Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

13.2.14

EuGH: Es darf verlinkt werden

Der EuGH hat sich in einem Urteil vom heutigen Tage (Az.: C?466/12) mit einer Frage befasst, die viele für eine Selbstverständlichkeit halten werden. Auf ins Internet eingestellte und dort frei zugängliche urheberrechtliche Werke, darf verlinkt werden. Eine Verlinkung auf frei zugängliche Internetinhalte stellt nach Ansicht des EuGH keine Handlung der öffentlichen Wiedergabe im Sinne der Infosoc-Richtlinie und damit keine Urheberrechtsverletzung dar.

Der EuGH geht hierbei davon aus, dass eine öffentliche Wiedergabe durch einen Link zwar in Betracht kommt, aber nur dann, wenn sich an ein neues Publikum gerichtet wird. Das ist aber nur dann der Fall, wenn es zunächst Zugangsbeschränkungen gab, die der Linkende umgeht bzw. beseitigt. Im Urteil heißt es hierzu:

Jedoch kann eine Wiedergabe wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die dieselben Werke umfasste wie die ursprüngliche Wiedergabe und wie diese im Internet, also nach demselben technischen Verfahren, erfolgte, nach ständiger Rechtsprechung nur dann unter den Begriff „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 fallen, wenn sie sich an ein neues Publikum richtet, d. h. an ein Publikum, das die Inhaber des Urheberrechts nicht hatten erfassen wollen, als sie die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubten (vgl. entsprechend Urteil SGAE, Rn. 40 und 42, Beschluss vom 18. März 2010, Organismos Sillogikis Diacheirisis Dimiourgon Thetrikon kai Optikoakoustikon Ergon, C?136/09, Rn. 38, und Urteil ITV Broadcasting u. a., Rn. 39).

Im vorliegenden Fall führt der Umstand, dass die betreffenden Werke über einen anklickbaren Link der im Ausgangsverfahren verwendeten Art zugänglich gemacht werden, nicht zu einer Wiedergabe der fraglichen Werke für ein neues Publikum.

Das Zielpublikum der ursprünglichen Wiedergabe waren nämlich alle potenziellen Besucher der betreffenden Seite; da feststeht, dass der Zugang zu den Werken auf dieser Seite keiner beschränkenden Maßnahme unterlag, war sie demnach für sämtliche Internetnutzer frei zugänglich.

Da die betreffenden Werke auf der Seite, auf der sie ursprünglich wiedergegeben wurden, sämtlichen Nutzern einer anderen Seite, für die eine Wiedergabe dieser Werke über einen anklickbaren Link erfolgte, ohne Zutun des Betreibers dieser anderen Seite unmittelbar zugänglich waren, sind die Nutzer dieser von ihm betriebenen Seite demnach als potenzielle Adressaten der ursprünglichen Wiedergabe und daher als Mitglieder der Öffentlichkeit anzusehen, die die Inhaber des Urheberrechts hatten erfassen wollen, als sie die ursprüngliche Wiedergabe erlaubten.

posted by Stadler at 12:04  

14 Comments

  1. Zum einen ist es eine Selbstverständlichkeit für alle, die Internet verstehen und leben.
    Aber sehr interessant ist diese Aussage: „…wenn sie sich an ein neues Publikum richtet…“.

    Youtube richtet sich an alle (?) Internet Benutzer, folglich wären auch Musikvideos die in eine Seite eingebettet wären, nicht GEMA pflichtig, denn es entsteht ja kein neues Publikum, sondern dieses holt sich das Video nur an anderer Stelle ab.

    Aber hier gibt es eine Einschränkung, wie ich finde:
    „…d. h. an ein Publikum, das die Inhaber des Urheberrechts nicht hatten erfassen wollen, als sie die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubten“

    Wenn der Inhaber des Urheberrechts (also die Rechteindustrie) das Video nicht hat in Youtube veröffentlichen lassen wollen, dann gibt es mit der Einbindung (embedding) ein neues Publikum, das der Urheber nicht erfassen wollte.
    Folglich kann man als Embedder nur darauf hoffen, dass Youtube alle GEMA-pflichtigen Videos in Deutschland nicht veröffentlicht… oder aber man muss GEMA Gebühren bezahlen.
    Oder nicht?

