Heribert Prantl hat in einem Leitartikel für die Süddeutsche Zeitung erläutert, warum ein Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse nicht sinnvoll ist und das Vorhaben ein solches Recht zu normieren, zum Scheitern verurteilt ist. Die Meinung Prantls ist durchaus mutig, weil er sich damit auch gegen die Haltung seines Arbeitgebers positioniert, was bei diesem Thema bislang nicht viele gewagt haben in der deutschen Presselandschaft.
Christoph Keese, Cheflobbyist des Springer-Verlags widerspricht Prantl in seinem Blog, was naheliegend ist und deshalb an sich nicht weiter erwähnenswert wäre, würde Keese im Verlaufe seines Textes nicht erläutern, wie er sich die konkrete gesetzliche Ausgestaltung eines solchen Leistungsschutzrechts vorstellt. Keese möchte sich nämlich an den Wortlaut des Leistungsschutzrechts der Tonträgerhersteller anlehnen und liefert damit auch gleich (unfreiwillig) die Begründung dafür, weshalb eine solches Leistungsschutzrecht abzulehnen ist. Keese führt in seinem Blog wörtlich aus:
Umgekehrt kann man aber durchaus fragen, warum für Presse nicht das möglich sein soll, was für Musik seit 1965 funktioniert. Das Leistungsschutzrecht für Musik in § 85 lautet in seinem Kernsatz schlicht:
Der Hersteller eines Tonträgers hat das ausschließliche Recht, den Tonträger zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich zugänglich zu machen.
Warum könnte es für Presseverlage nicht analog heißen:
Der Hersteller eines Presseerzeugnisses hat das ausschließliche Recht, das Presseerzeugnis zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich zugänglich zu machen.
Was ist daran schwerer zu konstruieren als bei der Musik? Wie unterscheidet sich im digitalen Zeitalter eine Musikfirma, die Tondateien produziert, von einem Verlag, der Text- und Bilddateien herstellt?
Die von Keese zuletzt gestellten Fragen lassen sich beantworten. Hierzu muss man sich zunächst mit der Frage beschäftigen, was denn vom Leistungsschutzrecht des Tonträgerherstellers eigentlich geschützt wird und welchem Zweck dieser Schutz dient. Anschließend kann man das Ergebnis dann mit der Interessenlage der Verlage vergleichen.
Schutzgegenstand des § 85 UrhG ist der Tonträger. Nach der Legaldefinition des § 16 Abs. 2 UrhG ist Tonträger eine Übertragung des Werkes auf eine Vorrichtung die eine wiederholbare Wiedergabe von Tonfolgen ermöglicht. Das Gesetz nennt als Beispiel insbesondere die Aufnahme.
Das Charakteristische des Tonträger besteht also darin, dass eine Tonaufnahme erzeugt und so fixiert wird, dass man sie anschließend beliebig oft erneut abspielen kann. Dieses Leistungsschutzrecht wurde gerade vor dem Hintergrund geschaffen, dass das Urheberrecht speziell im Bereich der Musik nur einen Schutz des Komponisten und des Textdichters kennt, während die konkrete Aufnahme des Musikwerks keinen eigenständigen Schutz genießt. Hierin hat man eine Schutzlücke gesehen, weshalb man u.a. Plattenlabels, die z.B. aufwendige Studioproduktionen finanzieren, ein eigenes Schutzrecht gewähren wollte.
Eine vergleichbare Schutzlücke wäre bei Verlagsprodukten nur dann denkbar, wenn das Endprodukt das der Verlag anbietet, mit einem Tonträger gleichzusetzen wäre. Verhält sich also die Zeitung zum einzelnen Artikel wie die Musikaufnahme zur Komposition? Ich denke, dass bereits diese Fragestellung deutlich macht, dass es an dieser Vergleichbarkeit und damit auch an einer Schutzlücke fehlt. Die Zeitung ist nämlich eine Ansammlung urheberrechtlich geschützter Texte und Bilder, wobei jedes dieser Einzelelemente vollen urheberechtlichen Schutz genießt und zudem- anders als bei der Tonaufnahme – kein Endprodukt existiert, das über die Ansammlung der Einzelwerke hinausgeht.
Anders formuliert, erschöpft sich die Zeitung in der Summe ihrer geschützten Einzelteile, während die Tonaufnahme über die Summe der Einzelelmente (Komposition und Text) deutlich hinausgeht. Der urheberrechtliche Schutz der Zeitung lässt sich also lückenlos über die schutzfähigen Einzelelemente begründen, während dies bei der Musikaufnahme nicht der Fall ist.
Es besteht somit keine juristische Schutzlücke, die das Geschäft der Verlage erschweren würde. Das Geschäft der Verlage wird einzig und allein durch ihre eigene wirtschaftliche Entscheidung erschwert, Teile ihrer Zeitungen oder Zeitschriften kostenlos und für jedermann abrufbar ins Netz zu stellen. Diese wirtschaftliche Entscheidung der Verlage kann aber nicht zur Begründung einer rechtlichen Schutzlücke herangezogen werden.
Der von Christoph Keese angestellte Vergleich zum Tonträger offenbart aber ein weiteres großes Problem eines Leistungsschutzrechts für Presseerzeugnisse. Das Leistungsschutzrecht des Tonträgerherstellers umfasst auch „kleinste Tonfetzen“, wie der BGH in der Metall-auf-Metall-Entscheidung ausgeführt hat. Übertragen auf ein Leistungsschutzrecht für Verlagsprodukte würde dies bedeuten, dass auch kleinste Textbestandteile, sogar einzelne Wörter, vom Schutz umfasst sein müssten. Das beinhaltet dann allerdings die Gefahr, dass ein solches Leistungsschutzrecht zu einem Schutz der Information und der Sprache selbst führen würde. Diese Befürchtung stammt übrigens nicht von mir, sondern von der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht (GRUR), die keinesfalls im Verdacht steht, urheberrechtsfeindlich zu agieren.
Diese Umstände sind auch der Grund dafür, dass es in Deutschland keinen einzigen halbwegs renommierten Urheberrechtler gibt, der sich offensiv für ein solches Leistungsschutzrecht ausspricht. Gerald Spindler, einer der bedeutendsten Rechtswissenschaftlerm in diesem Bereich, hält das geplante Leistungsschutzrecht sogar für verfassungsrechtlich bedenklich. Auch die Bundesrechtsanwaltskammer lehnt das Leistungsschutzrecht übrigens ab.
Christoph Keese liefert mit seinem eigenen Blogbeitrag dankenswerter Weise die wesentlichen Argumente, die gegen ein Leistungsschutzrecht sprechen, bereits mit.
Update:
Nachdem ich jetzt mehrfach den Vorwurf gehört habe, ich hätte keine Ahnung von redaktioneller Arbeit und würde diese für geringwertiger halten als die Arbeit eines Musiklabels, möchte ich hierzu noch eine Klarstellung anfügen.
Mir ging es ausschließlich darum darzustellen, dass in dem einen Fall eine juristische Schutzlücke besteht und in dem anderen Fall nicht. Das ist völlig unabhängig von der Qualität einer Leistung und dem dahinterstehenden wirtschaftlichen Aufwand.