Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

8.5.12

Prüfpflichten von Bewertungsportalen

Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat den Betreiber eines Bewertungsportals dazu verurteilt (Urteil vom 08.05.2012, Az. 11 O 2608/12), eine negative Bewertung eines Zahnarztes zu unterlassen.

Laut der Pressemitteilung des Landgerichts sei der Internetprovider (Portalbetreiber) auf die konkrete Beanstandung des betroffenen Zahnarztes hin verpflichtet, den Sachverhalt sorgfältiger zu prüfen. Insbesondere müsse er sich von seinem Kunden einen Nachweis dafür vorlegen lassen, dass die zahnärtztliche Behandlung tatsächlich stattgefunden hat.

Meines Erachtens überdehnt das Landgericht damit die Grundsätze der Haftung des lediglich mittelbaren Störers deutlich. Der BGH hat mehrfach entschieden, dass eine Pflicht zum Einschreiten nur dann besteht, wenn der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptungen des Betroffenen unschwer – das heißt ohne eingehende rechtliche und tatsächliche Überprüfung – bejaht werden kann. Der BGH ist zwar der Ansicht, dass der Portalbetreiber die Beschwerde an den Autor der Bewertung weiterleiten und sich ggf. um eine Stellungnahme bemühen muss. Das hat der Portalbetreiber im vorliegenden Fall allerdings auch getan.

Wenn der Autor daraufhin bei seiner Aussage bleibt, ist es für den Portalbetreiber schwierig, eine weitere Sachverhaltsaufklärung zu betreiben. Wenn man an dieser Stelle vom Portalbetreiber verlangt, er müsse sich von dem Äußernden einen Nachweis vorlegen lassen, so würde dies eine erhebliche Erschwerung der Tätigkeit von Meinungs- und Bewertungsplattformen mit sich bringen. Denn einen solchen Nachweis wird der Autor des Beitrags regelmäßig nicht beibringen und vielfach auch nicht beibringen können, mit der Folge, dass ein Großteil derartiger Beiträge zur Vermeidung einer Haftung zu löschen wären.

Dieses Ergebnis würde allerdings der Bedeutung von Meinungs- und Bewertungsportalen für die Meinungsfreiheit und gerade auch für die Informationsfreiheit nicht gerecht. Der BGH hat insoweit bereits Anforderungen gestellt, die man im Lichte der Meinungsfreiheit als grenzwertig erachten muss. Diese Anforderungen weitet die instanzgerichtliche Rechtsprechung nunmehr – wie so häufig – aber noch weiter aus. Angesichts der zentralen Bedeutung dieser Frage wäre auch eine Entscheidung des BVerfG durchaus wünschenswert, zumal bereits die vom BGH postulierten Anforderungen vor dem Hintergrund der Meinungs- und Informationsfreiheit als kritisch betrachtet werden müssen.

posted by Stadler at 15:06  

7.5.12

Bayerns Datenschützer beteiligen sich jetzt auch am Datenschutztheater um Google Analytics

Das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht teilt heute mit, dass es mithilfe einer selbst entwickelten Software 13.404 Webseiten auf den datenschutzkonformen Einsatz von Google Analytics hin überprüft habe. Hierbei habe man festgestellt, dass auf 2.449 Websites bayerischer Anbieter Google Analytics zum Einsatz kommt, aber nur auf  78 Websites (d.h. 3%) in datenschutzkonform Art und Weise.

Den Einsatz von Google Analytics hält die bayerische Aufsichtsbehörde, ähnlich wie der Hamburgische Datenschutzbeauftragte, dann für datenschutzkonform wenn folgende Kriterien erfüllt sind:

  • der von Google vorbereitete Vertrag zur Auftragsdatenverarbeitung schriftlich abgeschlossen worden ist,
  • die Datenschutzerklärung auf der Webseite auf den Einsatz von Google Analytics und die bestehenden
    Widerspruchsmöglichkeiten hinweist und über die damit verbundenen Datenverarbeitungen aufklärt,
  • die Anonymisierungsfunktion im Quellcode eingebunden ist und,
  • falls diese Anonymisierungsfunktion bisher nicht eingesetzt war, ein bisher bestehendes Google-Analytics-Profil geschlossen wird, um die Löschung (der noch nicht datenschutzkonform generierten) Altdaten sicherzustellen.

