Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

18.6.13

Das Ziel lautet Totalüberwachung

Bereits vor knapp zwei Wochen habe ich darauf hingewiesen, dass Prism kein originär amerikanisches Phänomen ist und wir uns auch mit dem beschäftigen sollten, was die deutschen Geheimdienste so treiben. Und kurze Zeit später konnte man auch schon lesen, dass der BND die Internetüberwachung massiv ausbauen will. Das wird flankiert von Aussagen des Bundesinnenministers Hans-Peter Friedrich, der sich bei den USA für Prism bedankte und betonte, man müsse Kontrollverluste über die Kommunikation von Kriminellen durch neue rechtliche und technologische Mittel ausgleichen.

Damit wird hinreichend deutlich, dass der BND und die deutsche Innenpolitik das Internet und die Telekommunikation gerne in denselbem Umfang überwachen würden wie die USA und, dass dies derzeit nur an den begrenzten technologischen und personellen Mitteln des BND scheitert.

Und in der Tat besteht in Deutschland der rechtliche Rahmen hierfür längst. Fündig wird man beispielsweise im Gesetz zur Beschränkung des Post- und Fernmeldehegeimnisses (G10) und im BND-Gesetz. Über den sog. elektronischen Staubsauger hatte ich bereits im letzten Jahr berichtet. In einem äußerst lesenswerten Blogbeitrag erläutert der Kollege Härting die „strategische Fernmeldekontrolle“ durch den BND juristisch und bezweifelt, ob das aktuell bekannte Ausmaß der TK- und Internetüberwachung durch den BND noch verfassungskonform ist. Die Befugnisse des BND zur „strategischen Fernmeldekontrolle“ wurden 2001 durch eine rot-grüne Bundestagsmehrheit erheblich ausgeweitet und auch die gerade unter schwarz-gelb verabschiedeten Regelungen zur Bestandsdatenauskunft führen speziell zugunsten der Dienste zu einer spürbaren Ausweitung der Möglichkeiten der TK-Überwachung.

In diesem Zusammenhang muss man sich auch darüber im Klaren sein, dass das Bundesverfassungsgericht seit längerer Zeit keine Pflöcke mehr einrammt, sondern nur noch kleinere Stöcke, die von den Innenpolitikern dieses Landes immer wieder herausgerissen und anschließend um ein Stück versetzt werden. Auch das wackere Verfassungsgericht betreibt letztlich nur noch Rückzugsgefechte, die den Abbau der Bürgerrechte nur verlangsamen aber nicht aufhalten können.

Wenn man die öffentlichen Erklärungen beispielsweise von Barack Obama oder Hans-Peter Friedrich betrachtet, dann ist klar, dass das Ziel die Vollüberwachung aller Bürger ist. In ihrem sehr guten und klaren Kommentar „PRISM auch für Deutschland“ erläutert die Kollegin Ann-Karina Wrede, dass die neuen rechtlichen und technologischen Mittel die ein Friedrich fordert – obwohl das Pendel ohnehin bereits deutlich in Richtung Überwachungsstaat ausschlägt – letztlich auf die Vorstellung einer Komplettüberwachung sämtlicher Bürger hinausläuft.

Was können wir dagegen tun? Von der (deutschen) Politik ist nicht viel zu erwarten, nachdem schwarz-gelb und zuvor rot-grün immer weiter am Rad der TK-Überwachung gedreht haben. Es bleibt also nur die Möglichkeit öffentlichen Druck aufzubauen und wir müssen, wie Ann-Karina Wrede zu recht schreibt, gegen Überwachung und Programme wie Prism raus auf die Straße.

posted by Stadler at 12:27  

17.6.13

Fall Mollath: Wer hat den Staatsanwalt zurückgepfiffen?

Die Süddeutsche berichtet heute darüber, dass ihr ein Entwurf des Wiederaufnahmeantrags der Staatsanwaltschaft Regensburg vorliegt, in dem der sachbearbeitende Oberstaatsanwalt dem ehemaligen Vorsitzenden Richter explizit Rechtsbeugung vorwirft. Die von der SZ zitierten Passagen Brixner habe „keinerlei Interesse an einem prozessordnungsgemäßen Ablauf des Anhörungsverfahrens“ gezeigt und „Die von ihm gewählte Vorgehensweise erfüllt den Straftatbestand der Rechtsbeugung.“ fehlen in dem letztlich gestellten Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft völlig. Lediglich ein verklausulierter Rechtsbeugungsvorwurf findet sich darin noch.

