Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

26.4.13

BGH: Grundstückseigentümer kann kommerzielle Fotos seiner Gebäude verbieten

Der BGH hat seine Rechtsprechung bestätigt, wonach der Grundstückseigentümer auch dann allein über die kommerzielle
Verwertung der von seinem Grundstück aus angefertigten Fotografien seiner Bauwerke und Gartenanlagen entscheiden kann, wenn er den Zugang zum Grundstück zu privaten Zwecken gestattet hat (Urteil vom 1. März 2013, Az.: V ZR 14/1).

In der Entscheidung geht der BGH auch auf die Kritik ein, die in der Rechtswissenschaft an seiner vorangegangenen Entscheidung geübt worden ist. Der BGH versucht deutlich zu machen, dass das ungenehmigte Fotografieren eines Gebäudes eine Eigentumsverletzung darstellt und auch das Urheberrecht diese Eigentumsverletzung nicht rechtfertigt. Zum Zuweisungsgehalt des Grundstückseigentums gehört nach Auffassung des BGH auch das Recht des Grundstückseigentümers, darüber zu entscheiden, wer die wirtschaftlichen Vorteile ziehen darf, die das Betreten oder Benutzen des Grundstücks eröffnet.

In einer älteren Entscheidung hatte der BGH – allerdings der I.Senat – noch ausgeführt:

In rechtlicher Hinsicht ist davon auszugehen, daß der Fotografiervorgang als Realakt die Verfügungsbefugnis des Eigentümers unberührt läßt. Eines Rückgriffs auf § 59 UrhG, wie ihn das Berufungsgericht vorgenommen hat, bedarf es insoweit nicht. Es fehlt aber auch an einer tatsächlichen Einwirkung auf das Eigentum. Diese kann nach der Rechtsprechung zwar nicht nur durch eine Substanzverletzung, sondern auch durch eine sonstige die tatsächliche Herrschaftsmacht des Eigentümers treffende Einwirkung auf die Sache erfolgen (vgl. BGHZ 55, 153, 159; BGH, Urt. v. 21.6.1977 – VI ZR 58/76, NJW 1977, 2264, 2265). Es handelt sich dabei um Fälle, in denen der Eigentümer in der tatsächlichen Nutzung seiner Sache beeinträchtigt wird, indem deren Benutzung be- oder verhindert wird (vgl. auch BGHZ 63, 203, 206). Darum geht es beim Fotografieren eines Hauses von einer allgemein zugänglichen Stelle aus nicht. Der Fotografiervorgang hat keinerlei Auswirkungen auf die Nutzung der Sache selbst. Er hindert den Eigentümer nicht daran, mit der Sache nach Belieben zu verfahren und stört ihn auch nicht in seinem Besitz.

Auch wenn sich beide Entscheidungen dadurch unterscheiden, dass in dem einen Fall vom betroffenen Grundstück aus fotografiert wurde und in dem anderen Fall nicht, stellt sich doch die Frage, ob das wirklich das maßgebliche Differenzierungskriterium sein kann. Wenn der I. Senat ausführt, dass der Fotografiervorgang als Realakt die Verfügungsbefugnis des Eigentümers nicht beeinträchtigt, dann müsste das auch für den aktuellen Fall gelten. Die Verbreitung und öffentliche Wiedergabe einer einmal zulässig angefertigten Fotografie ist dann allerdings ein Vorgang, der unter den Voraussetzungen von § 59 UrhG zulässig ist. Die Frage der Eigentumsbeeinträchtigung stellt sich m.E. daher nicht wie vom V. Senat angenommen bei der Verwertung des Fotos, sondern (nur) bei der Anfertigung.

Der BGH setzt sich schließlich noch mit der Frage auseinander, ob sein Urteil der Fraport-Entscheidung des BVerfG, der MRK und EU-Recht widerspricht und verneint dies. Er stellt hierbei u.a. darauf ab, dass die kommerzielle Verwertung ja nicht untersagt, sondern nur von einem Entgelt abhängig gemacht wird und es darüber hinaus auch nicht darum ginge, die Öffentlichkeit zu informieren, sondern lediglich darum, Nutzungsrechte an den Fotografien zu veräußern.

posted by Stadler at 18:03  

15 Comments

  1. Ganz Ihrer Meinung (so auch mein Beitrag http://blog.delegibus.com/2011/05/12/verdinglichte-meinung/ von vor zwei Jahren).

