Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

4.11.10

Netzsperren: Warum das Zugangserschwerungsgesetz verfassungswidrig ist

Das Gesetz zur Erschwerung des Zugangs zu kinderpornographischen Inhalten in Kommunikationsnetzen (Zugangserschwerungsgesetz) ist am 23.02.2010 in Kraft getreten. Nach dem Gesetz ist das Bundeskriminalamt (BKA) verpflichtet, eine sog. Sperrliste mit Domainnamen, Internetprotokoll-Adressen und Zieladressen von Telemedienangeboten zu führen, die kinderpornographische Inhalte i.S.v. § 184b StGB enthalten. Diese Liste muss inländischen Internetzugangsprovidern tagesaktuell übermittelt werden. Die Provider sollen dann den Zugang zu den in der Sperrliste genannten Angeboten durch technische Maßnahmen erschweren.

Dieses Gesetz wird bis heute allerdings nicht vollzogen, weil das Bundesministerium des Inneren durch einen Nichtanwendungserlass – der in dieser Form evident rechtswidrig ist – gegenüber dem BKA angeordnet hat, vorerst keine Sperrlisten zu führen, sondern sich ausschließlich um das Löschen von einschlägigen Inhalten zu bemühen.

Die Oppositionsparteien im Bundestag (SPD, Grüne, Linke) haben eigene Gesetzesentwürfe zur Aufhebung des Zugangserschwerungsgesetzes eingebracht, die derzeit in den Ausschüssen behandelt werden. Nach einer Anhörung im Unterausschuss Neue Medien – an der ich als Sachverständiger teilgenommen habe – findet am 10.11.2010 eine weitere Anhörung im Rechtsausschuss statt, in der es um die rechtlichen Fragen geht. Aus diesem Grund möchte ich nochmals ausführlich die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das Zugangserschwerungsgesetz erläutern und zusammenfassen.

1.  Fehlende Gesetzgebungskompetenz des Bundes

Dem Bund fehlt es an einer Gesetzgebungskompetenz für das Vorhaben. Der Kompetenztitel des Art. 74 Nr. 11 GG (Recht der Wirtschaft), auf den sich das Gesetz stützt, ist nicht einschlägig, weil die geregelte Materie ausschließlich den Bereich des Polizei- und Sicherheitsrechts betrifft und damit in die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder fällt. Nach der Rechtsprechung des BVerfG erstreckt sich der Kompetenztitel des Rechts der Wirtschaft nicht auf Vorschriften, die allein dazu dienen, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu schützen, auch wenn sie Auswirkungen auf die wirtschaftliche Tätigkeit  haben  (BVerfGE 8, 143, 149 f.; 13, 367, 371 f.; 41, 344).

Gegenstand der Regelung ist nicht die wirtschaftliche Betätigung der betroffenen Zugangsvermittler („Access-Provider“). Diese werden vielmehr nur als eine Art Verwaltungshelfer beim Vollzug des Gesetzes in Anspruch genommen. Gegenstand und Ziel des Gesetzes ist ausschließlich die Bekämpfung der Verbreitung von Kinderpornographie im Netz und damit ein Anliegen der Gefahrenabwehr.

2.  Fehlende Verwaltungskompetenz des Bundes

Dem Bund mangelt es auch an der Kompetenz, das Gesetz mittels eigener Behörden zu vollziehen. Der Bund kann nach Art. 83 GG Bundesgesetze nur dann durch eigene Behörden vollziehen lassen, wenn ihm das Grundgesetz dafür eine Verwaltungskompetenz eigens zuweist, weil die Regelzuständigkeit bei den Ländern liegt.  Nach  § 1 Abs. 1 ZugErschG vollzieht das Bundeskriminalamt das Zugangserschwerungsgesetz durch Führung und Weiterleitung der sog. Sperrliste. Eine Verwaltungskompetenz des Bundes hierfür ist nicht ersichtlich. Diese Tätigkeit ist weder sachlich von einer Funktion als Zentralstelle i.S.v. Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG gedeckt noch wurde eine solche Zentralstelle für Aufgaben dieser Art durch Bundesgesetz errichtet.

