Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

23.3.12

Strafurteil zu kino.to im Volltext

Das Strafurteil des AG Leipzig vom 21.12.2011 (Az.: 200 Ls 390 Js 184/11) in  Sachen kino.to ist jetzt im Volltext online. Wer sich aufschlussreiche Ausführungen zu der Frage, ob sich auch die Nutzer des Portals strafbar gemacht haben, erwartet, wird allerdings eher enttäuscht.

Eine Passage im Urteil deutet allerdings an, weshalb das Gericht offenbar der Meinung ist, dass sich auch Nutzer strafbar gemacht haben, zumal das Gericht an anderer Stelle darlegt, dass es die Vorschrift des § 44a UrhG nicht für anwendbar hält. Die besagte Passage des Urteils lautet:

Vielmehr sind die bei KINO.TO über Links angebotenen Raubkopien, zwar nicht in jedem Einzelfall, aber in der Masse der Fälle eigens für die Vermarktung über KINO.TO erzeugt und gespeichert worden. Dies ist anhand der regelmäßig in Filmwerken vorangestellten und am Ende angefügten und von KINO.TO bereitgestellten Vor- und Abspannsequenzen deutlich. Dabei handelt es sich nicht um Werbung, sondern um einen Hinweis auf die Verlinkung dieser Raubkopie über KINO.TO. Für den Nutzer war damit offenkundig, dass dieses Angebot nur zur Erlangung über den Link auf KINO.TO bestimmt war. Dem Angeklagten und den anderweitig Verfolgten kam es dabei gerade darauf an, die Exklusivität des Angebots auf KINO.TO zu verdeutlichen. Für den Nutzer wurde dadurch der Eindruck erweckt, Raubkopien von vielen Werken kostenlos zugänglich gemacht zu bekommen, die er anderweitig nicht erhalten kann. Damit unterscheidet sich das Geschäftsmodell von KINO.TO nachhaltig zum Geschäftsmodell „allgemeines Linkportal“. Es wird aus der Sicht des Nutzers nicht einfach nur auf bereits anderweitig öffentlich zugängliche Raubkopien hingewiesen, sondern erst auf der Ebene von KINO.TO findet der urheberrechtlich maßgebliche Akt der Verbreitung des einzelnen verlinkten Vervielfältigungsstücks und der öffentlich Zugänglichmachung statt. Der anonym bleibende Uploader und der austauschbare Filehoster verschwinden in der Wahrnehmung hinter dem Portal  „KINO.TO“.

posted by Stadler at 20:52  

14 Comments

  1. Diese Andeutung kann ich leider nicht erkennen, könntest Du das nochmal deutlicher ausführen? Für mich liest sich das nur als eine Begründung, warum die Verbreitung gerade durch kino.to und nicht durch eine Hostingplattform geschah (dafür wird der Anschein für den Nutzer herangezogen). Wie gerade die Nutzung zu bewerten ist, kann ich dabei nicht herauslesen.

    Comment by Ben — 23.03, 2012 @ 21:11

  2. Wenn es für den Nutzer offensichtlich ist, dass er bei kino.to illegal streamt, dann liegt die Annahme von Vorsatz nahe. Und wenn das Gericht zudem meint, dass sich der Nutzer nicht auf eine Gestattung nach § 44a UrhG und auch nicht nach § 53 UrhG – wegen der Offensichtlichkeit – berufen kann, dann liegt auch eine vorsätzliche Urheberrechtsverletzung des Nutzers vor. Und die ist strafbar.

    Comment by Stadler — 23.03, 2012 @ 21:30

  3. Ich finde die Wortwahl in dem Urteil erschreckend. Ist da tatsächlich von Raubkopien die Rede? In einem richterlichen Urteil? Bezeichnen Richter Rechteinhaber auch als Contentmafia?

