Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

13.10.13

Staatsanwaltschaft München I: Leider nicht die objektivste Behörde der Welt

Der Fall Mollath hat Zweifel an der Qualität psychiatrischer Sachverständigengutachten genährt, auf deren Basis Menschen zum Teil langjährig in der geschlossenen Psychiatrie untergebracht werden. Die Sachverständige Hanna Ziegert hat in der Talkshow Beckmann für Erstaunen gesorgt mit der Aussage, von Gerichten werde je nach Bedarf der Psychiater angefordert, dessen Einschätzung gerade gewünschte sei. Außerdem hatte Ziegert ein Nord-Süd-Gefälle beklagt, so wie zwischen Mailand und Sizilien.

Diese Aussagen hatte die Staatsanwaltschaft München I zu der kühnen und befremdlichen Reaktion veranlasst, die Sachverständige in mehreren laufenden Verfahren wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Das haben die Landgerichte München I und Augsburg nun aber mit zum Teil deutlichen Worten abgelehnt, wie die Süddeutsche berichtet. Das Landgericht Augsburg meinte gar, es sei gar nicht erkennbar, wem gegenüber die Sachverständige Ziegert befangen sein soll. Die Mär von der Staatsanwaltschaft als der objektivsten Behörde der Welt, ist einmal mehr widerlegt worden. Mehr noch: Im Grunde bestätigt die Staatsanwaltschaft München I mit ihrem Vorgehen, dass sie kein kritischen Sachverständigen wünscht. Quod erat demonstrandum.

posted by Stadler at 21:00  

11.10.13

EGMR: Haftung eines Newsportals für Nutzerkommentare

In Estland wurde der Betreiber eines Newsportals zu Schadensersatz wegen der Veröffentlichung rechtswidriger Nutzerkommentare verurteilt, obwohl er die Kommentare zügig entfernt hatte, nachdem er auf die rechtswidrigen Inhalte der anonymen Kommentare hingewiesen wurde.

Haftung des Portalbetreibers für Nutzerkommentare verstößt nicht gegen Art. 10 MRK

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR)  hat diese Verurteilung durch estländische Gerichte gebilligt und hierin keinen Verstoß gegen Art. 10 MRK (Meinungsfreiheit) gesehen (Urteil vom 10.10.2013, Az.: 64569/09). Zur Begründung führt der EGMR u.a. aus, dass die Rechtsverletzung schwerwiegend gewesen sei, dass die Inanspruchahme der Autoren wegen der Anonymität der Postings erschwert war und die Gerichte nur einen sehr geringen Schadensersatz zugesprochen haben, der ein kommerzielles Portal nicht stark beeinträchtigt. Vor diesem Hintergrund sieht der Gerichtshof keinen unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht des Portals auf Meinungsfreiheit. Bedenklich an der Entscheidung erscheint mir allerdings der Hinweis des Gerichts, dass das Portal nicht genug getan hätte, um rechtswidrige Kommentare zu verhindern. Das führt nämlich zu der Frage, ob man als Newsportal tatsächlich gehalten ist, Kommentare vorab nicht nur automatisiert zu filtern, sondern vielleicht sogar redaktionell zu prüfen. Die hierdurch ausgelösten Chilling-Effects beleuchtet der EGMR nicht ausreichend.

Verstößt die Haftung des Portalbetreibers gegen EU-Recht?

