden, in § 100g Abs. 2 StPO (n.F.) geregelt wird. § 96 TKG ermöglicht den TK-Anbietern eine Erhebung von Verkehrsdaten wie Nummern oder Kennungen (z.B. IP-Adressen), Beginn und Ende einer Verbindung insbesondere zu Abrechungszwecken und zum Erkennen, Eingrenzen oder Beseitigen von Störungen oder Fehlern. Diese Daten sollen nach § 100g Abs. 1 StPO für Strafverfolgungsbehörden weiterhin bei allen Straftaten abrufbar sein, die mittels Telekommunikation begangen worden sind.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil nämlich § 100g Abs. 1 S. 1 StPO (a.F.) nur insoweit für verfassungswidrig erklärt, als nach der Vorschrift Verkehrsdaten nach § 113a TKG (a.F.) erhoben werden durften. Die Erhebung von Verkehrsdaten, die nach § 96 TKG von den Providern gespeichert wurden, hat das BVerfG nicht beanstandet. Die Vorschrift war insoweit aber auch nicht angegriffen worden.

Da die Verkehrsdaten im Sinne von §§ 96 und 113b TKG (n.F.) zumindest teilweise identisch sind, ergibt sich daraus für die Provider zwingend die Schaffung von zwei getrennten Datenpools, zumal für die Vorratsdaten nach der Rechtsprechung des BVerfG besondere Anforderung an die Datensicherheit gelten, die der Entwurf versucht in §§ 113 d – 113g TKG (n.F.) umzusetzen.

TK-Anbieter brauchen also künftig einen Datenpool für Verkehrsdaten, die aufgrund eigener Interessen der Provider gespeichert werden und einen zweiten, strikt zu trennden Datenpool, in dem Vorratsdaten gespeichert werden. Das ergibt sich letztlich unmittelbar auch aus der Vorschrift des § 113d S. 2 Nr. 2 TKG (n.F.), der für Vorratsdaten die Speicherung in gesonderten, von den für die üblichen betrieblichen Aufgaben getrennten Speichereinrichtungen, verlangt.

Die Frage ist auch, was das für die Abrufpraxis bedeutet. Strafverfolgungsbehörden werden künftig Verkehrsdaten nach §§ 100g Abs. 1 StPO i.V.m. § 96 TKG anfordern und zusätzlich bzw. parallel Vorratsdaten nach § 100g Abs. 2 StPO i.V.m. § 113b TKG.

Nach meiner ersten Einschätzung kann man bezweifeln, dass die Vorgaben der Entscheidung des EuGH ausreichend umgesetzt werden. Die Rn. 57 – 59 des EuGH-Urteils lassen sich dahingend interpretieren, dass die anlasslose Speicherung sämtlicher TK-Verbindungsdaten, die ohne jede Ausnahme und ohne jede Differenzierung stattfindet, unzulässig ist. Der EuGH stellt nämlich explizit darauf ab, dass auch Daten von Personen gespeichert werden, bei denen keinerlei Anhaltspunkt dafür besteht, dass ihr Verhalten in einem auch nur mittelbaren oder entfernten Zusammenhang mit schweren Straftaten steht. Außerdem bemängelt der EuGH, dass die Vorratsspeicherung weder auf die Daten eines bestimmten Zeitraums und/oder eines bestimmten geografischen Gebiets und/oder eines bestimmten Personenkreises beschränkt ist.

Demgegenüber sieht § 113b Abs. 1 – 3 TKG (n.F.) nach wie vor die anlasslose und undiffernzierte Speicherung von Verkehrs- und Standortdaten vor.

Beispielsweise der Schutz von Berufsgeheimnisträgern findet auch nicht auf der Ebene der Speicherung, sondern erst auf der Ebene des Datenabrufs durch Strafverfolgungsbehörden im Rahmen der Vorschrift des § 100g Abs. 4 StPO statt.

Die Diskussion über die Neuregelung ist jetzt also eröffnet.

posted by Stadler at 14:14  

11 Comments

  1. Flatter, flatter, flatter. Immer wieder schön, die Faktenlage nochmal und nochmal durchzuwürgen, bis zum Brei.

    Es wird keine VDS in Deutschland geben.

