Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

28.1.14

Worüber muss die Schufa beim Scoring Auskunft erteilen?

Nach § 34 Abs. 4 BDSG müssen Auskunfteien wie die Schufa, die eine Bonitätseinstufung aufgrund eines Scoring-Verfahrens durchführen, dem Betroffenen verschiedene Auskünfte über die dem Scoring zugrunde liegenden Daten und Informationen erteilen.

Hierzu hat der BGH heute entschieden, dass die Schufa zwar Auskunft darüber erteilen muss, welche bei ihr gespeicherten personenbezogenen Daten in ein Scoring-Verfahren einfließen, allerdings nicht darüber, wie die in den Scoring-Wert eingeflossenen Daten gewichtet werden (Urteil vom 28.01.2014, Az.: VI ZR 156/13).

In der Pressemitteilung des BGH heißt es hierzu:

Allerdings hat die Beklagte Auskunft darüber zu erteilen, welche personenbezogenen, insbesondere kreditrelevanten Daten bei ihr gespeichert und in die Berechnung der Wahrscheinlichkeitswerte eingeflossen sind. Diese Auskunft hat die Beklagte gegenüber der Klägerin (teilweise erst im vorliegenden Verfahren) erteilt. Ihr wurden alle bei der Beklagten zu ihrer Person gespeicherten Daten übermittelt. Ferner wurde sie über die in den letzten zwölf Monaten an Dritte übermittelten und die aktuell berechneten Wahrscheinlichkeitswerte sowie über die zur Berechnung der Wahrscheinlichkeitswerte genutzten Daten informiert. Die Einzelheiten wurden in einem Merkblatt erläutert.

Einen darüber hinausgehenden Auskunftsanspruch der Klägerin hat das Berufungsgericht zu Recht verneint. Die von ihr beanspruchten konkreten Angaben zu Vergleichsgruppen zählen nicht zu den Elementen des Scoringverfahrens, über die nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BDSG Auskunft zu erteilen ist. Gleiches gilt für die Gewichtung der in den Scorewert eingeflossenen Merkmale. Dem Auskunftsanspruch des § 34 Abs. 4 BDSG liegt die gesetzgeberische Intention zugrunde, trotz der Schaffung einer größeren Transparenz bei Scoringverfahren Geschäftsgeheimnisse der Auskunfteien, namentlich die sog. Scoreformel, zu schützen. Die Auskunftsverpflichtung soll dazu dienen, dass der Betroffene den in die Bewertung eingeflossenen Lebenssachverhalt erkennen und darauf reagieren kann. Hierzu bedarf es keiner Angaben zu Vergleichsgruppen und zur Gewichtung einzelner Elemente. Das gesetzgeberische Ziel eines transparenten Verfahrens wird dadurch erreicht, dass für den Betroffenen ersichtlich ist, welche konkreten Umstände als Berechnungsgrundlage in die Ermittlung des Wahrscheinlichkeitswerts eingeflossen sind. Dieses Ziel wird durch die der Klägerin erteilten Auskünfte erreicht.

Auch wenn bislang nur die Pressemitteilung vorliegt, überzeugt mich die Entscheidung des BGH auf den ersten Blick nicht. Nach dem Gesetz hat der Betroffene ganz ausdrücklich Anspruch darauf, über das Zustandekommen und die Bedeutung der Wahrscheinlichkeitswerte einzelfallbezogen und nachvollziehbar in allgemein verständlicher Form informiert zu werden. Das Zustandekommen und die Bedeutung eines einzelnen Scoring-Werts kann man allerdings nur dann nachvollziehen, wenn man weiß, wie der Scoring-Wert zustande gekommen ist und das erfordert eine Kenntnis der Gewichtung der verschiedenen Einzelaspekte.

posted by Stadler at 17:08  

11 Comments

  1. „wenn man weiß, wie der Scoring-Wert zustande gekommen ist…“

    Und das Verfahren ist eine black-box, da will sich kein Unternehmen in die Karten schauen lassen (Betriebsgeheimnis). Kann ich bis zu einem gewissen Grad auch verstehen. Die Firma Knorr wird mir auch nicht bis ins letzte verraten, wie sie ihre Suppen zusammenrührt.
    Die Erlaubnis u.a. für die schufa, scoring überhaupt durchzuführen, ist für mich grundsätzlich inakzeptabel.
    Als unbescholtener Bürger/Firma werde ich in Drittkonstellationen und Vermutungen einbezogen. Die grundlegenden Problematiken kann jeder nachlesen.
    Das Gefährliche: Entscheider halten sich an die Werte, um selbst Nachteile zu vermeiden. Einmal einen schlechten Wert ignoriert und dann …. das Donnerwetter. Nein, lieber Ablehnung, man ist ja gedeckt.
    Scoring ist für mich Tendenz „Minority Report“.

