Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

28.9.12

Der Gesetzesentwurf der NRW-Piraten zum Urheberrecht

Jetzt trage ich mich schon eine Weile mit dem Gedanken, etwas zum Urheberrechtsentwurf der NRW-Piraten zu bloggen, habe dies bislang aber auch angesichts der Komplexität des Themas nicht geschafft. Adrian Schneider von Telemedicus ist mir – wie auch beim Entwurf der Berliner Piraten – zuvorgekommen. Adrians ausführliche und fundierte Stellungnahme bedarf keiner Wiederholung, weshalb ich mich auf ein paar grundsätzliche, aber m.E. wesentliche Aspekte beschränken möchte.

Der Entwurf der nordrhein-westfälischen Piraten vermittelt den Eindruck, als sei alles, was man dort vorgeschlagen hat, auch problemlos durch den nationalen Gesetzgeber regelbar. Das ist es aber nicht. Vielmehr sind eine ganze Reihe von Regelungen enthalten, die ersichtlich nicht mit den einschlägigen völkerrechtlichen Verträgen – wie z.B. dem TRIPS-Abkommen – mit europarechtlichen Vorgaben und vermutlich auch nicht mit dem deutschen Verfassungsrecht – jedenfalls wenn man die bisherige Rechtsprechung des BVerfG als Maßstab nimmt – vereinbar sind.

Das möchte ich anhand von zwei Beispielen aus dem Entwurf verdeutlichen, nämlich der Schutzfristenverkürzung in § 64 des Entwurfs auf 10 Jahre sowie die Beschränkung von Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche auf Fälle des Vorsatzes.

Europarechtlich ist die Schutzdauer von urheberrechtlichen Werken u.a. durch die Richtlinie 2006/116/EG – die kürzlich noch erweitert wurde – weitgehend auf 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers festgeschrieben. Diese europarechtlichen Vorgaben sind verbindlich. Wenn man daran etwas ändern will, muss man also auf eine Änderung der Richtlinien hinwirken. Aber auch damit ist es nicht getan, weil völkerrechtliche Verträge, denen die Bundesrepublik beigetreten ist, Mindestschutzfristen vorsehen.  Die sog. Revidierte Berner Übereinkunft verlangt eine Schutzdauer von mindestens fünfzig Jahren über den Tod des Urhebers hinaus. Deutschland müsste also zunächst eine Änderung der europarechtlichen Vorgaben erreichen und zudem völkerrechtliche Verträge aufkündigen, bevor eine gesetzliche Regelung über eine Verkürzung von Schutzfristen in Frage kommt.

Für die Beschränkung des Unterlassungsanspruchs und des Schadensersatzanspruchs gilt ähnliches. Adrian Schneider hat bereits darauf hingewiesen, dass damit der Schutz des Urheberrechts praktisch leerlaufen würde, zumal Vorsatz, von Ausnahmefällen abgesehen, zumeist nicht nachweisbar ist. Das TRIPS-Abkommen verlangt, dass gegen einen Verletzer, der wußte oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass er eine Verletzungshandlung vorgenommen hat, Schadensersatz vorzusehen ist. Das heißt nichts anderes, als, dass Schadensersatz auch in Fällen von Fahrlässigkeit zwingend vorgesehen sein muss. Die von den NRW-Piraten vorgeschlagene Neuregelung des § 97 UrhG verstößt zudem gegen die Enforcement-Richtlinie, die in Art. 13 eine dem TRIPS-Abkommen vergleichbare Regelung enthält. U.a. aus der Enforcement-Richtlinie ergibt sich im übrigen auch, dass das Gemeinschaftsrecht von verschuldensunabhängigen Unterlassungsansprüchen ausgeht.

Wenn es an dieser Stelle nur darum gegangen wäre, die Störerhaftung (einschränkend) zu regeln, hätte es sich angeboten, zwischen Verletzer und Störer zu differenzieren und insoweit ein abgestuftes Haftungskonzept zu schaffen. Das wäre bei einer entsprechenden Ausgestaltung mit den Vorgaben des Europa- und Völkerrechts in Einklang zu bringen.

Auch die Regelungen zu den Schrankenbestimmungen (§§ 44 a. ff UrhG) werden mittlerweile europarechtlich überlagert, weshalb sich auch hier die Frage stellt, wie groß der Gestaltungsspielraum des nationalen Gesetzgebers überhaupt noch ist. Hierzu sind derzeit einzelne Verfahren beim EuGH anhängig – der BGH hat unlängst in diesem Bereich erst wieder eine Einzelfrage vorgelegt – die möglicherweise Aufschluss darüber geben werden, wo der EuGH hier grundsätzlich die europarechtlichen Grenzen zieht.

Das nationale Urheberrecht wird also von einem komplexen System europarechtlicher und völkerrechtlicher Regelungen überlagert, das den Gestaltungsspielraum des deutschen Gesetzgebers erheblich einschränkt.

