Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

13.4.12

Bundesverfassungsgericht hebt Urteil zum Filesharing auf

Bei der Frage der Haftung des Inhabers eines Internetanschlusses für Urheberrechtsverletzungen durch im Haushalt lebende Familienangehörige deutet sich möglicherweise eine Trendwende an. Das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 21.03.2012, Az.: 1 BvR 2365/11) hat die Verurteilung eines Anschlussinhabers, der als Störer auf Erstattung der Abmahnkosten in Anspruch genommen wurde, aufgehoben und an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Das Bundesverfassungsgericht betätigt sich hier ausnahmsweise doch einmal als eine Art Superrevisionsinstanz und rügt vor allen Dingen, dass das Berufungsgericht die Revision zum BGH nicht zugelassen hat, obwohl es sich um eine umstrittene und höchstrichterlich nicht geklärte Rechtsfrage handelt, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellt.

Das angegriffene Urteil des Oberlandesgerichts Köln verletzt nach dem Beschluss des BVerfG deshalb das Recht des Beschwerdeführers auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Denn die Nichtzulassung der Revision, so das Gericht, wird nicht nachvollziehbar begründet, obwohl die Zulassung der Revision nahegelegen hätte.

In der Sache hat das Bundesverfassungsgericht freilich nicht entschieden, es zitiert aber ausführlich eine Entscheidung des OLG Frankfurt, nach der eine generelle Prüf- und Überwachungspflicht des Anschlussinhabers nicht besteht. Das BVerfG führt dann weiter aus:

Ob in der Konstellation des Ausgangsverfahrens Prüfpflichten überhaupt bestanden und falls ja, wie weit sie gingen, ist durch den vom Bundesgerichtshof aufgestellten Rechtsgrundsatz offensichtlich noch nicht geklärt. Die „Sommer unseres Lebens“-Entscheidung (…) betraf einen anderen Sachverhalt, nämlich die Frage, ob ein WLAN-Anschluss auf einen hinreichenden Schutz durch Sicherungsmaßnahmen gegen die Benutzung durch außenstehende Dritte geprüft werden muss.

Damit ist in jedem Fall klargestellt, dass die einzige Entscheidung des BGH, die es zu diesem Problemkreis gibt, einen nicht verallgemeinerungsfähigen Spezialfall betroffen hat. Dies wird von den Rechteinhabern und ihren anwaltlichen Vertretern nämlich gerne anders dargestellt und auch von einigen Gerichten anders gesehen, wie die Entscheidung zeigt.

Das Oberlandesgericht Köln wird also nunmehr nochmals entscheiden und in jedem Fall die Revision zum BGH zulassen müssen, so dass zumindest in einiger Zeit mit einer höchstrichterlichen Klärung der Frage der Störerhaftung des Anschlussinhabers für Mitbewohner und Familienangehörige zu rechnen ist.

posted by Stadler at 11:03  

9 Comments

  1. Auch einen Hinweis wert: Das nun vom BVerfG mit aufgehobene Urteil des LG Köln hatten Sie hier im Blog unter genau dem Gesichtspunkt kritisch kommentiert, der jetzt zur Feststellung des Verfassungsverstoßes geführt hat:

    http://www.internet-law.de/2010/12/neues-urteil-des-landgerichts-koln-zum-filesharing.html

    Das OLG Köln sollte öfter Blogs lesen, um Blamagen zu vermeiden.

    Comment by O. García — 13.04, 2012 @ 12:21

  2. Was das OLG Köln nach Ansicht des BVerfG „in jedem Fall“ tun muss, ist nur, die Nichtzulassung der Revision willkürfrei zu begründen. Alles andere ist weitgehend Wunschdenken.