Diese Rechtsansicht des Bayerischen Landesamts für Datenschutzaufsicht ist teilweise widersprüchlich und teilweise falsch.

Auf den Abschluss einer von Google vorformulierten Vereinbarung über eine Auftragsdatenverarbeitung im Sinne von § 11 BDSG muss man als Webseitenbetreiber eigentlich bereits deshalb verzichten, weil eine solche Vereinbarung die materiellen Anforderungen des § 11 BDSG nicht erfüllen kann und damit evident unwirksam ist.  Eine Aufragsdatenverarbeitung setzt nämlich voraus, dass das Service-Unternehmen (Google) nur als Hilfsperson des Webseitenbetreibers fungiert, der damit als sog. verantwortliche Stelle weiterhin Herr der Daten bleibt und deshalb allein über die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der Daten entscheidet. Das heißt mit anderen Worten, dass der Auftragnehmer (Google) an die Weisungen des Auftraggebers (Webseitenbetreibers) gebunden ist und die Daten nur nach Weisung des Auftraggebers verarbeiten und nutzen darf.Wer eine solche Vereinbarung bereits unerschrieben hat, kann ja mal versuchen, Google Weisungen zu erteilen.

Hinzu kommt, dass sich der Auftraggeber vor Beginn der Datenverarbeitung und sodann regelmäßig von der Einhaltung der beim Auftragnehmer (Google) getroffenen technischen und organisatorischen Maßnahmen überzeugen muss (§ 11 Abs. 2 S. 4 BDSG). Das kann der Webseitenbetreiber aber tatsächlich nicht.

Da diese gesetzlichen Anforderungen im Verhältnis zwischen Google und dem Nutzer von Analytics also nicht ansatzweise erfüllt sind, besteht zwischen Google und dem Webseitenbetreiber auch nach Unterschrift unter diese Vereinbarung kein wirksames Rechtsverhältnis im Sinne einer Auftragsdatenverarbeitung. Die vertragliche Vereinbarung einer Auftragsdatenverarbeitung funktioniert in diesen Fällen aber auch deshalb nicht, weil die Auftragsdatenverarbeitung außerhalb der EU überhaupt nicht von § 11 BDSG umfasst ist. Auch wenn der Vertrag mit Google Deutschland geschlossen wird, ändert dies nämlich nichts daran, dass die Datenverarbeitung tatsächlich in den USA stattfindet.

Rechtlich folgt hieraus allerdings, dass der Einsatz von Google Analytics datenschutzrechtlich unzulässig ist, sofern die Datenverarbeitung tatsächlich ein Auftragsverhältnis im Sinne von § 11 BDSG erfordert. Sollten demgegenüber mittels Google Analytics – mit oder ohne Einsatz des sog. IP-Maskings – keine personenbezogenen Daten mehr übermittelt werden,  dann wären überhaupt keine datenschutzrechtlichen Anforderungen zu erfüllen. Denn das BDSG und das TMG gelten nur für die Verarbeitung personenbezogener Daten (§ 1 Abs. 2 BDSG, § 12 TMG). Damit könnten dann aber auch die weiteren, von der Aufsichtsbehörde postulierten Anforderungen, wie z.B. eine Datenschutzerklärung, nicht gefordert werden.

Eine ähnliche Pressemitteilung des Hamburger Datenschutzbeauftragten aus dem letzten Jahr hatte ich bereits mit den Worten kommentiert, dass Deutschland damit endgültig zum datenschutzrechtlichen Schilda geworden ist. Diese Feststellung muss ich an dieser Stelle leider nochmals bekräftigen. Denn juristisch ist das was die Aufsichtsbehörden hier veranstalten, schlicht haarsträubend und eigentlich nicht diskutabel.

Der Fall zeigt aber einmal mehr, dass unser strukturell aus den 70’er und 80’er Jahren stammendes Datenschutzrecht im Internetzeitalter nicht funktioniert. Die Versuche, es dennoch immer wieder hinzubiegen, haben mittlerweile groteske Ausmaße angenommen.

 

posted by Stadler at 16:12  

7.5.12

Ist das System GEMA unfair?