    Der BGH schreibt in der jetzigen Entscheidung:

    Gestattet er das Betreten oder Benutzen seines Grundstücks nur unter bestimmten Bedingungen, ist jede Abweichung hiervon ein Eingriff in den Zuweisungsgehalt des Eigentums und damit eine Eigentumsbeeinträchtigung.

    Dazu ein gedankliches Experiment: Der Eigentümer lädt Gäste in sein Haus. Dabei verbietet er ihnen den Zugang in einen bestimmten Raum. Ein Gast hält sich nicht daran und betritt heimlich den Raum. In dem Raum erfährt er Geschäftsgeheimnisse. Er nutzt diese später geschäftlich aus. Nach der Argumentation des BGH hätte der Eigentümer gegen den Gast einen immobiliarrechtlichen Unterlassungsanspruch, dieses Wissen zu nutzen – unabhängig von dem Vorliegen der Voraussetzungen des Immaterialgüter- und Wettbewerbsrechts.

    Eine ziemlich gewagte Erfindung des BGH.

    Comment by O. García — 26.04, 2013 @ 18:29

  2. Schön wäre es, wenn hier mal die Datenkrake Google ins Spiel kommt. Bald läuft jeder mit einer Kamerabrille herum (die Idioten).

    Ist es also, abgesehen von der Gesetzeslage, überhaupt noch machbar, die Foto- und Filmflut in den Griff zu bekommen, geschweige denn, sie auf deren oben genannte Rechtmäßigkeit zu überprüfen?

    Nein, es wird in Kürze nichts mehr gerichtlich durchsetzbar sein, weil jeder alles filmt und einsetzt, wo immer es möglich ist.

    Der Gesetzgeber ist hilf- und machtlos.

    Weiß hier eigentlich irgendjemand, was da auf uns zukommt in ein paar Monaten??

    Comment by Wilms — 26.04, 2013 @ 18:30

  3. Macht Euch keine Gedanken über Häuser, sondern darüber, daß Ihr bald von jedem Hampel auf der Straße gefilmt werdet, online, die Bilder direkt ins Netz. Ohne Erlaubnis, ohne Fragen.

    Das ist der Horror, der von Google in Deutschland im Sommer in den Verkauf gebracht wird.

    Datenschutz? Das Recht am eigenen Bild? Informationelle Selbstbestimmung?

    Nix, ein Satz mit X.

    Comment by Wilms — 26.04, 2013 @ 18:43

  4. Sicher bald kommt dann die Facebook Brille mit Gesichtserkennung… und Like-Button.

    Was die Häuser angeht:
    Ich kann mir vorstellen, dass einer der sein Haus wunderschön hergerichtet hat, es nicht gern sieht, wenn andere daraus dann eine teuren Kalender oder ein Bildband machen, ohne dass der Urheber des schönen Hauses etwas davon ab bekommt.

    Comment by Frank — 26.04, 2013 @ 18:59

  5. @Frank

    Ich kann mir vorstellen, dass einer der sein Haus wunderschön hergerichtet hat, es nicht gern sieht, wenn andere daraus dann eine teuren Kalender oder ein Bildband machen, ohne dass der Urheber des schönen Hauses etwas davon ab bekommt.

    Sogar der Architekt muß sich mit der Vermarktung von Fotografien im Normalfall abfinden, und damit, daß er nicht beteiligt wird. Das hat der Gesetzgeber entschieden (Panoramafreiheit, § 59 UrhG).

    Comment by O. García — 26.04, 2013 @ 19:09

  6. Ich denke eher, es wird einen Bürgerkrieg geben.

    Brillenträger werden totgeschlagen von Bürger- und Rechtsschutzwehren.

    Danke, Google.

    Comment by Wilms — 26.04, 2013 @ 19:12

  7. Der BGH verdrängt m.E. neben einer sachgerechten Berücksichtigung der BVerfG-Fraport-Entscheidung vom 22. Februar 2011 – 1 BvR 699/06 – zur Grundrechtsbindung öffentlicher Unternehmen u.a. auch die Benetton-Entscheidung vom 11. März 2003 – 1 BvR 426/02 – mit den darin enthaltenen Bewertungen zur Meinungsfreiheit auch im gewerblichen Kontext.

    Comment by Ralf Petring — 26.04, 2013 @ 19:13

  8. Wie schön.

    Comment by Wilms — 26.04, 2013 @ 19:16

  9. es kann tatsächlich sein, dass der „kleine Unterschied“, ob von „öffentlich zugänglicher Stelle“ aus photographiert wird oder nicht einen Unterschied ausmacht.

