Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

3.4.13

BGH: Providerauskunft beim Filesharing setzt keine Rechtsverletzung in gewerblichem Ausmaß voraus

Der BGH hat in einer neuen Entscheidung (Beschluss vom 5. Dezember 2012, Az.: I ZB 48/12), die heute veröffentlicht wurde, seine Rechtsprechung bestätigt, nach der in Fällen des Filesharing der Provider auch dann Auskunft über den Anschlussinhaber erteilen muss, wenn keine Rechtsverletzung in gewerblichem Ausmaß vorliegt. Diese Rechtsprechung steht jedenfalls nicht in Einklang mit der Gesetzesbegründung, weshalb sie zu einer kontroversen Diskussion geführt hat.

Der BGH sieht den Umstand, dass auch bei äußerst geringfügigen Rechtsverletzungen auf Verkehrsdaten zugegriffen und damit in das Fernmeldegeheimnis eingegriffen wird, weiterhin nicht als problematisch an. Formelhaft begründet der BGH das wie folgt:

Ein solcher Antrag ist vielmehr unter Abwägung der betroffenen Rechte des Rechtsinhabers, des Auskunftspflichtigen und der Nutzer sowie unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit in aller Regel ohne weiteres begründet (vgl. BGH, GRUR 2012, 1026 Rn. 40 bis 52 – Alles kann besser werden).

Das bedeutet im Ergebnis, dass der BGH in diesen Fällen von vornherein keine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchführt, was den verfassungsrechtlichen Anforderungen schwerlich genügt.

Der BGH hat in dieser neuen Entscheidung – entgegen der Rechtsprechung des OLG Köln – zudem ausgeführt, dass die Beschwerdefrist von zwei Wochen (§ 63 Abs. 3 FamFG) nicht für Beschwerden von Anschlussinhabern gegen die Gestattung der Auskunftserteilung nach § 101 Abs. 9 Satz 1 UrhG gilt. Der betroffene Anschlussinhaber ist nämlich kein am ursprünglichen Verfahren Beteiligter. Die Beschwerdefrist gilt auch deshalb nicht für die in ihren Rechten betroffenen Anschlussinhaber, weil sonst deren Anspruch auf rechtliches Gehör, ein faires Verfahren und die Gewährleistung von effektivem Rechtsschutz verletzt würde.

Davon haben die Anschlussinhaber aber nicht viel, da es kaum mehr Argumente gibt, gegen einen solchen Beschluss inhaltlich vorzugehen.

posted by Stadler at 09:44  

13 Comments

  1. Der Wortlaut des BGH liegt hier wohl ,, in fiktiven Hausrecht des Senates begründet in offener Dissens gem. ZPO § 138 in Verbindung mit § 139 ZPO .
    Der Grundsatz der Waffengleichheit, der Anspruch auf rechtliches Gehör sowie das Recht auf Gewährleistung eines fairen Prozesses und eines wirkungsvollen Rechtsschutzes erfordern, dass einer Partei, die für ein Vieraugengespräch – anders als die Gegenpartei – keinen Zeugen hat, Gelegenheit gegeben wird, ihre Darstellung des Gesprächs in den Prozess persönlich einzubringen.
    Aber es kommt wohl immer auf die Lobby und den Blickwinkel der Betrachter an , wobei diese Entscheidung für mich derer vom Leiharbeiter gleichkommt , bezahlt in der Schlechterfüllung von Steuerzahler .

    Comment by huthnorbert — 3.04, 2013 @ 10:07

  2. Das ist bereits jetzt schon die 3. Entscheidung zum
    Auskunftsanspruch beim BGH. Es gab noch eine weitere,
    erst einen Monat zuvor, die war vom 25. Oktober 2012:

    Az: I ZB 13/12: => http://goo.gl/CvoEs

    Man beachte, wer der Kläger war und Recht bekommen hat:
    Die „Zuxxez Entertainment AG“, ermittelt von Logistep.

    Ich finde sowas äusserst beschämend.
    Mir fehlen da echt die Worte zu ..

    Comment by sascha — 3.04, 2013 @ 13:25

  3. Die Entscheidung ist ein wichtiger Baustein für mehr Rechtsicherheit.

    Der Anspruch auf Auskunft gegenüber einem kommerziellen Provider ergibt sich bereits aus dem Gesetzestext. Hier haben die Kölner Gerichte den Text anders gelesen, so dass sie andere verwirrende Kriterien für die Auskunftserteilung erfunden haben.

