Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

20.9.10

Urheberrrechtlicher Schutz von „Tweets“

Auf Twitter ist die Nachrichtenlänge bekanntlich auf 140 Zeichen begrenzt. Ob Tweets aufgrund ihrer Kürze urheberrechtlichen Schutz genießen können, wird derzeit in Blogs diskutiert. Wie der Kollege Nebgen schon angemerkt hat, ist die Länge allein kein Kriterium für die Frage der Schutzfähigkeit. Maßgeblich ist nach dem Gesetz vielmehr, dass es sich um eine persönliche geistige Schöpfung handelt (§ 2 Abs. 2 UrhG). Die Rechtsprechung hat hierfür den Rechtsbegriff der Schöpfungshöhe geprägt, den sie freilich eher uneinheitlich anwendet. Entscheidend ist immer, dass wir es mit einem individuellen geistigen Schaffen zu tun haben. Originelle und individuelle Tweets können daher ebenso urheberrechtlichen Schutz genießen, wie z.B. kurze Gedichte. Die Masse der banalen und alltäglichen Tweets wird aber die notwendige Schöpfungshöhe nicht erreichen.

Selbst wenn ein Tweet im Einzelfall ein urheberrechtliches Werk darstellen sollte, ist die Weiterverbreitung in Form des Retweets dennoch zulässig, denn das entspricht seiner Zweckbestimmung. Ähnlich wie man grundsätzlich eine Verlinkung urheberrechtlich nicht verbieten kann, wenn man eine Website ins Netz stellt, wird man das Retweeten urheberrechtlich nicht untersagen können.  Schon anders kann es freilich sein, wenn Tweets außerhalb von Twitter kopiert und öffentlich wiedergegeben werden.

Vielleicht wird es ja auch zu diesem Thema demnächst urheberrechtliche Abmahnungen geben. Erstaunen würde mich das nicht.

posted by Stadler at 18:20  

12 Comments

  1. Auch wenn die Kürze nicht ausschlaggebend für die Schutzfähigkeit ist, bringen Microblogging-Beiträge durch ihre Kürze doch eine Eigenschaft mit: Der Unterschied zwischen Zitat und Wiedergabe des vollständigen Werkes wird marginal.
    Somit wird auch außerhalb der jeweiligen Microblogging-Plattform wohl kaum eine Verfolgung durch die Weiter- und Wiedergabe von Beiträgen Praxis werden (zumindest wenn die Quelle sauber angegeben ist).

    Comment by Hirnbloggade — 20.09, 2010 @ 18:30

  2. Du schreibst: „Schon anders kann es freilich sein, wenn Tweets außerhalb von Twitter kopiert und öffentlich wiedergegeben werden.“

    Was ja schon allein deshalb nicht stimmen kann, weil ich ja mit jeder Drittanbieterapplikation, die ich nutze, um mir den besagten Tweet anzuzeigen, dann quasi einen Rechtsbruch begehe, zumindest wenn man dieser Urherberrechtslogik glauben will. Was ist, wenn ich einen Tweet von jemandem auf meine Website schreibe, um ihn anschliessend zu kommentieren?

    Haarspalterei. Überhaupt stellt sich mir gerade die Frage WOVOR das Urheberrecht bei der Übernahme eines Tweets den Autor eigentlich beschützen will? o,O

    Comment by Karpfenpeter — 20.09, 2010 @ 18:36

  3. Wesentlich ist doch, dass der Urheber genannt wird; beim RT ist das automatisch der Fall. Schnappt sich jemand einen meiner besseren Tweets – ‚besser‘ im Sinne von ‚Schöpfungshöhe erreicht‘ – und gibt ihn als seinen aus, ist das eine Urheberrechtsverletzung und kein Zitat.

    Vielleicht sollten wir bereits in der Grundschule einen Einführungskurs zum korrekten Zitieren machen, das würde uns viel blöde Laberei über ‚Piraterie‘, ‚geistiges Eigentum‘ oder ‚gesitiges Eigentum ist Diebstahl‘ geben.

    Comment by Dierk — 20.09, 2010 @ 19:11

  4. Als würde das „wovor denn schützen“ beim UrhG ne Rolle spielen ;-)

    Comment by Christian Scholz — 20.09, 2010 @ 19:53

  5. Dazu kann ich nochmal meinen Tweet zum Vulkanausbruch im April erwähnen, der damals von der dpa ohne Quellenangabe in eine Meldung gepackt wurde und dadurch in einigen Zeitungen und auch in der ARD verwendet wurde.

    http://function.posterous.com/offener-brief-an-die-dpa

    Wolfgang Büchner hat aber nach Hinweisen dann reagiert und den Tweet noch einmal in einer dpa Meldung gebracht, diesmal mit Quellenangabe.

    Comment by function — 20.09, 2010 @ 20:24

  6. @Karpefenpeter: Drittanbieter, die Tweets kopieren, sind rechtlich durchaus problematisch

    Comment by Stadler — 20.09, 2010 @ 20:25

  7. Wie ist denn die Rechtslage in dem kürzlich erschienenen Twitter-Buch? Hier gehe oich mal davon aus, dass alle 500 ausgewählten Tweets die Schöpfungshöhe erreichten, wenigstens in diesem Buch zu erscheinen.
    Ist in diesem Fall nicht wenigstens das Einverständnis der Urheber erforderlich, sowie eine prozentuale Umsatzbeteiligung?

    Comment by Wolf — 20.09, 2010 @ 21:11

  8. @Wolf: Durchaus denkbar. Ob ein dort abgedruckter Tweet die Schöpfungshöhe erreicht, ist im Einzelfall zu prüfen

    Comment by Stadler — 20.09, 2010 @ 21:24

  9. „Biegsam wie ein Frühlingsfalter bin ich im Forma-Büstenhalter“ reichte 1934 zur erforderlichen Schöpfungshöhe aus, vgl. OLG Köln GRUR 1934 S.758. Die müssen damals Twitter geahnt haben … ;-)

    Comment by RA Kompa — 20.09, 2010 @ 22:26

  10. @wolf @stadler
    Für das Twitterbuch wurde jeder, der dort vertreten ist, vorher um Erlaubnis gefragt.

    Comment by function — 21.09, 2010 @ 01:00

  11. In 140 Zeichen dürfte ohne Weiteres das ein oder andere Zitat von Karl Valentin passen – und da wird ja munter abgemahnt, wie man liest (http://www.google.de/search?q=abmahnung+karl+valentin). Daran sieht man, dass es eben wirklich auf die Schöpfungshöhe ankommt. Tweets à la „Bin gerade beim Bäcker, hole 5 Brötchen“ dürften dagegen nicht unter den Urheberrechtsschutz gelangen. Anders wäre es vielleicht bei einem Spruch wie „Bin gerade beim Bäcker, hier ist´s aber lecker, hol mir 5 Wecken, die werden schmecken“. Sicher ist aber auch das nicht…

    @function: Wissen Sie, welche Erlaubnis genau eingeholt wurde?

    Comment by RA Sebastian Dosch — 21.09, 2010 @ 12:31

  12. @RADosch Ich wurde gefragt, ob meine Tweets in dem Buch verwendet werden dürften. Dazu konnte man auf einer geschützten Webseite sein Einverständnis geben.
    Für die Verwendung des/der Tweets wurde ein Belegexemplar versprochen und auch geliefert.

    Comment by function — 21.09, 2010 @ 13:01

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