Mit der Frage, ob die Entscheidung der estländischen Gerichte gegen EU-Recht verstößt, hat sich der EGMR nicht zu befassen. Sein Prüfungsmaßstab ist nur die Menschenrechtskonvention. Die EU-rechtliche Fragestellung gehört allerdings zu den eigentlich spannenden Aspekten des Falles. Die Eröffnung der Möglichkeit Nutzerkommentare zu posten, dürfte nämlich grundsätzlich unter die Haftungsprivilegierung von Art. 14 der E-Commerce-Richtlinie fallen, nachdem es sich um eine  Speicherung von durch einen Nutzer eingegebenen Informationen handelt. Die estländischen Gerichte hatten die Anwendung der Haftungsprivilegierung mit dem Argument abgelehnt, der Portalbetreiber habe ein wirtschaftliches Interesse daran, dass Nutzer Kommentare posten. Dieser Aspekt ist allerdings nach der Richtlinie kein geeignetes Kriterium um die Haftungsprivilegierung zu versagen. Der estländische High Court hätte zumindest an den EuGH vorlegen müssen. Der EuGH geht nämlich grundsätzlich davon aus, dass sich selbst Onlinemarktplätze wie eBay auf die Haftungserleichterung berufen können. Das wirtschaftliche Eigeninteresse ist also kein ausreichendes Argument um die Haftungsprivilegierung zu versagen. Im übrigen ist die Frage, ob der Kommentarteil eines Newsportals im Hinblick auf die Haftung nicht eher mit einem sozialen Netzwerk vergleichbar ist, als mit einer Handelsplattform wie eBay. Bei sozialen Netzwerken hat der EuGH die Möglichkeit der Berufung auf Art. 14 der ECRL bejaht und zudem betont, dass den Betreibern wegen Art. 15 der ECRL keine allgemeine Filter- oder Überwachungspflicht auferlegt werden kann. Auf eine solche läuft die Rechtsprechung der estländischen Gerichte letztlich aber hinaus, denn die Schadensersatzhaftung lässt sich nur dadurch vermeiden, dass man bereits im Vorfeld prüft und filtert.

Zusammenfassung

Die Entscheidung des EGMR, der nur über einen Verstoß gegen Art. 10 MRK zu befinden hat, erscheint mir deshalb problematisch, weil er sich offenbar der Tragweite und der zu befürchtenden Chilling-Effects auf die Meinungsfreiheit nicht bewusst ist. Nicht zum Prüfungsmaßstab des EGMR gehört die Frage eines Verstoßes gegen die E-Commerce-Richtlinie. Ein solcher Verstoß liegt nach meiner Einschätzung materiell allerdings vor.

posted by Stadler at 10:12  

10.10.13

Viel diskutiert: Der Start der deutschen Huffington Post

Die heute gestartete deutsche Ausgabe der Onlinezeitung Huffington Post präsentiert einen boulevardesken Mix aus Politik, Wirtschaft, Technik und Unterhaltung. Die Startausgabe wartet außerdem mit ein paar prominenten Gastkommentatoren auf, deren Beiträge zum Teil allerdings arg verunglückt daherkommen. Stefan Niggemeier meint nicht ganz zu Unrecht, dass „der hiesigen Medienlandschaft kaum etwas weniger gefehlt hat als eine solche Windmaschine„, während Mario Sixtus auf Twitter einen Vergleich zum Privatfernsehen zieht, das nur Aufmerksamkeit und Zeit saugt und nichts zurückgibt. Im Netz überwiegt insgesamt die Kritik und der Spott.

Richard Gutjahr spricht in seinem Blog von einem hoffnungsvollen Tag für „Inbetweener“. So nennt Richard die Journalisten seiner (Sandwich-)Generation, die sich, mit klassischer Ausbildung ausgestattet, im „Neuland“ auf die Suche nach einer neuen journalistischen Identität begeben haben. Das klingt zunächst verhalten positiv. Sein Ratschlag an Autoren und Journalisten lautet dann allerdings doch, es lieber mit einem eigenen Blog zu versuchen, als unbezahlt für die Huffington Post zu schreiben.

Was Autoren, die nicht zu den wenigen Stars zählen, die Frau Huffington zweifellos bezahlt, zur Huffington Post treibt, ist wohl die Hoffnung auf Aufmerksamkeit. Wer sich allerdings als Journalist auf die Huffington Post einlässt, wird damit seinen Marktwert kaum steigern, jedenfalls nicht, wenn hochwertiger und kritischer Journalismus sein Anspruch ist. Und die Frage, warum man kostenlos schreiben und damit die Turn­schuhe von Cherno Joba­tey bezahlen soll, ist mehr als berechtigt.