    Es mag sein, dass in der Gesetzesbegründung eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorgesehen war. In einem Gnutella-Netzwerk bei Offenlegung der geteilten Dateien/Werke war sie leicht machbar, aber in anderen P2P-Netzwerken nur durch eine massive Konsolidierung von Daten aus mehreren Teilen des Netzwerks, wie sie z.B. hier [http://hal.inria.fr/inria-00470324/en/] konzipiert, aber m.W. in Deutschland nie praktiziert wurde. Gegen eine solche Lösung mit einer weitgehenden Untersuchung des Nutzerverhaltens in einem P2P-Netzwerk gäbe es wohl verfassungsrechtliche Bedenken, aber nicht gegen eine Auskunftserteilung im Einzelfall. Daher sehe ich keine Chancen für eine Beschwerde über § 101 UrhG an das BVerfG.

    Nein, die Auskunftserteilung im Einzelfall erlaubt nicht eine Art Profiling des Nutzers und ist kein verwerflicher Teil des Systems Filesharing-Abmahnung – außer wenn sie missbraucht wird von dubiosen Rechtinhabern. Um dieses System aus der Welt zu schaffen, bedarf es die Ansetzung von Hebeln an anderen Stellen.

    Comment by Dreizack — 3.04, 2013 @ 18:55

  4. @Dreizack:

    Ich halte eine Verfassungbeschwerde für sehr aussichtsreich (in Kenntnis des Umstands, daß Verfassungsbeschwerden „in der Regel“ erfolglos sind). Es geht dabei – entgegen dem, was Sie schreiben- nicht darum, daß der Verfassungsverstoß in § 101 UrhG (in der Auslegung durch den BGH) läge, sondern daß die Auslegung durch den BGH selbst ein Verfassungsverstoß ist, nämlich ein Verstoß gegen Art. 20 Abs. 3 GG (Gesetzesbindung, Verbot einer Gesetzesanwendung contra legem).

    Einzelheiten: http://blog.delegibus.com/2012/08/12/in-sachen-bundesgerichtshof-parlamentarische-demokratie/

    Die Rechtsanwendungsmethodik als solche ist durchaus eine Verfassungsfrage und das BVerfG hat in letzer Zeit des öfteren Entscheidungen des I. Zivilsenats des BGH wegen Grenzüberschreitungen aufgehoben, die nicht _im Ergebnis_, sondern _im Weg_ verfassungswidrig waren (Nichtvorlage an den EuGH).

    Zur Klarstellung: Die BGH-Lösung mag für mehr Rechtsicherheit stehen als die Lösung des OLG Köln. Aber primär ist für die Herstellung von Rechtssicherheit der Gesetzgeber zuständig, nicht der Richter, der meint, er wüßte es besser (O-Ton BGH: „das Internet darf keinen rechtsfreien Raum bilden.“).

    Comment by O. García — 3.04, 2013 @ 20:12

  5. __________
    Diese Entscheidung ist kein wichtiger Baustein für mehr Rechtssicherheit, sondern das ist allerhöchstens ein wichtiger Baustein dafür, um die Abmahnindustrie auch noch weiterhin und sogar noch ins uferlose hin ausbauen zu können. Mehr ist das nämlich nicht. Denn für mehr Rechtssicherheit hätte der BGH auch so sorgen können, aber ohne gleichzeitig damit fragwürdige Praktiken auch noch zu fördern.
    __________

    Aber nochmal ein Nachtrag zu meinem vorherigen Kommentar (2 Kommentare hier drüber):

    Ich meine, generell ist es ja so, dass jeder, der sich das Abmahnwesen hier in Deutschland mal so ne Zeitlang anschaut, schon nach kurzer Zeit feststellen müsste, dass es hier nicht wirklich um den Schutz von irgendwelchen Urheberrechten geht, sondern es vielmehr bei den Massenabmahnungen um ein Geschäftsmodell zur alleinigen Gewinnerzielung geht.