Über das Blog des Isarmatrosen bin ich auf die „Vier Thesen zur GEMA“ der Musikerin Zoe.Leela gestoßen, die ich für diskussionswürdig halte und deshalb hier mal näher vorstellen möchte.

Bevor man in die Kritik an der GEMA einsteigt, sollte man sich allerdings bewusst machen, dass Verwertungsgesellschaften wie die GEMA einen gesetzlichen Auftrag erfüllen, der im Urheberrechtswahrnehmungsgesetz (WahrnG) definiert ist. Immer dann, wenn Musik öffentlich aufgeführt oder wiedergegeben wird, soll der Urheber (Komponist, Textdichter) einen Anspruch auf Vergütung erhalten. Dieser Anspruch wird von der Verwertungsgesellschaft GEMA wahrgenommen. Wenn also Musik im Radio gespielt, in einem Club aufgelegt, in einem Konzert dargeboten oder im Netz gestreamt wird, ist der Veranstalter nach § 13b WahrnG verpflichtet, dafür die Einwilligung der GEMA einzuholen. Was der Veranstalter genau bezahlen muss, bestimmt sich nach den Tarifen, die die GEMA nach § 13 WahrnG selbst aufstellt. Die Einnahmen, die die GEMA erzielt, werden nach einem Verteilungsplan an die Mitglieder ausgeschüttet.

1. „Wenn die GEMA der Staat wäre, müssten alle Steuern zahlen, aber nur 5 % dürften wählen gehen, die fünf Prozent Reichsten.“

Die Satzung der GEMA differenziert zwischen ordentlichen, außerordentlichen und angeschlossenen Mitgliedern. In dem wirtschaftlichen Verein GEMA sind nur die ordentlichen Mitglieder stimmberechtigt. Das sind diejenigen – derzeit ca. 3400 – Urheber, die in 5 Jahren mindestens EUR 30.000 von der GEMA bezogen haben und Musikverlage. Die restlichen mehr als 60.000 Mitglieder sind nicht stimmberechtigt.

Was die Ausschüttung angeht, entfielen laut Wikipedia im Jahre 2010 durchschnittlich ca. 58.000,- EUR auf jedes ordentliche Mitglied, ca. 2270,- EUR auf jedes außerordentliche Mitglied, sowie ca. 1300,- EUR auf jedes angeschlossene Mitglied. Dass also die meisten ordentlichen Mitglieder, wie beispielsweise Sebastian Krumbiegel, Frontmann der Band „Die Prinzen“, mit dem System GEMA zufrieden sind, ist angesichts dieser Zahlen nicht erstaunlich. Die Frage ist allerdings, ob die GEMA auch aus Sicht derjenigen Komponisten und Texter, die keine ordentlichen Mitglieder sind, sinnvoll ist. Und genau das verneint die Musikerin Zoe.Leela in ihren 2. These.

2. „Weniger GEMA – mehr für meine Hörer und mich“

Die Aussage von Zoe.Leela, dass von jeder verkauften Platte und jedem Download eine Bearbeitungsgebühr von bis zu 14,7% Prozent an die GEMA fliest, ist zumindest missverständlich. Nach dem Geschäftsbericht 2010 hat die GEMA Erträge von EUR 862,961 Mio. erwirtschaftet, bei EUR 127,072 Mio. Kosten (Verwaltungsaufwendungen). Das entspricht einem Kostensatz von 14,7 %. Für den Verkauf einer Platte muss übrigens nichts an die GEMA abgeführt werden. Was Zoe.Leela hier wohl meint, sind die Erlöse für die Vervielfältigung von Tonträgern.

Für die Vervielfältigung von Werken der GEMA-Mitglieder auf Tonträgern (CDs, DVDs), ist eine Vergütung im Bereich zwischen 9 und 14 % des Händlerabgabepreises an die GEMA zu entrichten. Wenn auf eine CD also Musik gepresst wird, die von einem GEMA-Mitglied komponiert oder getextet wurde, dann fließt bereits vorab ein bestimmter Betrag von im Normalfall mehr als einem EUR pro CD an die GEMA ab. Diesen Betrag bekommen Komponisten und Texter im günstigsten Fall später von der GEMA über die Verteilung (teilweise) wieder erstattet.