Das Gesetz ist also bereits formell verfassungswidrig.

3.  Materielle Verfassungswidrigkeit des ZugErschG

In materieller Hinsicht mangelt es dem Gesetz an der erforderlichen Bestimmtheit und Normklarheit. Zudem liegt ein  Verstoß gegen den sog. Wesentlichkeitsgrundsatz und damit gegen Art. 20 Abs. 3 GG vor, wonach der Gesetzgeber die für den Grundrechtseingriff wesentlichen Aspekte selbst regeln muss und nicht der Verwaltung oder gar einem Verwaltungshelfer überlassen kann. Die Auswahl der anzuwendenden Sperrtechnologie wird vom Gesetzgeber allein dem Internetprovider überlassen. Das ist deshalb problematisch, weil die Anwendung verschiedener Sperrtechniken zu unterschiedlichen Grundrechtseingriffen mit ganz unterschiedlicher Intensität führen kann. Die Intensität und damit möglicherweise auch die Rechtmäßigkeit der Maßnahme kann aber nicht davon abhängen, welche Sperrtechnologie der einzelne Provider einsetzt, zumal es damit bei gleichen Sachverhalten bei unterschiedlichen Providern ohne sachlichen Grund zu unterschiedlich intensiven Eingriffen in die Grundrechte Betroffener kommen kann.

Das Gesetz greift zudem in unverhältnismäßiger und nicht verfassungskonformer Art und Weise in mehrere Grundrechte ein.

Es liegen Eingriffe in das Recht auf Meinungsfreiheit bzw. in die allgemeine Handlungsfreiheit der Inhaltsanbieter vor. Zudem wird in die Informationsfreiheit und das Fernmeldegeheimnis der Internetnutzer eingegriffen und schließlich auch in die Berufsfreiheit der Internetzugangsprovider. Diese Eingriffe sind verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt, insbesondere nicht verhältnismäßig.

Das Gesetz ist schon nicht geeignet, den erhofften Zweck, die Verringerung von Zugriffen auf kinderpornographische Inhalte, zu erreichen. In der öffentlichen Diskussion ist bereits hinreichend dargestellt worden, dass diese „Sperren“ ohne weiteres zu umgehen sind und deshalb Pädophile, die gezielt nach derartigen Inhalten suchen, nicht von einem Zugriff abgehalten werden können. Das Gesetz bewirkt vielmehr gerade einen gegenteiligen Effekt: Durch die Sperrlisten und die vom BKA aufzustellenden „Stopp-Schilder“ wird überhaupt erst die Aufmerksamkeit auf solche Seiten gelenkt, die sonst völlig unbemerkt von der überwiegenden Zahl der Nutzer online wären. Damit werden neue, zusätzliche Nutzer angelockt und nicht etwa ferngehalten. Die Erfahrung mit ausländischen Sperrlisten zeigt im Übrigen, dass sich diese Listen nicht geheim halten lassen und immer wieder im Internet auftauchen, was dazu führt, dass der Staat den Pädophilen geradezu eine Navigationshilfe für kinderpornographische Inhalte anbietet. Das „Stopp-Schild“ stellt zugleich ein Frühwarnsystem für Pädophile und die Betreiber entsprechender Websites dar. Diese Personen werden damit frühzeitig darauf hingewiesen, dass sie sich alternative Wege suchen müssen. Das  Gesetz wird deshalb den Zugang  zu kinderpornographischen Inhalten nicht erschweren, sondern begründet vielmehr die ernsthafte Gefahr, dass der relevanten Zielgruppe der Zugang sogar noch erleichtert wird. Das Zugangserschwerungsgesetz könnte sich also als Zugangserleichterungsgesetz entpuppen.

