Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

31.7.13

Die Welt braucht Mannings und Snowdens

Der gestern vom US-Militärgericht in Fort Meade verkündete Schuldspruch des Whistleblowers Bradley Manning ist keine Überraschung. Als Überraschung kann man allenfalls den Freispruch in dem zentralen Anklagepunkt „Unterstützung des Feindes“ werten. Die Entscheidung von Militärrichterin Denise Lind ist eingedenk des enormen Drucks der Obama-Regierung durchaus mutig, vielleicht aber nicht mutig genug. Wichtig ist am Ende aber nur, ob Manning in absehbarer Zeit frei kommt oder doch eine langjährige Haftstrafe absitzen muss. Das werden wir erst wissen, wenn das Strafmaß verkündet ist und erst dann wird sich auch einschätzen lassen, ob das Militärgericht der US-Regierung vielleicht doch die Stirm geboten hat.

Der Vorwurf der Unterstützung des Feindes, der sich darauf stützt, dass die geleakten Dokumente über das Internet öffentlich gemacht wurden, ist allerdings auch in der Sache komplett lächerlich. Wäre dieses Argument durchgreifend, dann würde jeder Journalist, der politische oder militärische Missstände öffentlich macht, sich ebenfalls strafbar machen. Speziell dieser politisch motivierte Tatvorwurf zeigt die Intention der amerikanischen Regierung doch sehr deutlich.

Der Obama-Administration geht es darum, jeden Nachahmungseffekt bereits im Keim zu ersticken und Whistleblowern klar zu machen, dass sie zumindest mit langjährigen Haftstrafen zu rechnen haben. Denn wenn Manning und Snowden sich zum Vorbild für andere entwickeln und es Schule macht, dass eklatante Missstände öffentlich gemacht werden, wird das auf Heuchelei basierende US-Politsystem in seiner jetzigen Form zusammenbrechen. Die Schaffung von Transparenz und die Offenlegung unbequemer Fakten ist das, wovor Obama und seine Administration am meisten Angst haben.

Wenn man die Verurteilung Mannings in ihrem politischen Kontext betrachtet, muss man in ihr eine höhere Form des Unrechts sehen und zwar unabhängig davon, ob Manning gegen US-Gesetze verstoßen hat oder nicht. Die Verantwortung dafür sollte man allerdings nicht bei der Militärrichterin Lind suchen, die im Rahmen ihrer Möglichkeiten ohnehin eine vergleichsweise mutige Entscheidung getroffen hat.

Mitarbeiter von US-Geheimdiensten, die Menschen entführt, verschleppt und gefoltert haben und hierfür teilweise in Europa zu langjährigen Haftstrafen verurteilt wurden, haben in den USA keinerlei Strafverfolgung zu fürchten. Gleiches gilt für diejenigen die Rechtsverletzungen und Kriegsverbrechen begangen haben und durch Manning entlarvt wurden. Stattdessen ist derjenige, der dafür gesorgt hat, dass einige dieser Rechtsverletzungen publik wurden, seit vier Jahren inhaftiert und hat eventuell mit einer langjährigen Freiheitsstrafe zu rechnen. Schwere Straftaten gegen Leib, Leben und Freiheit von Menschen werden aus politischen Gründen nicht verfolgt, während man bei einem Whistleblower, der niemandem Schaden zugefügt hat, sondern nur einen fragwürdigen Geheimhaltungskodex verletzt hat, drakonische Strafen einfordert. Damit wird ein ganzes Wertesystem auf den Kopf gestellt und die Welt sieht weitgehend teilnahmslos zu.

Wie man immer wieder hört, soll Abraham Lincoln eines der großen politischen Vorbilder Barack Obamas sein. Dann täte er gut daran, sich eines der berühmten Lincoln-Zitate zu erinnern:

You can fool all the people some of the time, and some of the people all the time, but you cannot fool all the people all the time.

Auch die US-Regierung wird die Herstellung von Transparenz nicht auf Dauer verhindern können. Die Welt brauchte mutige Menschen wie Bradley Manning und Edward Snowden.

Das vielleicht stärkste und prägnanteste Statement zum Manning-Urteil das ich gelesen habe, kommt von Reporter ohne Grenzen:

Mutige Menschen wie er (Manning, Anm. d.Verf.) und Edward Snowden sind unverzichtbar, damit Journalisten Fehlentwicklungen publik machen können. Solche Informanten verdienen einen starken gesetzlichen Schutz und keine drakonischen Strafen.

Danke für diese klaren Worte.

posted by Stadler at 15:01  

7 Comments

  1. Sehe ich genauso!

    Das in den USA einiges schief läuft sieht man besonders daran, dass der Vorwurf „Unterstützung des Feindes“ nicht gleich als völlig absurd verworfen wurde.

    Welcher Feind denn überhaupt? Sind die USA im Krieg? Der Rest der Welt würde sagen: nein ! Der „Krieg gegen den Terror“ ist bestenfalls eine große Polizeiaktion.