Und was bringt die Huffington Post aus Lesersicht? Wenn der erste Hype verflogen ist, wird man erkennen, dass die Huffington Post irgendwie kaum einen Mehrwert gegenüber Portalen bietet, wie sie sich an jeder Ecke des Netzes finden. Dass die Zukunft des Journalismus derart billig daherkommt, hätte man dann doch nicht erwartet. Ich glaube kaum, dass sich hier ein wirklich relevanter Player unter den deutschen Onlinemedien entwickelt, auch wenn diese Prognose am ersten Tag verfrüht erscheinen mag. Denn anspruchsvolle und gut geschriebene Texte findet man zumindest bislang kaum und für die Freunde des Boulevards dürfte das Ganze optisch zu wenig reizvoll sein.

Update vom 11.10.2013 zu den Nutzungsbedingungen:
Gerade habe ich erstmals einen Blick auf die Nutzungsbedingungen der Huffington Post geworfen und mich doch sehr gewundert. Diese Nutzungsbedingungen sprechen nicht unbedingt dafür, dass Autoren gut beraten sind, dort kostenlos etwas zu veröffentlichen. Denn obwohl kein Honorar bezahlt wird, möchte die Huffington Post eine umfangreiche Einräumung urheberrechtlicher Nutzungsrechte. Die Rechtseinräumung ist zwar nicht ausschließlich, das heißt, man kann seinen Text anschließend auch noch anderweitig verwerten, aber ansonsten äußerst weitreichend. Die Rechtseinräumung ist zeitlich und örtlich unbeschränkt, gilt also weltweit. Das Recht soll zudem übertragbar sein und beinhaltet insbesondere auch das Recht zur Vergabe von Unterlizenzen. Die Rechtseinräumung erfolgt nicht nur gegenüber der Huffington Post Deutschland (TOMORROW FOCUS Content & Services GmbH) sondern außerdem auch gegenüber AOL Europe und MEDIA & CIE S.E.N.. Schließlich wird auch noch ein Recht zur Bearbeitung eingeräumt, insbesondere die Möglichkeit der Zusammenfassung, Kürzung und Übersetzung sowie der Erstellung davon abgeleiteter Werke.

Diese weitreichende Rechtseinräumung ist angesichts des Umstands, dass keinerlei Vergütung bezahlt wird, starker Tobak und wirft die Frage auf, ob eine solche Rechtseinräumung in Nutzungsbedingungen AGB-rechtlich überhaupt möglich und mit dem grundsätzlichen Anspruch des Urhebers auf angemessene Vergütung (§ 32 UrhG) vereinbar ist.

posted by Stadler at 22:40  

9.10.13

VG Schleswig hebt Anordnungen des ULD gegen Betreiber von Facebook-Fanseiten auf

Das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz (ULD) Schleswig-Holstein kann von den Betreibern von Facebook-Fanpages nicht verlangen, diese Seiten wegen etwaiger datenschutzrechtlicher Verstöße zu deaktivieren. Das hat das Verwaltungsgericht Schleswig mit Urteil vom heutigen Tag entschieden (Az.: 8 A 218/11, 8 A 14/12, 8 A 37/12). Aus der Pressemitteilung ergibt sich, dass das Verwaltungsgericht den Betreiber einer Fanpage nicht für datenschutzrechtlich verantwortlich erachtet, weil der Seitenbetreiber keinen Einfluss auf den Datenverkehr zwischen dem Nutzer und Facebook nehmen kann. Das Verwaltungsgericht hat allerdings die Berufung zugelassen.

Die Entscheidung ist im Ergebnis nicht überraschend, nachdem in der juristischen Literatur und auch in diesem Blog schon vor einiger Zeit die Ansicht vertreten wurde, dass der Betreiber der Fanpage nicht als verantwortliche Stelle im Sinne des BDSG zu qualifizieren ist.

posted by Stadler at 18:00  

9.10.13

Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken heute in Kraft getreten

Das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken, das u.a. die Beseitigung von Missständen bei urheberrechtlichen Abmahnungen zum Ziel hat, wurde gestern im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und ist heute in Kraft getreten. Ich habe bereits mehrfach über das Gesetz bzw. den Gesetzsvorschlag gebloggt. Das Gesetz möchte vor allem die Massenabmahnungen im Bereich des Filesharing eindämmen. Ob das gelingen wird, bleibt abzuwarten. Man darf gespannt sein, wie die großen Abmahnkanzleien wie Waldorf Frommer oder Rasch auf die gesetzliche Neuregelung reagieren und wie die Gerichte das Gesetz dann auslegen werden.