    Comment by Frank — 24.03, 2012 @ 01:31

  4. Solche Urteile zeigen, warum man der Contentmafia keinen Cent in die Hände geben darf. Denn damit werden Richter gekauft.

    Comment by Steve — 24.03, 2012 @ 02:58

  5. @4 Stimmt.

    Desweiteren halte ich ein AG für diese Materie in etwa genauso geeignet, wie mich zum Karpfenzüchten. Nämlich garnicht. Mit dem Unterschied, daß ich mir das Karpfenzüchten in absehbarer Zeit beibringen könnte.

    Comment by Frank Schenk — 24.03, 2012 @ 10:19

  6. Bei den vielen Franks hier muss man sich irgendwie unterscheiden können: also ich bin Frank, und das schon seit der Geburt.

    Zur Sache:
    Ich habe mal vor vielleicht einem Jahr von Nutzern gehört, dass sie dachten, wenn das so offen angeboten wird, kann es gar nicht illegal sein, weil es doch sonst sicher gelöscht werden würde.

    Ich möchte nicht behaupten, dass Nutzer sich immer genau mit dem Gesetz auskennen und mit der Technik, die sie da benützen. Richter haben manchmal wohl die Vorstellung, dass da nur Kriminelle vor den PCs sitzen und sowas nutzen, aber in Wirklichkeit waren vielleicht sogar die Kinder, Verwandte und Bekannte von Anwälten und Richtern bei den ehemaligen Nutzern, ohne zu wissen, was genau sie da taten.

    Erinnert sich einer an das Youtube-Video, als ein Richter seine Tochter vor laufender Vidokamera verprügelte, weil sie bei einer Tauschbörse oder ähnlichem mitgemacht hat?
    Manche Richter würden lieber 30% der Bevölkerung ins Gefängnis stecken, als zuzugeben, dass am Gesetz oder ihrer Auslegung desgleichen etwas nicht stimmt.

    Comment by Frank — 24.03, 2012 @ 13:30

  7. @3, war auch mein erster Gedanke.

    7 Raubkopie
    35 Raubkopien
    Sagen strings, sed, sort, uniq und grep auf das Urteil im Namen der Contentmafia im M$-Word-Format.
    Moment, 7 und 35, ich geh‘ besser mal ein Handtuch suchen.

    Comment by ich — 24.03, 2012 @ 13:49

  8. @ Frank Schenk

    Die File-Sharer-Fraktion sagt:
    Kann man nicht so stehen lassen. Ich erlebe oft Richter an Amtsgerichten, die ihren Job (nicht vergessen… die bekommen ja quasi jeden Müll serviert) überaus „erfrischend“ erledigen.

    Vor drei Tagen zB überraschte mal wieder alle Parteien ein solcher Richter. Er hatte eine technische Anlage (aha… Bildchen helfen) gesehen, die ihn stutzig gemacht hat. Marschiert er doch in seine IT und läßt den Beweis überprüfen. In diesem Fall nun mal überaus positiv für meine Partei.

    Die Diskussion über Amtsgerichte und die Münchener „das Gutachten kostet aber viele Tausend € – zum-Vergleichsprügelei“ kann dort keinen Platz finden, wo Richter an Amtsgerichten ihr Hirn einschalten.

    Diese Amtsgerichte gibt es und ich bin über jeden Termin froh, der nicht an einem „spezialisierten“ Gerichtsstand statt findet.

    (Werde mich ewig an den Termin am Amtsgericht Wermelskirchen erinnen. :-))

    Comment by Shual — 24.03, 2012 @ 17:01

  9. @Shual:
    Die Bildungskatastrophe ist inzwischen zu den Amtsgerichten durchgerückt. In einem Land, in dem man jedem das Abitur hinterherwirft, ist das nicht verwunderlich.

    @Frank:
    Die Mehrheit sieht im Kopieren nichts unrechtes.
    In einer echten Demokratie würde es kein Urheberrecht geben.
    Das Urheberrechtsgesetz ist ein reines Lobbygesetz.