Die Schlussfolgerung hieraus erscheint mir eindeutig. Der sachbearbeiteitende Oberstaatsanwalt Meindl wurde zurückgepfiffen. Vermutlich durch den Generalstaatsanwalt, mit dem der Wiederaufnahmeantrag abgestimmt war, wie Meindl im Untersuchungsausschuss des Landtags ausgesagt hat. Ob auch das Justizministerium involviert war, werden wir vermutlich nie erfahren. Ganz offensichtlich wird dadurch aber, dass die Staatsanwaltschaft einem Richter a.D. keine Rechtsbeugung vorwerfen will, obwohl genau dies dem sachbearbeitenden Staatsanwalt sogar offensichtlich erscheint.

Das wirft noch eine weitere Frage auf, nämlich die nach dem Legalitätsprinzip des § 152 Abs. 2 StPO. Danach muss die Staatsanwaltschaft wegen aller verfolgbaren Straftaten einschreiten. Das gilt in Bayern aber offenbar nicht, wenn es um den Verdacht der Rechtsbeugung gegen einen Richter geht. Es ist gerade diese selektiv-rechtswidrige Praxis die das Ansehen der Justiz beschädigt.

posted by Stadler at 22:18  

17.6.13

Urheberrechtsverletzung durch Nutzung der Einbetten-Funktion von YouTube?

Bei YouTube gibt es zu den dort abrufbaren Videos über die Funktion „Einbetten“ die Möglichkeit, das Video in die eigene Website oder das eigene Blog zu integrieren. Man sieht dann ein Vorschaubild, das Video wird aber immer noch via YouTube abgespielt. Diese Verweistechnik erfreut sich mittlerweile großer Beliebtheit und wird vor allem von Bloggern häufig genutzt.

Vor einigen Wochen habe ich darüber berichtet, dass der BGH die Frage, ob dieses Einbetten eine (eigenständige) urheberrechtliche Nutzungshandlung in Form einer öffentlichen Wiedergabe darstellt, an den EuGH zur Entscheidung vorgelegt hat (Beschluss vom 16.05.2013, Az.:  I ZR 46/12).

Dieser Vorlagebeschluss liegt jetzt im Volltext vor und die Argumentation des BGH erscheint mir beachtenswert. Denn der BGH äußerst die Ansicht, dass diese Form des Embedded-Links als urheberrechtliche Nutzungshandlung zu betrachten ist. Die zentrale Passage im Beschluss des BGH lautet:

Auch derjenige, der – wie im vorliegenden Fall – ein auf einer fremden Internetseite öffentlich zugänglich gemachtes fremdes Werk im Wege des „Framing“ zum integralen Bestandteil seiner eigenen Internetseite macht, erleichtert Nutzern seiner Internetseite nicht nur den Zugang zu dem auf der ursprünglichen Internetseite vorgehaltenen Werk. Vielmehr macht er sich das fremde Werk durch eine solche Einbettung in seine eigene Internetseite zu eigen. Er erspart sich damit das eigene Bereithalten des Werkes, für das er die Zustimmung des Urhebers benötigte. Ein solches Verhalten ist nach Ansicht des Senats bei wertender Betrachtung als öffentliche Wiedergabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG einzustufen, die einer gesonderten Erlaubnis des Urhebers bedarf.

Sollte sich der EuGH dieser Linie anschließen, würde dies bedeuten, dass man für diese Form des Verweises auf Inhalte bei Videoplattformen wie YouTube grundsätzlich die Erlaubnis des Urhebers benötigt. Andernfalls begeht man eine Urheberrechtsverletzung.