Die neue Vorschrift § 97a Abs. 3 UrhG bestimmt, dass der Anspruch auf Erstattung von anwaltlichen Abmahnkosten auf Rechtsanwaltsgebühren aus einem Gegenstandswert für den Unterlassungsanspruch von EUR 1.000,- gedeckelt wird. Bei Anwendung der 1,3-Regelgebühr entspricht dies aktuell Anwaltskosten in Höhe von EUR 124,- (netto). Das Gesetz sieht allerdings vor, dass aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls davon abgewichen werden kann, wenn der Wert unbillig ist.

Das Gesetz bringt übrigens noch eine Reihe weiterer Neuerungen, die in der Berichterstattung bislang eher untergegangen sind.

So werden beispielsweise bestimmte Darlegungs- und Informationspflichten bei Inkassodienstleistungen normiert, die sowohl für Inkassobüros als auch für Rechtsanwälte gelten. Inkassoschreiben müssen künftig klar und verständlich folgende Angaben enthalten:

1. den Namen oder die Firma des Auftraggebers,
2. den Forderungsgrund, bei Verträgen unter konkreter Darlegung des Vertragsgegenstands und des Datums des Vertragsschlusses,
3. wenn Zinsen geltend gemacht werden, eine Zinsberechnung unter Darlegung der zu verzinsenden Forderung, des Zinssatzes und des Zeitraums, für den die Zinsen berechnet werden,
4. wenn ein Zinssatz über dem gesetzlichen Verzugszinssatz geltend gemacht wird, einen gesonderten Hinweis hierauf und die Angabe, aufgrund welcher Umstände der erhöhte Zinssatz gefordert
wird,
5. wenn eine Inkassovergütung oder sonstige Inkassokosten geltend gemacht werden, Angaben zu deren Art, Höhe und Entstehungsgrund,
6. wenn mit der Inkassovergütung Umsatzsteuerbeträge geltend gemacht werden, eine Erklärung, dass der Auftraggegber diese Beträge nicht als Vorsteuer abziehen kann.

Auch urheberrechtliche Abmahnungen müssen transparenter werden. § 97a Abs. 2 UrhG verlangt, dass die Abmahnung in klarer und verständlicher Weise folgende Angaben enthalten muss:

1. Name oder Firma des Verletzten, wenn der Verletzte nicht selbst, sondern ein Vertreter abmahnt,
2. die genaue Bezeichnung der Rechtsverletzung,
3. die geltend gemachten Zahlungsansprüche als Schadensersatz- und Aufwendungsersatzansprüche aufzuschlüsseln und
4. wenn darin eine Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungsverpflichtung enthalten ist, anzugeben, inwieweit die vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtung über die abgemahnte Rechtsverletzung hinausgeht.

Eine Abmahnung, die nicht diesen Vorgaben entspricht, ist künftig unwirksam! Damit beinhaltet die bislang weit verbreitete Praxis eine sehr weitgehende Unterlassungserklärung zu fordern, das Risiko der Gesamtunwirksamkeit solcher Abmahnungen.

Dieser Aspekt wird mit Sicherheit demnächst Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen werden.

posted by Stadler at 09:53  

8.10.13

Darf man fremde E-Mails im Netz veröffentlichen?

Im Rahmen meiner Beratungspraxis taucht immer wieder mal die Frage auf, ob E-Mails, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind, ohne Zustimmung des Verfassers der E-Mail im Internet veröffentlicht werden dürfen.

Diese Frage lässt sich nicht ohne weiteres mit ja oder nein beantworten. Die Veröffentlichung von Individualkommunikation ist weder grundsätzlich verboten noch generell erlaubt.

Rechtlich stellt sich primär die Frage, ob die Veröffentlichung einer E-Mail das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Verfassers der E-Mail verletzt. Die maßgebliche Vorschrift des§ 823 Abs. 1 BGB stellt insoweit einen sogenannten offenen Tatbestand dar. Das heißt, die generelle Feststellung eines Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist zur Bejahung einer Rechtsverletzung nicht ausreichend. Vielmehr muss eine sorgfältiger Abwägung aller Umstände des Einzelfalls vorgenommen werden.