    Das Problem ist, dass die USA (im eigenen Land) schon jahrhundertelang nicht mehr angegriffen wurden und deswegen bei dem „bißchen“ Terrorismus sofort Panik bekommen … und Panik ist schlecht für die Demokratie und/oder Vernunft …

    Comment by Tim — 31.07, 2013 @ 15:29

  2. Mann sollte vielleicht auch erwähnen, um was es ging. Mannings hat unter anderem die Videos von den Hubschrauber Mördern der US-Army veröffentlicht, die Nichtkombattanden aus einem fliegenden Hubschrauber exekutiert haben.
    http://www.bradleymanning.org/learn-more/collateral-murder-video

    Die Täter sind nicht bestraft worden (anders die Mörder der US Army in My Lay, die wenigsten bestraft worden, wenn auch von Nixon schnell begnadigt wurden).

    Die USA haben den Whistleblower Protection Act http://en.wikipedia.org/wiki/Whistleblower_Protection_Act

    Es sollte vielleicht auch neben der politischen Diskussion die rechtliche geführt werden. Warum der WPA nicht zum Tragen kam und ob wir in Deutschland auch so was brauchen. Gerade bei so schwerwiegenden Fällen, dass Mörder aus den eigenen Staatsorganisationen wegen Geheimschutz frei herumlaufen dürfen ist eine hochgradige Sicherheitsgefährdung und wir sollten auch darüber diskutieren, ob wir so was auch brauchen. Z.B. wenn in Kunduz Massaker an Zivilisten von deutschen Soldaten angerichtet werden oder deutsche Sodlat3en Beihilfe zu rechtswidrigen Liquidierungen von Nicht-Kombattanden mittels Drohnen (die de Maiziere auf Teufel komm raus anschaffen will, wie Schäuble den Raketenabschuss von Zivilflugzeugen im Inland haben wollte) in Pakistan leisten, dem nicht mal der Krieg erklärt wurde und auch kein UN-Mandat zum humaninitären Töten vorliegt.

    Comment by Wolfgang Ksoll — 31.07, 2013 @ 15:41

  3. „Damit wird ein ganzes Wertesystem auf den Kopf gestellt und die Welt sieht weitgehend teilnahmslos zu.“

    Das stimmt m. E. nur dann, wenn man die Welt auf Politiker reduziert. Das es um das Wertesystem von Politikern weltweit nicht sonderlich gut bestellt ist, ist allerdings keine so neue Erkenntnis. Galt früher, dass ein Diktator dann zu den Guten zählte, wenn es sich um „unseren“ Diktator handelte. Heute werden Menschen im Staatsauftrag entführt, eingesperrt, gefoltert und ggf. per Drohne getötet. Einfach so, es geht ja gegen den „islamistischen Terror“.
    Zugleich schütteln Staatsoberhäupter und Minister der selbst als Demokratie erklärten Staaten jedem Verbrecher und Massenmörder die Hand, wenn er sich nur als Lieferant dringend benötigter Rohstoffe andient oder Waffen aus heimischer Produktion abnimmt. Die Interessenten solcher Geschäfte reisen in der Regierungsmaschine mit dem Grüssaugust/der Augustine) an.

    Comment by M. Boettcher — 31.07, 2013 @ 15:55

  4. Kleine Korrektur: „Unterstützung des Feindes“ ist ein militärinterner Straftatbestand, Journalisten z.B. würden sich hier nicht strafbar machen.

    Comment by Jens — 31.07, 2013 @ 16:12

  5. Wenn ich mich nur an den Hype erinnere, mit dem die Wahl Obamas damals gefeiert wurde. Nicht viel hätte gefehlt, und er wäre zum neuen Messias ausgerufen worden.
    Dabei hätte jedem klar sein müssen, was von Obama zu erwarten ist: Wie jeder andere Politiker auch ist er ein Berufslügner, dessen einziges Interesse sich selbst gilt. Wer diese simple Wahrheit über Politiker nicht akzeptiert, wird immer wieder enttäuscht werden.
    Bei der nächsten Bundestagswahl werden wir wieder sehen, dass die Dummheit der Wähler nicht heilbar ist. Frau Merkel wird wieder Bundeskanzlerin werden.

    Comment by Rangar — 31.07, 2013 @ 16:13

  6. Schön zu lesen, wie ausgerechnet gegen Obama ein Zitat Lincolns angeführt wird, das schon zu Zeiten Bushs für einen Refrain in dem Rap-Song „Danke Bush“ genutzt wurde.

    Comment by Peter Piksa — 31.07, 2013 @ 19:27

  7. Keine Unterstützung des Feindes, denn die Presse mit dem Feinde gleichzusetzen ist doch etwas übertrieben, die sollte man sich dann doch nicht zum Feind machen.

    Comment by Mirco — 31.07, 2013 @ 20:09

RSS feed for comments on this post.

Sorry, the comment form is closed at this time.