Was mich an dem Entwurf der NRW-Piraten, änhlich wie an dem der Berliner Piraten, außerdem stört, ist der Umstand, dass man die Bereiche die regelbar sind, nicht oder nur unzureichend in Angriff nimmt. Das betrifft insbesondere das Urhebervertragsrecht, durch das die Position der eigentlichen Urheber gestärkt werden könnte und müsste. Hierauf habe ich wiederholt hingewiesen.

Der Entwurf der NRW-Piraten ist insgesamt deutlich durchdachter und ausgefeilter als der der Berliner Piraten. Leider blendet er aber die europarechtlichen und völkerrechtlichen Vorgaben praktisch komplett aus, was zu Regelungsvorschlägen führt, die mit höherrangigem Recht teilweise nicht vereinbar sind. Die Urheberrechtsdebatte muss in vielen Bereichen mittlerweile (mindestens) auf europäischer Ebene geführt werden.

posted by Stadler at 12:27  

13 Comments

  1. Die Forderung, dass Live-Künstler das Abfilmen und Veröffentlichen ihrer Darbietung gestatten müssen, halte ich für sehr fragwürdig.

    Comment by RA Kompa — 28.09, 2012 @ 12:51

  2. Was will die EU denn machen, wenn wir ihre Richtlinien verletzen? Uns rauswerfen?

    Einmal mit der Geldbörse gewedelt, und das Thema ist vom Tisch.

    Comment by twex — 28.09, 2012 @ 13:40

  3. Warum sollte eine politische Forderung Rücksicht auf die aktuelle EU-Rechtslage nehmen? Ich sehe da gar keine Veranlassung.

    Die juristischen Details interessieren den Wähler nicht und sind auch für den Politiker nicht relevant. Darum kann man sich kümmern wenn man in der Legislative angekommen ist bzw. das der Ministerialbürokratie überlassen.

    Den BWLer interssiert ja auch nicht wie die Ingenieure irgendwas umsetzen.

    Comment by PiratPeter — 28.09, 2012 @ 13:50

  4. Europäische Richtlinien und völkerrechtliche Verträge – na klar gibt diese Hindernisse.

    Nur muss man ja irgendwo anfangen. Und am Anfang des Weges steht eine Vision: „wie sollte es einmal aussehen?“ Dieser Vision ist der NRW-Entwurf ein großes Stück weit nähergekommen. Jedenfalls hat er deutlich mehr Substanz, als der eines gewissen Suppenkaspers…

    Die Content-Lobby ist uns ein ganzes Stück des Weges voraus – klar, sie haben auch früher angefangen (quasi vor Jahrzehnten), sind international vernetzter und haben vor allem mehr Kohle.

    Comment by Lars — 28.09, 2012 @ 14:04

  5. Ich gebe den Kommentierenden recht.
    Richtlinien haben die Politiker hier nie besonderes interessiert, außer diese konnten direkten Nutzen darauß ziehen. Dem Wähler sind sie eh egal,da zu abstrakt. Die EU könnte eine verklausulierte Form der Sklaverei als Richtlinie einführen und das Wahlvolk würde es nicht merken.

    Machen und Tatsachen schaffen ist immer besser als sich auf irgendwelche undemokratisch ausgeklüngelten TRIPS-Abkommen einzulassen. Das schränkt mental unnötig ein und ist auch im Sinne der TRIPS-Authoren.

    Die Pendel schwingt gerade günstig und wir sollten den Moment nutzen. Gut gemacht NRW Piraten.

    Comment by carlos — 28.09, 2012 @ 14:26

  6. Ich sehe das Hauptproblem beim Urheberrecht nicht darin, dass ein Schutz besteht, denn dieser ist zwingend nötig. Vielmehr sehe ich ein Problem darin, dass dieser Schutz immer weiter ausgedehnt wird (Schutzfristen) und die Argumentation dafür teilweise sehr scheinheilig ist:
    „Der Urheber muss seinen Enkeln auch noch etwas hinterlassen und hat eben nur seine Werke“. Das selbe gilt auch für den Ingenieur, Patentfristen (ich bin mir des Unterschiedes zwischen Urheberrecht und Patentrecht bewusst) sind für diesen aber deutlich kürzer. Er kann also auch „nur“ Geld hinterlassen, genau wie alle anderen Arbeitnehmer.

    Mathematiker können ihre Ideen überhaupt nicht zu Geld machen, dies wird auch hingenommen.

    Es geht hier also keineswegs darum Leistung „gerecht“ zu entlohnen sondern es hat sich eine Lobby aus Verwertungsgesellschaften gebildet die die eigentlichen Profiteure sind. Je länger die Schutzfristen, desto länger können diese Gesellschaften und Unternehmen auch profitieren, absolut risikolos.

