Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

5.4.11

Rechtswidrige Onlinedurchsuchungen

Vor einiger Zeit hatte ich hier über rechtswidrige Methoden der Onlineüberwachung berichtet, die vom bayerischen Landesakriminalamt praktiziert wurden bzw. werden. Mein damalige Vermutung, dass das LKA diese Technik nicht zum ersten Mal zur Anwendung gebracht hat, hat sich mittlerweile ebenfalls bestätigt.

Florian Albrecht hat sich des Themas nun aus wissenschaftlicher Sicht angenommen und beleuchtet die sich stellenden juristischen Fragen in einem lesenswerten Aufsatz für JurPC. Sein Fazit ist eindeutig. Der Einsatz des „Bayern-Trojaners“ stellt eine unzulässige Onlinedurchsuchung dar. Albrecht erläutert zudem in überzeugender Art und Weise, dass die Vorschrift des § 100a StPO generell keine ausreichende Rechtsgrundlage für eine sog. Quellen-TKÜ bietet, also für eine TK-Überwachung direkt am Endgerät des Nutzers. Die derzeit wohl h.M. sieht dies allerdings noch anders.

Der Autor weist in seiner Zusammenfassung auch völlig zu Recht darauf hin, dass Ermittlungsbehörden derzeit die Zurverfügungstellung sämtlicher Überwachungsinstrumente fordern, die technisch verfügbar sind, gleichzeitig aber eine Effizienzkontrolle nicht stattfindet.

Update:
Ergänzend der Hinweis auf Buermeyer/ Bäcker, Zur Rechtswidrigkeit der Quellen-Telekommunikationsüberwachung auf Grundlage des § 100a StPO.

posted by Stadler at 12:30  

5 Comments

  1. Hallo,

    vielen Dank für den Hinweis auf den Text von Florian Albrecht! Ob allerdings die hM in der Literatur wirklich noch die Quellen-TKÜ für zulässig hält, darf man doch bezweifeln.

    Es scheint mir eher so zu sein, dass im Wesentlichen Herr Bär diese Meinung kundtut – das allerdings vielfach und lautstark auf den „Beck-Kanälen“, mit spürbaren Bauchschmerzen evtl. auch noch Nack im KK sowie Cierniak im Meyer-Goßner.

    Aus der Literatur im engeren Sinne (=außerhalb der Praktiker-Kommentare) sehe ich aber niemanden, der dieser Meinung wäre – dagegen zuletzt etwa Becker/Meinicke im StV 2011 Heft 1.

    Zum Ganzen siehe schon Buermeyer/Bäcker HRRS 2009, 433:

    http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/archiv/09-10/index.php?sz=8

    auch mit zahlreichen Hinweisen zur Literatur: Nach der Online-Durchsuchungs-Entscheidung des BVerfG wurde nämlich einhellig vertreten, dass es für eine Quellen-TKÜ mindestens eine „saubere“ Grundlage in der StPO bräuchte, also § 100a StPO definitiv nicht genügt – so etwa Hoffmann-Riem (keine ganz irrelevante Stimme), Sankol oder Hornung.

    Ich denke, die Quellen-TKÜ ist eher ein Beispiel dafür, wie einige wenige pointiert „eingriffsfreundliche“ Stimmen in der Literatur von Amts- und Landrichtern einseitig zur Grundlage ihrer Entscheidungen gemacht werden. Das wird sicherlich auch dadurch begünstigt, dass sich kritischere Stimmen kaum in Beck-Medien wiederfinden, diese aber einen überproportionalen Einfluss auf die (zumal untergerichtliche) Rechtsprechung haben.

    Comment by @vieuxrenard — 5.04, 2011 @ 12:54

  2. @vieuxrenard: Deshalb habe ich ja auch „wohl h.m.“ geschrieben. Was in der Literatur derzeit als herrschend zu betrachten ist, weiß ich nicht. Die Rechtspraxis hält aber die Quellen-TKÜ weitgehend für zulässig, wofür ja auch der Beschluss des LG Landshut ein Beleg ist. Danke für den Link!

    Comment by Stadler — 5.04, 2011 @ 13:30

  3. Guten Tag,

    Vielen Dank fuer diesen Bericht, insbesondere die beiden verlinkten Artikel bieten viel Interessantes.
    Das Ergebnis und die Schlussvolgerungen sind eigentlich klar – was mir aber immer noch nicht in den Kopf will (bin aber auch kein Jurist) ist die Tatsache, wieso immer alle den StPO § 100a heranziehen, wo doch bereits StGB §303b (1) Satz 3 i.V.m. §202c das Einbringen eines „Abhoertrojaners“ auf den Computer des Beschuldigten verbietet ….
    Vielleicht koennen Sie ja mal ein wenig Licht in die Sache bringen. Vielen Dank

    Comment by Berliner — 5.04, 2011 @ 15:38

  4. Es wäre doch mal schön, wenn einer der mitlesenden Juristen eine Strafanzeige gegen die ermittelnden Beamten des LKA Bayern stellen würde (gem. § 202a Abs. 1 StGB). Außerdem würde mich interessieren, ob in der Sache inzwischen Verfassungsbeschwerde erhoben wurde (RA Patrick Schladt war Rechtsbeistand im genannten Verfahren).

    Comment by Martin Hansen — 6.04, 2011 @ 15:22

  5. Ich finde es erschreckend, wie leichtfertig und mit welchen Scheinargumenten das Landgericht in dem oben genannten Fall die Quellen-TKÜ auf Grundlage des § 100a StPO für zulässig erachtet hat. Im Wesentlichen beschränkt sich die Argumentation darauf, dass wenn man analoge Telefongespräche abhören darf, das Gleiche auch für Gespräche per VoIP gelten muss. Ganz nach dem Motto: das haben wir doch immer schon gemacht.
    Hätte sich das Gericht etwas tiefgreifender mit der Thematik auseinander gesetzt, hätte es zu einem anderen Ergebnis kommen müssen.

    Comment by Ernst Hage — 11.04, 2011 @ 11:06

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