Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

28.5.13

Der SPIEGEL und die hohe Kunst des Tendenzjournalismus

Der Spiegel macht in seiner aktuellen Ausgabe (22/2013) mit dem reißerischen TitelBordell Deutschland – Wie der Staat Frauenhandel und Prostitution fördert“ auf. Tenor des Artikels: Prostituierte werden in noch stärkerem Maße als früher von Zuhältern und Menschenhändlern ausgebeutet, wofür maßgeblich das Prostitutionsgesetz aus dem Jahre 2001 verantwortlich sei.

Auch wenn die Darstellung des Spiegels sicherlich eine ganze Reihe zutreffender Einzelaspekte enthält, ist sie in wesentlichen Teilen unrichtig bzw. verzerrend, was auch den Autoren, sofern sie ein Mindestmaß an Recherche angestellt haben, bewusst sein muss.

Die Titelgeschichte beginnt mit der Schilderung des Einzelschicksals einer jungen Frau aus Rumänien, die unter falschen Voraussetzungen nach Berlin gelockt wurde und dort in einem Bordell unter ausbeuterischen Umständen der Prostitution nachgeht. Der Vorteil einer solchen Darstellung ist es, dass ohnehin niemand überprüfen kann, ob sie authentisch ist oder nicht. Ich will das zugunsten des SPIEGEL aber gerne annehmen. Als Jurist weiß man allerdings, dass die Qualität eines Gesetzes, also einer Regelung die für eine unbestimmte Vielzahl an Einzelfällen eine abstrakte Regelung trifft, niemals anhand eines Einzelfalles beurteilbar ist. Gleichwohl ist es ein beliebtes journalistisches Stilmittel, eine kritische Darstellung entlang eines Einzelfallschicksals aufzubauen. Wenn in dem Artikel des SPIEGEL die sonstigen Fakten und Aussagen stimmen würden, könnte man den Einsatz dieses Mittels noch hinnehmen. Aber das ist leider nicht der Fall.

Bezeichnend ist beispielsweise folgende Aussage in dem Artikel:

Mit der Einführung des Prostitutionsgesetzes wurde auch das Strafrecht geändert. An die Stelle der „Förderung der Prostitution“ trat als Straftat die „Ausbeutung von Prostituierten“. Zuhälterei ist strafbar, wenn sie „ausbeuterisch“ oder „dirigistisch“ ist. Polizisten und Staatsanwälte verzweifeln, weil ein solcher Tatbestand kaum zu beweisen ist. Als ausbeuterisch kann ein Zuhälter gelten, wenn er mehr als die Hälfte der Einnahmen an sich nimmt. Das ist aber selten zu belegen. Im Jahr 2000 wurden 151 Personen wegen Zuhälterei verurteilt, 2011 waren es nur noch 32.

Das Bundesfamilienministerium, das die Auswirkungen des Prostitutionsgesetzes untersucht hat, gelangt freilich zu anderen und deutlich differenzierteren Ergebnissen:

Die Anzahl der Ermittlungsverfahren auf der Grundlage der §§ 180 a I, 181 a II StGB hat sich seit Inkrafttreten des ProstG nach Einschätzung circa der Hälfte der befragten Strafverfolgungsbehörden, Polizei und Staatsanwaltschaft, verringert. Die andere Hälfte gab an, die Verfahrenszahlen seien bereits vor Inkrafttreten des ProstG gering gewesen. Die überwiegende Anzahl der befragten Vertreter und Vertreterinnen von Polizei und Staatsanwaltschaft sah dadurch für ihren Arbeitsbereich keine große Veränderung.

Die Strafverfolgung auf der Grundlage von §§ 180 a I StGB spiele seit Inkrafttreten des Prostitutionsgesetzes in der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Praxis keine Rolle mehr.

60 % (33) derer, die eine Einschätzung vorgenommen haben, sahen keinen Zusammenhang zwischen dem Prostitutionsgesetz und ihren rechtlichen Möglichkeiten bei der Strafverfolgung.

34,5 % (19) der Vertreter und Vertreterinnen von Staatsanwaltschaften sahen darin einen Erschwernisgrund für ihre Arbeit im Bereich der Strafverfolgung von Menschenhandel und Zuhälterei. Handlungen, die den Straftatbestand der Förderung erfüllten, wurden bereits vor Inkrafttreten des Prostitutionsgesetzes häufig als wenig strafwürdig angesehen. Die alte Fassung wurde als „realitätsfremd“ angesehen. Dort, wo die Strafverfolgung auf den Tatbestand der Förderung zurückgegriffen hat, wurde sein Nutzen in einer Art Vehikelfunktion1 gesehen. § 180 a I Nr.2 StGB a. F. leistete den Einstieg in Ermittlungen, legitimierte die Anordnung weiterführender Maßnahmen wie z. B. Durchsuchungen und bot letztlich die Möglichkeit für eine Verurteilung, wenn schwerwiegendere Delikte nicht nachweisbar waren. (…)

Die Entwicklung der Verfahrenszahlen sowie die Bewertung der strafrechtlichen Veränderung durch das Prostitutionsgesetz scheinen somit auch von der jeweiligen Arbeitsroutine und dem Erkennen von Handlungsalternativen in den einzelnen Regionen abzuhängen.