Hierbei ist zunächst auf Seiten des Verletzten zu klären, in welche Sphäre seines Persönlichkeitsrechts eingegriffen worden ist. Die Rechtsprechung unterscheidet zwischen Sozial- Privat- und Intimsphäre. Die Sozialsphäre oder auch Individualsphäre betrifft die Beziehungen eines Menschen zu seiner Umwelt, insbesondere sein wirtschaftliches und berufliches Wirken, während zur Privatsphäre primär der häusliche und familiäre Bereich zählt. Die Sozialsphäre genießt den geringsten Schutz, die Intimsphäre den höchsten.

In diesem Zusammenhang ist auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu beachten, wonach die Äußerung wahrer Tatsachen aus dem Bereich der Sozialsphäre regelmäßig hingenommen werden muss (BVerfG, NJW 1988, 2889; NJW 1999, 1322). Dies hat das Bundesverfassungsgericht auch für die Frage einer persönlichkeitsrechtsverletzenden Wirkung der Veröffentlichung von Auszügen aus E-Mails eines Anwalts ausdrücklich bestätigt. Soweit beispielsweise das Landgericht Köln regelmäßig auch die Veröffentlichung von Briefen, die berufliche oder geschäftliche Fragen betreffen, für unzulässig hält, so ist diese Ansicht mit der Rechtsprechung des BVerfG nicht vereinbar und durch die Entscheidung zu den anwaltlichen E-Mails auch überholt.

Die Rechtsprechung geht zudem davon aus, dass beispielsweise Geschäftsbriefe nicht unbedingt gegen eine Veröffentlichung oder eine Kenntnisnahme durch Dritte geschützt sind, sofern der Wille des Verfassers oder Berechtigten zur Geheimhaltung nicht deutlich erkennbar ist (BVerfG, NJW 1991, 2339; OLG Stuttgart, Urteil vom 10.11.2010, AZ: 4 U 96/10).

Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung ist außerdem der Einfluss des Grundrechts der Meinungsfreiheit zu berücksichtigen. In den Schutzbereich der Meinungsfreiheit fallen neben Werturteilen auch Tatsachenbehauptungen, sofern sie zur Meinungsbildung beitragen können. Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach darauf hingewiesen, dass der Schutz der  Meinungsfreiheit nicht unter dem Vorbehalt eines öffentlichen Interesses an der Äußerung steht. Selbst ein geringes oder nicht vorhandenes öffentliches Informationsinteresse ändert nichts daran, dass die Äußerung wahrer Tatsachen, zumal solcher aus dem Bereich der Sozialsphäre, regelmäßig hingenommen werden muss.

Man wird also davon ausgehen dürfen, dass E-Mails die inhaltlich der Sozialsphäre zuzordnen sind, zumeist veröffentlicht werden dürfen, während dies bei E-Mails aus dem Bereich der Privat- oder gar Intimsphäre eher nicht der Fall ist. Letztlich muss aber immer eine Prüfung und Abwägung im Einzelfall vorgenommen werden.

Update:
Die Kollegien Berger weist in ihrem Blog auf ein Urteil des OLG Saarbrücken hin, das sich u.a. mit den in E-Mails oft anzutreffenden Vertraulichkeitsvermerken auseinandersetzt und im konkreten Fall eine Veröffentlichung dennoch für zulässig hielt, weil die E-Mails nur geschäftliche Äußerungen enthalten hat und außerdem ein Veröffentlichungsinteresse bestanden hat.

posted by Stadler at 20:28  

6.10.13

Bundesregierung genehmigt das Abhören deutscher Provider durch den BND

Der Spiegel meldet, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) die Datenleitungen von 25 Internetprovidern am Datenknotenpunkt De-Cix in Frankfurt anzapft. Darunter sind auch sechs deutsche Provider, nämlich 1&1, Freenet, Strato AG, QSC, Lambdanet und Plusserver. Netzpolitik.org berichtet ebenfalls. Die Maßnahmen wurden laut Spiegel vom Kanzleramt und dem Bundesinnenministerium abgezeichnet. Das entspricht insoweit der gesetzlichen Vorgabe, als Maßnahmen zur Beschränkung des Fernmeldegeheimnisses nach § 5 G10-Gesetz vom Bundesinnenminister angeordnet werden müssen (§ 10 Abs. 1 G10-Gesetz).

