Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

14.4.11

Gegen den BGH

Ein mutiger Amtsrichter widerspricht in einer neuen Entscheidung (AG Meldorf, Urteil vom 29.03.2011, Az.: 81 C 1403/10) dem BGH gleich zweimal.

Das Amtsgericht Meldorf qualifiziert den Internetzugangsvertrag als Miete. Einen Dienstvertrag – wie übrigens mehrfach vom BGH angenommen – lehnt das Amtsgericht mit der Begründung ab, das Dienstvertragsrecht sei auf menschliche Dienste zugeschnitten. Mit einer ähnlichen Argumentation müsste man dann aber auch die Qualifizierung als Mietvertrag ablehnen. Denn der Mietvertrag sieht als Hauptleistungspflicht die Überlassung einer Mietsache vor. Nun ist der Internetzugang erstens keine Sache und zweitens ist Leistungsinhalt nicht die (passive) Gebrauchsüberlassung, sondern die Erbringung einer aktiven Leistung. Mit der Argumentation des AG Meldorf ließe sich letztlich fast jede technische Leistung als Mietvertrag einstufen.Die Qualifikation des Internetzugangs als Miete ist deshalb – anders als beim Hosting – einigermaßen abwegig.

Der zweite Aspekt betrifft die Auslegung von § 100 TKG. Die Entscheidung des Amtsgerichts geht hierbei von der unzutreffenden Prämisse aus, der Bundesgerichtshof würde aus § 100 Abs. 1 TKG die Befugnis von Internet-Zugangsanbietern zur anlasslosen und generellen Vorratsspeicherung sämtlicher zugewiesener IP-Adressen und Verbindungszeiten ableiten. Das hat der BGH aber so gar nicht entschieden. Unabhängig davon, ob und wie lange ein ISP IP-Adressen speichern darf, ist die eigentlich interessante Frage im konkreten Fall aber die, ob aus einer unzulässigen oder überlangen Speicherung ein zivilprozessuales Beweisverwertungsverbot folgt. Über diese Frage geht der Amtsrichter allerdings großzügig hinweg. Das Urteil überzeugt mich, anders als beispielsweise den Kollegen Vetter, in seiner Begründung deshalb nicht.

posted by Stadler at 21:26  

Ein Kommentar

  1. Über die Frage des Beweisverwertungsverbots geht das Amtsgericht nicht hinweg, sondern verweist zur Begründung auf eine Entscheidung des OLG Karlsruhe, in der die Frage ausführlich behandelt wird:

    „Die unzulässige Speicherung der Daten beim Internet-Provider […] führen zu einem Beweisverwertungsverbot im Zivilprozess. Da der Beweis der Urheberschaft für die beanstandeten Emails mit der Auskunft des Internet-Providers nicht geführt werden darf, muss die Klägerin im Zivilprozess insoweit als beweislos behandelt werden. Andere Beweismittel sind nicht vorhanden.

    Wird durch eine Beweiserhebung in ein verfassungsrechtlich geschütztes Individualrecht eingegriffen, und ist die Verwertung nicht ausnahmsweise durch Güterabwägung gerechtfertigt, so führt die unzulässige Beweiserhebung im Zivilprozess zu einem Verwertungsverbot (vgl. Zöller/Greger Zivilprozessordnung, 27. Auflage 2009, § 286 ZPO Rdn. 15a mit Nachweisen). Vorliegend ist durch die unzulässige Auskunft des Internet-Providers das Grundrecht des Beklagten aus Artikel 10 Abs. 1 GG (Fernmeldegeheimnis) verletzt worden. Eine Güterabwägung kann eine Verwertung nicht rechtfertigen; denn die Voraussetzungen, unter denen die Verkehrsdaten einer elektronischen Kommunikation offenbart werden dürfen, sind in formeller und in materieller Hinsicht in § 100g StPO und § 100b Abs. 1 StPO abschließend geregelt. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, müssen die wirtschaftlichen Interessen eines Unternehmers, der – wie die Klägerin – in seiner wirtschaftlichen Betätigung möglicherweise durch ein wettbewerbswidriges Verhalten eines Konkurrenten gestört wird, gegenüber dem grundrechtlichen Schutz aus Artikel 10 Abs. 1 GG zurücktreten (vgl. zu Beweisverwertungsverboten in ähnlichen Fällen Leipold in Stein-Jonas, Band 3, 21. Auflage 1996, § 284 ZPO Rdn. 56 ff.; Heinemann, MDR 2001, 137; vgl. im Übrigen zur Bedeutung von Art. 10 GG BVerfG, Beschluss vom 11.03.2008 – 1 BvR 256/08 – Rn. 156, zitiert nach JURIS). Das Verwertungsverbot erstreckt sich vorliegend nicht nur auf die schriftliche Auskunft des Internet-Providers, sondern ebenso auf die – von der Klägerin beantragte – Vernehmung derjenigen Mitarbeiter des Internet-Providers als Zeugen, welche die Feststellungen zur Zuordnung der IP-Adressen gemacht haben sollen (vgl. zur Reichweite des Beweisverwertungsverbotes Zöller/Greger aaO, § 286 ZPO Rdn. 15e).“

    http://www.webshoprecht.de/IRUrteile/Rspr630.php

    Comment by Jemand — 16.04, 2011 @ 11:49

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