Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

15.6.12

Die Europäische Beobachtungsstelle für Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums

Die EU hat mit Verordnung vom 19.04.2012 beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (HABM) eine „Europäische Beobachtungsstelle für Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums“ geschaffen.

Auch wenn der Aufgaben- und Tätigkeitsbereich dieser neuen Behörde in Teilen sinnvoll erscheint, irritiert mich einmal mehr die Einseitigkeit des Ausgangspunkts.

In den Erwägungsgründen heißt es u.a.:

Die stetige Zunahme der Zahl der Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums stellt eine ernsthafte Bedrohung nicht nur für die Wirtschaft der Union, sondern in vielen Fällen auch für die Gesundheit und Sicherheit der Verbraucher in der Union dar. Eine erfolgreiche Bekämpfung dieses Phänomens erfordert daher wirksame, sofortige und koordinierte Maßnahmen auf nationaler, europäischer und globaler Ebene.

Die entgegengesetzte Möglichkeit, nämlich, dass gerade Monopolrechte wie Patente die Gesundheit von Menschen gefährden und gewerbliche Schutzrechte und das Urheberrecht – in seiner jetzigen Ausgestaltung – auch wirtschaftshemmend wirken könnten, wird noch nicht einmal in Betracht gezogen.

Was mir hier außerdem fehlt, ist die Orientierung am Gemeinwohl, mithin an den Interessen der Bürger. Die Aussage, dass die Verletzung gewerblicher Schutzrechte die Sicherheit (!) der Verbraucher gefährdet, macht in einem Satz das ganze Ausmaß der Schieflage dieser Betrachtungsweise deutlich.

Die Institutionen der EU, allen voran Kommission und Rat, nehmen gerade wenn es um Immaterialgüterrechte geht, eine Haltung ein, die durch den Lobbyismus großer, global agierender Konzerne geprägt ist. Einmal mehr wird hier außerdem deutlich, dass der Bürger in Brüssel eindimensional auf seine Rolle als Verbraucher reduziert wird.

Die EU ist eine großartige Idee, aber in ihren Institutionen scheint der Kleinmut und der Kleingeist zu regieren.

posted by Stadler at 14:06  

8 Comments

  1. Das ist halt schon einmal die ACTA Behörde, der man jetzt noch ACTA schenken soll.

    Überwachung und Gängelung der Bürger sind das offensichtliche Hauptziel der EU. Bei der Industrie begnügt man sich meist mit Selbstverpflichtungen und Gummiparagraphen, die beim Geld einsacken nicht stören.

    Comment by Niedermeyer — 15.06, 2012 @ 14:13

  2. Das Sicherheitsargument ist nicht *völlig* an den Haaren herbeigezogen. Eklatante Produktfälschungen gehen gerne mit Pfusch in der Implementierung einher, und bei Elektroartikeln kann das schon sicherheitsrelevant werden. (Siehe auch die einschlägigen Vorkommnisse im chinesischen Binnenmarkt – da haben aber auch die Ersthersteller gerne gepfuscht.)

    Comment by Andreas Krey — 15.06, 2012 @ 14:31

  3. „Die EU ist eine großartige Idee“?

    Für mich ist die EU die Antwort auf eine Frage, die keiner gestellt hat! Undemokratisches, aufgeblähtes bürokratisches Monster zur Regulierung des Abstandes der Perforation von Toilettenpapier!

    Comment by Rangar — 15.06, 2012 @ 17:12

  4. „Die EU ist eine großartige Idee“ und eine Seifenblase.
    Je größer sie wird, desto schlimmer die Verwüstung wenn sie platzt.

    Comment by Frank — 15.06, 2012 @ 18:11

  5. Kleinmut und Kleingeist? Aber nicht doch! Das hat Methode, auch wenn man das natürlich nicht zugeben wird. Die EU ist und bleibt eine undemokratische Organisation, die zum Nachteil der Bürger Europas agiert. Und weil es auf die handelnden Personen ankommt, muss man davon ausgehen, dass die Repräsentanten dieses Systems mehrheitlich nie Demokraten waren, die derzeitigen keine sind und es vermutlich nie sein werden. Bürger der EU werden als Verbraucher, Stimmvieh, Melkkühe und Sicherheitsrisiko betrachtet. Mehr nicht!

    Comment by M. Boettcher — 15.06, 2012 @ 23:01

  6. Vielen Dank für den Artikel. Es war klar, dass Ihre Äußerung, dass die EU eine großartige Idee sei, am meisten Kommentare provoziert. Aus diesem Grund, möchte ich Ihnen hier ausdrücklich zustimmen.
    Die Gründe, die zu einer Verdrossenheit gegenüber den Europäischen Institutionen führen, haben sie ja selber genannt. Leider fehlt vielen, die dagegen wettern, die Abstraktionsfähigkeit. Mit analogen Argumenten könnte man auch den Bundestag ablehnen.

    Wenn man sich mal die Zeit, als die EU (bzw. deren Vorgänger) gegründet wurde, vor Augen hält, dann ist die Umsetzung der Idee ein Riesenerfolg geworden. Vieles was heute selbstverständlich erscheint, ist eine direkte Folge davon. Dazu gehört sowohl die Wirtschaftliche Entwicklung, von der Deutschland besonders profitiert, als auch die elementare Befriedung zwischen den Mitgliedsländern.

    Das heißt nicht, dass alles, was in der EU gemacht wird, toll zu finden ist, im Gegenteil muss man vieles kritisch sehen, damit die tolle Idee nicht durch die u.a. von Herrn Stadler kritisierten Punkte beschädigt wird.

    Comment by Oliver — 18.06, 2012 @ 10:00

  7. Das ist eben auch mein Problem mit der Politik: Der Bürger wird für generell unfähig gehalten und überhaupt solle dieser doch bitte einfach passiv konsumieren und keinesfalls mitentscheiden wollen.

    Das ist allerdings nicht nur auf EU-Ebene so.

    Comment by Trollfresser — 18.06, 2012 @ 12:10

  8. @Oliver: Es bestreitet niemand, dass die deutsche Wirtschaft von den Strukturen in der EU profitiert. Es ist vollkommen klar, dass die Mächtigen der Länder profitieren, die in den EU Gremien am meisten zu sagen haben. Aber das heisst nicht, dass der Profit auch immer zu den Menschen herunterrieselt bzw. selbst wenn das wirtschaftlich vielleicht sogar der Fall wäre, so muss das in anderen Bereichen nicht der Fall sein, z.B. im Bereich der individuellen Freiheit.

    Der Vergleich mit dem Bundestag ist natürlich vollkommen hanebüchen, da dieser wenigstens einigermassen demokratisch legitmiert ist. Für die machthabenden Strukturen der EU gilt dies aber nicht so sehr.

    Comment by Ein Mensch — 18.06, 2012 @ 23:12

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