Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

10.2.15

Berlin versteht keinen Scher(t)z

Die Abmahnung des Blogs Metronaut durch die Stadt Berlin und dessen Olympiasprecher hat selbst in der Anwaltschaft zu Unterstützungs- und Solidaritätsbekundungen geführt. Der Kollege Kompa ist Metronaut und Carsten R. Hönig dankt den Bloggern dafür, dass sie durch die Herstellung von historischen Zusammenhängen das Volk zum Nachdenken anregen.

Das Blog Metronaut hatte sich in einem durchaus als satirisch erkennbaren Beitrag mit der aktuellen Olympiabewerbung von Berlin auseinandergesetzt und die angeblich neuen Kampagnen-Motive in einer Leni-Riefenstahl-Ästhetik präsentiert, die bewusst an die Nazi-Spiele des Jahres 1936 angelehnt war. Dazu hatte man den Olympiasprecher der Stadt Berlin mit fiktiven Plattitüden zitiert. Auf die Idee, dass das nicht ernst gemeint war und vom Publikum auch als Satire erkannt werden wird, hätte man durchaus kommen können. Wenn man allerdings über wenig Humor verfügt und Kritik schlecht vertragen kann, ist es immer eine gute Idee, Rechtsanwalt Prof. Schertz mit einer Abmahnung zu beauftragen, um ihn dann u.a. folgendes schreiben zu lassen:

Sie behaupten in dem vorbezeichneten Artikel der Wahrheit zuwider, dass die in Ihrem Artikel wiedergegebenen Plakatmotive Plakatmotive der aktuellen Berliner Olympiakampagne sind.

Wird das in dem Artikel tatsächlich behauptet, oder interpretiert Schertz das Offensichtliche nur in eher abwegiger Art und Weise? Wer könnte denn so borniert sein, diese Plakatmotive gerade auch angesichts des begleitenden Texts tatsächlich für Motive der aktuellen Olympiakampagne zu halten? Die Frage, wie sich das Bild vom weltoffenen und liberalen Berlin mit der Engstirnigkeit und Kleinkariertheit der Verantwortlichen der Stadt verträgt, darf und muss gestellt werden. Die Abmahnung durch das Land Berlin ist starker Tobak, gerade in der Stadt Tucholskys.

posted by Stadler at 11:00  

28 Comments

  1. Berlin wird als Stadt der Bürokraten und Überlebenskünstler bezeichnet.
    Die Ersteren sind nun mal nicht für Humor bekannt. Vor allem nicht, seit der Berliner Flughafen als ultimative Fehlleistung weltweit bekannt wurde.

    Comment by Tourix — 10.02, 2015 @ 11:30

  2. Jaja, wir sind Charlie.
    Zumindest solange, bis jemand etwas sagt, dass uns nicht passt.
    Wenn wir wirklich unsere Werte verteidigen wollen, dann müssen wir sie auch selbst leben.

    Comment by Alexander Schwarz — 10.02, 2015 @ 12:44

  3. Hier http://bit.ly/16KwIwq veröffentlicht metronaut die beiden Abmahnschreiben, ohne Schertz zu nennen.

    Bezeichnend die sehr kurze Frist von 16:14 bis 18:00 in man sich zur Unterwerfung entscheiden musste.

    Aus den Abmahnscheiben war wegen Rechtsanwälte PartG mbB und 10707 Berlin sofort erkennbar (über die Google-Suche), dass die Schertz-Kanzlei abgemahnt hat.

    Das haben die Helden von metronaut sofort geändert und Rechtsanwälte PartG mbB inzwischen geschwärzt.

    Sie wissen aber nicht, dass Anwaltschreiben auch geschwärzt nicht so ohne weiteres veröffentlicht werden dürfen.

    Schertz reagiert da sehr unterschiedlich.

    Es ist zu hoffen, das Schertz sich nicht wieder lächerlich machen möchte und schnell den Schwanz einzieht.

    Sicher ist das allerdings nicht.

    Die Machen von metronaut sind offenbar im Zensurrecht nicht bewandert. Hoffentlich haben sie den richtigen Anwalt. Da muss man aufpassen, der Anwalt muss gut sein und arbeitet in der Regel nicht kostenlos.

    Schuld sind dann immer die blöden Richterinnen und Richter.