Letztlich wurde nur aus einer von 52 Staatsanwaltschaften und einer von 20 Polizeidienststellen die Forderung nach der Wiedereinführung des § 180 a I Nr. 2 StGB a. F. erhoben.

Ansonsten verneinten selbst diejenigen Vertreter und Vertreterinnen von Staatsanwaltschaften und Polizei, die vereinzelt den Wegfall der Förderung als Erschwernis ihrer Arbeit werteten, die Frage nach dem Wunsch der Wiedereinführung einhellig. Die Streichung des Tatbestandes sei ein Schritt in die richtige Richtung von verbesserten Arbeitsbedingungen für Prostituierte.

Was die oben zitierten Aussagen des SPIEGEL angeht, stellt sich zunächst die Frage, woher die Zahlen zu den Verurteilungen in den Jahren 2000 und 2011 stammen. Nachdem es keine bundesweite Statistik über strafrechtliche Verurteilungen gibt, können diese Angaben nur aus Umfragen bei Gerichten oder Staatsanwaltschaften stammen. Derartige Umfragen sind mit Vorsicht zu genießen, da sie in erheblichem Maße unvollständig sind.

Ergänzung vom 29.05.2013: Nachdem ich darauf hingewiesen wurde, dass es sich hierbei um die Zahlen des Statistischen Bundesamts handeln könnte, ist an dieser Stelle eine Ergänzung geboten. Meine vorherige Aussage war insoweit unzutreffend, als, dass es vom Statistischen Bundesamt zumindest seit 2007 eine bundesweite Statistik gibt. Die Daten des Bundesamtes weisen für das Jahr 2011 51 Verurteilungen wegen Zuhälterei aus und nicht wie vom SPIEGEL angegeben 32. Die Zahlen des SPIEGEL sind also offenbar nicht die des Bundesamtes. Wenn man sich jetzt aber z.B. die Zahlen des StBA für das Jahr 2003 – die nur das alte Bundesgebiet betreffen! – ansieht, also das zweite Jahr nach Inkraftrteten des Prostitutionsgesetzes, werden dort 144 Veururteilungen wegen Zuhälterei angegeben. Sollten die Zahlen des Spiegel – deren Herkunft mir nach wie vor unklar ist – stimmen, dann hat sich die Zahl der Verurteilungen wegen Zuhälterei durch Inkrafttreten des Prostitutionsgesetzes nicht signifikant verändert und ist erst in späteren Jahren zurückgegangen. Gerade bei derartig geringen absoluten Zahlen, stellt sich immer aber auch die Frage der Genauigkeit dieser Statisitik. Nach meinem Kenntnisstand waren die Zahlen, die die Strafgerichte an die statistischen Landesämter noch vor 10 Jahren oder früher geliefert haben, nicht unbedingt vollständig und exakt.

Die weitere Aussage des SPIEGEL, Polizei und Staatsanwaltschaften würden an der Neuregelung verzweifeln – was suggeriert, dass eine Rückkehr zum alten Recht gewünscht sei – ist definitiv unrichtig. Diese Haltung existiert mehrheitlich bei Polizei und Staatsanwaltschaften laut der Untersuchung des Ministeriums gerade nicht.

Auch die Aussage, Zuhälterei sei nur strafbar, wenn sie „ausbeuterisch“ oder „dirigistisch“ ist, was kaum nachweisbar sei, ist zumindest tendenziös.

Nach der geltenden gesetzlichen Regelung liegt Zuhälterei nur dann vor, wenn der Zuhälter eine Person, die der Prostitution nachgeht, ausbeutet oder diese Person wegen eines Vermögensvorteils bei der Ausübung der Prostitution überwacht, Ort, Zeit, Ausmaß oder andere Umstände der Prostitutionsausübung bestimmt oder Maßnahmen trifft, die sie davon abhalten sollen, die Prostitution aufzugeben und im Hinblick darauf Beziehungen zu ihr unterhält, die über den Einzelfall hinausgehen.

