Heino, die Coverversionen und das Urheberrecht
Im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Heinos neuem Album, das Coverversionen bekannter deutscher Popsongs enthält, habe ich immer wieder gelesen, dass die Urheber nichts gegen derartige Coverversionen unternehmen könnten, weil das deutsche Urheberrecht Coverversionen ohne Zustimmung des Urhebers erlauben würde. In der SZ schreibt Helmut Mauró dazu beispielsweise:
Und wer hat das ermöglicht? Das deutsche Urheberrecht, das Plagiate erlaubt, wenn sie unverfälscht und gebührenpflichtig produziert werden.
Diese Aussage ist in dieser Form allerdings unzutreffend. Nach dem Urheberrecht ist für jede Nutzung eines Werks der Musik die Einwilligung des Urhebers erforderlich. Hier kommt aber als Besonderheit hinzu, dass alle Komponisten und Texter der von Heino gecoverten Songs GEMA-Mitglieder sind und mit der GEMA einen sog. Berechtigungsvertrag abgeschlossen haben, in dem sie der GEMA u.a. folgende Rechte einräumen:
Die Rechte der Aufnahme auf Ton-, Bildton-, Multimedia- und andere Datenträger einschließlich z. B. Speichercard, DataPlay Disc, DVD (Digital Versatile Disc), Twin Disc, Ton- und Bildtonträger mit ROM-part und entsprechende Träger mit Datenlink, sowie die Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechte an diesen Trägern.
Das Recht, Werke der Tonkunst (mit oder ohne Text) in Datenbanken, Dokumentationssysteme oder in Speicher ähnlicher Art einzubringen.
Das Recht, Werke der Tonkunst (mit oder ohne Text), die in Datenbanken, Dokumentationssysteme oder in Speicher ähnlicher Art eingebracht sind, elektronisch oder in ähnlicher Weise zu übermitteln, einschließlich z. B. für mobile Internetnutzung und für Musiktauschsysteme.
Das bedeutet, dass Künstler wie die Ärtzte, Peter Fox, Nena oder Jan Delay ihre Rechte auf die GEMA zur Wahrnehmung übertragen haben und die GEMA bei Coversionen deshalb unmittelbar die Rechte einräumt, ohne, dass der eigentliche Urheber noch vertraglich beteiligt werden müsste. Anders wäre es nur dann, wenn man das Cover als Bearbeitung im Sinne von § 23 UrhG begreift – was aber nur bei einer erheblichen Veränderung des Originalwerks angenommen wird – weil die GEMA das Bearbeitungsrecht nicht einräumen kann.
Der Grund dafür, dass Coverversionen in den meisten Fällen ohne Zustimmung des Urhebers möglich sind, ist also keinewswegs eine unmittelbare Folge des deutschen Urheberrechts, sondern liegt vielmehr daran, dass die Urheber die Wahrnehmung ihrer Rechte vertraglich auf die GEMA übertragen und damit aus der Hand gegeben haben.
Jein.
Der GEMA-Berechtigungsvertrag ist insoweit Konsequenz aus § 11 UrhWahrnG, der die GEMA verpflichtet, „auf Grund der von ihr wahrgenommenen Rechte jedermann auf Verlangen zu angemessenen Bedingungen Nutzungsrechte einzuräumen.“
Siehe auch meine Glosse auf TELEPOLIS (die nicht von jedem Forenteinehmer als solche identifiziert wurde …!) http://www.heise.de/tp/blogs/6/153609
Comment by Markus Kompa — 1.02, 2013 @ 11:45
@Markus Kompa: Das habe ich ja nicht bestritten. Es muss aber grundsätzlich ja niemand Mitglied der GEMA werden. Die Folge der Mitgliedschaft ist einfach, dass man gewisse Rechte aus der Hand gibt.
Comment by Stadler — 1.02, 2013 @ 12:43
Ein »unverfälschtes Plagiat«. Ein schönes Oxymoron, das Herr Mauró da geschaffen hat.
Comment by SC — 1.02, 2013 @ 14:19
Sonst noch was Neues? Die „Rocker“ höchstselbst lieben unseren Heino.
Der Typ hat jedenfalls eines drauf: Werbung! Er war in einer Woche mehr auf allen Sendern, als die „Urheber“ in den letzten zehn Jahren.
Man sollte alte Knacker nicht unterschätzen.
Comment by Rudolf — 1.02, 2013 @ 15:33
@2 „Die Folge der Mitgliedschaft ist einfach, dass man gewisse Rechte aus der Hand gibt.“
Es mag für den vorliegenden Fall nicht wichtig sein, wenn die Kunstschaffner ohnehin Mitglied sind, aber aufgrund der GEMA-Vermutung gilt ja bereits, dass die Rechte schon aus der Hand gegeben werden, wenn man noch überhaupt nichts von seinem Glück weiß, von der GEMA vertreten zu werden. Das Abtreten der Rechte ist bereits eine Folge des Nichtantritts des Beweises der Nichtmitgliedschaft (also a fortiori der Mitgliedschaft).