Nach § 5 G10-Gesetz ist es dem BND aber nur gestattet, internationale Telekommunikationsverbindungen anhand von Suchbegriffen zu durchsuchen und auszuwerten. Die Vorschrift besagt ausdrücklich, dass keine Suchbegriffe verwendet werden dürfen, die Identifizierungsmerkmale enthalten, die zu einer gezielten Erfassung bestimmter Telekommunikationsanschlüsse führen. Genau das trifft aber auf Telefonnummern, E-Mail-Adressen und IP-Adressen zu. Das gilt allerdings nicht für Telekommunikationsanschlüsse im Ausland, sofern ausgeschlossen werden kann, dass Anschlüsse, deren Inhaber oder regelmäßige Nutzer deutsche Staatsangehörige sind, gezielt erfasst werden.

Hier zeigt sich wieder einmal das Problem absoluter Geheimhaltung gepaart mit einer fehlenden (gerichtlichen) Kontrolle. BND und Bundesregierung agieren hier faktisch im rechtsfreien Raum. Eine effektive Rechtmäßigkeitskontrolle findet nicht statt.

Die Maßnahmen sind, jedenfalls soweit sie sich an deutsche Provider richten, nämlich mit hoher Sicherheit rechtswidrig. Denn über deutsche Provider wie 1&1 läuft überwiegend Kommunikation mit Inlandsbezug. Es ist technisch unmöglich, wie vom Gesetz gefordert, sicherzustellen, dass ausschließlich solche Kommunikation erfasst wird, die ausländische Anschlüsse betrifft. Wenn der BND angibt, dass er E-Mail-Adressen mit der Endung .de ausfiltert, so handelt es sich hierbei um ein von vornherein untaugliches Ausschlusskriterium. Millionen Deutsche benutzen E-Mail-Adressen die auf .com enden. Das betrifft nicht nur viele international agierende Unternehmen, sondern auch solche Privatpersonen, die E-Mail-Accounts bei großen ausländischen Anbietern wie Google oder Hotmail haben. Selbst deutsche Mailprovider wie GMX bieten E-Mail-Adressen an, die beispielsweise auf .org enden. Wenn jemand über einen deutschen Provider eine Com- Net- oder Org-Domain registriert hat, bietet der Provider den Maildienst natürlich auch über diese Domains an. Die Domainendung besagt also letztlich wenig über die Nationalität oder den Sitz eines Nutzers, zumal viele Top-Level-Domains überhaupt nicht länderspezifisch ausgerichtet sind, sondern von vornherein international.

Hinzu kommt, dass die aktuelle Fassung des G10-Gesetzes vom BVerfG noch nie überprüft worden ist. Ihre Verfassungsgemäßheit dürfte, nicht zuletzt wegen der exzessiven tatsächlichen Praxis des BND, zweifelhaft sein. Hierzu hat der Kollege Härting einen lesenswerten Beitrag verfasst.

Die geschilderten Maßnahmen hat die rot-grüne Koalition durch das Gesetz zur Neuregelung von Beschänkungen des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses vom 26. Juni 2001 überhaupt erst möglich gemacht. Denn dieses Gesetz führte die Möglichkeit ein, auch die leitungsgebundene Kommunikation zu überwachen, erweiterte die Kompetenzen u.a. auf die Bekämpfung des internationalen Terrorismus und erhöhte die zulässige Überwachungsquote auf 20 %. Diese gesetzliche Regelung aus dem Jahre 2001 stellt also die zentrale rechtliche Grundlage der Internetüberwachung durch den BND dar. Das auf den Notstandgesetzen des Jahres 1968 beruhende Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses wurde dadurch nochmals entscheidend erweitert.

posted by Stadler at 12:06  

4.10.13

Vertragsstrafe wegen Fotonutzung auf eBay

Jemand wir abgemahnt, weil er ein fremdes Produktfoto für insgesamt elf Auktionen auf eBay verwendet. Er gibt eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, sorgt aber nicht dafür, dass die Fotos aus eBay verschwinden. Die elf Auktionen sind zwar mittlerweile abgelaufen, aber immer noch samt der Fotos abrufbar. Der abmahnende Rechteinhaber macht daraufhin eine Vertragsstrafe von EUR 55.000,- (11 x 5.000) geltend.