Insoweit mag es in Einzelfällen, wie sonst in Strafverfahren auch, Nachweisschwierigkeiten geben. Man muss aber auch hier die Frage stellen, was denn eigentlich Zuhälterei ist und wie der Gesetzgeber das definieren soll. Nach der alten Rechtslage war u.U. bereits die Schaffung einer angenehmen Atmosphäre ausreichend, womit potentiell jeder zum Zuhälter gemacht wurde, der irgendeine Aktivität im Dunstkreis einer Prostituierten entfaltet hat. Wenn sich die Zahl der Verurteilungen redziert haben sollte, sind möglicherweise nur die rechtspolitisch ohnehin fragwürdigen Verurteilungen weggefallen. Und das wäre dann sicherlich kein Rückschritt.

Der zentrale Kritikpunkt am Artikel des SPIEGEL ist aber ein anderer. Denn der Text befasst sich im wesentlichen gar nicht mit Zuhälterei, sondern mit dem, was man juristisch als Zwangsprostitution bezeichnet. Und an diesem Punkt ist die Darstellung des SPIEGEL geradezu grotesk falsch.

Was den Menschenhandel betrifft, so ist dieser natürlich strafbar. Das Strafgesetzbuch enthält in § 232 StGB sogar eine eigene Strafvorschrift zum sog. Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung. Der Strafrahmen dieser Vorschrift beträgt sechs Monate bis 10 Jahre. Diese Vorschrift wurde erst 2005 eingeführt und beinhaltet im Vergleich zu ihrer Vorgängerregelung des § 180b StGB (a.F.) eine deutliche Verschärfung, sowohl inhaltlich als auch hinsichtlich des Strafrahmens.

Da mit dieser Vorschrift gerade die sog. Zwangsprostitution – um die es im Artikel des SPIEGEL eigentlich geht – strafrechtlich erfasst wird, ist der gesamte Grundtenor des Spiegeltitels unrichtig. Eine seriöse Berichterstattung hätte vielmehr darauf hinweisen müssen, dass der Gesetzgeber die Regelungen zur Zwangsprostitution 2005 deutlich verschärft hat. Es kann also wahrlich keine Rede davon sein, dass der Staat Frauenhandel und Prostitution fördert. Das Gegenteil ist vielmehr richtig. Der Gesetzgeber hat die Regelungen zu Zwangsprostitution und Frauenhandel deutlich verschärft. Mit strafrechtlichen Grundkenntnissen und etwas Recherche hätte man das auch beim SPIEGEL herausfinden müssen. Es stellt sich deshalb die Frage, weshalb der SPIEGEL eine bekannte konservative, um nicht zu sagen reaktionäre, Position übernimmt und sodann mit einer falschen Darstellung der Fakten untermauert. Geht es hier nur um den reißerischen Aufmacher? Mit seriösem Journalismus hat das jedenfalls nichts zu tun. Das was der SPIEGEL hier anbietet, ist nichts anderes als Tendenzjournalismus in Reinkultur.

Lesenswert ist in diesem Zusammenhang auch ein Blogbeitrag der Sexarbeiterin Carmen, die in einem ergänzenden Artikel des aktuellen SPIEGEL porträtiert wird und zwar nach ihrer Aussage in einer Art und Weise, die mit dem interviewenden Journalisten nicht abgesprochen war.

posted by Stadler at 18:31  

30 Comments

  1. Auch lesenswert ist die Stellungnahme von Doña Carmen e.V.: http://www.donacarmen.de/?p=401

    Comment by Andreas Hahn — 28.05, 2013 @ 18:39

  2. Hallo Herr Stadler,

    wenn Sie Zuhälter kennen würden, wüssten Sie, dass der SPIEGEL richtig liegt. Gut gemeint ist eben nicht gut gemacht. Und die Annahme, dass Frauen „freiwillig“ dem Gewerbe nachgehen, ist irgendwie krank. Die WALMART-like-Großpuffs sind direkte Folge dieses Gutmenschentums.

    Comment by LF — 28.05, 2013 @ 20:57

  3. Hörenswert auch, von Holger Klein und mit der oben verlinkten Carmen: http://www.wrint.de/2013/04/24/wr172-prostitution/

    … worin auch die aktuellen und zukünftig befürchteten rechtlichen Schwierigkeiten ihren Raum bekommen. Vielleicht lässt sich beim Zuhören auch mein Vorkommentator überzeugen, dass Sexarbeiterinnen nicht per Beruf unterdrückte, hilfsbedürftige Mäuschen sind, über deren Sexualität doch bitte Sittenwächter bestimmen mögen. :)

    Comment by Johannes — 28.05, 2013 @ 21:15

  4. Danke für diesen exzellenten Artikel. Lesenswert ist auch der Beitrag von Sonja Dolinsek auf Menschenhandel Heute: „Journalismus auf Lücke“ http://wp.me/p1wtlK-qM

