Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

29.3.12

Wie das Handelsblatt mit Autoren umgeht

Mathias Spielkamp hat heute ein an ihn gerichtetes Schreiben des Handelsblatts veröffentlicht, das er im Nachgang zur Veröffentlichung eines Artikels bei Handelsblatt-Online erhalten hat.

Geradezu frappierend finde ich folgenden Satz des Schreibens, das vom Chefredakteur und der Geschäftsführung gezeichnet ist:

„Im Hinblick auf die multimediale Nutzung aller Beiträge erlauben wir uns, Sie darauf hinzuweisen, dass seit jeher mit jeder Honorarzahlung die Einräumung und Nutzung des Printmedien-, des Multimedia-, des Datenbank-, sowie des Werberechts zur ausschließlichen, zeitlich, räumlich und inhaltlich unbeschränkten Nutzung an allen berkannten, körperlichen und unkörperlichen Nutzungsarten abgegolten ist. Das Gleiche gilt für das Übersetzungs- und Bearbeitungsrecht sowie das Recht, die Beiträge unter bestimmten Voraussetzungen auch für unbekannte Nutzungsarten zu nutzen. Der Verlag darf die Nutzungsrechte auch auf Dritte übertragen.“

Jetzt suggeriert diese Formulierung zunächst, dass man dem Verlag als Autor diese Rechte praktisch schon durch Annahme eines Honorars einräumen würde. Das ist freilich unzutreffend. Solange man derartige Vereinbarungen nicht ausdrücklich abschließt, hat man dem Verlag im Zweifel nur ein einfaches Nutzungsrecht an seinem Text eingeräumt.

Aber auch dann, wenn man solche Klauseln tatsächlich unterschreibt, sind erhebliche Zweifel an der Rechtswirksamkeit von derart umfassenden Rechtseinräumungen angebracht. Die Rechtsprechung sieht solche „Total-Buy-Out-Klauseln“ auch zunehmend kritisch und hält sie jedenfalls in dieser weitestgehenden Ausgestaltung oftmals auch für unangemessen und damit unwirksam.

Und an dieser Stelle drängt sich mir förmlich der Schlenker zu einem Pamphlet auf, das von 51 Tatort-Autoren – die es sich freilich unter der wärmenden Decke der Rundfunkgebühren bequem gemacht haben – heute ins Netz gestellt worden ist.

Denn gerade das Schreiben des Handelsblatts illustriert sehr eindrucksvoll, worin das Hauptproblem der Autoren und Journalisten besteht. Es ist nicht das Internet, sondern es sind die Verlage, die nicht angemessen bezahlen. Was hier helfen würde, wäre ein weiterer Ausbau des Urhebervertragsrechts zugunsten der tatsächlichen Urheber, damit Knebelverträge wie die des Handelsblatts endlich der Vergangenheit angehören. Entsprechend effektive gesetzliche Regelungen hat die Verlagslobby aber bereits vor 10 Jahren erfolgreich zu verhindern gewusst. Vor diesem Hintergrund ist es für mich immer wieder erstaunlich, dass sich Autoren auch noch freiwillig vor den Karren der Urheberrechtsindustrie spannen lassen. Oder um es mit Bernd Begemann zu sagen: „Ich wünsch mir fast die Zeit zurück, da wurde man unterdrückt und musste es nicht selber tun„. Spielkamp hat dem Handelsblatt übrigens mit einem erfrischend offenen Brief geantwortet.

posted by Stadler at 18:00  

23 Comments

  1. würde mich mal interessieren, was man/frau bei so einem Tatort-Drehbuch an Zeilenhonorar bekommt.

    Wir haben GEZahlt!!!!

    Comment by Gast — 29.03, 2012 @ 18:11

  2. Die Tatort-Autoren dürften zu den am besten bezahlten Autoren in Deutschland überhaupt gehören, auch wenn sie meist auf keiner Bestseller-Liste stehen – zumindest war es so. Denn für jede Wiederholung sind neue Honorare fällig. Und die ARD-Anstalten senden jeden Tatort im Laufe der Jahrzehnte immer und immer wieder.

