Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

12.7.11

Die Diskussion um den JMStV geht wieder los

Die Novellierung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV) ist bekanntlich Ende des letzten Jahres gescheitert, was u.a. auch mit dem Widerstand der Netzgemeinde zu tun hatte.

Die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM) setzt sich in einem neuen Positionspapier erneut und unverändert für den gescheiterten Gesetzesentwurf und insbesondere die Alterskennzeichnung von Websites ein. Offenbar hat man dort nach wie vor nicht erkannt, dass dieser Vorschlag kaum mehrheitsfähig sein dürfte.

Die FSM setzt aber dann noch einen drauf und verlangt, dass die gesetzlich vorgesehene Anerkennung von Jugendschutzprogrammen entfallen muss, um dem System – gemeint ist das Zusammenspiel von Alterskennzeichnung und Filterprogrammen – endlich zum Durchbruch zu verhelfen. Wörtlich heißt es:

Die Anerkennung des Jugendschutzprogramms als Voraussetzung muss also entfallen, um dem System endlich zum Durchbruch zu verhelfen. Nur so ist mit einer breiten Streuung der Alterskennzeichnung zu rechnen, worauf dann Jugendschutzprogramme effektiv aufsetzen können.

Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Der Jugendmedienschutz – der ohnehin alles andere als effektiv ist – soll dadurch gestärkt werden, dass auch Filterprogramme die keinerlei Nachweis ihrer Tauglichkeit erbracht haben, ausreichend sind, um die jugendschutzrechtlichen Anforderungen zu erfüllen.

Das ganze Papier der FSM stellt leider ,und das auch noch eine Spur zu offensichtlich, Lobbyismus zugunsten der Hersteller von Filtersoftware dar.

Wenn ohnehin kein Wirksamkeitsnachweis mehr erbracht werden muss, dann wäre es besser, den JMStV komplett zu streichen und sich auf die Schutzmechanismen zu beschränken, die das Sicherheitsrecht und das Strafrecht bieten. Denn ein gesetzliches Förderprogramm für Software die nicht funktioniert, kann nicht Sinn und Zweck des Jugemdmedienschutzes sein.

Dass es bisher keine anerkannten Jugendschutzprogramme gibt, liegt wohl vor allem daran, dass es keine Software gab, die die qualitativen Anforderungen erfüllt hätte. Wie man hört, gibt es mittlerweile allerdings Anerkennungsanträge und das obwohl das System, das die FSM so vehement verteidigt, gescheitert ist.

Weshalb es für derartige Jugendschutzsoftware überhaupt einer gesetzlichen Regelung bedarf, ist auch einer der Punkte, die zu diskutieren ist.

posted by Stadler at 21:49  

7 Comments

  1. Wieso, ist doch eine tolle Lücke. Muss ich nur noch Opera/Chrome/Firefox als „Filterprogramm“ deklarieren – und schon ist der ganze Spuck vorbei ;)

    Comment by Lama — 12.07, 2011 @ 21:56

  2. Alle Jahre wieder kommt die Zensur, nun also wieder einmal in Form des Zombies JMStV, ein echter Untoter. Mal sehen, da muss bestimmt wieder jemand zustimmen, obwohl er strikt dagegen ist.

    Die armen, die das dann wieder müssen, tun mir jetzt schon leid.

    Viele Grüsse,
    VB.

    P.S: Hat jemand einen Holzpflock zur Hand?

    Comment by Volker Birk — 12.07, 2011 @ 23:01

  3. Ich sprach mal mit meiner 13-jährigen Nichte über das Thema Jugendschutz. Ihr Kommentar dazu war nur: „Braucht man nicht.“

    Sie ist gut behütet aufgewachsen und sah, wie sie mir sagte, bei Freunden den Film „Hostel“.

    Sie fand ihn langweilig und schlecht…

    Comment by Damn it — 13.07, 2011 @ 00:57

  4. Auch wenn es schon einen Bart hat….

    Jugendschutz so wie ihn deutsche Jugendschützer verstehen ist im „www“ nur für Seiten möglich die in De. gehostet werden und xx% der Seiten werden in De. eben nicht gehostet.

    Schon alleine aus diesem Grunde versagt jeglicher zwangsweise verordnete Jugendschutz.

    Nimmt man noch das Internet dazu mit P2P, Usenet, BBS und auch die Darknets wie TOR hidden services (Onion) oder freenet….dann ist Jugendschutz von staatlicher Seite nicht mehr existent und auch nicht mehr durchführbar.

    Da ich die Damen und Herren von der FSM, KjM, BPjM usw. doch nicht für so blöde halte, stellt sich die Frage was damit bezweckt werden soll.
    Denn Tatsache wird sein, dass dieses Konzept nicht funktionieren wird (praktisch große Lücken aus Sicht der Jugendschützer entstehen), ferner selbst wenn es Kennzeichnung und Filterprogramme gibt, Eltern sie nicht einsetzen werden.
    Daraus dürfte sich dann sehr schnell die Forderung ergeben doch beim ISP mit Jugendschutz einzusetzen und wenn ich mich nicht irre hat die KJM auch schon mal angedeutet, dass Sperrverfügungen für renitente ausländische Seiten mit unzulässigen Inhalten durchaus eine Option wären…..

    bombjack

    Comment by bombjack — 13.07, 2011 @ 07:47

  5. Ich möchte auch hier gern noch mal die Frage aufwerfen, auf welche belastbaren Studien sich denn dieser ganze Jugendschutzkrams stützt. Wo werden die kaputten Existenzen, zerstört von dem Rezipieren von Inhalten aus dem Internet (oder von wo immer), untersucht?

    Zweitens: Wie kann ein Gesetzgeber (lies: Staatsvertragzusammenzimmerer) einen nirgends normenklar beschriebenen Begriff wie „entwicklungsgefährdend“ in sein Machwerk schreiben? In der Hoffnung, dass er sich durchsetzt?

    Vielleicht mag mich ja einer drauf stoßen, wo und wie beides beschrieben und begründet wird. Sollten sich die Grundlagen als nicht tragfähig herausstellen, sage ich das, was ich immer sage: eine breite Diskussion über Werte wurde nie geführt. Sie ist überfällig. Werte vom Gesetzesmacher lauwarm serviert zu bekommen, genügt nicht!

    Comment by Bernd Fachinger — 13.07, 2011 @ 09:47

  6. Irgendwie erinnert mich das Aussetzen der Anerkennung an einen Spruch, den ich aus dem pharmazeutischen Bereich kenne:
    „Seien Sie doch froh, dass es neben den ganzen Nebenwirkungen nicht auch noch eine Hauptwirkung gibt!“

    Comment by Sam Vimes — 13.07, 2011 @ 14:27

  7. ein sinnvoller JMStV setzt ein stärkeres engagement gegen human trafficking voraus. das erfordert eine bessere vernetzung der gruppen, organisationen und initiativen gegen moderne sklaverei mit den jugendschützern, medienpädagogen und denjenigen, die das internet wirklich zu einem sicheren ort machen wollen.

    Comment by sensiblo chamaeleon — 19.08, 2011 @ 13:08

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