    Comment by Matthias Lehmann — 28.05, 2013 @ 22:05

  5. Es scheint, als ob Spiegel / Spiegel Online aktuell nicht nur in diesem Fall unseriös berichtet haben. So haben auch Autoren von Spiegel Online in aktuellen Berichten „unrichtig“ bzw. „verzerrend“ berichtet, offenkundig „nicht ein Mindestmaß an Recherche“ angestellt und falsche Berichte nicht umgehend korrigiert. Dies zeigen – um nur zwei Beispiele zu nennen – die folgenden Fälle:

    1. Ein frei erfundener Skandal zum Bonus-Programm der Bahn. Entlarvt von Prof. Härting:

    http://www.cr-online.de/blog/2013/03/18/skandalisierung-ohne-skandal-das-bonusprogramm-der-db-und-der-spiegel/

    2. In diskreditierenden Artikeln über einen Verstoß von Dorothee Bär gegen das AbgG gemutmaßt, obwohl man auch als juristischer Laie mit gesundem Menschenverstand erkennen muss, dass § 12 ArbG den Fall Bär nich erfasst. Hat der Spiegel korrigiert, wie Prof. Heckmann bei Twitter gefordert hat?

    „Zur journalistischen Ethik gehört auch, Rechtsbegriffe zu klären anstatt diese skandalfördernd auszulegen“.

    https://twitter.com/elawprof/status/328522072106082304

    Vor diesem Hintergrund bleibt nur die Frage, was eigentlich Wolfgang Büchner macht, der „zum nächstmöglichen“ Zeitpunkt Chefredakteur des SPIEGEL und von SPIEGEL ONLINE werden soll? Schaut er weiter zu? Wartet er ab? Veranlasst er eine Richtigstellung solcher Berichte und verhindert er solche unseriösen Berichte in der Zukunft? Daran werden wir ihn messen. Denn der schlimmste aller Fehler ist, sich keines solchen bewusst zu sein.

    Comment by Pressekritik — 28.05, 2013 @ 22:30

  6. Sehr geehrter Herr Kollege Stadler,

    ich kann mich Ihren Ausführungen nur anschließen. Es ist in jüngster Zeit eine Tendenz zu beobachten, daß Thema Prostitution nur noch unter dem Aspekt des Menschenhandels und der Zwangsprostitution zu verhandeln. Das Prostitutionsgesetz sollte die rechtliche Stellung von Sexarbeiterinnen und deren männlichen Kollegen verbessern; das ist auch aufgrund von handwerklichen Fehlern nur z.T. gelungen. Keinesfalls ging es aber bei dem Gesetz darum, bewusst oder unbewusst sog. Zuhältern verbesserte Wirkungsmöglichkeiten zu verschaffen. Das Prostitutionsgesetz hat die Sexarbeit nicht legalisiert, denn sie war auch voreher nicht, jedenfalls nicht per se illegal. Das Prostitutionsgesetz sollte, so der politische Wille der damaligen Rot-Grünen Bundesregierung, die scheinheilige Doppelmoral beenden und Sexarbeit vom Verdikt der Sittenwidrigkeit befreien. Die Rechtssprechung ist diesem Ansinnen teilweise mit ermutigenden Urteilen auch gefolgt; man denke an die Telefonsex-Rechtssprechung des BGH, die Rechtssprechung der Berliner Verwaltungsgerichte zu den Schließungen selbstbestimmt organisierter Wohnungsbordelle oder die aktuelle Entscheidung des VG Gelsenkirchen zur teilweise unwirksamen Sperrgebietverordnung der Stadt Dortmund. Die aktuelle Kampagne, an der sich bedauerlicherweise auch der Spiegel beteiligt versucht nun, daß Rad zurückzudrehen. Unter dem Deckmantel einer nur vorgeschobenen Schutzkonstruktion werden Sexarbeiter und Sexarbeiterinnen pauschal als Opfer stigmatisiert und wird ihnen die Fähigkeit selbstbestimmt über ihr Leben zu entscheiden abgesprochen. In Wahrheit geht es um mehr Kontrolle und mehr Überwachung. Mich als Rollstuhlfahrer erinnert diese Kampagne n den auch heute, wenn gleich nicht mehr ganz so intensiven Umgang mit behinderten Menschen. Auch uns wurde von wohlmeinenden nichtbehinderten Experten das Recht bzw. die Fähigkeit abgesprochen, selbst zu entscheiden was wir brauchen und was wir wollen.

    Ich schreibe diese Zeilen auch als jemand, der im Jahre 2004 eine Doktorarbeit zum Prostitutionsgesetz vorgelegt hat und der insbesondere in den 90ziger Jahren selbst intensiv sexuelle Dienst, und dabei bewusst in selbstbestimmten, nicht-ausbeuterischen Strukturen,in Anspruch genommen hat.