    Comment by GustavMahler — 28.01, 2014 @ 19:08

  2. „Nach dem Gesetz hat der Betroffene ganz ausdrücklich Anspruch darauf, über das Zustandekommen und die Bedeutung der Wahrscheinlichkeitswerte einzelfallbezogen und nachvollziehbar in allgemein verständlicher Form informiert zu werden.“

    Die Entscheidung ist vom BGH. Ist nun eine noch höherere Instanz möglich?

    Da kann also eine „Privatperson“ eine Behauptung aufstellen (auf die sich offenbar viele verlassen) und muss nicht mal begründen warum?

    Es geht in den letzten Jahren mit der Justiz hier steil bergab.

    Comment by Christian — 28.01, 2014 @ 20:10

  3. damit gibt es in der BRD offiziell Unternehmen zur denunziation von Bürgern – Dank an den BGH. Wie hieß der Richter noch mal, damals, vor rund 80 Jahren, dieser berühmt berüchtigte mit der schanrrenden Stimme…..? Ja, genau den meine ich, der läßt schön grüßen……

    Comment by Wärna — 29.01, 2014 @ 12:21

  4. Die zuständigen Richter sollten ggf. mal lesen lernen, denn daran scheint es offensichtlich zu hapern, denn in §34 steht eindeutig drin, dass ein Auskunftsanspruch über das Zustandekommen des Wahrscheinlichkeitswertes besteht.
    Wenn die Damen und Herren beim BGH selbst derart einfach formulierte Gesetze nicht lesen und verstehen können, dann frage ich mich, was für Qualifikationen man dort benötigt?! Das ist ein Urteil, dass den gesetzlichen Regelungen offensichtlich widerspricht und die Verbraucher willkürlichen Behauptungen seitens der Schufa hilflos ausliefert.
    Wenn mein Scorewert nun schlecht ist, ich aber unter den Daten der Schufa keine Verfehlungen meinerseits finden kann? Was ist dann? Wenn man mal Google anwirft, dann findet man zig Leute, die berichten, dass ihr Score-Wert aufgrund von Name, Wohngegend oder sonstigen Einflüssen, die nichts mit der eigentlichen Person zu tun haben, gelitten hat.
    Außerdem: Wieso kann ein privates Unternehmen einfach behaupten, ich wäre uU nicht Kreditwürdig, ohne explizit darlegen zu müssen, wie sich diese Rufschädigung und üble Nachrede rechtfertigen soll?!!?!?

    Willkommen in Absurdistan!

    Comment by maSu — 29.01, 2014 @ 16:40

  5. Hier und im Lawblog wird den Richtern fehlende Lesekompetenz vorgeworfen, dabei haben die sicherlich alle richtig gelesen. Der Relevante §34 Abs. 2 ist nämlich sehr kompliziert. Er ist sogar so kompliziert, dass der Gesetzgeber ihn selber nicht versteht. Das Relevante ist der letzte Satz:

    „Die Pflicht [Auskunft über Daten, Werte und deren Zustandekommen] der für die Berechnung des Wahrscheinlichkeitswerts verantwortlichen Stelle [=Schufa] nach Satz 3 entfällt, soweit die für die Entscheidung verantwortliche Stelle [=Bank] von ihrem Recht nach Satz 4 Gebrauch macht.“ Und jetzt kommts: In Satz 4 wird gar kein Recht der Bank formuliert, sondern eine Pflicht.

    Comment by Der dicke Hecht — 29.01, 2014 @ 20:12

  6. Ich beziehe mich auf §34 (4):

    (4) Eine Stelle, die geschäftsmäßig personenbezogene Daten zum Zweck der Übermittlung erhebt, speichert oder verändert, hat dem Betroffenen auf Verlangen Auskunft zu erteilen über das Zustandekommen und die Bedeutung der Wahrscheinlichkeitswerte einzelfallbezogen und nachvollziehbar in allgemein verständlicher Form.

    Schufa=“Eine Stelle, die geschäftsmäßig personenbezogene Daten zum Zweck der Übermittlung erhebt, speichert oder verändert“

    Ich kann da nichts finden, was es der Schufa gestatten würde, das Zustandekommen des Score-Wertes zu verheimlichen.