Was Zoe.Leela aber zu Recht kritisiert, ist der Umstand, dass der Künstler mit seiner GEMA-Mitgliedschaft die Möglichkeit aus der Hand gibt, auf die Online-Vermarktung seiner Musik Einfluss zu nehmen und selbst darüber zu bestimmen, wo die Musik z.B. als Stream angeboten wird.

3. „Die GEMA ist die Wallstreet der Kreativindustrie. Intransparenz“

Die Kritik von Zoe.Leela zielt auf den Verteilungsplan der GEMA ab, den die Musikerin als intransparent und ungerecht empfindet. Für den Einzelnen ist der Verteilungsplan jedenfalls schwer nachvollziehbar.

Die Rechtsprechung betont insoweit, dass das Aufführungsrecht im Allgemeinen nur kollektiv für die Gesamtheit der Berechtigten und mit pauschalierenden Vergütungssätzen wahrgenommen werden kann. Das bedeutet, dass die GEMA nicht die tatsächlich auf den einzelnen Künstler entfallenden Erlöse verteilt, sondern stattdessen ein statistisches Hochrechnungsverfahren –  das vom BGH gebilligt wurde – anwendet.

4. „Die GEMA fördert Mainstream und zerstört Karrieren, bevor sie begonnen haben.“

Der vierte Punkt der Thesen von Zoe.Leela ist dann eigentlich eine Zusammenfassung der vorhergehenden Aspekte. Zoe.Leela beklagt abschließend, dass das GEMA-System etablierte Künstler bevorzugt und Newcomer benachteiligt und damit eben auch nicht kulturfördernd wirkt.

Die Frage bleibt aber, wie das System reformiert, bzw. durch ein besseres ersetzt werden kann. Es gibt im Bereich des Urheberrechts also eine ganze Reihe von zu diskutierenden Aspekten, zu denen auch das Konzept der Verwertungsgesellschaften zählt.

posted by Stadler at 10:22  

5.5.12

Auch eine massive Rasterfahndung trug nicht zur Aufklärung der NSU-Morde bei

Die Süddeutsche Zeitung berichtet unter dem Titel „Neben der Spur“ in ihrer heutigen Ausgabe (SZ vom 5./6. Mai 2012, S. 8 f.) über die „Anatomie eines Staatsversagens“ bei der Aufklärung der Morde des sog. „Nationalsozialistischen Untergrunds“ und stützt sich dabei u.a. auf interne Unterlagen der Sonderkommission „Bosporus“, die der Zeitung vorliegen sollen.

In dem Artikel heißt es auch, die Ermittler hätten 32 Millionen (!) Handy-, Bank- und Autovermietungsdaten erhoben. Zusätzlich seien 900 000 Haftdaten, 300 000 Hoteldaten und 100 000 Verkehrsdaten eingeholt worden.

Ein Umstand, der aus bürgerrechtlicher Sicht einerseits erschreckend ist, andererseits aber zeigt, dass die Bedeutung technischer Maßnahmen häufig überschätzt wird. Das Scheitern der Ermittlungen der SOKO „Bosporus“ – allein die Bezeichnung zeigt die falsche Weichenstellung bereits auf – war auf Mängel bei der klassischen Polizeiarbeit und auf eine unzureichende Abstimmung und Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Landes- und Bundesbehörden zurückzuführen.

Man hört in letzter Zeit leider immer häufiger, dass die klassische kriminalistische Arbeit bei der Polizei immer stärker in den Hintergrund tritt und auch nicht mehr so intensiv geschult wird wie in früheren Jahren. Stattdessen verlegt man sich mehr und mehr darauf, mit technischen Mitteln Daten zu erheben bzw. vorhandene Daten aus verschiedensten Datenbanken abzufragen und zu kombinieren.

Möglicherweise ist es also wichtiger, sich auf die klassische kriminalistische Arbeit zu besinnen, als nach immer neuen technischen Befugnissen zu rufen. Vernünftige Polizeiarbeit ist auch bürgerrechtsfreundlich möglich. Wenn es aber an einer solchen soliden Polizeiarbeit fehlt, helfen technische Überwachungsbefugnisse zumeist auch nicht weiter, wie die Morde der sog. „NSU“ zeigen.

posted by Stadler at 15:39  

4.5.12

Widerrufsrecht auch bei der Änderung eines bestehenden Vertrags

Die vzbv hat ein für Telefon- und Providerkunden wichtiges Urteil erstritten. Das OLG Koblenz hat dem Provider 1&1 mit Urteil vom 28.03.2012 (Az.: 9 U 1166/11) die Verwendung einer AGB-Klausel verboten, derzufolge bei der Inhaltsänderung eines bestehenden Vertrags kein fernabsatzrechtliches Widerrufsrecht bestehen soll.