    Comment by Rolf Schälike — 10.02, 2015 @ 17:16

  4. Hier in Hamburg wird auch von allen Medien aus allen Rohren pro Olympische Spiele gefeuert. Ich bin auch „Feuern und Flamme“, wenn es gilt das Steuergeld der Bürger dieser Stadt zu verbrennen. Das Motto ist alt, inzwischen können wir bzw. unsere Politiker aber weitere Belege für ihre Erfahrung im Geldverbrennen vorlegen. Leider warnt man davor zu wenig. Passend zur Medienkampagne gibt es auch Umfragen, die belegen sollen, dass inzwischen 2/3 der Hamburger dafür sind. Wer solchen Umfragen glaubt: Vor kurzer Zeit waren nach gleicher Quelle noch fast 50% dagegen.

    Comment by M. Boettcher — 10.02, 2015 @ 18:43

  5. Der Vergleich ist mehr als unangebracht. Den Rechtsstaat zeichnet aus, dass zur Durchsetzung eigener Interessen gegen die Interessen anderer ausschließlich dieser Rechtsweg zu wählen ist. Weder wurden die Metronaut-Macher bedroht noch erschossen. Sie haben versucht Aufmerksamkeit für ihre Zwecke zu erlangen und das auf Kosten anderer. Das ist ihnen gelungen. Sie wollten jemand zwicken und dieser jemand zwickt zurück – auch in Behörden sitzen Menschen. Wo ist der Aufreger? Wer die Öffentlichkeit sucht, bekommt sie oder auch nicht. Bisher ist es doch optimal gelaufen.

    Comment by NixCharlie — 10.02, 2015 @ 18:53

  6. Die Olympiaparty 1992,1993 – eine richtige Sause für Olympia-Gmbh-Mitarbeiter, die Urlaubsfreaks des
    IOC und die Geschäftsleitung, bei der
    munter über alle Welt Geschenke
    verstreut wurden, kostete bescheidene
    80 Mio. DM. Ergebnis 9 Stimmen für
    Berlin 2000, Olympiade 2000 in Sydney.
    Die Akten der Olympia-GmbH wurden
    vernichtet. Ein Funktionär bezeichnete
    den Berlin-2000-U-Ausschuss als
    Lachnummer.

    Die Akten waren weg und auch das Geld.

    Die Realsatire ist aber durchaus steigerungsfähig, es wird die größte
    Sause aller Zeiten. Vielleicht bauen sie
    BER zum Olympiapark um und machen einHappeni gzentrum daraus,
    und lassen die Akten der Betreibergsellschaft vor Tonga versenken .
    Wer nörgelt kriegt einen Schmerz verpasst.

    Comment by Arne Rathjen RA — 10.02, 2015 @ 19:25

  7. @NixCharlie

    Der Unterschied ist, dass explizit gesagt wurde: Satire muss ertragen werden. Da war von Einschränkungen überhaupt keine Rede ;).

    Und das Argument da sitzen Menschen ist richtig aber stellen Sie sich vor, dass Religion einen Großteil ihres Lebens ausmacht (egal ob Christ, Muslim, Buddhist, Jude, Hindu, oder oder oder) und jetzt beleidigt jemand genau das was IHNEN am Wichtigsten ist.

    Dann sagen wir auch: das muss man aushalten können.

    Jetzt verstanden?

    Comment by Alexander Schwarz — 11.02, 2015 @ 08:06

  8. Solange auf Beleidigungen, Schmähungen etc. reagiert wird, und nach dem Prinzip „Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen“ und umgekehrt „Wer verspottet wird, bekommt den Schaden“ gehandelt wird, wird es Kriege, Elend, Mord und die Gefahr des Untergangs der Menschheit geben.

    Prof. Schertz, der Berliner Senat und Steffen Theis sind im konkreten Fall immer noch in der Vergangenheit mit ihren moralischen und ethischen Gelüsten.

    Die Auseinadersetzung mit Olympia 1936 und dem heutigen Begehren das olympische Theater nach Berlin zu ziehen, ist notwendig, aber nicht so, wie es der Sohn des ehemaligen Berliner Polizeipräsidenten möchte und durchzusetzen versucht.

    Comment by Rolf Schälike — 11.02, 2015 @ 10:02

  9. @NixCharlie Den Rechtsstaat zeichnet aus, dass zur Durchsetzung eigener Interessen gegen die Interessen anderer ausschließlich dieser Rechtsweg zu wählen ist.

    Das stimmt in der Realität so nicht. Auch theoretisch ist das ein falscher Ansatz, wenn dieser Grundsatz als ein ausschließlicher definiert wird..

    Sich auf die Richterinnen und Richter zu verlassen, ist nicht viel anders als sich einen guten und klugen Diktator zu unterwerfen.

    Es gibt keine guten und klugen Diktatoren, so wie es keine idealen Richterinnen und Richter gibt.