    Die Tatort-Autoren werden mehr als angemessen bezahlt und wollen diese Position verteidigen.

    Comment by Torsten — 29.03, 2012 @ 18:38

  3. Möglicherweise sind die Tatort-Autoren ja auch Buyout-Verträge eingegangen. Ändert aber nix daran, daß sie Müll geschrieben haben.

    Comment by Sabine Engelhardt — 29.03, 2012 @ 18:47

  4. @Thorsten

    ich hab den ersten Suchmaschinentreffer genommen:

    25k Euronen pro Drehbuch

    Da muss ein Provinzblattschreiberling ganz schön in die Tasten hauen

    Comment by Gast — 29.03, 2012 @ 18:48

  5. @3 Sabine

    Inzwischen sind das bestimmt Buy-out Verträge – es läuft ja fast täglich ein Tatort (oder auch zwei) in den Dritten Programmen.

    Comment by Gast — 29.03, 2012 @ 18:52

  6. Gast: Für ein 90-Minuten-Drehbuch, das Monate an Arbeit und viele Jahre Erfahrung benötigt, ist das kein großes Honorar. Die andauernden Wiederholungen lassen es aber zu einem außerordentlich guten Honorar anschwellen.

    Comment by Torsten — 29.03, 2012 @ 18:53

  7. @ Torsten:

    Es ist natürlich ein Privileg für einen (geschätzten) 100Seiter (inkl. großzügiger Formatierung) sichere 25000 Euro zu beziehen.

    Und ich kann mir nicht vorstellen, dass alle Wiederholungen mit den Branchenüblichen 60% Wiederholungshonorar vergütet werden.

    Comment by Gast — 29.03, 2012 @ 19:02

  8. „Vor diesem Hintergrund ist es für mich immer wieder erstaunlich, dass sich Autoren auch noch freiwillig vor den Karren der Urheberrechtsindustrie spannen lassen.“

    Ja, das wundert mich auch schon seit Ewigkeiten, seit sich mal renommierte Musiker in großen Anzeigen für ihre Ausbeuter stark gemacht haben. Diesselben, die bei anderen politischen Kampagnen das große Wort führen. Wie schlau die wohl wirklich sind?

    Comment by markenware — 29.03, 2012 @ 19:33

  9. Die Autoren haben durchaus recht
    und sofort kommt auch hier der Futterneid auf.

    Es ist erbärmlich wie die „Netzgemeinde“ reagiert wenn die Künstler sich die Unverschämtheit herausnehmen ihre Meinung zu artikulieren.

    Auch der Hausherr dieses Blogs verwendet die diffamierende Bezeichnung „Pamphlet“- schade bisher war man hier eine diffenzierte Betrachtungsweise gewöhnt.

    Solange keine inhaltliche Diskussion mit den Künstlern aufgenommen wird (um DEREN Rechte zu stärken), braucht sich niemand wundern, wenn diese sich auf die Seite der Verwerter stellen, denn sie wissen, dass alle Umsatzeinbrüche direkt auf sie umgewälzt werden.

    Und wer glaubt eine direkte Vermarktung sei das Allheilmittel dem fehlt ist halt auch nicht zu helfen.

    Comment by *terix — 30.03, 2012 @ 09:10

  10. Detailfrage: Sollte man derartigen Buy-Out-Einräumungen, die ja gerne erst nach Publikation des Textes mit dem Zahlungsavis verschickt werden (und das übrigens nicht nur vom VHB), schriftlich widersprechen? Oder ist das nicht nötig?

    Der Brief der Tatortautoren ist sehr aufgeregt und wenig zielführend. Wogegen ich sie aber in Schutz nehmen würde ist der Vorwurf mit der „wärmenden Decke der Rundfunkgebühren“.

    Mit allem Hin-und Her benötigt man für einen gutes Krimimanuskript mindestens 100 Manntage. Das ist dann also ein Tagessatz von 250 Euro. Umsatz wohlgemerkt. Nicht übel, aber auch nicht so doll. Zumal ein Tator-Autor idealiter ein Topmann sein sollte und kein „Provinzblattschreiberling“.