    Comment by Frank — 13.02, 2014 @ 13:13

  2. Bin gespannt, was die Justizkriminellen sich trotzdem einfallen lassen, um die Schutzgelderpressung legal zu gestalten.

    Comment by Rolf Schälike — 13.02, 2014 @ 13:40

  3. 1)
    Es geht hier aber „nur“ um a href, nicht um die kürzlich disktutierte Einbettung (video src), nehme ich an?

    2)
    Wenn ich mir die Nebenbedingungen / Konditionalschwafel so angucke:

    Es scheint auch in die Schädel von EU-Richtern (der nationalen Abmahnmafia-Wallfahrtstätten sowieso nicht) nicht reinzupassen, daß man schützenswerte Links mühelos leichter schützen könnte&sollte, als durch obfuszierte aka private Links. Anscheinend versucht man genau das in der Begründung zu kriminalisieren, wenn jemand gezielte „lange“ Links publiziert…

    3) @Rolf
    Ja, leider. Die unter rot-grün aufgebaute (Brigitte Zypries et al), unter schwarz-gelb weitergeförderte, spezifisch deutsche Abmahnmafia wird unter schwarz-rot natürlich auch nicht beschnitten werden. Eher werden der noch weitere Geschäftsfelder beschert, damit diese bösen Internet-Nutzer auch immer schön eingeschüchtert brav bleiben…

    Die #StasiSPDeiCDUerung, wie ich sie nenne (Verharmloser sprechen von „Vorratsdaten“) kommt da gerade recht…

    Comment by Fran Kee 【Ƿ】 — 13.02, 2014 @ 14:01

  4. Fran Kee, das YouTube-Einbetten dürfte mit als erlaubt erfasst sein. Im Urteil heißt es:

    Diese Feststellung wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass Internetnutzer, die den Link
    anklicken, den Eindruck haben, dass das Werk
    auf der Seite von Retriever Sverige erscheint,
    obwohl es in Wirklichkeit von der Göteborgs-Posten kommt.

    Comment by Rolf Schälike — 13.02, 2014 @ 14:57

  5. Wie verhält es sich da denn dann mit dem Verbot von Verwendung sogenannter „deep-links“ sprich Links auf Inhalte im „tieferen“ Bereich einer Webseite.

    Gilt da dann das „richtet sich an Nutzer, an die sich die eigentliche Seite nicht richten wollte“?

    Ich erinnere mich da z.B. an das „verbotene“ Verlinken auf Photografie-Zubehör bei Nikon (z.B. aus einem Fotografieforum heraus)

    Comment by Johannes — 13.02, 2014 @ 14:58

  6. So wie ich das verstehe, gilt es auch für „Embedded Content“, und zwar jede Art von Content. Ich könnte also zB eine Website gestalten, die nur darauf basiert, verschiedene Blogs zu einem Thema zusammenfassend einzubetten und meinen Website-Besuchern zur Verfügung zu stellen, was nach dieser Rspr. ja erlaubt sein müsste, da solche Blog-Einträge ja klar der gesamten „Internetöffentlichkeit“ bereits zugänglich gemacht wurden – natürlich nur, sofern keine Zugangsbeschränkungen zu diesen Blogeinträgen (wie zB Paywalls) bestehen.

    Im Ergebnis ist die Entscheidung des EuGH sicher verständlich, aber die Argumentation über die „neue Öffentlichkeit“ geht mE zu weit und eröffnet die Problematik, dass im Prinzip jedes urheberrechtlich geschützte Werke – sofern und solange es irgendwo im Internet zu einem bestimmten Zeitpunkt „legal“ verfügbar ist – von jedem anderen Internetnutzer auch zur Verfügung gestellt werden kann, ohne dass dies eine separate urheberrechtliche Nutzung darstellen würde, weil ja NIE eine andere „neue Öffentlichkeit“ als die „Netzöffentlichkeit“ angesprochen werden kann.