    Man kann sich nicht aus der persönlichen Verantwortung rausschleichen.

    Comment by Rolf Schälike — 11.02, 2015 @ 10:08

  10. Ich kann mich entsinnen, wie die Gutmenschen- und Empörungsindustrie erst richtig abging, als die Band Rammstein in der Tat Filme von Leni in einem Video genutzt hatte. Das war damals noch der Aufreger. Heute kommen die Leute aus dem Schnarchen nicht mehr raus. Ja, es ist nicht polcor, wenn ich es schreibe, aber es interessiert heute kein Schwein mehr, was vor einem dreiviertel Jahrhundert gelaufen ist.

    Und selbst dann nicht, wenn es KEINE Satire ist.

    Es nervt.

    Comment by Ned — 11.02, 2015 @ 18:29

  11. Die Satire sieht viel weniger absurd aus als der Stusskizirkus enthirnter
    Superprotzkes anlässlich der Olympiabewerbung für 2000 oder
    im Zusammenhang mit dem galaktischen Spektakel BER 2200.

    Comment by Arne Rathjen RA — 11.02, 2015 @ 18:35

  12. Was ist denn eigentlich mit dem Flughafen? Kann man das auch endlich mal abmahnen, wie es sonst bei jedem Handwerker üblich ist, der sein Werk nur unvollständig abgeliefert hat?

    Sollte man Berlin den Hauptstadt-Status aberkennen?

    Comment by Ned — 11.02, 2015 @ 18:38

  13. Was hat Schertz in Rechnung gestellt in Euronen?

    Comment by Ned — 11.02, 2015 @ 19:08

  14. „Sie behaupten in dem vorbezeichneten Artikel der Wahrheit zuwider, dass die in Ihrem Artikel wiedergegebenen Plakatmotive Plakatmotive der aktuellen Berliner Olympiakampagne sind.“

    @Schertz

    Schlechter Schreibstil, so geht es besser:

    „Sie haben in dem vorbezeichneten Artikel wahrheitswidrig vorgegeben, daß Ihre Plakatmotive Inhalt der aktuellen Berliner Olympiakampagne sind.“

    Auch RA können VHS-Kurse besuchen, dann klappt es auch mit dem Ausdruck.

    Comment by Ned — 11.02, 2015 @ 19:16

  15. Der ist auch noch Prof…. uhhh, die Vorlesung müsste ich sofort untertiteln und damit gleichzeitig auch die Gemeinde vorm Einschlafen bewahren.

    Comment by Ned — 11.02, 2015 @ 19:33

  16. METRONAUT: Olympia-Satire: Wir unterzeichnen keine Unterlassungserklärung und stellen die Motive wieder online http://bit.ly/1ATAWiO

    Comment by Rolf Schälike — 12.02, 2015 @ 17:46

  17. Als in den zwanziger Jahren in Berlin
    noch etwas los war, da fabrizierte ein
    gewisser Heartfield eine Montage.
    Zu sehen war er selbst, wie er einer
    Pappfigur mit einer Schere den Kopf
    abschnitt.
    Quizfrage: wer war als Pappfigur dargestellt ?
    Was würden sie mit H. machen, wenn
    er das Unwerk heute bloggen würde?

    Comment by Arne Rathjen RA — 12.02, 2015 @ 18:23

  18. @17 Die Pappfigur stellte den Polizeipräsidenten von Berlin Zörgiebel – http://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Z%C3%B6rgiebel – dar.

    Auch Georg Schertz – http://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Schertz -, der Vater von RA Prof. Dr. Christian Schertz, war als Jurist Polizeipräsident von Berlin.

    Das sogar in den kritischen Jahren 1989/90, in denen die u.a. die Kriminellen unter den Berliner DDR-Volkspolizisten in den Polizeidienst von ganz Deutschland übernommen wurden.

    An der Schnell-Schulung von Stasi-Mitarbeitern zu fragwürdigen Juristen (Anwälten) in Potsdam waren aber Westberliner und westdeutsche Juristen beteiligt.

    Comment by Rolf Schälike — 12.02, 2015 @ 18:56

  19. Die Frage ist nur eine, hat Schertz Erfolg oder nicht. Knicken die Abgemahnten ein oder nicht. Nur darum geht es. Seine Eltern hat man sich nicht ausgesucht @Rolf.

    Comment by Ned — 13.02, 2015 @ 16:50

  20. Ps. Die Stadt Berlin, oder eher deren besonders engagierte und fleißige Beamte, sind mittlerweile so weichgekocht, daß es bis zur Rücknahme der Abmahnung nicht mehr lange dauern kann.

