Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

8.5.12

Prüfpflichten von Bewertungsportalen

Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat den Betreiber eines Bewertungsportals dazu verurteilt (Urteil vom 08.05.2012, Az. 11 O 2608/12), eine negative Bewertung eines Zahnarztes zu unterlassen.

Laut der Pressemitteilung des Landgerichts sei der Internetprovider (Portalbetreiber) auf die konkrete Beanstandung des betroffenen Zahnarztes hin verpflichtet, den Sachverhalt sorgfältiger zu prüfen. Insbesondere müsse er sich von seinem Kunden einen Nachweis dafür vorlegen lassen, dass die zahnärtztliche Behandlung tatsächlich stattgefunden hat.

Meines Erachtens überdehnt das Landgericht damit die Grundsätze der Haftung des lediglich mittelbaren Störers deutlich. Der BGH hat mehrfach entschieden, dass eine Pflicht zum Einschreiten nur dann besteht, wenn der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptungen des Betroffenen unschwer – das heißt ohne eingehende rechtliche und tatsächliche Überprüfung – bejaht werden kann. Der BGH ist zwar der Ansicht, dass der Portalbetreiber die Beschwerde an den Autor der Bewertung weiterleiten und sich ggf. um eine Stellungnahme bemühen muss. Das hat der Portalbetreiber im vorliegenden Fall allerdings auch getan.

Wenn der Autor daraufhin bei seiner Aussage bleibt, ist es für den Portalbetreiber schwierig, eine weitere Sachverhaltsaufklärung zu betreiben. Wenn man an dieser Stelle vom Portalbetreiber verlangt, er müsse sich von dem Äußernden einen Nachweis vorlegen lassen, so würde dies eine erhebliche Erschwerung der Tätigkeit von Meinungs- und Bewertungsplattformen mit sich bringen. Denn einen solchen Nachweis wird der Autor des Beitrags regelmäßig nicht beibringen und vielfach auch nicht beibringen können, mit der Folge, dass ein Großteil derartiger Beiträge zur Vermeidung einer Haftung zu löschen wären.

Dieses Ergebnis würde allerdings der Bedeutung von Meinungs- und Bewertungsportalen für die Meinungsfreiheit und gerade auch für die Informationsfreiheit nicht gerecht. Der BGH hat insoweit bereits Anforderungen gestellt, die man im Lichte der Meinungsfreiheit als grenzwertig erachten muss. Diese Anforderungen weitet die instanzgerichtliche Rechtsprechung nunmehr – wie so häufig – aber noch weiter aus. Angesichts der zentralen Bedeutung dieser Frage wäre auch eine Entscheidung des BVerfG durchaus wünschenswert, zumal bereits die vom BGH postulierten Anforderungen vor dem Hintergrund der Meinungs- und Informationsfreiheit als kritisch betrachtet werden müssen.

posted by Stadler at 15:06  

4 Comments

  1. Ich halte – soweit man das überhaupt beurteilen kann – die Entscheidung für richtig. Es ging immerhin um folgende Äußerungen:

    „…dass der Kläger ein fachlich inkompetenter Zahnarzt sei, der vorrangig eigene wirtschaftliche Interessen verfolge und hierbei das Interesse seiner Patienten an einer dem medizinischen Standard entsprechenden Behandlung außer Acht lasse.“

    Wer so schwerwiegende Vorwürfe nicht belegen kann, der muss sie löschen (§ 186 StGB).

    Mehr dazu siehe hier: http://www.lhr-law.de/lbr-blog/der-herabgesetzte-zahnarzt-neues-falsches-urteil-zu-prufpflichten-von-bewertungsportalen

    Comment by Arno Lampmann — 8.05, 2012 @ 23:38

  2. Statt nur zu fragen, ob die Anforderungen des BGH grenzwertig für die Meinungsfreiheit sind und ob die Tätigkeit von Bewertungsportalen nicht zu sehr erschwert wird, sollte man auch fragen, ob die Persönlichkeitsrechte der von den Äußerungen Betroffenen nicht vogelfrei gestellt werden, wenn der Äußernde seine Aussage bloß bestätigen und nicht untermauern muss.