    Comment by maSu — 29.01, 2014 @ 23:42

  7. Von jemandem, maSu, der hier wie im lawblog derart große Töne spuckt, hätte ich mir seinerseits mehr Lesekompetenz, mehr Bereitschaft zur Recherche und weniger Poltrigkeit erhofft:

    Wie Sie selber feststellen, ist nach § 34 IV über zwei Dinge Auskunft zu erteilen:
    – über das Zustandekommen und
    – die Bedeutung der Wahrscheinlichkeitswerte.
    Beides in „allgemein verständlicher Form“.

    Lassen wir mal die Spitzfindigkeit außen vor, ob eine komplexe mathematische Formel überhaupt „allgemein verständlich“ wäre, sind folgende Punkte festzustellen:
    1.) Das Zustandekommen ist ein Prozess, die Bedeutung beschreibt eine Prognosegrundlage.

    2.) Um den Prozess zu verstehen reicht es, wenn bekannt ist, welche Daten in die Berechnung einfließen. Das erlaubt einen Rückschluss darauf, welche Verhaltensweisen zum Scoring herangezogen werden und wodurch der Wert also vom Betroffenen beeinflusst wird. Ob es nun zu 5%, 20% oder 90% in den Wert einfließt, dass ein Kredit bedient wird, dürfte für den Betroffenen tatsächlich unerheblich sein. Relevant ist die Information, dass dieses Faktum erhoben wird. Insoweit halte ich die Entscheidung des BGH für zustimmungswürdig.

    Von viel mehr Bedeutung dürfte es für den Betroffenen regelmäßig sein zu wissen, was der Wert bedeutet (d.h. ist er gut oder schlecht; nach welcher Skala wird das bemessen; wodurch kann er beeinflusst werden; für welche Entscheidungen wird er wie verwendet, etc.). Diese Auskunft (zu deren Umfang zum Einstieg z.B. Gola/Schomerus, BDSG, 11. Auflage 2012, Rn. 12 ff. zu § 34) scheint mir der relevantere Teil der Auskunft nach § 34 IV. Da die Klägerin aber offenbar die diesbezügliche Auskunft nicht unbefriedigend fand, sondern nur auf Bekanntgabe der Berechnungsformel begehrte, war dazu im Urteil nichts auszuführen. Wie man angesichts dieses Kontexts der Entscheidung und ohne Vorliegen der Urteilsgründe so sicher darauf schließen kann, dass der BGH hier die Rechte der Betroffenen nicht hinreichend beachte, ist mir schleierhaft. Es hat etwas von Aktionismus.

    3.) Die Rechtslage ist unglücklich. Ich habe einige Sympathie für die Forderung, dass die Scoringformel offengelegt werden sollte (was allerdings von Rechts wegen nicht ganz einfach ist, zumal die Schufa in der Tat schützenswerte Interessen hat, die dem Entgegenstehen), nur erfordert das m.E. eine Gesetzesänderung. Auch über die Abschaffung privater Auskunfteien könnte man nachdenken. Den Aufschrei, wenn dann auf einmal Kreditlinien weniger schnell und zu erheblich schlechteren Konditionen vergeben werden, kann ich mir schon vorstellen. Vermutlich wäre es das aber sogar wert.

    Den Frust über den (erklärten!) Willen des Gesetzgebers (dazu BT-Durcks. 16/12 S. 7, 18, 28, 29; abrufbar unter: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/105/1610529.pdf) auf den BGH abzuladen ist allerdings wenig zielführend. Genau so wenig wie die Schnappatmung einiger kritisch gemeinten Kommentare in den bekannten Blogs.

    Comment by silux — 30.01, 2014 @ 09:42

  8. @7: man hat nur das Problem, dass der Willen des Gesetzgebers nicht nur im Gesetzgebungsverfahren sichtbar werden muss, sondern im Wortlaut des Gesetzes. Wenn der Wortlaut das bei seiner Auslegung nicht hergibt, dann kommt es auf den Willen des Gesetzgebers schlicht nicht an – dann muss das Gericht den erklärten Willen des Gesetzgebers ignorieren, weil der im Gesetz nicht sichtbar wurde. Das macht der BGH auch ohne mit der Wimper zu zucken – und gegen den ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers im Gesetzgebungsverfahren, vgl. I ZB 80/11 und BT-Drs. 16/5048, S. 65.