    Wir bleiben am Ball.

    Comment by Ned — 13.02, 2015 @ 17:27

  21. @20Ned Eine Abmahnung braucht nicht zurückgenommen zu werden. Berlin und der Pressesprecher verliert lediglich das Recht, eine Einstweilige Verfügung zu erhalten. Klagen können diese Herrschaften aber immer noch innerhalb von drei Jahren.

    Möchte Metronaut sicher gehen, dass die Abmahnung zu keinem Erfolg geführt hätte, könnne die Metronaut-Macher die Abmahner über Schertz auffordern, sich ihres Anspruchs nicht mehr berühmen.

    Schertz wird das ablehnen. Dananch kann jeder auf Feststellung klagen.

    Der Metronautanwalt Feldmann kennt all diese Spielchen und wird die Satiristen nicht auflaufen lassen.

    Es kann noch spannend werden. Bestimmt sucht Schertz nach Peanuts, um seine Ehre als bester Medienanwalt Deutschlands zu retten.

    Comment by Rolf Schälike — 14.02, 2015 @ 00:34

  22. @Ned Man sucht sich seine Eltern nicht aus. Georg Schertz ist aber weder als Jurist noch als Polizeipräsident eine Schande. Christian Schertz braucht sich nicht zu schämen, geschweige denn zu distanzieren.

    Außerdem haben die nicht ausgesuchten Eltern neben dem genetischen Einfluss auch einen starken sozial-pädagogischen Einfluss auf ihre Kinder. Dürfte bei den Schertzens nicht anders gewesen sein.

    Vater Schertz ging mit dem ältesten, eingeheiraten Gooebbels-Sohn in eine Schule. Sie kannten sich recht gut. Die Goebbekls und Schertzens waren Nachbarn. Hat auch keine Bedeutung für heute. Absolut spurlos dürfte diese Vergangenheit allerdings nicht vorbeigegangen sein, auch an Christian Schertz.

    Comment by Rolf Schälike — 14.02, 2015 @ 00:40

  23. Heartfield scheint erst 1933 wirklich Ärger
    bekommen zu haben.
    Was aber wäre, wenn heute ein teurer Bürokratschik mit Photoshop virtuell
    auf das Bild einer Guillotine geklebt wird,
    das Ganze mit ein bisschen Flash animiert,
    um per Klick den Kopf fallen zu lassen ?
    UND das auf Youtube hochgeladen wird ?
    Immerhin begann ein prominenter Politiker
    in Berlin seine Karriere als Verteidiger eines Kriegsverbrechers.
    U. de Maiziere begleitete den Führer bis zu den letzten Stunden im Führerbunker.
    Ähmlichkeiten mit aktuellen Abläufen sind
    daher nur Zufall.

    Comment by Arne Rathjen RA — 16.02, 2015 @ 19:36

  24. Berlin steht nicht allein da.

    Auch Hamburger linkt die KünstlerInnen.

    Mit der Elbphilharmonie möchte die Stadt allein ankassieren.

    Siehe Presseerklärung http://www.buskeismus-lexikon.de/Presseerkl%C3%A4rung_028_-_Stadt_Hamburg_gegen_K%C3%BCnstlerInnen

    Comment by Rolf Schälike — 18.02, 2015 @ 21:30

  25. Wie ist der Stand der Dinge @Rolf? Hat sich das Problem mittlerweile erledigt?

    Comment by Ned — 19.02, 2015 @ 18:38

  26. @25Ned Die Verhandlung ist an diesem Mittwoch, 14:30, Saal B335, Landgericht Hamburg.

    Es kann reht interessant werden, weil die Kulturbehörde juristisch sehr, sehr schief liegt – die Marke Elbphilharmonie Hamburg ist nicht schutzfähig – und gegen unabhängige Unterstützung von Künstlern vorgeht.

    Dem Senat reicht es nicht aus, für die Elbphilharmonie sehr viel Geld ausgegeben zu haben. Jetzt bezahlen die noch auf unsinnige Weise Anwälte gegen Künstler.

    Comment by Rolf Schälike — 19.02, 2015 @ 21:54

  27. Termin am Mittwoch ist ausgefallen. Neuer Termin Stadt Hamburg gegen Kunst ist noch unbekannt.

    Comment by Rolf Schälike — 20.02, 2015 @ 15:04

  28. Danke für die Info. Schertz hat scheinbar ausgescherzt. Wahrscheinlich sitzt er zwischenzeitlich doch in der VHS, um an seinem Schreibstil zu arbeiten.

    Comment by Ned — 25.02, 2015 @ 17:54

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