Aktuelle Untersuchungen, wie die der EFC, belegen zudem, dass das WWW, auf das die Netzsperren allein abzielt, nicht zu den Hauptverbreitungskanälen für kinderpornographische Inhalte im Netz zählt. Mit dem Konzept der Zugangserschwerung können die Hauptverbreitungswege erst gar nicht erfasst werden. Auch dieser Umstand spricht dafür, das Gesetz bereits als ungeeignet zur Bekämpfung von Missbrauchsdarstellungen zu betrachten. Das ZugErschwG ist vielmehr Ausdruck einer Placebo-Politik, die den Bürgern suggerieren soll, dass gegen Kinderpornographie im Netz vorgegangen wird.

Auch die Erforderlichkeit des Gesetzes ist nicht gegeben. Eine Inanspruchnahme eines Zugangsproviders, mithin eines Nichtstörers, kann allenfalls als Ultima Ratio in Betracht gezogen werden und auch nur dann, wenn vorab geprüft und sichergestellt worden ist, dass es nicht möglich ist, die fraglichen Inhalte durch ein Einwirken auf die zuständigen Behörden vor Ort bzw. die Host-Provider aus dem Netz zu entfernen. Erst dann, wenn diese sachnäheren Maßnahmen gescheitert sind, wäre eine Aufnahme in eine Sperrliste überhaupt denkbar. Solange aber effektivere Maßnahmen, die zudem Unbeteiligte verschonen, in Betracht kommen, ist eine Maßnahme der Zugangserschwerung  ausgeschlossen. Diese Einschränkung gewährleistet das Gesetz aber nicht. Nicht ausreichend ist hier insbesondere der Vorbehalt in § 1 Abs. 2 des Gesetzes. Dieser Vorbehalt knüpft die Notwendigkeit sachnäherer Maßnahmen allein an die Einschätzung des Bundeskriminalamts, nicht aber an eine objektive Erforderlichkeitsprüfung.  Warum  hier, anders als bei anderen Maßnahmen der Gefahrenabwehr, eine Einschätzungsprärogative der Verwaltung bestehen soll, ist nicht ersichtlich und genügt jedenfalls nicht den Anforderungen, die sich aus Art. 19 Abs. 4 GG ergeben.

Das zentrale Problem der Verhältnismäßigkeit besteht allerdings in dem als „Overblocking“ bezeichneten Effekt. Das Gesetz beinhaltet die naheliegende Gefahr, dass andere, legale Internetinhalte quasi mitgesperrt werden, weil es auf der Ebene der Zugangsprovider, die selbst keinen Zugriff auf die inkriminierten Inhalte haben, nicht möglich ist, die Blockademaßnahmen zielgenau auf kinderpornographische Webseiten zu begrenzen. Das Gesetz wird deshalb dazu führen, dass  immer wieder legale Inhaltsangebote in Mitleidenschaft gezogen und ebenfalls gesperrt bzw. blockiert  werden. Wenn beispielsweise, wie im Gesetz als Mindeststandard vorgesehen, pauschal eine bestimmte Domain gesperrt wird, dann können im Extremfall die Inhalte von Millionen Unbeteiligter betroffen sein.

Es ist außerdem zu berücksichtigen, dass die Umsetzung des ZugErschG die Schaffung einer technischen Blockade-Infrastruktur auf seiten der Provider erfordert, die die Gefahr von Einschüchterungseffekten („chilling effects“) mit sich bringt. Zwar hat der Gesetzgeber die strafrechtliche Verwertung der am Stopp-Server gesammelten Informationen nicht vorgesehen. Dies ändert aber nichts daran, dass durch das Gesetz eine Infrastruktur geschaffen wird, die geeignet ist,  im Prinzip jede Suche oder Anfrage eines Bürgers nach Information aufzuzeichnen und diese Anfrage anschließend aufgrund einer staatlich kontrollierten Sperrliste zuzulassen oder zu blockieren. Das heißt, das BKA wird in die Lage versetzt, Informationsströme im Netz innerhalb weniger Stunden vollständig zu kontrollieren bzw. zu blockieren.  An dieser Stelle ist auch zu berücksichtigen, dass die Tätigkeit des BKA keiner ausreichenden Kontrolle unterliegt. Lediglich quartalsweise und stichprobenartig soll ein Expertengremium die vom BKA geführte Sperrliste überprüfen. Die  Befürchtung vieler Bürger, dass damit eine „Zensur-Infrastruktur“ geschaffen wird, ist berechtigt, wenngleich die Effektivität solcher Systeme dank der Architektur des Internets begrenzt ist.

Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass die Ausweitung des Einsatzes einer entsprechenden Sperrtechnologie auf andere Bereiche wie Urheberrechtsverletzungen oder Online-Glückspiele immer wieder öffentlich gefordert worden ist. Diese Forderungen werden sich weiter verstärken, sobald einmal in einem ersten Bereich ein solches Konzept zum Einsatz gekommen ist. Der Gesetzgeber wird sich diesen Forderungen, entgegen der jetzigen anderslautenden Beteuerungen, schwerlich entziehen können.

Das Zugangserschwerungsgesetz ist formell und materiell verfassungswidrig. Nachdem es der Anspruch des Bundestages sein muss, verfassungskonforme Gesetze zu erlassen, ist allein dieser Umstand, jenseits aller Parteipolitik, Grund genug, das Gesetz aufzuheben.

posted by Stadler at 12:46  

19 Comments

  1. Wieso wird als Adressat/Täter pauschal von „Pädophilen“ gesprochen?
    Wo ist belegt, daß Personen mit pädophiler Neigung exakt die einzigen sind, die mit den „Netzsperren“ vom Zugang zu kinderpornographischem Material abgehalten werden sollen?

    Sachlicher wäre daher m. E. statt von „Pädophilen“ bspw. einfach von „Interessierten“ zu sprechen.

    Comment by Frank — 4.11, 2010 @ 13:01

  2. Danke für die Zusammenfassung.

    Frank hat recht – Kindesmissbrauch wird überwiegend von Nicht-Pädophilen verübt. Je nach Kontext bieten sich „Missbrauchs-Täter“ oder „Kinderporno-Konsumenten“ an.

    Weiter hinten: „keiner regelmäßigen und ausreichenden Kontrolle“ bräuchte noch einen Satz zur Erläuterung. Denn eine Kontrolle ist ja im Gesetz vorgesehen – warum konkret reicht die nicht?

    Comment by Torsten — 4.11, 2010 @ 13:35

  3. Vielen Dank für den Text – ich habe mir schon bei der Abstimmung über das Gesetz nicht erklären können, wie man eine Kompetenz begründen kann. Das Ansehen der Bundestagsabgeordneten hat da in meinen Augen „etwas“ gelitten. Schließlich sieht man nicht alle Tage wie sehenden Auges ein offensichtlich verfassungswidriges Gesetz beschlossen wird. Noch eine Kleine Anmerkung: Thomas Strobl (CDU) hat sich dafür ausgesprochen die Sperren auch auf „Killerspiele“ auszuweiten.

    Comment by Will — 4.11, 2010 @ 14:19

  4. Ich bin juristisch 100% Laie, daher ist folgende Anmerkung eventuell naiv:
    Treffen diese Argumente nicht auch alle auf den „Großen Lauschangriff“ zu?
    Oder wo liegen dort die juristischen Unterschiede?

    Comment by Sebastian — 4.11, 2010 @ 14:32

  5. @Torsten: Die Kontrolle die vorgesehen ist, ist das Expertengremium nach § 9 ZugErschwG. Das Gremium wird überhaupt erst bis Ende 2012 gebildet und soll dann nur quartalsweise und stichprobenartig Überprüfungen vornehmen.

    Comment by Stadler — 4.11, 2010 @ 14:59

  6. @Thomas: Schreib das oben rein – sonst wird der gesamte Text von den Sperr-Befürwortern wieder als uninformiertes Gewäsch oder gezielte Desinformation abgetan. Eine quartalsweise Stichprobe ist nun Mal eine regelmäßige Überprüfung – ob sie nun sinnvoll umgesetzt wird oder nicht.

    Comment by Torsten — 4.11, 2010 @ 15:10

  7. Das „Overblocking“ dürften einigen Kreisen ganz gelegen kommen. Jede Wette, dass man sobald das ZugErschG wirklich in Kraft ist plötzlich (und rein zufällig) Kinderpornos auf sämtlichen Torrent-Sites von Pirate Bay bis Mininova finden wird, die dann allesamt auf die Sperrliste müssen.