Die Begründung des BGH überzeugt nicht. Der BGH bemüht die Uralt-Konstruktion des Zueigenmachens, geht dabei aber in tatsächlicher Hinsicht von falschen Voraussetzungen aus. Bei einem iFrame entsteht – anders als beim HTML-Frame – für den Betrachter gerade nicht der Eindruck, der Blogger/Webseitenbetreiber würde den Content selbst anbieten. Lediglich ein Vorschaubild verweist auf das Angebot bei YouTube. Durch diese Vorschaufunktion wird das Video nicht integraler Bestandteil des eigenen Internetangebots, man erspart sich auch nicht das eigene Bereithalten des Werks. Es wäre naheliegender gewesen, diese Form des Verweises als das zu betrachten, was es für die meisten Nutzers des Netzes mittlerweile ist, nämlich eine zeitgemäße und gängige Verlinkung von Video-Content. Man kann nur hoffen, dass der EuGH die aus der Mottenkiste stammende Argumente des BGH als solche erkennt und die weltweit gängige Verlinkung von Video-Content nicht in Frage stellt.

posted by Stadler at 11:34  

14.6.13

EuGH verhandelt am 9.Juli über die Vorratsdatenspeicherung

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat die Vorlagen des irischen High Court und des österreichischen Verfassungsgerichtshofs zur Frage der Vereinbarkeit der Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung mit der Grundrechtecharta verbunden und verhandelt hierüber am 09.07.2013. Das berichtet Hans Peter Lehofer in seinem Blog e-comm.

Der EuGH möchte von den Verfahrensbeteiligten u.a. erläutert haben, ob die Vorratsdatenspeicherung dem Ziel der Feststellung und Verfolgung von schweren Straftaten dienen kann und welche Auswirkungen es hat, dass zahlreiche Möglichkeiten zur anonymen Nutzung der elektronischen Kommunikationsdienste bestehen.

Außerdem erwartet der EuGH Ausführungen zu der Frage, ob und inwieweit es möglich ist, anhand der gespeicherten Daten Persönlichkeitsprofile zu erstellen und zu benutzen, aus denen sich – unabhängig von der Frage nach der Rechtmäßigkeit eines derartigen Vorgehens – das soziale und berufliche Umfeld einer Person, ihre Gewohnheiten und Tätigkeiten ergeben.

Die Verfahrensbeteiligten sollen dem EuGH ferner folgende Fragen beantworten:

 a. Auf welche objektiven Kriterien hat der Unionsgesetzgeber seine Entscheidung beim Erlass der Richtlinie 2006/24 gestützt?
b. Aufgrund welcher Daten konnte der Gesetzgeber den Nutzen der Vorratsspeicherung von Daten fur die Feststellung und Verfolgung von schweren Straftaten einschätzen?
c. Aufgrund welcher Daten konnte der Gesetzgeber davon ausgehen, dass eine Speicherung der Daten über einen Zeitraum von rnindestens sechs Monaten erforderlich ist?
d. Gibt es Statistiken, die darauf schließen lassen, dass sich die Feststellung und Verfolgung von schweren Straftaten seit dem Erlass der Richtlinie 2006/24 verbessert hat?

Das könnte durchaus interessant werden, weil es beispielsweise nach einer Studie des MPI keine Erkenntnisse über einen Nutzen der Vorratsdatenspeicherung im Bereich der Terrorbekämpfung gibt. Auch im Zuge der von der Kommission durchgeführten Evaluierung gab es keine wirklich belastbaren Daten aus den Mitgliedsstaaten diesbezüglich.

Der Europäische Datenschutzbeauftragte wurde ebenfalls um eine Stellungnahme gebeten.

(via e-comm)

posted by Stadler at 22:23  

14.6.13

OLG Hamburg zur Frage, ob ein Sharehoster als Gehilfe haften kann

Wenn ein Sharehoster für mehrere Wochen untätig bleibt, nachdem er von einer Urheberrechtsverletzung durch einen Nutzer des Dienstes in Kenntnis gesetzt worden ist, dann haftet er nach einer neuen Entscheidung des OLG Hamburg als Gehilfe des Verletzers (OLG Hamburg, Beschluss vom 13.05.2013, Az.: 5 W 41/13).

Das Oberlandesgericht führt dazu aus, dass sich der Sharehoster nicht mehr auf die Haftungsprivilegierung des § 10 TMG berufen kann, wenn er trotz Kenntnis – und hier offenbar sogar der Zusicherung die Inhalte zu entferen – untätig bleibt, sondern dann nach allgemeinen Grundsätzen haftet. Das bedeutet dann im Ergebnis, dass der Sharehoster auch auf Schadensersatz haftet kann und zudem eine strafrechtliche Verantwortlichkeit der beim Filehoster handelnden Personen in Betracht kommt.