    Aber wenn wir jetzt nochmal auf diesen beiden Firmen aus meinen vorherigen Kommentar zurückkommen, dann muss man sich mal vorstellen: Genau das haben in den vergangenen Jahren schon Gerichte diesen beiden Unternehmen in diesem Zusammenhang rechtskräftig attestiert gehabt:

    Das es nämlich bei den Abmahnungen, die zuvor über die Logistep im Auftrag der Zuxxez-Firma ermittelt worden sind, nicht wirklich um den Urheberrechtsschutz geht, sondern sie den „alleinigen Zweck“ der Gebührenschinderei dienen, die hierbei betrieben wird. Wie man hier noch auf Heise nachlesen kann:

    => http://goo.gl/j6PKM

    Jetzt muss man sich vorstellen: Obwohl diese Umstände ja jetzt schon seit einigen Jahren bekannt waren, und auch schon die Firma Logistep in mehreren BGH-Urteilen bereits auftauchte, tut der BGH jetzt auch noch so, so als wüsste er von all diesen Umständen angeblich nichts, und er hat sie wohl auch selber noch nicht erkannt und weiss auch anscheinend noch nicht mal, mit welchen Firmen er es hier eigentlich zu hat, obwohl schon allseits seit längeren bekannt, und gibt denen dann auch noch Recht, wie man ja in dem verlinkten Urteil aus meinem vorherigen Kommentar dran sehen konnte.

    Und da frag ich mich ernsthaft: Das alles soll, ohne das es dem BGH bewusst gewesen sein soll, wem er hier genau Recht gibt und welche Praktiken er mit solchen Entscheidungen auch noch gezielt fördert, dass alles soll ohne das es ihm bewusst war, geschehen sein ? Wer bitteschön, frag ich mich da, wer soll das denn jetzt noch glauben .. Also ich zumindest gehöre nicht mehr mit dazu, ich halte sowas schon für mittlerweile so gut wie ausgeschlossen.

    Comment by sascha — 3.04, 2013 @ 21:43

  6. Ich finde es irgendwie lustig, wie gut die Titel der Lieder zu den Urteilen passen…
    „Alles kann besser werden“, „Sommer unseres Lebens“…

    Comment by Christian Krause — 4.04, 2013 @ 16:07

  7. Sind doch alles Juristen, und da hackt eine Kraehe der anderen kein Auge aus, denn die lieben Kollegen, die wegen der schlechteren Examensnoten keine Richter wurden, muessen ja auch irgendwie leben. Abmahnerei ist lohnend, besonders wenn man es mit perlkram und latex automatisiert.
    Es hilft nur auswandern, oder zumindest ein vpn zu einem auslaendischen server zu haben, der den traffic tunnelt.
    Island war ein guter Kandidat fuer sowas, aber da wird gerade die Verfassung vom establishment gekippt, schlechtes zeichen.
    Gesucht wird „ein sicheres drittland als asyl fuer unseren traffic“
    Was waren das fuer Zeiten, als Windoof kein TCPIP konnte und Anwaelte nicht wussten, dass es Internet gibt …

    Comment by igor — 5.04, 2013 @ 00:36

  8. Fernmeldegeheimnis – was ist das noch Wert, wenn ein „möglicher“ Upload, anhand eines Hashes ermittelt, Bürgerrechte aushebelt?

    Merkt überhaupt noch jemand, wie verraten und verkauft der Bürger ist? Alles zum Wohle derer die ohnehin genug Kohle haben.

    Das muss ja ein erhabenes Gefühl sein, alle Menschen so überwachen zu dürfen. Man muss nur eine endliche Anzahl von Urheberrechtlich geschützten Dateien besitzen, um eine unendliche Anzahl von Anschlüssen zu überwachen.

    Zur NOT komponiere ich mir dann eben eines …!

    Mit uneingeschränkten Grüßen,
    yt

    Comment by yt — 5.04, 2013 @ 08:56

  9. Ich verstehe nicht ganz (vom skandalösen Urteil mal abgesehen), wurde nicht gerade ein Gesetz zur Einschränkung des Abmahnwahns erlassen oder vorgeschlagen? Sind damit nicht die finanziellen Anreize so tief aufgehängt, dass diese fabulösen Krähen sich jetzt andere Betätigungsfelder suchen müssen? Hat nicht vor kurzem Moses Pe. seine Abmahnbude als bankrott erklären müssen? Mir geht die Thematik „filesharing“ zwar generell am B. vorbei weil ich die Anbieter und nicht den einzelnen Nutzer als Verursacher sehe, aber was ist an diesem urteil so aufregend?

    Comment by Dr.Klusenbreuker — 5.04, 2013 @ 11:28

  10. Ich frage mich in der Debatte immer warum ich für das Kopieren von Musik und Papierdinge auf alle PC Teile Gebühren zahle.

