Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

9.2.12

Kritische Online-Berichterstattung und Meta-Tags

Immer wieder wird versucht, das Marken- und Wettbewerbsrecht als Vehikel zur Untersagung unliebsamer Meinungsäußerungen zu benutzen. Über derartige Fälle, in denen eine kritische Meinungsäußerung vor allen Dingen deshalb beanstandet worden ist, weil flankierend das Unternehmenskennzeichen und/oder eine Marke als Keyword im Meta-Tag verwendet wurde, hatte ich bereits berichtet.

Eine der verfehltesten Entscheidungen aus diesem Bereich stammt vom Landgericht München I (Urteil vom 19.05.2011, Az.: 4 HK O 14051/10). Die Klägerin ist ein Unternehmen, dessen Geschäftskonzept darin besteht, Gewerbetreibende mit irreführenden Werbeschreiben, bei denen der Hinweis auf die Entgeltlichkeit gezielt unauffällig gestaltet ist, zum Abschluss von kostenpflichtigen Branchenbucheinträgen zu bewegen. Mit dieser Praxis hat sich übrigens auch der BGH unlängst beschäftigt. Weil der Klägerin die durchaus deutliche und heftige Kritik des Beklagten an ihren Geschäftspraktiken ein Dorn im Auge war, ist sie auf eine interessante Idee gekommen, wie die berechtige Berichterstattung des Beklagten unterbunden werden könnte. Sie hat beim Landgericht München I beantragt, dem Beklagten zu verbieten, im Meta-Tag seiner Website den Unternehmensnamen „European Business Guide“ sowie den Namen des Geschäftsführers zu verwenden. Und dies obwohl beide Begriffe auch offen zum Zwecke der Kritik an den Geschäftspraktiken verwendet worden sind.

Das Landgericht hat dieser Klage dann auch tatsächlich stattgegeben. Diese speziell in ihrer Begründung fast absurde Entscheidung des Landgerichts München I ist vom OLG München heute, im Rahmen des von mir anwaltlich betreuten Berufungsverfahrens, aufgehoben worden (Urteil des OLG München vom 09.02.2012, Az.: 6 U 2488/11). Sobald die Urteilsgründe vorliegen, werde ich nochmals ausführlich berichten. Auch in München gibt es also durchaus meinungsfreundliche Entscheidungen.

 

posted by Stadler at 15:05  

8 Comments

  1. Ich glaube, dass vielen Richtern in dem Bereich gar nicht bewusst ist, was sie tun, wie beim Landgericht.
    Das mag jetzt noch dank des OLG gut gegangen sein, aber man darf gespannt auf die spätere Auslegung von ACTA sein, geht es da schließlich nicht nur um Urheberschutz, sondern auch um Markenschutz.
    Und wie man sieht, kann man diesen auch als Waffe einsetzen.
    Dazu passt auch dieser Artikel, der im unteren Drittel richtig interessant wird: http://www.ferner-alsdorf.de/2012/02/das-anti-counterfeiting-trade-agreement-acta-und-das-deutsche-recht/wettbewerbsrecht/strafrecht/rechtsanwalt/verkehrsrecht/

    Comment by Frank — 9.02, 2012 @ 15:27

  2. In der Tat hatten sich die Gerichte in München über Monate einigermaßen massiv verrannt. Es mag bezweifelt werden, ob ihnen die presserechtliche Dimension der primär markenrechtlich gestützten Entscheidungen wirklich bewußt gewesen ist. In den Hauptsacheentscheidungen gab es dann aber in München eine flächendeckende Umkehr zu meinungsfreundlicher Rechtsprechung. Von diesem „blutigen“ Kampf können einige kämpferische Kollegen diesseits der Abzockfront genauer berichten. Parallel wurde am LG Düsseldorf die Materie über eine negative Feststellungsklage abgehandelt, nachdem einer der großen Hinterfiguren des Adressbuchgeflechts in üblicher großmäuliger Weise Druck auf den Antispam ausgeübt und Zensurforderungen erhoben hatte. Näheres habe ich hier ausgeführt, auch die Entscheidung lässt sich herunterladen. http://www.kanzlei-richter.com/presse-und-medienrecht/heller-wahnsinn-zensur-via-markenrecht-und-kein-ende.html.

    Auf die Begründung der OLG-Entscheidung aus München bin ich gespannt. Bitte veröffentlichen Sie, lieber Kollege Stadler!

    Comment by RA Stefan Richter — 9.02, 2012 @ 17:02

  3. Obwohl ich mich nur ungern in die „Die Gerichte wissen nicht, was Sie tun“-Rufer einreihe, kann ich bestätigen, dass München und die dortigen Handelskammern gerne mal Sachen durchwinken. Dies nach unserer Erfahrung insbesondere dann, wenn die nicht unbekannte Klägerkanzlei beteiligt ist.

    Ich gehe davon aus, dass deren Patentanwalt ganz schwer und angestrengt an dem Verfahren mitgewirkt hat ;-).

    Comment by Arno Lampmann — 9.02, 2012 @ 17:18

  4. Nebenbei bemerkt, dass es „SEO“-Programme gibt (oder gab), die Metatags aus den Begriffen im Seitentext automatisch generieren.
    Das Internet wird für Nichtjuristen und Nichttechniker immer gefährlicher.

    Comment by Frank — 9.02, 2012 @ 17:46

  5. @Arno Lampmann:
    Dass besagte Kanzlei, bei denen regelmäßig ein Patentanwalt mitwirkt, in München in der Tat einen gewissen Bonus hat, ist bekannt.

    Im konkreten Fall hat sich der Senat in der mündlichen Verhandlung mit sehr klaren Worten zur Qualität des erstinstanzlichen Urteils geäußert und auch deutlich gemacht, dass der Tenor in dieser Form sicherlich keinen Bestand haben kann, worauf der Kollege noch einen Hilfsantrag gestellt hat. Im Termin wurde auch deutlich, dass der Senat kennzeichenrechtliche und wettbewerbsrechtliche Ansprüche für eher abwegig hält und der Streitfall äußerungsrechtlich zu beurteilen ist.

    Comment by Stadler — 9.02, 2012 @ 20:17

  6. Sehr schön. Gute Arbeit Herr Stadler! =)

    Comment by Seb — 10.02, 2012 @ 08:11

  7. Vielen Dank, Herr Stadler!

    Auch in unserer Branche gibt es diverse, der Wettbewerbszentrale wohlbekannte Anbieter, welche sich der negativen Berichterstattung in den Medien mit Blick auf den (Namens)Markenschutz erwehrten und auf diese Weise entsprechende Artikel immer wieder abmahnten und so entfernen ließen.

    Ich freue mich auf die Begründung.

    Viele Grüße

    Andreas

    Comment by Andreas — 6.03, 2012 @ 00:10

  8. Das ist mal eine sehr interessante Taktik seitens der Klägerin. Aber heftig, dass sie damit durchgekommen sind.
    Nichtsdestotrotz ein interessanter und lesenswerter Artikel. Danke fürs posten!

    LG,
    Paul von Patentanwalt München

    Comment by Diehl Patent — 9.08, 2013 @ 17:38

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