Im konkreten Fall hat der Senat zwar eine Haftung als Mittäter verneint, aber eine solche wegen Beihilfe bejaht. Das OLG geht insoweit davon aus, dass eine objektive Unterstützungshandlung des Sharehosters vorliegt und zudem auch bedingter Vorsatz, nachdem man nach Kenntnis von der Urheberrechtsverletzung untätig geblieben ist und die Fortsetzung der Rechtsverletzung damit billigend in Kauf genommen hat.

Die Entscheidung dürfte auch auf gewöhnliche Hoster sowie alle, die fremde Inhalte zur Verfügung stellen oder publizieren, übertragbar sein.

Die Entscheidung wird auch bei Telemedicus besprochen.

posted by Stadler at 11:55  

13.6.13

Strafbarkeit des Anpingens von Handys

Sie kennen die Situation vielleicht. Die Anrufliste Ihres Handys zeigt eine Ihnen unbekannte Rufnummer an. Weil Sie wissen wollen wer angerufen hat, rufen Sie zurück. Dieses typische Nutzungsverhalten wird auch von Betrügern ausgenutzt, wie ein aktuelles Strafurteil des Landgerichts Osnabrück zeigt (Urteil vom 06.03.2013, Az.:  10 KLs 38/09, 140 Js 2/07, 10 KLs – 140 Js 2/07 – 38/09).

Die Angeklagten hatten huntertausendfach Handys lediglich angepingt, also die Verbindung nach einmaligem Klingeln wieder abgebrochen. Wer zurückrief war dann mit einer kostenpflichtigen Sonderrufnummer verbunden und hörte eine Bandansage.  Diese Aktion erfolgte zur Weihnachtszeit 2006, um möglichst viele Rückrufe zu erzeugen. Den Anrufern entstanden dadurch im Kosten zwischen 0,98 und 3 EUR für den Rückruf. Insgesamt soll aber ein Schaden von mehr als 500.000 EUR entstanden sein.

Das Landgericht Osnabrück hat dieses Verhalten als Betrug bewertet, was in juristischer Hinsicht interessant ist. Die notwendige Täuschungshandlung sieht das Gericht darin, dass durch das Anpingen vorgetäuscht wurde, jemand wolle telefonieren, mithin eine sinnvolle, inhaltliche Kommunikation führen. In dem Rückruf an die kostenpflichtige Rufnummer sieht das Gericht dann eine Vermögensverfügung des Getäuschten. Das ist meines Erachtens auch korrekt, denn der Anrufer hat ja gerade nicht das Bewusstsein eine teuere Sonderrufnummer anzurufen und veranlasst dadurch unbewusst eine Vermögensverfügung. Das größe juristische Problem erscheint mir die sog. Stoffgleichheit zu sein. Der Täter muss danach den Vermögensvorteil unmittelbar aus dem Vermögen des Geschädigten so anstreben, dass der Vermögensvorteil die Kehrseite des Schadens ist. Das ist deshalb problematisch, weil es sich zunächst eigentlich um einen Betrug zugunsten des TK-Unternehmens handelt, dem das Entgelt für den Anruf zunächst zufließt. Das Landgericht Osnabrück nimmt diesbezüglich an, dass den Betrügern das von den Handybesitzern erhobene Entgelt letztlich über eine Transferkette zufließt und die Telekom und andere TK-Anbieter insoweit nur einen Forderungseinzug für die Täter betreiben.

(via kLAWtext)

posted by Stadler at 15:46  

12.6.13

Der Watchdog des Schweizerischen Bundesgerichts hört auf

Markus Felber ist ein Schweizer Jurist und Journalist – womit ich mich quasi des Wikipedia-Intros bediene – der seit 30 Jahren vom Schweizerischen Bundesgericht berichtet und davon 19 Jahre für die Neue Züricher Zeitung (NZZ). Er ist damit sozusagen der Gerichtsreporter der Schweiz. Manche kennen und schätzen den sprachwitzigen Felber aber auch als twitternden @Frechgeist.

Felber (fel.) wird nun von seinem Hauptauftraggeber „frühpensioniert“ und beendet seine Tätigkeit für die NZZ zum Monatsende, was aber offenbar nicht ganz freiwillig geschieht, wenn man die Anmerkung auf seiner Website dazu liest:

Nach über dreissigjähriger Berichterstattung aus dem Bundesgericht werde ich vom Hauptauftraggeber NZZ unverhofft vorzeitig pensioniert. Ich gedenke indes, mich weiterhin mit der Rechtsprechung des Bundesgerichts zu befassen und darüber für die bisherigen anderen Abnehmer (Schweizerische Juristenzeitung und Hauseigentümer) sowie für allfällige neue Interessenten zu berichten.