    Comment by le D — 30.01, 2014 @ 10:01

  9. @7 silux
    Was der Gesetzgeber wohl für einen Willen gehabt haben könnte, dass interessiert nicht die Bohne. Das Gesetz ist eindeutig.
    Wenn ein Gericht(oder sie) mittels Sekundärliteratur ein Gesetz so umbiegen kann, dass der unmissverständliche Wortlaut plötzlich fast ins Gegenteil verdreht werden kann, wozu brauchen wir dann überhaupt noch Gesetze? Schauen wir doch nur noch in irgendwelche Sekundärliteratur und interpretieren wild herum…

    Ansonsten: Copy und Paste…

    In §34(4) steht eindeutig, dass derjenige, der solche Daten erhebt und in eine Bewertung umdeutet, diesen Prozess offenlegen muss. Denn es ist sehr wichtig zu wissen, ob die Kriterien, die zu negativen Folgen führen können, überhaupt korrekt gewählt sind.
    Stellt man zB fest, dass der Name und der Wohnort 30% der Gesamtwertung ausmachen, dann ist dies etwas, gegen das man vorgehen können muss, da es div. Bevölkerungsgruppen einfach ohne jede korrekte und nachvollziehbare Grundlage benachteiligt. Selbst wenn so sinnfreie Daten wie Name und Wohnort nur 5% ausmachen, so stellt sich auch die Frage, was ein eindeutiges Fehlverhalten (Kredit nicht korrekt “bedient”) ausmachen würde? Wenn ein einzelnes eindeutiges Fehlverhalten auch nur 5% ausmacht, dann wäre das auch wieder angreifbar.
    Insofern ist eben nicht unerheblich, zu welchen Anteilen welche Daten einfließen, so lange nicht 100% sicher ist, dass Daten einfließen, für die jemand nichts kann.

    Einfach ausgedrückt: So lange wie die Schufa nicht glaubhaft macht, dass nur finanzielles Fehlverhalten in den Score-Wert einfließt, so lange halte ich die Offenlegung der Gewichtung der Kriterien für unerlässlich, da es eben schon einen Unterschied macht, ob Kevin, der eine günstige Wohnung im hinterletzten Ghetto hat, nur wegen dieser beiden Merkmale keinen Kredit bekommt, oder weil er wirklich Mist gebaut hat.

    Ihre Behauptung, die Gewichtung sei doch quasi egal, halte ich daher für unglaublich naiv, da sie bei dieser Behauptung die Kriterien völlig ausblenden. Wenn ich ihre Kreditwürdigkeit anhand ihres Namens und damit auch evt. ihrer Herkunft begründe, dann kann ihnen NIE egal sein, ob dies zu 90%, 50% oder 5% einfließt!

    Comment by maSu — 30.01, 2014 @ 10:30

  10. @le D: Ich hatte auch gar nicht vor, einen Streit über Gesetzesauslegung (z.B. Zippelius mag die Dinge anders sehen als der BGH) vom Zaun zu brechen. Noch halte ich die eine Auslegung des § 34 IV BDSG, die Scoringformel sei zu beauskunften, für unvertretbar.

    Die Frage ist allerdings: Halten Sie die Auslegung, dass auch die zur Berechnung verwendete Scoringformel offenzulegen ist, dem Wortlaut nach auch für zwingend?
    Andernfalls, halten Sie das Urteil des BGH aus sonstigen Erwägungen für mit dem Gesetz unvereinbar?

    Comment by silux — 30.01, 2014 @ 10:34

  11. silux: die komplette Offenlegung ist natürlich immer auch ein Problem für ein Unternehmen, aber man muss bedenken, dass hier uU Merkmale herangezogen werden, die eigentlich keine Aussage über die Bonität zulassen und der BGH hätte zumindest hier eingreifen müssen und die Offenlegung der Gewichtung von diesen Merkmalen verlangen müssen. Denn sind wir mal ehrlich, dann wird man merken: Niemand will wissen, ob die Privatinsolvenz neulich da zu 80% oder 5% einfließt, da dies eindeutig ein negatives Kriterium ist. Aber der Name? Der Wohnort? So lange solche Werte einfließen muss die Gewichtung zumindest von Zweifelhaften Daten offengelegt werden, denn sonst kann man sich gegen negative Scorings, die offensichtlich keine Fehlerhafte Datengrundlage aufweisen wehren.
    und genau deswegen haben wir §34: Der Betroffene soll um seine Bewertung so weit bescheid wissen, dass er sich gegen ungerechtfertigte Rufschädigungen wehren kann. Das geht aber nicht, wenn die Schufa dann sagt: „für den Score-Wert wird Name, Wohnort, Alter und laufende Kredite verwendet“.

    Comment by maSu — 30.01, 2014 @ 10:53

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