    Zudem hört man immer wieder, dass die Öffis auch solche Verträge haben, bei denen der Autor von den DVD-Einnahmen oder den Tshirts keinen Pfennig mehr sieht.

    Comment by Tom Hillenbrand — 30.03, 2012 @ 09:15

  11. @10.
    Die Decke der Rundfunkgebühren ist sehr warm!
    Ein Fachbuchautor braucht ca. 150 Manntage bis ein solches fertig ist, bekommt aber für das Buch etwa 1400 bis 4500 Euro.

    Das entspricht im schlechtesten Fall einem Tagessatz von ca. 9,30 Euro und im günstigeren Fall von 30 Euro pro Tag.

    Ich glaube, dass die Rundfunkgebührendecke von 250 Euro/Tag sehr sehr warm ist im Vergleich zu Leuten, die wirklich wissen müssen worüber sie schreiben, denn Noobs und Provinzblattschreiberlinge bekommen gar keine Angebote für Fachbücher und werden bei Anklopfen auch gar nicht rein gelassen.

    Comment by Frank — 30.03, 2012 @ 09:59

  12. Tut mir leid, Herr Stadler, wenn ich sie da korrigieren muss. Die wärmende Decke der Rundfunkgebühren ist weder warm, noch eine Decke.
    Aus einigen praktischen Fällen weiß ich, dass z.B. für die Produktion einer Tatort-Musik kein kostendeckendes Budget mehr ausgelobt wird, da die Komponisten, die den Film vertonen, diese Musik auch gleichzeitig produzieren und man ihnen mit der Sendung am bewährten Tatort-Sendeplatz natürlich einen erklecklichen Abrechnungsbetrag der GEMA in Aussicht stellen kann. Dieser deckt dann die Kosten und generiert den angemessenen Gewinn.
    Jede Nutzung, die diese auf geltendem Urheberrecht basierende Verwertungs- und Abrechnungskette umgeht, schädigt aber den Komponisten.

    Selbstverständlich auch das Internet!

    Es ist immer wieder erstaunlich, wie das Fehlverhalten einiger Beteiligter in einem Wirtschaftszweig (hic: Total Buy-Out) als Argument für die Entrechtung der Benachteiligten auf anderen Gebieten heran gezogen wird. Die Komponisten werden doch eh betrogen: also schütze ich sie doch indem ich ihre Betrüger und deren Handlanger (Verlage und GEMA) schädige.
    Was ist denn das für eine Logik?

    Und @ 11: Wieder so ein Logikwunder? Es gibt Autoren denen es noch schlechter geht, also sollen die Tatort-Autoren es hinnehmen, dass man sie bestiehlt? Dass Fachbuchautoren unterbezahlt sind mag sein – aber dass Tatort-Autoren Noobs oder Provinzschreiberlinge wären ist definitiv falsch.

    In der unsäglichen Diskussion die komischer Weise um das Urheberrecht entbrannt ist, sollte gerade für Juristen gelten: wenn ich die Praxis und die Details nicht kenne, blogge ich besser nix.

    Comment by Markus Hassold — 30.03, 2012 @ 10:44

  13. Nur 25K? Dachte, es sei mehr. Folkerts bekommt pro Folge 60K.

    Comment by Max — 30.03, 2012 @ 13:36

  14. Sehr geehrter Herr Stadler,
    mich würde doch mal der konkrete Paragraph im UrhG interessieren, in dem festgelegt ist, dass „die Verlage“ (auch so ein nebulöses Gebilde wie „die Internetgemeinde“) die Urheber zwingen dürfen zu Hungerlöhnen arbeiten zu müssen. Das wäre nämlich wirklich ein Grund, das Urheberrecht ändern zu müssen.
    Das Problem ist doch, das Kulturarbeit in Deutschland immer mehr zur „Privatsache“ verkommt. Wenn es irgendwo etwas zu sparen gibt, sind Kultureinrichtungen die Ersten die das spüren. Künstler sind in der Regel in keiner Gewerkschaft, streiken nicht oder organisieren sonstwie Aktionen gegen Ausbeuterverträge. Und wenn ein Autor sagt „Das ist mir zu wenig!“ dann zeigt man ihm die Tür, weil da draußen schon 100 andere stehen, die gerne den Job übernehmen und für den Hungerlohn arbeiten.