    Mit freundlichen kollegialen Grüßen

    Dr. Martin Theben

    Comment by DR. Martin Theben — 28.05, 2013 @ 22:35

  7. Man könnte vieles ergänzen. Da werden zum Beispiel unhinterfragt Polizeibeamte zitiert, man habe keine rechtliche Grundlage für Kontrollen, dabei hat jedes mir bekannte Polizeigesetz entsprechende Regelungen für Orte, an denen der Prostitution nachgegangen wird.

    Es werden auch viele Mißstände auf das ProstG geschoben, die man mit ein wenig Nachdenken klar dem EU-Beitritt von Rumänien und Bulgarien (in Kombination mit dem Einkommensgefälle zwischen Deutschland und diesen Ländern) zuordnen müsste.

    Comment by Michael Ebner — 28.05, 2013 @ 22:39

  8. Vielen Dank für die fundierte Richtigstellung!

    Und lieber „LF“, der schrieb, „Und die Annahme, dass Frauen “freiwillig” dem Gewerbe nachgehen, ist irgendwie krank.“:

    Dass unsereins in deiner Weltsicht nicht mal mehr nur „Die Exotische Ausnahme“ ist, als die uns der SPIEGEL darstellt, sondern gleich gar nicht exisitiert, ist irgendwie … absurd. :)

    Comment by Undine — 29.05, 2013 @ 00:14

  9. Hallo Herr Stadler,

    ich bin (zwar nur) Student (mit Schwerpunkt Strafrecht & Kriminologie), aber mir ist zumindest die Strafverfolgungsstatistik des Statistischen Bundesamts bekannt. Die PDF für das Jahr 2011 gibt es hier: https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Rechtspflege/StrafverfolgungVollzug/Strafverfolgung2100300117004.pdf?__blob=publicationFile

    Und da findet man dann auf Seite 31: 32 Verurteilungen nach § 181a StGB im Jahr 2011.

    Insofern ist das Datenmaterial nicht aus der Luft gegriffen und auch nicht nur aus einer bloßen Umfrage bei Gerichten entstanden.

    Zum Thema selbst kann ich mich nicht so fundiert äußeren. Dafür fehlt dann wohl die juristische Erfahrung. ;)

    Viele Grüße
    Jonny K.

    Comment by Jonny K. — 29.05, 2013 @ 00:28

  10. Tendenziös, reisserisch, boulevardhaft, übertrieben, alles Adjektive, die bisher eher auf die Bild Zeitung zutrafen. Der Spiegel ist schon lange dabei seinen Ruf, seriös zu sein, zu verspielen.Einfach nicht mehr lesen….. Noch schlimmer ist meiner Meinung nach, wie das ZDF dem Privatsender RTL hinterher hechelt.

    Comment by Dr.Klusenbreuker — 29.05, 2013 @ 02:09

  11. Feindbild Mann – um mehr geht es nicht im Medienfeminismus. Die Wirklichkeit ist unpopulär: Frauen beuten seit Jahrhunderttausenden sexuelle Interessen von Männern aus, in einem Ausmaß, dass sich körperliche Kräfte zurückentwickeln konnten. In der Zoologie ist das Verhalten als Sexualschmarotzertum beschrieben. Der Boulevard ist ein Segen für Damen, die keiner regulären Arbeit nachgehen, sondern ihr Geld lieber schnell verdienen. Skandinavische Sichtweisen setzen die Frau in den Mittelpunkt und übergeben die Rolle des Sündenbocks ausschließlich dem Mann. Aus Kuriositäten wie der „Zwangsprostituierten“ wird ein Massenphänomen gezaubert, bis das eigentliche Geschehen unkenntlich wird. Worüber niemand spricht, weil es wohl schon zu banal ist: Männer müssen für alles im Leben arbeiten oder werden verelenden – Frauen verschaffen sich jede gewünschte finanzielle Zuwendung mit Sexualität. Für die Außenwirkung werden dann männerfeindliche Rechtfertigungsszenarien entworfen, während man sich privat unverholen dem gehobenen Lebensstil hingibt. Auf entsprechende Schlagzeilen wird man vergeblich warten.