    Comment by Justus — 18.05, 2015 @ 15:50

  2. Vornehmlich wichtig ist es jetzt, das gesamte Rewebber-System weiter auszubauen. Vor allem, was die Serverstandorte betrifft.

    Comment by Justus — 18.05, 2015 @ 16:02

  3. Politisch interessant ist in der Diskussion um den erneuten Versuch einer Vorratsdatenspeicherung (vielleicht sollte man einfach von Gestapo-Infrastruktur reden, um den wechselnden tagesaktuellen Begrifflichkeiten zu entfliehen) ist, warum die beiden Politiker Heike Maas, SPD, und Peter Tauber, CDU, ihre Glaubwürdigkeit weggeworfen haben. Hieß es von beiden noch vor kurzem, dass es mit ihnen keine VDS gäbe, vertreten sie nun die Meinung anderer mit dem Gegenteil und nicht mehr die eigene.

    Mit aller Gewalt versucht nun die GroKo, ohne Evidenz für die Wirksamkeit der Maßnahme, auf Basis von Halluzinationen von Sigmar Gabriel (er halluziniert in Norwegen hätte es eine VDS gegeben, die zur Festnahme von Breivik geführt hätte) im Schweinsgalopp sich gegen die EU zu stellen und im deutschnationalen Alleingang die anlasslose Massenüberwachung wieder einzuführen.

    Bei dem Zugangserschwerungsgesetz ging es erst um Kinderpornografie (einem Lieblingsthema der SPD, wo man auch schon mal versucht vom Parlament aus beim BKA durchzustechen an der Rechtsordnung vorbei) und alle waren dafür, kurz darauf waren alle dagegen.

    Konstant bei den irren Wechselfällen bleibt nur der Hass auf das Digitale und der Versuch, die Bürger möglichst massiv bei der Digitalisierung zu behindern und das Internet zum rechtsfreien Raum zu machen.

    Nun wissen wir, dass der Hass der der Groko auf das Digitale unermesslich groß ist (und Gabriel will die Gestapo-Infrastruktur (auch im deutschnationalen Alleingang) auch in WLAN-Router einbringen und nennt das zynisch im 1984er-Neusprech freie WLANs wenn er den Freifunk zugunsten der neuen Gestapo tötet. Aber es wird die Eile eine Maßnahme ohne nachgewiesener Wirkung nicht erklärt.

    Sieht man sich Spionage-Affäre der Groko an, wo man befürchten muss, dass drei politische Parteien eine kriminelle Vereinigung zum Zwecke der Spionage, Wirtschaftsspionage und Massenüberwachung für eine fremde Macht gegründet haben und mit aller Kraft versuchen, Beweismittel zu unterdrücken, Ermittlungen des Generalbundesanwalt zu vereiteln, fragt man sich, ob unsere Verfassung nicht Lücken hat, die die Zersetzung aus dem Inneren des Staates heraus nicht verhindert (z.B. durch Weisungsabhängigkeit des Generalbundesanwalts von Verdächtigten).

    Es taucht dann die Frage auf, wie man Artikel 20 GG, Nummer 4, operationalisiert bei Politikern, die offenbar halluzinieren, Straftaten in der Nähe des Landesverrates möglicherweise decken und mangelnde Zurechnungsfähigkeit haben durch zahlreiche 180-Grad-Meinunsgpiroutten (man kann ihre Aussagen ja nicht mehr verwenden, weil sie schon am nächsten Tag das Gegenteil behaupten/halluzinieren können.

    Comment by Wolfgang Ksoll — 18.05, 2015 @ 16:17

  4. Wundersame CIA und NSA-Proxies sind heute meine Lösung. An dem Ausbau des eigenen Rewebber-Netzwerkes muss immer gearbeitet werden.

    Wie dem auch sei, es erfolgt eine Verfassungsklage (mit Eilantrag), sollte das Gesetzesvorhaben durchgewunken werden.

    Ruhe und Gemütlichkeit ist angesagt. Abwarten, was folgt und dann reagieren. Hysterisch kann man danach werden.