    Comment by Peter Hellinger — 30.03, 2012 @ 14:48

  15. „Ein Fachbuchautor braucht ca. 150 Manntage bis ein solches fertig ist, bekommt aber für das Buch etwa 1400 bis 4500 Euro.“

    Das liegt vielleicht daran, dass so ein Fachbuch ein paar Tausend Menschen kaufen (wenn überhaupt) und einen Tatort Millionen schauen. Der dahinter liegende Mechanismus nennt sich Marktwirtschaft.

    Jemanden,der mit Drehbüchern auf einen Jahresnetto von 30.000 Euro kommt als Fat Cat zu diffamieren ist trotzdem grotesk.

    Comment by Tom Hillenbrand — 30.03, 2012 @ 17:34

  16. Ich hab auch mal was zu diesem Thema in meinem blog geschrieben. Als ehemalige Redakteurin weiß ich ziemlich genau, wo die kreative Krise herkommt! http://katrinhilger.wordpress.com/2012/04/05/ich-glaub-es-hackt-was-fur-eine-kampagne/

    Comment by Katrin Hilger — 5.04, 2012 @ 16:42

  17. Mich würde sehr interessieren, wie Sie zu Ihrer Meinung über die Arbeit und das Entgelt von Drehbuchautoren kommen. Seit geraumer Zeit werden die Wiederholungshonorare praktisch nicht mehr gezahlt, da diese Folgen bewußt nicht mehr gesendet werden. Die Erarbeitung eines Drehbuchs dauert mindestens eineinhalb Jahre und durchläuft diverse Fassungen. Jederzeit kann die Arbeit abgebrochen werden und der Autor erhält nur ein Bruchteil des Honorars. Sind Sie mit der Materie so vertraut, dass Sie die Leistung eines Drehbuchautors in Frage stellen. Soll er weniger Gehalt bekommen oder gar keines? Ist es der richtige Ansatz Autoren zu diffamieren, die jahrelang dafür arbeiten um endlich einen verfilmtes Drehbuch zu stemmen? Oder liegt die wärmende Decke der Rundfunkgebühren eher auf ganz anderen Rücken?

    Comment by KW — 5.04, 2012 @ 17:58

  18. Je länger ich diese Urheberdebatte verfolge, desto mehr bin ich davon überrascht, was für seltsame Verträge manche Leute unterschreiben.

    Comment by Frank (der andere) — 5.04, 2012 @ 20:32

  19. Lustig in diesem Zusammenhang ist auch dieser Artikel, vom Handelsblatt angestossen:

    http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/urheberrecht-hundert-kreative-provozieren-die-netzpiraten/6482104.html

    Comment by Patrick Schiffer — 5.04, 2012 @ 20:57

  20. @17: „Jederzeit kann die Arbeit abgebrochen werden und der Autor erhält nur ein Bruchteil des Honorars.“

    Doh nur wenn er einen Vertrag unterzeichnet hat, mit dem er auf das ihm nach dem Gesetz Zustehende verzichtet hat (§ 649 BGB). Warum macht er denn das?

    Comment by le D — 6.04, 2012 @ 18:16

  21. @20: Weil hinter ihm zwanzig andere Autoren stehen, die wirklich ALLES unterschreiben, um an einen Drehbuchauftrag zu kommen.

    Comment by Chris Kurbjuhn — 10.04, 2012 @ 11:54

  22. Unterschreiben die Autoren tatsächlich solchen Mist? Dann dürfte es sich nicht um zu schützende Werke handeln. Müll.

    Müll und Abfall werden aber auch geschützt, allerdings nicht nach dem Urheberrechtsgesetz.

    Comment by Rolf Schälike — 12.04, 2012 @ 09:38

  23. Das ist in der Tat nicht die feine englische…

    Comment by Carolin Rogoz — 13.04, 2012 @ 12:36

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