    Comment by Friedolin — 13.02, 2014 @ 15:13

  7. Da werden wir Ausnahmen in ein Urteil eingebaut, die es gar nicht gibt:

    Wenn ich mit einem einfachen Link auf den Content komme, dann ist der Content nicht geschützt. Wenn der Content geschützt ist, dann komme ich nicht mit einem einfachen Link darauf und es gibt keine Urheberrechtsverletzung.

    Comment by Der dicke Hecht — 13.02, 2014 @ 15:20

  8. @Der dicke Hecht: Ich glaube, Sie vermischen hier den urheberrechtlichen Schutz von geistigen Schöpfungen und den technischen/faktischen Schutz vor Zugriffen auf Dateien im Internet.

    Natürlich kann auch (urheberrechtlich) geschützter Inhalt (technisch) nicht geschützt – und damit „frei zugänglich“ – ins Internet hochgeladen werden.

    Die Tatsache, dass Content im Internet „ohne weiteres“ (zB ohne weitere Zugangsbeschränkungen, wie eine Paywall) zugänglich ist, sagt nichts darüber aus, ob der so zugänglich gemachte Inhalt nicht durch rechtliche Bestimmungen wie eben das Urheberrecht geschützt ist.

    Comment by Friedolin — 13.02, 2014 @ 15:29

  9. @Der dicke Hecht: Man kann auch Zugangsdaten in einen Link einbauen und so einen Zugriff bereitstellen, der sonst nicht so einfach moeglich ist. Das wollte das Gericht ausschliessen.

    Comment by Ingo — 13.02, 2014 @ 16:06

  10. Wenn Landkartendienste (Web Map Services oder kurz WMS) in die eigene Homepage eingebettet werden, sieht die Sache vielleicht anders aus. WMS könnten im Gegensatz zu narrativen Texten, Bildern und Videos Datenbanken sein.

    Comment by Schmunzelkunst — 13.02, 2014 @ 20:33

  11. Generell müsste das Schutzrecht für Datenbankhersteller doch auch in dem hier verhandelten Fall greifen. Das Verlinken ist zwar legal. Aber scheinbar ist auch relevant wie man die Links erhält und was sie bewirken. Durchforstet man zur Link-Erstellung systematisch jemand anderes Artikelsammlung/Datenbank und gehen letztlich Werbeeinnahmen verloren ist es schon wieder illegal. Oder was ist hier anders als im EuGH-Urteil vom 19.12.2013 C-202/12?

    Comment by Eike — 13.02, 2014 @ 21:26

  12. Und, kommen noch alle mit? Gestern hieß es noch, embedded Bilder brauchen jetzt ein physisches Wasserzeichen. Heute das. Neulich: Domain-Registrar haftet für Urheberrechtsverletzungen, morgen: Entscheidung über embedded Video…

    Sieht da irgendwer noch durch? Das ist doch wirklich lächerlich langsam.

    Comment by nk — 13.02, 2014 @ 23:55

  13. @Friedolin: Ich sprach von technischen Schutzmaßnahmen, nicht von urheberrechtlichem Schutz. Das Urteil scheint ja darauf abzuheben, dass auf _technisch_ nicht geschützte Werke verlinkt werden darf. Der Urheberrechtsschutz ist ja eben davon gar nicht betroffen, weil die Rechteinhaber das Werk dadurch zugänglich gemacht haben.

    @Ingo: Wo ist bitte der Unterschied zwischen http://www.mustermann.de/öufhröhwörhjigfjrlijg.i4y und http://www.mustermann.de/index.php?user=fgökhföajöoi4j?password=öhflhjciröjfoi4f ?

    Comment by Der dicke Hecht — 14.02, 2014 @ 12:51

  14. Damit ist doch eigentlich dann auch das Leistungsschutzrecht gekippt bzw. würde so im Fall der Fälle nicht vor dem Europäischen Gerichtshof bestehen, oder? Wie ist da die juristische Einschätzung?

    Comment by Jens — 15.02, 2014 @ 18:31

RSS feed for comments on this post.

Sorry, the comment form is closed at this time.