    Comment by Durden — 4.11, 2010 @ 15:28

  8. Zitat: „[…] Ausdruck einer Placebo-Politik, die den Bürgern suggerieren soll, dass gegen Kinderpornographie im Netz vorgegangen wird.“

    Das stimmt natürlich nicht: Placebos helfen, das Gesetz gerade nicht.

    Comment by Pfennigfuchser — 4.11, 2010 @ 17:14

  9. Hat eigentlich schon mal einer die ISPs verklagt, weil sie das Gesetz noch immer nicht umsetzen? Schließlich steht da nirgends im ZugErschwG, dass es nur gilt, wenn das BKA auch eine Liste liefert. Das Gesetz ist da und die ISPs haben sich daran zu halten. Spätestens, wenn die ersten ISPs Abmahnungen bekommen und aufgrund der beigefügten Unterlassungserklärungen die Infrastruktur aufbauen müssen, gibt es eine Lobby, die der Politik Druck macht, das Gesetz schnellstmöglich wieder abzuschaffen.

    Comment by D — 4.11, 2010 @ 17:49

  10. @sebastian:
    Es gibt einen präventiven „Großen Lauschangriff“ zur Verhinderung von Straftaten („Gr. LA“ ist bereits „laienhaft“, es geht um Maßnahmen in Wohnungen), in Bayern Art 34 PAG, und den repressiven (§ 100c StPO) zur Aufklärung von Straftaten. Die Gesetzgebungskompetenz ist grundsätzlich jeweils gegeben. Kritisch ist allerdings, dass der präventive und der repressive Bereich durch Tatbestände wie §§ 89a,b StGB immer mehr „konvergieren“, verschmelzen, also nicht mehr eindeutig trennbar sind. Daher könnten Sie faktisch – aber nicht rechtlich recht haben. die Ausgestaltung des Bundesgesetzgebers ist zumindest fragwürdig. aber solange das BVErFG nicht reinhaut…

    Comment by gavagei — 4.11, 2010 @ 17:54

  11. Fehlende Gesetzgebungskompetenz, fehlende Verwaltungskompetenz, Verstoß gegen GG §20(3), Verfehlung des vorgeblichen Ziels bis hin zur Erreichung des Gegenteils. Was noch fehlt ist die offenbar fehlende fachliche Kompetenz bzw. der fehlende Wille ordentliche Gesetze zu machen und die laxe Prüfung durch den Bundespräsidenten. Und schließlich, sozusagen als Krönung des Ganzen: die Misachtung des beschlossenen, geltenden Rechts. Sozusagen: Sorry, es war ja eh nur ein Wahlkampfgag! Wird morgen per Federstrich verordnet die geltenden Steuergesetze nicht anzuwenden oder Diebstahl nicht mehr zu verfolgen?
    Dieser Staat kommt mehr und mehr vor die Hunde, weil sich Parteien ihn unter den Nagel gerissen haben, Politiker nur noch Klientelpolitik machen, mit Bank- und Versicherungsmanagern, den Energieriesen, Hoteliers, der Rüstungsindustrie, der Pharmabranche und einigen anderen begünstigten Gruppen kollaborieren.

    Comment by M. Boettcher — 4.11, 2010 @ 18:00

  12. Dr. Max Stadler (FDP, damals noch Opposition) hatte seine formellen und rechtlichen Bedenken in den beiden Lesungen im Parlament vorgetragen. Er hatte aber noch einen weiteren formellen Punkt angesprochen, der in der rubr. Begründung noch fehlt:
    Dr. Stadler sagte damals sinngemäss: Das Gesetz kommt rechtlich überhaupt nicht zustande, weil in die 2. und 3. Lesung ein ganz anderes Gesetz eingebracht wurde, als in die 1. Lesung. Sollte man vielleicht nochmals nachprüfen.