    Comment by Trollfresser — 28.09, 2012 @ 15:10

  7. Es bräuchte in der Politik so etwas wie die Revisionszyklen in der Softwareentwicklung. D.h. eine periodische Wiedervorlage um die Qualität des Endproduktes kontinuierlich zu steigern.

    Dann wäre es auch weniger ein Problem, wenn Entwürfe von wohlmeinenden, aber fachlich ahnungslosen Verfassern auf den Weg gebracht würden, so wie in diesem Fall.

    Daher werden Sie, Herr Stadler, bitte nicht müde, auch zukünftig auf juristische Schwachstellen hinzuweisen.

    Comment by SC — 28.09, 2012 @ 15:44

  8. Man kann internationale Abkommen auch kündigen (oder damit drohen). Das ist natürlich auch mit Nachteilen verbunden, aber legitim – sonst könnte man die Demokratie letztlich aushebeln, indem Lobbygruppen nach und nach ihre Vorstellungen bei passenden politischen Mehrheiten per internationale Verträge zementieren.
    Aufgabe einer Oppositionspartei wie der Piraten ist es meiner Meinung nach nicht, sofort national umsetzbare Gesetzesentwürfe zu machen – es besteht ja sowieso keine Aussicht, dass dieser Gesetzentwurf je eine parlamentarische Mehrheit findet.
    Wer tatsächlich etwas relevantes im Urheberrecht ändern will, muss sogar eine sehr radikale Umgestaltung anpeilen, die sowieso die Kündigung internationaler Verträge erfordern, und dafür viele Wähler gewinnen. Erst dann wird die andere Seite zu Kompromissen gezwungen.

    Comment by Erdbeerbaeumle — 28.09, 2012 @ 21:30

  9. „zwischen Verletzer und Störer zu differenzieren“ halte ich für problematisch. Die meisten Menschen verstehen ja schon die Störerhaftung nicht und wundern sich, wenn es sie erwischt. Dies jetzt noch komplizierter machen hängt die Menschen ab.

    Comment by sascha — 29.09, 2012 @ 08:04

  10. Zwei Anmerkungen:

    1. Abmahnkanzleien sind eine Seuche. Meistens Juristen, die den Namen nicht verdient haben. Sie bekommen nichts gebacken, keine Mandanten, daher haben sie sich auf diese Industrie fokusiert. Ansonsten wären sie Tellerwäscher.

    2. Kaufen! Schon gehört? Ist doch mal eine gute Ansage an Dauersauger! Diese sind genauso mies, wie die Abmahnanwälte, stehen nur auf der anderen Seite! Sie zahlen zu Recht Strafen. Schmarotzer und Kriminelle! Man „wundert“ sich über ein Anwaltsschreiben, hat „nichts“ gewußt, ist ganz „unschuldig“, kann nicht lesen, hat zufällig eine Software auf dem Rechner, die alles teilt für lau?? Nein, es ist kriminelles Pack. Kein Pardon! Zahlen!

    Comment by Rudolf — 29.09, 2012 @ 11:33

  11. Als ob die juristische Machbarkeit jemals schon die CDU/CSU, SPD, FTP, Grünen interessiert hätte wenn sie Gesetzentwürfe, Wahlprogramme etc. verfasst haben. Um etwas zu bewegen muss man eine radikale Form der Veränderung vorschlagen damit man sich dann in der Mitte trifft.
    Daher Applaus von mir an die Piraten für diesen Gesetzentwurf.

    Und ich muss 2 und 3 zustimmen was den ganzen Quatsch mit EU-Recht angeht. Was sollen sie denn machen wenn wir sagen „is nicht“. Uns rausschmeissen? Kein Wunder das sich die Akzeptanz der Europäischen Union in der Bevölkerung im freien Fall befindet sodass man sogar jetzt schon B-Promis in peinlichen Werbefilmchen zeigen muss um zu retten was nicht mehr zu retten ist. Tut mir leid… aber ich mag mich naiv anhören… aber die EU hat mir persönlich bislang nur Nachteile und Grund zum Aufregen gebracht. Das ist ein Billionen-Grab ohne Ende in Sicht.

    Comment by Twinnie (kein Urheber) — 1.10, 2012 @ 13:26

  12. Das hier scheint mir interessant:

    http://www.piratenpartei.de/2012/08/16/neue-geschaftsmodelle-fur-kunstler-im-digitalen-zeitalter/

    Comment by Ein Mensch — 3.10, 2012 @ 12:55

  13. Und vielleicht noch eine Idee, wie man z.B. das Crowdfunding politisch fördern könnte:

    http://andipopp.wordpress.com/2012/07/24/der-crowdbonus-eine-politische-forderung-des-crowdfundings/

    Vielleicht sagen die Juristen was dazu, ob bzw. wie sowas juristisch umzusetzen und was dabei an Randbedingungen zu beachten wäre.

    Comment by Ein Mensch — 3.10, 2012 @ 14:51

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