Das OLG Frankfurt (Beschluss vom 10.07.2013, Az.: 11 U 28/12bejaht den Verstoß, ist aber der Ansicht, dass die Vertragsstrafe nur einmal angefallen ist. Zur Begründung führt das Oberlandesgericht u.a. folgendes aus:

Der Vertragsstrafenanspruch knüpft an eine schuldhafte Zuwiderhandlung durch die Beklagte an, wobei sie sich das Verhalten ihrer Mitarbeiter nach § 278 BGB zurechnen lassen muss. Elf Vertragsstrafen wären nur dann verwirkt, wenn elf Zuwiderhandlungen vorlägen, für die es elf verschiedener Handlungsentschlüsse bedurft hätte (vgl. OLG Hamm; Urteil vom 18.9.2012, 4 U 105/12 – zitiert nach juris). Die Beklagte hat aber gerade nicht in jedem der elf Fälle einen Entschluss gefasst, die Löschung zu veranlassen oder nicht, und diese Entschlüsse sodann durch entsprechende Handlungen oder Unterlassungen umgesetzt (für einen solchen Fall wäre zu prüfen, ob eine rechtliche Handlungseinheit i.S.d. Entscheidungen BGH GRUR 2001, 758, 760 – Trainingsvertrag; GRUR 2008, 181, 182f – Kinderwärmekissen – vorliegt), sondern sie hat letztlich überhaupt keinen Entschluss gefasst. Der rechtliche Vorwurf an die Beklagte bzw. deren Mitarbeiter beschränkt sich nach den zugrunde zu legenden Feststellungen des Landgerichts darauf, dass sie sich entsprechend hätten kundig machen müssen und so die Fortexistenz der beendeten Auktionen und deren Einsehbarkeit auch nach ihrem Abschluss hätten kennen können. Dies rechtfertigt jedoch nur den Vorwurf einer einzigen Zuwiderhandlung gegen die Vertragsstrafenvereinbarung.

(via shopbetreiber-blog.de)

posted by Stadler at 21:21  

3.10.13

Leistungsschutzrecht: Stehen zwei Verwertungsgesellschaften in den Startlöchern?

journalist ONLINE berichtet darüber, dass die VG Media das Leistungsschutzrecht für Presseerzeugniss wahrnehmen möchte. Zuvor hatte bereits die VG Wort eine außerordentliche Mitgliederversammlung zum Thema Leistungsschutzrecht angekündigt. In dem Beitrag von journalist ONLINE wird gemutmaßt, dass einige Verlage eine Wahrnehmung durch die VG Media bevorzugen könnten, weil der dortige Verteilungsschlüssel verlagsfreundlicher und damit urheberrechtsunfreundlicher ist.

Meine Vermutung, der Springer-Verlag, der sich nach eigener Aussage in fortgeschrittenen Verhandlungen mit einer Verwertungsgesellschaft befindet, würde mit der VG Wort verhandeln, könnte damit unzutreffend sein. Möglicherweise verhandelt Springer auch mit der VG Media und der Vorstoß der VG Wort ist nur eine Reaktion hierauf, um sich ebenfalls ein Stück vom Kuchen zu sichern. Ob es beim Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse allerdings überhaupt etwas zu verteilen gibt, dürfte weiterhin die spannende, zentrale Frage sein. Denn große Aggregatoren wie Google News werden im Zweifel diejenigen Verlage, die sich den Konditionen von Google nicht unterwerfen, schlicht auslisten.

posted by Stadler at 10:16  

2.10.13

LG Mönchengladbach: Google haftet nicht für ehrverletzende Suchergebnisse

posted by Stadler at 10:52  
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