Das OLG führt in seiner Urteilsbegründung aus:

Auch die Änderung eines bestehenden Vertrages ist unter den weiteren Voraussetzungen des § 312b BGB ein Fernabsatzvertrag, der Verbraucher ist in gleichem Umfang in Bezug auf den Abänderungsvertrag wie bei einem Erstvertrag schutzwürdig und damit entsprechend über sein Widerrufsrecht zu belehren.

posted by Stadler at 22:13  

4.5.12

Google haftet für Erfahrungsberichte auf Google Maps

Nach einer neuen Entscheidung des Landgerichts Berlin (Urteil vom 5. April 2012, Az.: 27 O 455/11) haftet Google für (anonyme) Erfahrungsberichte auf Google Maps entsprechend der vom BGH entwickelten Grundsätze einer beschränkten Störerhaftung von Host-Providern.

Das ist im Ansatz sicherlich zutreffend. Ob das Landgericht Berlin die richtigen Schlussfolgerungen aus der Entscheidung des BGH gezogen hat, ist dennoch fraglich. Das Landgericht stützt die Störerhaftung von Google offenbar primär auf den Umstand, dass Google nicht versucht hat, eine Stellungnahme des Verfassers einzuholen. Ob dieser Umstand allein allerdings eine Störerhaftung begründet, weil bereits dadurch eine (zumutbare) Prüfpflicht verletzt worden ist, hat der BGH in dieser Form nicht entschieden. Im Fall des Landgerichts Berlin liegt außerdem ein – von der Meinungsfreiheit gedecktes – Werturteil durchaus näher als in dem vom BGH entschiedenen Fall. Hier scheint mir etwas vorschnell eine Tatsachenbehauptung angenommen worden zu sein.

Andererseits kann auf Google Maps nur derjenige einen Erfahrungsbericht verfassen, der als Nutzer angemeldet ist. Google verfügt also zumindest über Kontaktdaten des Verfassers und hätte durchaus die Möglichkeit, den Autor um eine Stellungnahme zu bitten.

Wie ist allerdings die Situation zu beurteilen, wenn man als Forenbetreiber oder Blogger tatsächlich, entsprechend der gesetzlichen Vorgabe des § 13 Abs. 6 TMG, eine anonyme Nutzung gewährleistet? In diesem Fall kann man als Betreiber mit dem Verfasser eines Kommentars keinen Kontakt aufnehmen, weil man noch nicht einmal eine E-Mail-Adresse erfasst hat. Soll dies also dann dazu führen, dass man damit automatisch als Störer haftet, weil man zumutbare Prüfpflichten verletzt hat, obwohl einen das Gesetz andererseits dazu anhält, eine anonyme Nutzung zu ermöglichen? Bereits diese Überlegung zeigt, dass nur wegen einer fehlenden Rückfrage beim Verfasser schwerlich eine Störerhaftung bejaht werden kann.

Man darf auf die zu erwartende Berufung gespannt sein.

posted by Stadler at 09:40  

3.5.12

GEMA-Vergütung für Freiluftveranstaltungen

Der BGH hat mit Urteil vom 27. Oktober 2011 (Az.: I ZR 175/10) eine Verurteilung einer Tochtergesellschaft der Stadt Bochum zur Zahlung einer angemessenen Vergütung (ca. 38.500 EUR) an die GEMA für die Veranstaltung des Bochumer Weihnachtsmarkts bestätigt.