    Comment by Oliver Lyndsey — 29.05, 2013 @ 04:01

  12. Ich finde den Artikel gut. Allerdings gilt die Kritik an allen Medien, ich denke Artikel mit Wahrheitsgehalt sind wahrscheinlich nur Fachartikel. Darüber habe ich schon in der 10 Klasse einen Essay verfasst. Es geht darum gelesen/gehört/gesehen wird und man sollte schon ehrlich genug sein zuzugeben, dass es der Wunsch der Gesellschaft ist, sonst gebe es solche Artikel nicht.
    Allerdings bin ich schockiert, dass hier Frauen pauschal von einem Kommentator als schmarotzer, ausbeuter und das personifizierte Böse. Vor allem vor dem Hintergrund, dass sich auch Männer schon immer prostituiert haben, nur sind Frauen das schöne Geschlecht, da ist es spannender darüber zu schreiben. Alle Menschen können wie von Oliver Lyndsey beschrieben sein, unabhängig von allem.

    Comment by Schmana B. — 29.05, 2013 @ 09:30

  13. Interessant ist bei dem Thema Prostitution, dass seriöse Zeitungen ganz andere Schwerpunkte bei der Berichterstattung über Prostitution haben. Der britische Economist schreibt diese Woche über die Auswirkungen der Wirtschaftskrise:

    „Prostitution: Sex doesn’t sell
    An old industry is in deep recession“
    http://www.economist.com/news/britain/21578434-old-industry-deep-recession-sex-doesnt-sell?fsrc=scn/tw/te/tr/sexdoesntsell

    Der Markt wird betrachtet von teuren Escorts bis hin zu Straßenprostituierten. Die Anzahl der Mandate je Nacht sei auf die Hälfte gesunken und das einzelne Mandat steht unter heftigem Preisdruck: von den Kunden werden Preisnachlässe bis zu £20 gefordert.

    Interessanter Nebenaspekt: viele Frauen gingen aus ökonomischer Rationalität auf den Straßenstrich, da es rationaler ist für £20 je Mandat anzuschaffen als als Putzfrau zu arbeiten. Da ist ein interessanter Nebenaspekt, dass sich FDJ-Agitatorin Merkel sich mit Händen und Füßen weigert, wie in fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern einen Mindestlohn einzuführen, sondern breitflächige Ausbeutung von Arbeitnehmern fördert mit der Konsequenz der Zerstörung funktionierender Arbeitsmärkte.

    Da dem Spiegel aber nicht mehr an seriöser Aufklärung gelegen ist, sondern er meint sich politisch erzreaktionär einsetzen zu müssen und die fünfziger Jahre zurückschreiben will, habe ich konsequenterweise nach 30 Jahren mein Abo gekündigt. Solche blödsinnige Berichtserstattung möchte ich nicht finanzieren.

    Über die Artikel sollte man dennoch weiter diskutieren: erodierende Erlöse führen dann vielleicht dazu, dass wie bei der BILD der Mist hinter einer Paywall verschwinden und wir Ruhe vor solch schlechtem Journalismus haben.

    Comment by Wolfgang Ksoll — 29.05, 2013 @ 10:50

  14. Hinter der Paywall verschwinden allenfalls die Frauen. Deren verkümmerter Sexualtrieb zahlt sich evolutionär für sie aus und verknappt das Angebot. Anschließend können sie es den Männern teuer verkaufen.

    Das Anbieten von Prostitution sollte unter Strafe stehen.

    Comment by Oliver Lyndsey — 29.05, 2013 @ 11:28

  15. Es gibt also nur Zwangsprostituierte aus dem Ausland und der Rest ist freiwillig?
    Was ist denn mit der Drogenprostitution?
    Aus der fünfjährigen Zeit, in der ich mich um Schwerstabhängige kümmerte, kann ich versichern: so freiwillig ist die nicht und den höheren sozialen Rang hatten auch bei Abhängigen immer die Frauen, die ihr Geld anders, beispielsweise durch Dealen verdienten. Wobei übrigens auch Männer sich wg Drogen prostituieren.
    Auch dort kommt übrigens Frauenhandel vor: ich hab selbst mitbekommen, dass ein Frau, die frisch aus der Therapie kam, wieder angefixt und dann an ein Bordell verkauft wurde.
    Nochmal ein Kapitel ist der Straßenstrich, Unternehmen, die wohl nicht nur bei uns in Köln aufgeteilt sind zwischen Zuhälterbanden, wie solchen aus Bulgarien oder Hells Angels. Die von den Behörden nicht ungern gesehen werden, sorgen sie doch für ‚Ordnung‘. Aber auch dafür, dass freie Prostituierte in Wohngebiete abgedrängt werden, wo die Bürger sie verständlicherweise nicht dulden wollen; welche Frau ist schon begeistert, wenn sie in eindeutiger Absicht von Freiern angesprochen wird, vom intensiven Autoverkehr und überall herum liegenden Kondomen mal ganz abgesehen.
    Also bitte keine Schönfärberei. Die elegante Prostituierte in der Hotelbar wird kaum jemanden aufregen. Aber dazu gibt es noch eine Menge anderer Gewerbearten.