    Comment by Justus — 18.05, 2015 @ 16:52

  5. Als jemand, der in Providerfunktion für Schwester- und Tochterfirmen mehr als 20.000 Postfächer und Bildschirmarbeitsplätze zur Verfügung stellt, frage ich mich dann schon wie ich die Datenpools anlegen muss.
    Reicht ein hinsichtlich seiner Integrität auditierbarer Speicher oder muss es ein revisionssicherer Speicher sein? Wenn ich eine Revisionssicherheit anstreben muss, wie verfahre ich mit unerlaubt erfassten Daten.
    Was ist mit disposable Cloud-Systemen die nicht räumlich festgelegt sind und nach Benutzung verworfen werden? Gilt dann das (polnische/irische/indische/türkische) Recht am nicht festlegbaren Standort der Maschine oder ist tatsächlich die Auslieferung des Bildschirminhalts an den Benutzer entscheidend und muss ich dann aus den Rechenzentren die Verkehrsdaten sichern, die ich zum Teil nach dem Recht am Standort der Maschine nicht mal erfassen darf?

    Comment by Falk D. — 19.05, 2015 @ 12:04

  6. @Wolfgang Ksoll: so sehr ich die Fragen teile, den Begriff „Gestapo-Infrastruktur“ schätze, so sehr wird GG 20 (4) auch von Dir überschätzt.
    Wer eine Revolution macht, weil die hier demokratische und staatliche Ordnung seiner Feststellung nach von innen beseitigt wurde, – dieses „von innen“ charakterisiert den Prozess m. E. zutreffend – andere Abhilfe nicht in Sicht ist, und scheitert, wird wie ein gewöhnlicher Straftäter (oder „Terrorist“) von eben diesem System abgeurteilt. Wer aber obsiegt, setzt eigenes, neues Recht an die Stelle des alten. Es mag dann opportun sein sich auf eine Legitimation der alten Verfassung berufen zu können, doch mehr als ein Feigenblatt wäre dies nicht.

    Comment by M. Boettcher — 19.05, 2015 @ 16:27

  7. @M. Boettcher
    Ja, diese Bedenken hatten die Leute, die das System abgeschafft haben, in dem Merkel vorher wirkte, nicht. Auch wenn „Republikflüchtige“ an der Grenze erschossen wurden und politische Häftlinge zu Hauf von der Stasi drangsaliert wurden. Die Gestapo war ebenfalls ein Beschleuniger für die Vernichtung des Systems. Empirisch gesichert :-) (Im Gegensatz zu Spekulationen über GG 20(4) :-)

    Comment by Wolfgang Ksoll — 20.05, 2015 @ 20:42

  8. Zitat Stadler: „Die Diskussion über die Neuregelung ist jetzt also eröffnet.“

    Es gibt keine Diskussion darüber.

    Comment by Clint — 22.05, 2015 @ 21:45

  9. Mein lieber Herr Baum und seine Mitstreiter und gar die Grünen (von denen wir zusammen mit der SPD in der Vergangenheit nichts Gutes kennen), werden gegen die VDS Klage beim Bundesverfassungsgericht einreichen.

    Das warten wir erstmal ab. Danach kann man weiter quatschen.

    Comment by Klagekreis — 28.05, 2015 @ 21:19

  10. Normalerweise pflegen Kriminelle und Terroristen ihre Aktivitäten nicht am Telefon zu koordinieren oder sich über das Internet abzusprechen : das wäre auch einfach zu dumm. Täten Sie das wür:de es bald keine Terroristen ergeben was also soll die ganze Datensammelei dazu gebe ich jetzt kein Kommentar

    Comment by Arne Rathjen RA — 29.05, 2015 @ 18:41

  11. Toll, diese Spracherkennung.
    Überhaupt: Daten sind nicht
    Informationen. Informationen sind nicht Erkenntnisse. Je mehr Daten, desto
    weniger Erkenntnise, desto mehr
    Straftaten.

    Comment by Arne Rathjen RA — 29.05, 2015 @ 18:47

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