In der Schweiz wird das als Ende einer Ära gesehen, Felbers kritische Berichterstattung ist auch in einem ausführlichen und lesenswerten Wikipediaartikel gewürdigt worden.  

Dass der smarte Felber bei einem Bundesrichter derart verhasst war, dass dieser versucht hatte ihn anzuspucken, aber stattdessen einen daneben stehenden Gerichtsschreiber traf, mag man kaum glauben. Dieser Vorfall, der in der Schweiz einen enormen Medienwirbel verursachte und sogar das Parlament beschäftigte, hat anschließend zum Rücktritt des Richters geführt.

Für besonders erwähnens-und lesenswert halte ich außerdem das Manuskript eines Vortrags von Felber über das Verhältnis von Medien und Rechtsprechung, in dem er den Gerichtskorrespondenten als Diener der Öffentlichkeit beschreibt.

Man wird von Felber auch weiterhin das ein oder andere zu lesen bekommen. Er macht den Eindruck, als wolle er sich nur in den berühmten Unruhestand begeben. Ob er auch als gelegentlicher Autor für die NZZ schreiben wird, scheint indes noch offen zu sein. Vermutlich wird er jetzt aber (noch) mehr Zeit zum twittern haben, weshalb man @Frechgeist dort in jedem Fall folgen sollte. Markus Felber bloggt außerdem „Frechgeistiges über Justiz, Politik und ernsthafte Themen„.

posted by Stadler at 18:18  

11.6.13

Besuch von der Polizei nach Tweet zur Causa Mollath

Der Fall über den Richard Gutjahr heute in seinem Blog berichtet, ist so unglaublich, dass man ihn unbedingt weiterverbreiten muss. Die Ärztin Ursula Gresser (Mitglied der CSU!) twitterte „Wann Mollath freikommt? Diese Frage könnte man Frau Merk am Mo. 10.06.13 um 19 Uhr im Landgasthof Hofolding stellen„.

Der Hinweis bezog sich auf eine bereits angekündigte öffentliche Veranstaltung mit Justizministerin Beate Merk.

Wegen dieses Tweets bekam Ursula Gresser gestern Besuch von zwei Polizeibeamten in zivil. Grund des Besuchs laut Aussagen der Beamten: Das Sicherheitspersonal der Justizministerin habe Bedenken in Bezug auf Frau Gresser angemeldet, wegen des oben genannten Tweets. Die Justizministerin hat den Polizeibesuch bei der Ärztin also veranlasst.

Im Gespräch hat Ursula Gresser den Beamten dann angeboten, den Tweet zu löschen, was sie dann auch getan hat.

Auf Nachfrage Richard Gutjahrs bei der Polizei hat er schließlich die Auskunft erhalten, der Besuch sei notwnedig gewesen, um etwaige Störungen – vermutlich der Veranstaltung – zu verhindern. Die Justizministerin scheint wegen der Sache Mollath reichlich nervös zu sein. Dass man deswegen allerdings die Polizei zu unbescholtenen Bürgern schickt, ist ein Umstand, über den berichtet werden muss.

Update:
Das Justizministerium dementiert die Darstellung von Ursula Gresser in einer Pressemitteilung. Dort ist die Rede von einem Schreiben eines besorgten Anwalts vom 23.05.13, das Anlass für den polizeilichen Hausbesuch gewesen sei. Über den Inhalt des Schreibens und den Mandanten des Anwalts erfährt man nichts. Warum sollte ein über 2 Wochen altes Schreiben plötzlich zu einem Hausbesuch der Polizei führen? Richard Gutjahr bleibt in seinem Blog bei seiner bisherigen Darstellung. Er hat mit dem Pressesprecher des Polizeipräsidiums München gesprochen, der ihm wiederum bestätigte, dass Anlass des Hausbesuches eine Nachricht aus dem Internet gewesen sei. Das Dementi des Ministeriums klingt für mich nicht sonderlich plausibel.

posted by Stadler at 09:45  

10.6.13

Der Fall Mollath ist über den Einzelfall hinaus von Bedeutung

Morgen wird Gustl Mollath persönlich im Untersuchungsausschuss des Bayerischen Landtags aussagen. Ein Ausschuss, der schon einige interessante Aussagen zu Tage gefördert hat, u.a. die des verurteilenden Richters Otto Brixner, der einräumt, die Verteidigungsschrift Mollaths samt Anlagen nicht gelesen zu haben oder die eines Generalstaatsanwaltes, der das Urteil gegen Mollath für mehr als schludrig hält.