    Comment by Otla Pinnow — 29.05, 2013 @ 13:40

  16. Vielen Dank für Ihre Ausführungen!

    Herzlichst,

    Vanessa Eden

    Comment by Vanessa Eden — 29.05, 2013 @ 13:49

  17. @8 undine Es ist nicht bestreitbar, dass Zwangslagen von Frauen zur Erreichung sexueller Dienstleistungen ausgenutzt werden. Etwa, weil der Staat das verfassungsrechtlich garantierte Existenzminimum verweigert. http://www.infranken.de/regional/kitzingen/Wahrheit-prostitution-Wuerzburg-Unterfranken-Gericht-Vergewaltigung-Nutzen-Schaden-Seele-Lust-Trieb-Not-Geld-Sex-als-Zahlungsmittel;art218,92190 Hier wäre allerdings, nicht die Prostitution zu verbieten, die insoweit ein Symptom ist, sondern dafür zu sorgen, dass keine Zwangslage entsteht.

    Comment by ThorstenV — 29.05, 2013 @ 14:01

  18. @9 Jonny K. Ihnen gebührt ein indirekter Dank. Der zweite Teil des Beitrags von Herrn Stadler ist viel besser.

    Comment by ThorstenV — 29.05, 2013 @ 14:15

  19. Besonders lächerlich fand ich das folgende Zitat aus der Gegendarstellung des Spiegelautors:
    „Auf viele Leser muss der Eintrag so wirken, als ob ich die Wahrheit gebogen hätte, um an eine bessere Geschichte zu kommen.“
    Wie auch immer man die Situation (wer hat gelogen?) bewerten mag, offensichtlich glaubt dieser Journalist ernsthaft, es sei eine bessere Story, altbekannte Vorurteile zu wiederholen, anstatt im Detail auf eine wenige bekannte Sichtweise aus erster Hand einzugehen!
    Der Spiegel ist leider auch nicht mehr das, was er mal war… :(

    Besonders erschreckend finde ich aber viele Kommentare, die man zu diesem Thema liest:

    Keine Frau würde so etwas freiwillig machen? Ok, das ist noch relativ harmloser Blödsinn und es wohl auch nicht wert, darauf einzugehen…

    Die im Artikel portraitierte Frau lügt im Nachhinein, um Werbung für ihr Geschäft zu machen. – Dass Spiegel.de derart verleumderische Kommentare einfach stehen lässt, finde ich schon bedenklich, zumal allein die Tatsache, dass besagte Frau offenbar ein gewisses Maß an Anonymität wahren wollte, dies schon widerlegt.

    Richtig heftig wird es dann aber bei den diversen Varianten von „Prostitution ist Ausbeutung von Männern“!
    Scheinbar denken viele Männer, dass Prostituierte nichts tun, außer sich auf den Rücken zu legen und abzuwarten, bis der Kunde fertig ist und sie ihr Geld kriegen…
    Sich zurücklehnen und den Mann machen lassen mag vielleicht im normalen Leben oft funktionieren (wobei ich persönlich das auch nicht lange mitmachen würde), aber wenn jemand dafür bezahlt, sexuelle befriedigt zu werden, erwartet er mit Sicherheit deutlich besseren Service und wird diesen wohl auch von jeder Prostituierten, die ihren Job ernst nimmt, geboten kriegen.
    Diese Frauen kriegen doch nicht Unmengen an Geld dafür hinterhergeworfen, dass sie die Männer einfach nur „ranlassen“, sie werden für harte, körperliche Arbeit bezahlt!
    Denkt doch mal nach: Wer Sex hat, ist danach normalerweise recht erschöpft, zumindest, wenn es sich nicht nur um einen schnellen Quickie zwischendurch handelt. Stellt euch mal vor, wie fertig ihr wärt, wenn ihr das stundenlang am Stück machen würdet. Ich denke, von er Anstrengung her ist das durchaus mit der Arbeit auf einer Baustelle zu vergleichen, mit dem kleinen Unterschied, dass die Prostituierten sich ihre Erschöpfung nicht mal anmerken lassen dürfen und stattdessen immer äußerst erfreut wirken müssen…

    Kurz gesagt: Wenn man harte Arbeit als ehrbar definiert, muss man auch Prostitution als ehrbaren Beruf anerkennen!

    Comment by malvar — 29.05, 2013 @ 14:15

  20. @Jonny K.: Danke für den Hinweis. Habe mir die Statistik auch angesehen. Danach wurden 2011 51 Personen wegen Zuhälterei abgeurteilt (S. 30). Bin mir jetzt nicht sicher, ob die Zahl auf S. 31 dann die der Verurteilungen darstellt, mit der Folge, dass es 19 Freisprüche hätte geben müssen. Kann aber so sein.

