Kritikerzitate sollen kostenpflichtig werden
Bücher, aber auch Tonträger oder Filme werden häufig mit griffigen Kritikerzitaten beworben. Der Tagesspiegel berichtet jetzt darüber, dass Zeitungsverlage wie die FAZ auch für kurze Ausschnitte aus von ihnen veröffentlichen Buchkritiken künftig Lizenzgebühren fordern wollen.
Urheberrechtlich betrachtet ist dieser Ansatz wenig überraschend, denn derartige Werbezitate sind keine privilegierten Zitate im Sinne des Urheberrechtsgesetzes. Nach § 51 UrhG ist vielmehr erforderlich, dass der Zitierende eine innere Verbindung zwischen dem fremden Werk und den eigenen Gedanken herstellt und das Zitat als Belegstelle oder Erörterungsgrundlage für selbständige Ausführungen des Zitierenden dient. Wenn das Zitat ausschließlich eine informierende Berichterstattung oder gar Werbung bezweckt, erfüllt es nach der Rechtsprechung den gesetzlich erforderlichen Zitatzweck nicht. Das heißt, dass derartige Werbezitate auch bislang urheberrechtlich nicht zulässig waren. Tageszeitungen und Kritiker haben das bisher aber geduldet, weil man offenbar auch einen eigenen Vorteil darin sah, in dieser Form genannt zu werden. In Zeiten der Zeitungskrise versuchen Zeitungsverlage aber nunmehr offenbar jede denkbare Geldquelle anzuzapfen.
Mit dem Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse hat dieses Vorgehen übrigens wenig zu tun. Denn deren Adressaten sind nur Suchmaschinen und Onlineanbieter die Inhalte wie Suchmaschinen aufbereiten. Das Vorgehen gegen Kritikerzitate richtet sich aber offensichtlich gegen Buchverlage und Onlinebuchhändler.
Als laie frage ich mich, muß man wenn man das Urheberrecht herrnimmt nicht auch über Schöpfungshöhe reden? Bei Trailern von Filmen oder TV shows sind das doch meisten nur 1-4 Wörter. Vermutlich zu wenig für das Leistungsschutzrecht. Und längeres könnte man doch nach erzälen. Und Aggregatoren sowie Suchmaschienen sind ja auch gegen das Leistungsschutzrecht dank EU relativ immun.
Comment by mark — 14.10, 2013 @ 22:53
Das Problem ist nicht neu. Die ersten Abmahnungen wegen »unerlaubter« Wiedergabe von Kritiken gab es meines Wissens in der Musikbranche:
http://www.chanson.de/abmahnungen
Comment by Michael Kallweitt — 14.10, 2013 @ 23:30
Aus Sicht des Konsumenten: das Kritik-Fragment auf dem Buchdeckel ist nach Jubelquote ausgesucht und sowieso banane.
Comment by Wolf-Dieter — 15.10, 2013 @ 12:12
Ich sehe den Zusammenhang dennoch gegeben. Das System hat jahrzehntelang in stillschweigender Duldung zum beiderseitigen Nutzen funktioniert. Seit das LSR beschlossen ist, werden jedoch alle möglichen Zitate und Anverwandte – Weiter- und Mehrfachverwendungen – daraufhin überprüft, ob sie sich nicht zu Geld machen lassen. Es werden selbst Textchen in Frage gestellt, die eindeutig dem Zitatrecht unterfallen – könnte ja sein, dass es klappt. Vor dem LSR hat das kein Mensch in Frage gestellt.
Comment by vera — 15.10, 2013 @ 12:32
Ohne nu trollen zu wollen: aber dass die Kritiker ihr Geld damit verdienen Erzeugnisse zu besprechen, zu denen sie ebenfalls nichts beigetragen haben im urheberrechtlichen Sinn, das is schon OK oder wie?
Comment by doc-rofl — 15.10, 2013 @ 13:01
Ist es eigentlich immer noch so, dass nicht alle aber manche bekannten Kritiker Buchexemplare, DVDs, Blu-Rays, CDs, Kinotickets, etc. kostenlos von den Rechteinhabern zugeschickt bekommen, um dann das entsprechende Medium zu rezensieren? Aber umgekehrt darf der Rechteinhaber des Mediums unentgeltlich keine Zitate aus der Rezension mehr verwenden. Grotesk!
Ich dachte immer, das wäre eine fruchtbare Symbiose. Aber anscheinend ist die Geldgier doch viel größer (das Zeitungssterben ist da natürlich ein weiterer Grund).
Comment by J. S. — 15.10, 2013 @ 15:47
Der Börsenverien begründet die Empfehlung an seine Mitglieder noch anders: es seien Werbetexte, die nicht dem Zitatrecht unterfielen.
http://www.boersenblatt.net/638130/, http://www.boersenblatt.net/526480/
Comment by vera — 15.10, 2013 @ 16:40
@1: ein solches Zitat hat zwar wohl nicht viel Schöpfungshöhe, aber mit Autor angegeben darf man es vermutlich so nicht frei verwenden.
Comment by allo — 15.10, 2013 @ 19:18
Guckst du auch hier in die Kommentare: http://www.carta.info/65479/angstfrei-zitieren/
Comment by vera — 16.10, 2013 @ 12:27
Die Schöpfungshöhe des Zitats muss doch etwas damit zu tun haben, ob es inkriminierbar ist oder nicht. Wenn der Blurb nur lautet „Das ist der beste Roman Martin Walsers seit ‚Ohne einander'“, dann kann das Zitat meiner Meinung nach nicht geschützt werden. Meiner Meinung nach können Bbuchverlage die Blurbs weiter benutzen, wenn sie sich die Zitate daraufhin ansehen. Auch bei Carta wird über das Thema diskutiert: http://www.carta.info/65479/angstfrei-zitieren/
Comment by Thierry Chervel — 16.10, 2013 @ 14:19
@Thierry Chervel:
Die juristische Prüfung läuft im Grunde zweistufig. Auf der ersten Stufe muss geprüft werden, ob die Übernahme eines kleinen Teils einen fremden Texts überhaupt eine Urheberrechtsverletzung darstellt. Und auf der zweiten Stufe wird dann geprüft, ob eine Schrankenbestimmung, also hier das Zitatrecht, diese Nutzungshandlung erlaubt.
Der Text aus dem zitiert wird, muss ein urheberrechtlich geschütztes Werk darstellen. Das wird auf journalistische Texte regelmäßig zutreffen. Aber auch der tatsächlich übernommene Ausschnitt muss urheberrechtlich geschützt sein. Der BGH hat in der Perlentaucherentscheidung – die Sie ja kennen dürften – davon gesprochen, dass es gerade darauf ankommt, ob besonders aussagekräftige und originell formulierte Wendungen aus den Originalkritiken übernommen worden sind. Die Frage lässt sich also nicht quantitaiv bestimmen. Wenn Sie einen Kritiker mit den Worten zitieren „Das beste Buch im Jahr 2013“, dann fehlt es bereits an einem urheberrechtlichen Schutz dieses Textteils. Wenn Sie allerdings ein oder zwei prägende und sprachlich einigermaßen originelle Sätze aus der Rezension übernehmen, kann durchaus eine Urheberrechtsverletzung vorliegen.
Comment by Stadler — 16.10, 2013 @ 15:19