    Natürlich erfordert dies einen größeren Aufwand auf Seiten der Provider. Dieser ist aber angesichts der schwerwiegenden Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts durch unwahre Behauptungen im Internet hinzunehmen,. Bei einer substantiierten Beanstandung dergestalt, dass ein in dem Beitrag behauptetes Verhalten vollständig in Abrede gestellt wird, kann es kein Recht darauf geben, die Behauptung ungeprüft so stehen zu lassen. Es gibt kein Recht auf die anonyme Verbreitung unwahrer Tatsachenbehauptungen.

    Mehr dazu bei medienrecht-blog.com:

    http://medienrecht-blog.com/2012/05/09/pruefungspflichten_von_provider/

    Comment by RA Cornelius Renner — 9.05, 2012 @ 09:38

  3. Ich halte die Entscheidung des Landgericht Nürnberg-Fürt für falsch. Neben dem im Blog angeführten Gründen kann man wohl erwarten, dass Entscheidungen objektiv getroffen werden.

    Diese Erwartung kann der Portalbetreiber aber nicht erfüllen. Es ist in seiner subjektiven Situation möglich, dass er die Bewertung auch fälschlich für möglich hält. Davon man sogar ausgehen, denn auch der Bewerter hat ein Persönlichkeitsrecht. Das Recht nicht einfach der potentiellen Lüge verdächtigt zu werden.

    Die Prüfpflichten über Offensichtlichkeiten hinaus auszudehnen hat einzig die Konsequenz kritische Bewertungen subjektiv vorsichtshalber zu unterbinden. Denn niemand kann jede Einzelmeinung prüfen.

    Damit wäre das Portal aber vollkommen unbrauchbar. Dann reicht ein Meinungsblog einens Einzelnen.

    Offensichtlich hat der Richter die Aufgabe des Portals nicht verstanden. Es geht nicht um Diskreditierung und auch nicht um Wahrheit oder Tatsachenbehauptungen. Es geht um Meinungsbilder und Meinungsfindung. Es geht darum, Dinge zu verbessern.

    Wenn der Betreiber entscheiden kann, ob er eine Äußerung hinterfragen muss, dann können das die Leser auch. Sie und der Zahnarzt können sich äußern.

    Man sollte bedenken, dass die Störerhaftung oftmals ein sehr wackliges Notfallkonstrukt ist. Wenn irgend möglich, dann muss im Zweifelsfall das Verursacherprinzip gelten. Der Verursacher muss im vorliegendem Fall bekannt sein, sonst könnte man vom Portalbeteiber nicht verlangen nachzufragen.

    Ist der nicht bekannt und verlangt man trotzdem wegen der logischerweise fehlenden Stellungnahme eine Löschung, so ist das a) das Ende der Anonymität und b) ein Löschautomatismus.

    Die Absicht des Störers *muss* ohne jeden Zweifel festgestellt werden. Alles Andere führt zu einer Blockwartgesellschaft.

    Und das muss sich der Richter von mir gefallen lassen: Diese Zeiten der Blockwarte will ich niemals wieder. Unter keinen Umständen.

    Comment by Joachim — 9.05, 2012 @ 16:38

  4. Lieber Joachim, Sie fordern einerseits die Anonymität im Netz, die strafbaren Handlungen Tür und Tor öffnet, andererseits wollen Sie nie wieder „Blockwarte“. Dies widerspricht sich eklatant. Nicht die Blockwarte, sondern die anonymen Denunzianten in der Bevölkerung sind das Gefährliche. Raten Sie mal, wer das heute ist.

    Comment by RA Hechler — 18.06, 2012 @ 09:48

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