    Ist diese Gebühr nicht eigentlich ein Freibrief für das Kopieren?
    Entweder ist das kopieren illegal, oder diese Gebühren, beides zusammen passt ja nicht, oder?

    Comment by Troll — 5.04, 2013 @ 12:13

  11. Das BGH-Urteil finde ich nach lesen des Gesetzestexts korrekt.

    Das Gesetz an sich (!) ist das Problem, es ist doch offensichtlich, dass es eine leicht versteckte Hintertür hat:

    Bastelt man § 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UrhG zusammen entsteht (verkürzt): „…Anspruch auch gegen eine Person, die in gewerblichem Ausmaß für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistung erbrachte“. Formulieren wir das um: Provider sind hier die Personen, die in gewerblichem Ausmaß Dienstleistungen erbringen, auch für Bürger, die mögliche Rechtsverletzungen über ihren Anschluss begehen.
    Also heißt das dann: „Anspruch gegenüber dem Provider, wenn einer seiner Kunden über den Anschluss das Urheberrecht verletzt hat“.

    Überall sonst im Gesetzestext steht immer „wer in gewerblichem Ausmaß das Urheberrecht verletzt“, aber bei der einen Stelle im Text ist es eben verlagert, da ist der „Geist des Gesetzes“ plötzlich ein ganz anderer, weil das gewerbliche Ausmaß nicht mehr beim Rechtsverletzer sondern nur beim Dienstleister bestehen muss.

    Ich denke das wurde mit Absicht so formuliert. Weil es oberflächlich harmlos aussieht, aber versteckt genau die Waffen bereitstellt, die die Industrie gefordert hat.

    Comment by dh — 5.04, 2013 @ 12:54

  12. wen wunderts noch? es gibt in dummland kein recht, ist in einer fremdbestimmten gebietskörperschaft zu gunsten des in diesem fall nicht souveräns ja auch gar nicht gewollt bzw egal!

    nichts gegen sie hr stadler, aber es stecken alle unter einer decke: wessen brot ich es, dessen lied ich sing!
    und alle sind dran beteiligt, ob gerichte, richter, staatsanwälte, anwälte, helfer etc.
    und solange das hirngewaschene volk noch zur wahl geht und mit mehr als 50% beteiligung, die spielemacher LEGITMIERT, nicht wählt (nicht möglich in einer gebietskörperschaft!!!), wird sich niemals auch nur irgendwas zu unseren gunsten ändern, da wir nicht das ursprüngliche souverän sind, auf den ein STAAT fusst!

    jeder depp sollte inzwischen kapiert haben, dass etliche geschäftsmodelle mehr als überholt sind, aber die gier der ausbeuter, gepaart mit der mächtigen lobby und der volksveräterischen politik marionetten, versucht es mit allen mitteln am leben zu halten!

    Comment by dummmichel — 6.04, 2013 @ 22:54

  13. Ich halte die ganze Diskussion für überflüssig. Ein Hashwert enthält keine Beweiskraft.

    Man muss sich doch nur mal SigG/SigV ansehen. Dort wird geklärt unter welchen Umständen Hashwerte Beweiskraft erlangen können. Desweiteren muss der Algorithmenkatalog der BNetzA eingehalten werden. Also kein MD5 oder SHA1 … diese wurden schon vor Jahren abgekündigt, weil Hashkollisionen leicht erzeugbar sind.

    Mir ist kein System bekannt, dass Beweiskräftig den Traffic analysiert. Anforderungen wären ein aktueller Hashalogirthmus SHA-256+, eine digitale qualifizierte Signatur über diesen Hashwert sowie eine eventuelle Übersignatur, falls die Beweiskraft des Hashwertes die Zeit nicht überdauert (Algorithmenkatalog der BNetzA).

    Selbst dann scheint es mir durchaus kompliziert die Herkunft zu beweisen. Abmahnungen enthalten meist nur die damals verwendete IP, einen Hashwert und einen Dateinamen.

    Wo ist bitte der Bezug? Einen Dateinamen kann ich selbst generieren, einen Hashwert über eine Datei ebendso. Was bitte soll das Beweisen?

    Dann such ich mir den IP Adressbereich eines Providers raus…geh zu Gericht und fordere die Freigabe der Adressdaten zu einem von mir durch Zufall generierten Adressbereich des Providers.

    Voila kann ich unbegründet eine Masse von Abmahungen verschicken.

    Comment by SHA — 7.04, 2013 @ 10:28

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