Die Beklagte hatte sich darauf berufen, dass die GEMA seit Jahrzehnten keine Tarife für Freiluftveranstaltungen aufgestellt hat, obwohl sie nach § 13 WahrnG (Urheberrechtswahrnehmungsgesetz) dazu verpflichtet ist, weshalb sie aufgrund dieses Versämnisses gar keine Vergütung fordern könne. Dieser Argumentation ist der BGH nicht gefolgt, u.a. mit der Begründung, dass aus § 13 kein Anspruch gegen die GEMA auf Aufstellung von Tarifen folgen würde. Der BGH hat einen Schadensersatzanspruch angenommen, der auch der Höhe nach berechnet werden könne. Enthält das Tarifwerk der Verwertungsgesellschaft keinen unmittelbar passenden Tarif, so der BGH, ist grundsätzlich von dem Tarif auszugehen, der nach seinen Merkmalen der im Einzelfall vorliegenden Art und Weise sowie dem Umfang der Nutzung möglichst nahe kommt.

Welche Pflichten den Veranstalter treffen, wenn urheberrechtlich geschützte Werke wiedergegeben werden und was die sog. GEMA-Vermutung besagt, habe ich in einem älteren Blogbeitrag erläutert.

 

posted by Stadler at 18:15  

3.5.12

Bürgerrechtspreis für den CCC, Constanze Kurz und Frank Rieger

Der Chaos Computer Club sowie seine beiden Sprecher Constanze Kurz und Frank Rieger erhalten am 12.05.2012 den Werner-Holtfort-Preis für bürger- und menschenrechtliches Engagement.

In der Pressemitteilung der Holtfort-Stiftung heißt es zur Begründung:

Der CCC erhält den Preis für seine langjährige intensive Aufklärungsarbeit gegen die ausufernde staatliche und privatwirtschaftliche Überwachung der Bürgerinnen und Bürger und die Aufdeckung immer neuer unerlaubter Ausforschungsversuche staatlicher und privater Stellen, zuletzt die sog. Staatstrojaner, welche von der Polizei ohne ausreichende Rechtsgrundlage heimlich zur vollständigen Überwachung privater Computer genutzt werden.

Die beiden Preisträger betreiben durch allgemeinverständliche Vorträge und Veranstaltungen eine intensive Aufklärung und werden inzwischen als kritische Sachverständige von dem Bundesverfassungsgericht hinzugezogen.

Der Preis ist übrigens dotiert mit 5.000,– Euro, die  in kleinen gebrauchten und nicht registrierten Scheinen ausbezahlt werden.;-)

Der vor 20 Jahren verstorbene Stifter Werner Holtfort war Rechtsanwalt, Mitglied des Bundesvorstands der Humanistischen Union und Mitbegründer des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins. Die Holtfort-Stiftung als Alleinerbin verleiht entsprechend der testamentarischen Vorgaben den Werner-Holtfort-Preis für herausragende Leistungen zur Verteidigung der Bürgerrechte.

posted by Stadler at 10:18  

3.5.12

Peter Müller als Verfassungsrichter gleich mal befangen

Der frühere saarländische Ministerpräsident und jetzige Verfassungsrichter Peter Müller ist in zwei beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Organstreitigkeiten über die Wahl des Bundespräsidenten von der Ausübung seines Richteramtes ausgeschlossen. Das hat der 2. Senat – ohne Mitwirkung Müllers – am 18.04.2012 (Az.: 2 BvE 2/10) beschlossen.

Der Antragsteller – der NPD-Funktionär Udo Pastörs – gehörte u. a. der 14. Bundesversammlung zur Wahl des Bundespräsidenten an und sieht sich durch Beschlüsse der Versammlung zur Geschäftsordnung in seinen verfassungsrechtlichen Rechten verletzt. Er hat deshalb Bundesverfassungsrichter Müller abgelehnt, der ebenfalls Mitglied der Bundesversammlung war.

Nach den Vorschriften des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes ist ein Richter des Bundesverfassungsgerichts von der Ausübung seines Richteramtes ausgeschlossen, wenn er in derselben Sache bereits von Amts oder Berufs wegen tätig gewesen ist (§ 18 Abs. 1 Nr. 2 BVerfGG). Dies ist bei Müller der Fall. Er war vor seiner Richterernennung in derselben Sache mitentscheidend tätig. Bei der Teilnahme an Abstimmungen und Wahlen in der Bundesversammlung handelt es sich nicht um eine Mitwirkung im Gesetzgebungsverfahren, für die das Gesetz den Ausschluss nicht vorsieht (§ 18 Abs. 3 Nr. 1 BVerfGG).