    Comment by GustavMahler — 4.11, 2010 @ 18:23

  13. Vieles ist verfassungswidrig, z.B. die „Scheinminderjährigkeit“ bei porn. Filmen.

    Trotzdem ignorieren Polizei und Staatsanwälte die Entscheidung des BVG:
    http://www.mediatainment.biz/miv/News/Polizei-zieht-pornographische-Filme-mit-Verdacht-auf-Scheinminderjaehrigkeit-ein/23910/9.html

    Da sehe ich eine Parallele zu den Stopschildern.
    Die Themen hängen ja in gewisser Weise auch zusammen.

    Ob verfassungswidrig oder nicht, umgesetzt wird es trotzdem…..

    Comment by Caroline Kaiser — 4.11, 2010 @ 19:08

  14. Ich denke, wenn ich diesen und ähnliche Artikel lese, immer wieder an Artikel 20, GG: http://draketo.de/licht/politik/artikel-20-gg-ist-es-wieder-soweit

    Welche Mittel sind aktuell geboten, um den Versuch unserer Politiker des Aushebelns unserer verfassungsgegebenen Ordnung zu stoppen?

    Comment by Arne Babenhauserheide — 4.11, 2010 @ 21:50

  15. @GustavMahler: Diesen Aspekt, der das Gesetzgebungsverfahren betrifft, halte ich für verfassungsrechtlich am wenigsten problematisch, weshalb ich ihn weggelassen habe. Man wird das im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde aber sicherlich auch thematisieren.

    Comment by Stadler — 5.11, 2010 @ 14:49

  16. @stadler

    Ich bin mal ein bisschen hartnäckig:
    Auszugsweise aus dem Brief der Bundesregierung an den Bundespräsidenten.

    „2. Ordnungsgemäßes Gesetzgebungsverfahren

    Nach Auffassung der Bundesregierung in der 16. Wahlperiode ist das Gesetz auch formell ordnungsgemäß zustande gekommen. Ob die von MdB a.D. Jörg Tauss (Piratenpartei) vorgebrachten und in dem anhängigen Organstreitverfahren geltend gemachten Einwendungen durchgreifen, ist letztlich vom Bundesverfassungsgericht zu entscheiden. In diesem Verfahren dürfte auch die bei der Zweiten und Dritten Lesung des Gesetzentwurfs erfolgte Kritik, dass ein neuer, gänzlich anderer Entwurf als bei der Ersten Lesung behandelt werde und es daher an der erforderlichen Ersten Lesung gefehlt habe, erörtert werden.“

    Mir ist bislang kein Ergebnis aus einer Organklage (wann und von wem?) bekannt. Gibt es hierzu Informationen?

    Comment by GustavMahler — 5.11, 2010 @ 16:01

  17. Was ist denn, wenn der Nichtanwendungserlass bis zum 23.2.2011 bestehen bleibt und die Jahresfrist des Inkrafttretens, innerhalb derer man Verfassungsbeschwerde einreichen kann, verstreicht, ohne dass das Gesetz jemals auch nur zur Anwendung hätte kommen können? Dann gibt es doch überhaupt nicht die Möglichkeit, Verfassungsbeschwerde einzureichen, da es niemanden gibt, der betroffen ist. Kann das sein? Und kann das wahr sein? Dieser Umstand wurde von Verschwörungstheoretikern ja schon als Meister-Hack des Verfassungssystems durch die Bundesregierung gewertet…

    Comment by Henning — 6.11, 2010 @ 14:54

  18. Ob das Gesetz wirksam Kinderpornographie begegnet, kann ja diskutiert werden.

    Ich halte es aber unangemessen einen relevanten Grundrechtseingriff anzunehmen, wenn der Zugriff auf oder das Insnetzstellen solcher Seiten wie auch immer behindert wird. Die allgemeine Handlungsfreiheit rechtfertigt ja auch keine Vergewaltigung.

    Comment by Schneider — 8.11, 2010 @ 01:24

  19. @Schneider: ich denke, dass mein Text ausreichend deutlich macht, dass das gerade nicht der Anknüpfungspunkt ist.

    Comment by Stadler — 8.11, 2010 @ 08:27

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