In der heutigen Aussage der SZ kritisiert Heribert Prantl die im Fall Mollath maßgebliche gesetzliche Regelung des § 63 StGB mit den Worten:

Existenzielle Eingriffe erfordern existenzielle Sorgfalt – auch vom Gesetzgeber. Der Fall Mollath ruft nach einer gründlichen Reform des Mollath-Paragrafen.

Mir stellt sich hierbei allerdings tatsächlich die Frage, wie der Gesetzgeber das genauer regeln sollte. Die Vorschrift des § 63 StGB lautet:

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist.

Im Fall Mollath ist das vordergründige Problem, dass ein Gericht und ein bzw. mehrere Gutachter die existentielle Sorgfalt haben vermissen lassen, die notwendig ist, wenn man jemanden langjährig zwangsweise unterbringt. Bedenklich ist in diesem Kontext aber ein allgemeiner Trend. Die strafrichterlich angeordneten Unterbringungen haben sich in den letzten 25 Jahren verdreifacht. Sachverständige und Gerichte sind also zunehmend schneller bei der Hand, wenn es darum geht, jemanden zwangsweise unterzubringen. Es gibt einen gefährlichen Trend zur Zwangspsychiatrisierung. Und hier stellt sich dann in der Tat die Frage, wie man die existentielle Sorgfalt, die Prantl zu Recht einfordert, gewährleisten kann. Wenn man am Gesetz nichts ändert, wird es vermutlich immer wieder Fälle geben, in denen Brixeners und Leipzigers zusammenkommen und sich beachtliche juristische und psychiatrische Fehlleistungen potenzieren.

In privaten Diskussionen zum Fall Mollath höre ich außerdem immer wieder die Aussage, Mollath sei ja vielleicht doch verrückt, zumindest extrem seltsam. Das mag sein, nur hat er die Straftaten, die ihm vorgeworfen werden, möglicherweise nicht begangen und für die Annahme er sei für die Allgemeinheit gefährlich, spricht auch nicht viel. Und diese beiden Fehleinschätzungen bekommt man auch durch eine gesetzliche Neuregelung nicht in den Griff.

Der Fall Mollath ist auch deshalb wichtig, weil er Missstände aufzeigt, die einer sorgfältigen Aufarbeitung bedürfen. Gesetzgeber und Gesellschaft müssen sich Gedanken darüber machen, wie man solche Fälle künftig vermeidet. Wir müssen über den konkreten Fall hinaus über die Mängel in der Justiz und der Psychiatrie reden, die solche Fehlleistungen überhaupt erst möglich machen. Denn es gibt vermutlich noch mehrere Mollaths von denen wir nur nichts wissen.

posted by Stadler at 22:21  

7.6.13

Prism ist kein originär amerikanisches Phänomen

Die Meldung, dass US-Behörden im Rahmen des Programms Prism das Internet in großem Stil überwachen und angeblich direkt auf Server von Google, Facebook, Apple oder Microsoft zugreifen können, hat weltweit für mediale Aufmerksamkeit gesorgt.

Wer weiß, was bereits deutsche Geheimdienste nach dem Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (G 10) dürfen und was sie tatsächlich praktizieren, dem muss klar sein, dass Geheimdienste weltweit die Telefon- und Internetkommunikation massiv und großflächig überwachen und aufzeichnen. In den USA möglicherweise umfassender und intensiver als in Europa.

Dass dies einer breiten Öffentlichkeit nicht bekannt ist, obwohl wesentliche Rahmenbedingungen nicht wirklich geheim sind, liegt auch an einer unzureichenden Berichterstattung.

Wer nun meint oder behauptet, die EU könne US-Programmen wie Prism etwa durch die geplante Datenschutzgrundverordnung Einhalt gebieten, hat nicht verstanden, auf welcher Grundlage und nach welcher Logik Geheimdienste agieren.