Quelle: PM des BVerfG

posted by Stadler at 09:45  

2.5.12

Das Urheberrecht und der Unterricht

In der heutigen Ausgabe der taz ist unter dem Titel „Schulbuch sucht legale Nachfolger“ ein lesenwerter Artikel von Felix Schaumburg und Jöran Muuß-Merholz – den es auch in einer längeren Version gibt – erschienen, der anschaulich schildert, warum das geltende Urheberrecht pädagogisch gebotene Unterrichtskonzepte erschwert und behindert.

Aus Werken, die für den Unterrichtsgebrauch an Schulen bestimmt sind, darf nämlich generell nicht für Unterrichtszwecke kopiert werden, auch wenn es sich nur um einzelne Seiten handelt (§ 53 Abs. 3 S. 2 UrhG). Dieses Komplettverbot der Anfertigung von Kopien aus Schulbüchern ist erst im Jahre 2008, auf Druck der Schulbuchverlage, in das Gesetz aufgenommen worden. Auch aus anderen Werken dürfen zu Zwecken des Unterrichts nur kleine Teile kopiert werden und auch nur dann, wenn die Vervielfältigung zur Veranschaulichung im Unterricht geboten ist. Dieses Merkmal wird beispielsweise vom OLG Stuttgart auch noch restriktiv dahingehend ausgelegt, dass eine Vervielfältigung zur Vertiefung und Ergänzung keine Veranschaulichung des Unterrichts mehr darstellt.

Auch die Online-Zurverfügungstellung von Kopien zu Zwecken des Unterrichts im Rahmen geschlossener Benutzergruppen, ist nur sehr eingeschränkt möglich.

Der Lehrer oder Dozent, der Materialien an seine Schüler oder Studenten weitergeben möchte, steht also in einem permanenten Konflikt mit dem geltenden Urheberrecht, den der Gesetzgeber aus Rücksicht auf die wirtschaftlichen Belange von Schulbuchverlagen bewusst in Kauf nimmt. Man weiß in den Kultusministerien nur zu genau, dass zu Zwecken des Unterrichts eigentlich laufend gegen das Urheberrecht verstoßen wird und aus pädagogischer und bildungspolitischer Sicht auch werden muss, weil man andernfalls einen zeitgemäßen Unterricht kaum gestalten könnte.

Die aktuelle Gesetzeslage ist nicht mehr praktikabel, sie treibt Lehrer und Dozenten förmlich in die Urheberrechtsverletzung. Die Politik müsste vor diesem Hintergrund eigentlich freie Lern- und Lehrmaterialien fördern, zumal das auch die Haushalte entlasten würde. Interessanterweise ist in Deutschland das Interesse an der zukunftsweisenden OER (Open Educational Resources)-Bewegung, anders als in anderen Staaten, aber eher gering. Dabei wäre es Aufgabe staatlicher Bildungspolitik, derartige Initiativen und Projekte aktiv zu unterstützten.

In anderen Ländern ist man da in verschiedenerlei Hinsicht schon weiter. Im Polen gibt es beispielsweise ein Programm “Digitale Schule” das u.a. vorsieht, Schulbücher für die Jahrgangsstufen vier bis sechs unter der Creative Commons-Lizenz zu veröffentlichen. Initiatoren dieses Projekts waren übrigens Bildungseinrichtungen und Netzaktivisten. Hierzulande hat es demgegenüber den Anschein als sei die Urheberrechtsdebatte auf das Thema Filesharing begrenzt.

Die Politik sollte also einerseits freie Lern- und Lehrmaterialien fördern und andererseits bei einer Reform von §§ 52a, 53 UrhG endlich einmal zum großen Wurf ausholen. Die bisherige, restriktive Regelung muss deutlich erweitert werden und zwar dahingehend, dass auch die Vervielfältigung und Zugänglichmachung größerer Teile eines Werkes zu Unterrichtszwecken privilegiert wird.  Lehrer sollten sich im übrigen mit anderen Dingen beschäftigen als laufend mit der Frage, ob ihre Unterrichtskonzepte mit dem geltenden Urheberrecht in Einklang stehen.

 

posted by Stadler at 18:03  
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