    Comment by Stadler — 29.05, 2013 @ 14:35

  21. @ Oliver Lyndsey Das skandinavische Modell, das endlich den schon jahrzehntelang existierenden Vorschlag aufgreift, die Nachfrageseite statt das Angebot an Prostitution zu pönalisieren ist meines Wissens (wie zu erwarten war) sehr erfolgreich. Wenn man Prostitution über das Strafrecht ausrotten will, dann ist das der Weg. Ein besser funktionierendes Gehirn, das einem müheloses Geldverdienen erlaubt ist auch nur ein körperlicher Vorzug. Vielleicht sollte man ja erwägen, das Erteilen von Rechtsrat gegen Geld als Intelligenzprostitution unter Strafe zu stellen. http://www.sinfest.net/archive_page.php?comicID=4645

    Comment by ThorstenV — 29.05, 2013 @ 15:10

  22. Interessante Aufarbeitung eines schwierigen Themas.

    Comment by Kitschautorin — 29.05, 2013 @ 15:53

  23. Der Artikel des Spiegels ist so oberflächlich und reißerisch wie die Kommentare hier.
    Liebe Kommentatoren ist euch klar was Prostitution ist?
    Ich denke fast nicht.
    Unter Prostitution fällt nicht nur das Flatrateficken des Bodelles XY.
    – Massagen (Tantra)
    – Liebe, Zuneigung und streicheln für Behinderte
    usw.

    Am besten Prostitution verbieten und dann die arbeitslose Frau des unverheirateten Paares in Knast stecken, weil sie Taschen Geld von Ihrem Partner bekommen hat.

    Bin ich ein Zwangsarbeiter, weil ich nur des Geldes wegen, (z.b. am Fliesband) einer Arbeit nach gehe die mir keinen Spaß macht?

    Ihr seit doch krank!

    Comment by Troll — 29.05, 2013 @ 17:22

  24. Leserbriefe, Leserbriefe, Leserbriefe.

    Comment by Ein Mensch — 30.05, 2013 @ 18:14

  25. Es geht auch anders: http://www.taz.de/Sexarbeiterin-ueber-Zwangsprostitution/!117184/

    Comment by Ein Mensch — 2.06, 2013 @ 11:30

  26. Inhaltlich möchte ich aus meinem Gefühl heraus komplett zu stimmen. Aber mich überrascht der Spiegel schon lange nicht mehr, weil ich ihn in die Kategorie Yellow Press abgelegt habe und ihn komplett ignoriere, wie Bild und ähnlichen Hetz-(Propaganda)-blättern.

    Comment by Stefan Becker — 2.06, 2013 @ 14:07

  27. Mit Blick auf die nachweislich unrichtigen Berichte in Spiegel-Online wurde hier die Frage gestellt, was eigentlich Wolfgang Büchner macht, der – SEIT WOCHEN – “zum nächstmöglichen” Zeitpunkt Chefredakteur des SPIEGEL und von SPIEGEL ONLINE werden soll?

    Bemerkenswert ist ein heutiges Zitat, welches Herr Büchner bei Twitter macht:

    „The only person who likes change is a wet baby“

    https://twitter.com/wbuechner/status/341786872726552576

    Comment by Pressekritik — 4.06, 2013 @ 11:47

  28. Männer, die Sex kaufen, sind hässlich.

    Innerlich und äußerlich.

    Comment by Wolle — 5.06, 2013 @ 18:25

  29. Reaktion auf den Spiegel in englischer Sprache:

    Does legal prostitution really increase human trafficking in Germany?

    http://feministire.wordpress.com/2013/06/06/does-legal-prostitution-really-increase-human-trafficking-in-germany/

    Comment by Matthias Lehmann — 9.06, 2013 @ 00:00

  30. Lieber Herr Stadler,

    Ihre Ausführungen sind leider unzutreffend. Es geht nicht um die abstrakten Strafbarkeiten an sich, sondern darum, dass der für Zwangsmaßnahmen im Ermittlungsverfahren erforderliche (dringende) Tatverdacht nicht mehr vorliegt, wenn die Vorfeldstrafbarkeit abgeschafft wird. Darin liegt auch kein „Wegfall rechtspolitisch fragwürdiger Verurteilungen“.

    Bite setzen Sie sich mit Polizeipräsident Dr. Wilhelm Schmidbauer, Das Prostitutionsgesetz zwischen Anspruch und Wirklichkeit aus polizeilicher Sicht, NJW 2005, 871 auseinander, dann wird einiges klarer.

    Beste Grüße!

    Comment by stechlin — 30.06, 2013 @ 12:28

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