    Zum ersten ist der Photograph dann näher am Objekt, kann also (einfacher) Details ablichten. Zum zweiten gibt es (insbesondere bei Häusern mit Hecken oder in Parkanlagen) Stellen, die von der (öffentlichen) Straße aus nicht einsehbar und damit auch nicht ablichtbar sind. Manchmal sind das aber die schönsten Ecken, die durch die Verbreitung von „privatem Genuss“ in die Öffentlichkeit gezerrt werden.

    Da die Prüfung, ob einer dieser Punkte (es mögen weitere existieren) vorliegt wohl komplex und insbesondere mit einem potentiellen Eingriff in den Privatbereich des Klägers (Anwälte, Richter, etc stapfen durch den Garten und suchen, ob die Stelle wirkklich nur so ablichtbar war) ist es wohl einfacher, exakt diese Unterscheidung zu treffen.

    Davon abgesehen tut man sowas auch nicht, aber das ist eine Frage des Anstands – und über den sollten Gerichte nicht urteilen (müssen).

    Comment by Engywuck — 27.04, 2013 @ 23:26

  10. Wie kommen diese Fälle eigentlich zum 5. Senat? Eigentlich würde das doch zum 1. gehören?

    Comment by Marc B. — 29.04, 2013 @ 16:51

  11. § 59 UrhG betrifft nur urheberrechtlich geschützte Werke, doch hat der Bundesgerichtshof in der Entscheidung Friesenhaus klargestellt, dass es kein Recht am Bild der eigenen Sache gibt, das über die Befugnisse des Eigentümers hinausgeht, anderen den Zugang zu ihr zu verwehren.

    Comment by Thaddeus Parks — 30.04, 2013 @ 22:54

  12. Zu der kommerziellen Verwertung ist anzumerken, dass es bei den Schlossfoto-Fällen der zwar nur darum ging, der BGH aber lt. Begründung in BGH V ZR 46/10 Rn. 17 schon in der Herstellung der Fotos eine Beeinträchtigung des Eigentums erkennen lässt, die „durch die ebenfalls ungenehmigte Verwertung der ungenehmigten Abbilder vertieft“ wird. Das wird in Diskussionen oft übersehen (vgl.a. http://www.schmunzelkunst.de/sachfoto.htm und die Kurzfassung unter http://de.wikipedia.org/wiki/Diskussion:Recht_am_Bild_der_eigenen_Sache#Hausrecht_vs._Eigentumsrecht )
    MfG
    Johannes

    Comment by Schmunzelkunst — 1.05, 2013 @ 18:30

  13. Wenn jeder Hampel in Zukunft jeden filmt ohne dessen wissen, die Dinge online gehen ohne Erlaubnis, wenn bereits Kameras als „Tagebuchaufzeichnung“ im Angebot sind, die Knopfgröße haben und jede halbe Stunde automatisch ein Foto schießen, dann frage ich mich, wie deutsche Gerichte mit der Klageflut fertigwerden sollen.

    Es ist nicht machbar. Es wird ein Horror.

    Da geht nichts mehr mit „ich klage dagegen“.

    Gegen wen auch, wenn man es nicht mal mehr mitbekommt, gefilmt zu werden und auch nicht weiß, wo die Bilder landen.

    Überwachungsstaat? Das besorgen die Dummdödel auf der Straße schon selber. Und Dumme hat Deutschland zu genüge im Angebot.

    Comment by Wilms — 2.05, 2013 @ 20:24

  14. Die Konsequenz aus dem Urteil wäre, dass man zwar eine Demonstration gegen das Verbot, bzw. nur gegen Bezahlung, von professionellen Fotografien auf einem Gelände der staatlichen Stiftung durchführen könnte, aber über diese Demonstration wiederum nicht frei berichten darf.

    Es stellt sich zudem die Frage, ob der Staat als Eigentümer auch das professionelle Fotografieren auf und in Straßen, Plätzen, Gewässern und Wäldern nur noch gegen Zahlung einer Gebühr zulassen wird.

    Comment by Achim Duwentäster — 6.05, 2013 @ 08:53

  15. § 59 UrhG betrifft nur urheberrechtlich geschützte Werke, doch hat der Bundesgerichtshof in der Entscheidung Friesenhaus klargestellt, dass es kein Recht am Bild der eigenen Sache gibt, das über die Befugnisse des Eigentümers hinausgeht, anderen den Zugang zu ihr zu verwehren.

    Comment by Jesse U. Phillips — 6.05, 2013 @ 13:59

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