    Comment by Carsten — 24.03, 2012 @ 21:48

  10. ist ja schon annähernd wie beim Lawblog hier, also qualitätsmäßig.

    Comment by Pudel — 25.03, 2012 @ 10:49

  11. Thomas schreibt: Wenn es für den Nutzer offensichtlich ist, dass er bei kino.to illegal streamt,

    Dazu meine ich, dass es fuer ihn ohnehin offensichtlich ist. In solchen Faellen ist doch allenfalls ein Verbotsirrtum gegeben und ausserdem sind es nur theoretische Fragen, denn eine Verfolgung ist praktisch jedenfalls in der Regel gar nicht moeglich und waere auch nicht opportun.

    Comment by Heikor — 25.03, 2012 @ 16:33

  12. Carsten sagt, hoert hoert:

    @Frank:
    Die Mehrheit sieht im Kopieren nichts unrechtes.
    In einer echten Demokratie würde es kein Urheberrecht geben.
    Das Urheberrechtsgesetz ist ein reines Lobbygesetz.

    Wo bleibt Thomas?

    Comment by Heikor — 25.03, 2012 @ 16:36

  13. „Wo bleibt Thomas?“

    Versucht sich vielleicht noch an die Zeitumstellung zu gewöhnen.

    Aber den Anschein hat es schon, also ob das Urheberrechtsgesetz nur noch eine Lobby dient.
    Da läuft was schief.

    Aber wenn Geißler schon zugibt, dass wir nicht mehr in einer sozialen Marktwirtschaft leben sondern in einem Finanz-Kapitalismus, dann wundert das kaum noch.
    Man kann nur noch gegen die Auswüchse ankämpfen… und gegen korrupte Politiker.

    Comment by Frank — 26.03, 2012 @ 13:38

  14. Nochmal zurück zur Ausgangsfrage „Wo steht, dass der Nutzer von kino.to sich strafbar genacht hat?“: Siehe dazu S.9/10 des Urteils:
    „Schließlich fand zumindest eine vorübergehende Erstellung eines Vervielfältigungsstücks beim Nutzer von KINO.TO statt. Dies gilt ohnehin für diejenigen Nutzer, die den Datenstrom zur wiederholten Ansicht auf ihrem eigenen Rechner speicherten und dadurch ein weiteres dauerhaftes Vervielfältigungsstück anfertigten. Dies gilt aber auch für den Nutzer eines Streamprogrammes, der das Filmwerk nur zur einmaligen Nutzung herunterlud. Denn auch beim Streaming werden die über das Internet empfangenen Datenblöcke zunächst auf dem Rechner zwischengespeichert, um sodann in eine flüssige Bildwiedergabe auf dem Bildschirm des Nutzers ausgegeben werden zu können. § 16 UrhG stellt insoweit klar, dass auch vorübergehend erstellte Vervielfältigungsstücke dem Urheberrechtsschutz unterfallen. Die Ausnahmevorschrift des § 44a UrhG ist nicht einschlägig. Die Speicherung beim Nutzer von KINO.TO erfolgt nicht als Vermittler zwischen Dritten. Eine rechtmäßige Nutzung der Raubkopien ist ohne Genehmigung des Urhebers ebenfalls nicht möglich. Zudem haben die vorübergehenden Vervielfältigungsstücke im Streamingvorgang eine ganz wesentliche wirtschaftliche Bedeutung für den Nutzer, da er genau mittels dieser gespeicherten Daten sich den wirtschaftlichen Wert der Nutzung verschafft. Jedenfalls kann die Entscheidung des Nutzers, diese Daten nur vorübergehend und nicht auf längere Zeit gespeichert zu behalten, die eigenständige wirtschaftliche Bedeutung des Vervielfältigungsstückes für den konkreten Nutzungszweck nicht beseitigen.“

    Comment by ML — 29.03, 2012 @ 09:58

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