    (Rn. 32: „Die Sache ist an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen. Diesem obliegt es zu prüfen, ob es an seiner Rechtsauffassung zu den Pflichten des Anschlussinhabers festhalten möchte; es müsste dann die Revision zulassen oder jedenfalls die Nichtzulassung schlüssig und verfassungsgemäß begründen.“)

    Comment by Jens — 13.04, 2012 @ 14:04

  3. Die ausdrückliche Betonung der Möglichkeit „ob es an seiner Rechtsauffassung festhalten möchte“, ist in meinen Augen schon als Hinweis zu werten.

    Daß das OLG seine Meinung zu einer bereits fest entschiedenen Rechtsfrage im selben Verfahren nochmal ändert, erscheint an sich eher fernliegend.

    Comment by Thomas — 13.04, 2012 @ 16:54

  4. Wäre nicht Verletzung der Rechtsweggarantie (Art. 19 Abs. 4) genauso in Frage gekommen? Bei mir (1 BvR 814/09) hat das BVerfG den genommen.

    Comment by Jens — 13.04, 2012 @ 17:49

  5. @2

    Stellt sich nun die Frage, wie es denn willkürfrei die Nichtzulassung denn begründen will ? Es gibt nunmal eine extrem uneinheitliche Beurteilung der Rechtslage durch die OLGs
    die letzlich im Interesse der Rechtssicherheit durch das BGH in einem Grundsatzurteil entschieden werden muss.

    Faktisch gesehen bleibt hier dem OLG nichts anderes übrig, vollkommen unabhängig zu welchem Ergebnis es kommt.

    Comment by Thomas B. — 13.04, 2012 @ 20:56

  6. Das BVerfG lässt – zwischen den Zeilen – m.E. schon durchklingen, welcher Ansicht es zuneigt, was aber für die Entscheidung der Zivilgerichte nicht zwingend der Maßstab sein wird.

    Um die Zulassung der Revision wird das OLG Köln aber nach den Ausführungen des BVerfG kaum herumkommen.

    Comment by Stadler — 13.04, 2012 @ 22:28

  7. Hinweis

    Der Beschluss des OLG Köln zur Anhörungsrüge vom 15.08.2011 beschäftigt sich in keinster Weise mit § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO, gerade in Bezug auf die nun vom BVerG ausführlich besprochene Thematik des BGH-Urteils „Sommer unseres Lebens“, welches nun mal die Basis allen Seins in Köln und insbesondere in der „Familienrechtsprechung“ darstellt.

    „Um die Zulassung der Revision wird das OLG Köln DAHER nach den Ausführungen des BVerfG kaum herumkommen.“

    „Das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen hat (bereits) von einer Äußerung abgesehen.“

    Wir werden es ja bald erleben, was das OLG Köln in der Sache mitzuteilen hat. Ich gehe aber mal davon aus, dass man den Schwarzen Peter nun dem BGH zuschiebt.

    Denn der eigentliche Kern der Sache ist doch, der deutliche Hinweis des BVerG gerade an die Richter in München, Köln und Hamburg, dass „Sommer unseres Lebens“ kein Geisterfahrerfreifahrtschein ist, nach dem man alle Fallkonstellationen platt fahren kann.

    Comment by Shual — 14.04, 2012 @ 00:55

  8. Die Argumentation des BGH bezüglich Bildern, lässt sich meiner Meinung nach 1:1 auch auf Texte übertragen: „Wenn sie Suchmaschinen technisch nicht daran hindern, die Abbildung aufzufinden und anzuzeigen, hätten sie der Indexierung der Werke durch „schlüssiges Verhalten“ eingewilligt.“

    http://www.heise.de/newsticker/meldung/Google-darf-auch-widerrechtlich-veroeffentlichte-Bilder-zeigen-1519865.html

    Comment by Jens Leinenbach — 14.04, 2012 @ 14:40

  9. Sorry, das sollte hierhin:
    http://www.internet-law.de/2012/04/bgh-zur-zulassigkeit-von-google-thumbnails.html

    Comment by Jens Leinenbach — 14.04, 2012 @ 14:42

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