Ich habe große Zweifel, ob das kulturfördernd ist, wenn andererseits gerade die parodistische Auseinandersetzung mit allerlei Kulturgut oder -schlecht problemlos rechtliche unterbunden werden kann http://de.wikipedia.org/wiki/Norbert_H%C3%A4hnel I’ll Sue Ya http://de.wikipedia.org/wiki/Straight_Outta_Lynwood
Comment by ThorstenV — 1.02, 2013 @ 23:56
Oh, die GEMA ist „schuld“. Dann ist das ja mal was positives zur GEMA.
Comment by Mirco — 2.02, 2013 @ 12:15
@Markus Kompa (#1):
@Thomas Stadler (#2):
Ich persönlich finde, ihr seid da ein bißchen ungenau. „Gewisse Rechte“ aus der Hand geben… was heißt das denn genau?
Denn: Wir reden in dem hier vorliegenden Fall in erster Linie über das Urheberrecht (UrhG Teil 1) und weniger über verwandte Schutzrechte (UrhG Teil 2, § 70 UrhG ff.).
Das Urheberrecht ist bekanntlich nicht übertragbar, allenfalls vererbbar. Siehe § 29 UrhG. Zulässig sind bekanntlich die Einräumung von Nutzungsrechten (Vgl. § 29 UrhG, Abs. 2) und ab dann sollte man m.E. etwas genauer hingucken. Gemäß § 15 UrhG hat der Urheber sowohl „das ausschließliche Recht, sein Werk in körperlicher Form zu verwerten“ als auch „das ausschließliche Recht, sein Werk in unkörperlicher Form öffentlich wiederzugeben„.
Damit zu den Nutzungsrechten, die der Urheber gemäß § 31 UrhG einräumen kann.
Das heisst doch für diesen Fall, daß die besagten Urheber („Ärzte“, „Rammstein“… etc.) der GEMA jeweils das ausschließliche Nutzungsrecht an ihren Werken eingeräumt haben mit den Nutzungsarten gemäß Wahrnehmungsvertrag. Richtig?
Die GEMA kann dann wiederum gemäß § 34 UrhG Nutzungsrechte übertragen (sprich Lizenzen vergeben). Richtig?
Jetzt zur Frage:
Nach § 31 UrhG bleibt § 35 UrhG unberührt, das heißt daß weitere Nutzungsrechte (hier: GEMA an Heino) eigentlich nur mit Zustimmung des Urhebers eingeräumt werden können. Zumal es in der Textpassage, die Thomas Stadler aus einem GEMA-Vertrag zitiert hat (s.o.) z.B. im 1. Absatz um die Rechte an der Aufnahme (!) geht – und Aufnahme ungleich Werk (Aufnahme UrhG Teil 2, Werk UrhG Teil 1)!.
Woher weisst du das, Thomas? Kennst du etwa die einzelnen Verträge? Auch wenn die GEMA nicht gerne breit tritt, entscheidet allein der Urheber (Komponist und Textdichter / ggf. Musikverlag), welche Rechte er zur Wahrnehmung an die GEMA abtritt.
So heißt es beispielsweise in sämtlichen, online einsehbaren Quellen, daß z.B. „Rammstein“ der GEMA 2006 das Aufführungsrecht wieder entzogen haben soll (so viel übrigens zum Thema „GEMA-Vermutung“).
Aus diesem Grund finde ich persönlich auch den Hinweis von Markus Kompa unsauber, denn er ziziert „auf Grund der von ihr wahrgenommenen Rechte„. § 11 UrhWahrnG definiert allerdings nicht, welche Rechte die GEMA denn vom Urheber im Einzelnen tatsächlich eingeräumt bekommen hat. Stimmt doch, oder!?
Oder anderes gefragt: Welche Nutzungsarten (~ Lizenzen) GENAU hat die GEMA denn im Einzelnen eingeräumt bekommen?
Danke und Gruß, Baxter
——————————
@all, am Rande falls es evtl. jemanden interessiert: Ich hab vor’n paar Jahren ‚mal für mich selbst (zum eigenen, besseren Verständnis) ein Bildchen zum Thema Urheberrecht vs. Leistungsschutzrecht am Beispiel Musikindustrie gemacht:
http://pdfcast.org/pdf/uebersicht-urheberrecht-vs-verwandte-schutzrechte-baxter
Comment by Baxter — 3.02, 2013 @ 20:50
Lieber Herr Stadler,
was ist mit Paragraf 42a UrhG?
Beste Grüße
PB
Comment by Peter Borella — 24.03, 2013 @ 18:16
Was ist, wenn ein jemand ein Lied covert, das über die Plattenfirma bei der GEMA registriert ist, der Urheber als Nicht-EU-Bürger aber nicht Mitglied bei der GEMA werden kann? Oder anders ausgedrückt, darf ein deutscher Künstler ein Lied ohne Zustimmung des Urhebers covern, auch wenn der Urheber selbst nicht Mitglied der GEMA ist, seine Komposition aber bei der GEMA registriert ist? Kann jemand etwas dazu sagen? Das wäre sehr hilfreich. Vielen Dank!
Comment by Gerwig — 23.09, 2013 @ 21:38