Die Legitimation jedweder Geheimdiensttätigkeit ergibt sich immer aus dem jeweiligen nationalen Recht. Weil es gerade auch darum geht, fremde Staaten und deren Bürger auszuspionieren, ist es zwangsläufig notwendig, sich über die rechtlichen Beschränkungen fremden Staaten hinwegzusetzen. Für die Tätigkeit von US-Diensten ist es also völlig irrelevant, was die EU oder ein europäischer Staat gesetzlich regelt. Das gilt freilich umgekehrt ebenso.

Gegen diese Form der Geheimdienstlogik hilft nur Transparenz, Information und Berichterstattung. Nötig ist vor allen Dingen aber auch ein sicherheitspolitischer Bewusstseinswandel und zwar sowohl in den Köpfen der Bürger als auch in denen der Politiker. Diese Welt wird letztendlich nur dann irgendwann wirklich demokratisch und freiheitlich werden, wenn wir es weltweit schaffen, Phänomene wie (nationale) Geheimdienste zu überwinden. Die Pönalisierung von Whistleblowern wie Bradley Manning ist hier übrigens nur die Kehrseite derselben Medaille. Solange Nationalstaaten Geheimdienste unterhalten, die mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet werden, im Verborgenen agieren dürfen und keiner effektiven Kontrolle unterliegen, solange wird man auch diejenigen hart bestrafen, die sich dieser Logik widersetzen, indem sie solche Informationen und Vorgänge öffentlich machen, die dieser merkwürdigen Geheimhaltungslogik unterliegen.

Es wird sich also nur dann etwas ändern, wenn Öffentlichkeit erzeugt wird und es gelingt, die finsteren Hinterzimmer auszuleuchten. Die Medien könnten damit anfangen, die Menschen einfach erst einmal über das Ausmaß der Überwachung zu informieren, das prinzipiell bereits bekannt ist. Ich lese leider wenig über den „elektronischen Staubsauger“ und das, was der BND auf Grundlage des G10 tatsächlich so treibt und frage mich warum. Ist es für Journalisten gefährlich in diesem Umfeld zu recherchieren und Dinge öffentlich zu machen?

Update vom 10.06.2013:
In einem Blogbeitrag für CR-Online stellt der Kollege Härting – lediglich in Bezug auf die kürzlich verabschiedete Bestandsdatenauskunft – die Frage, welche Beschränkungen für den Bundesnachrichtendienst (BND) gelten. Und der Blick ins Gesetz macht deutlich, dass es im Grunde keine nennenswerten Hürden gibt. Denn der BND kann nach der Neuregelung von Providern Daten anfordern, sobald er der Ansicht ist, dass Bestandsdaten zu Erkenntnissen über das Ausland führen können, die ”von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung” sind. Da das niemand effektiv überprüfen kann, hat der BND hier relativ freie Hand.

Das passt ganz gut zur aktuellen Diskussion um das US-Programm prism, in der man auch mal der Frage nachgehen sollte, was der BND und die Verfassungsschutzbehörden in puncto TK- und Internetüberwachung eigentlich dürfen und was sie tatsächlich praktizieren. Der BND darf nach geltemdem Recht (G10, BND-G) schon bedenklich viel und es steht zu befürchten, dass die Praxis noch darüber hinausgeht, nachdem es an einer effektiven Kontrolle der Geheimdiensttätigkeit fehlt.

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass sich der BND nach § 1 Abs. 2 S. 2 BND-G nur dann an einschränkende Vorgaben des deutschen Rechts halten muss, wenn die Informationen im Inland erhoben werden. Für die Daten- und Informationsbeschaffung im Ausland sieht das deutsche Recht keine gesetzlichen Beschränkungen vor. Und exakt nach derselben Logik arbeiten alle Geheimdienste weltweit.

Man sollte in diesem Zusammenhang außerdem auch berücksichtigen, dass die internationale Zusammenarbeit der Geheimdienste offenbar besser funktioniert als beispielsweise der Informationsaustausch unter den deutschen Verfassungsschutzbehörden. Die Informationen die die USA im Zuge ihrer weitreichenden Überwachungsmaßnahmen erlangen, landen bei Bedarf dann nämlich auch in Pullach.

Vielleicht bietet der aktuelle Fall ja die Gelegenheit dazu, öffentlich und vor einem großen Publikum die Praktiken der Geheimdienste weltweit zu hinterfragen.

posted by Stadler at 23:04  
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