Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

27.7.10

Sind Urheberrecht und gewerbliche Schutzrechte tatsächlich wirtschaftsfördernd?

In der Diskussion um die Verschärfung des Rechts des sog. geistigen Eigentums wird immer wieder die These vertreten, dass dadurch Innovation gefördert und geschützt würde und durch die Verletzung von Urheberrechten und gewerblichen Schutzrechten enormer wirtschaftlicher Schaden entstünde.

Der Gedanke, dass es sich hierbei primär um lobbyistisch und ideologisch geprägte Argumentation handelt, die die volkswirtschaftlichen und gesamtgesellschaftlichen Vorteile eines gelockerten Urheber- oder Patentrechts gezielt ausblendet, wird dem ein oder anderen schon gekommen sein. Die politische Meinungsbildung wird freilich nach wie vor sehr stark von den Lobbyisten geprägt, denen es immer noch gelingt, politische Entscheidungsträger zu überzeugen.

Eine neue Studie des IT-Industrieverbands CCIA weist nun darauf hin, dass das „geistige Eigentum“ für die Wirtschaft bzw. manche Wirtschaftszeige auch nachteilige Wirkungen entfaltet und in Europa ein beachtlicher Teil der gesamten Wirtschaftsleistung in Branchen erwirtschaftet wird, die von Ausnahmen- und Schrankenregelungen des Urheberrechts profitieren.

Die Diskussion ist aber ohnehin zu eng, solange man sich nur auf unmittelbar wirtschaftliche Aspekte (in Europa) beschränkt. Eine Wissensgesellschaft lebt von einem möglichst ungehemmten Fluss der Information. Und dieser Informationsfluss wird durch Schutzrechte beeinträchtigt.

Die politische Tendenz das Urheberrecht und den gewerblichen Rechtsschutz laufend zugunsten der Industrie zu verschärfen, wie dies in Deutschland mit den verschiedenen „Körben“ des Urheberrechts geschieht oder international ganz aktuell in den ACTA-Verhandlungen, muss als Anachronismus betrachtet werden, der nur einer Minderheit nutzt, der Mehrheit aber schadet.

Es ist deshalb an der Zeit, die Meinungshoheit der Lobbyisten anzugreifen. Die Diskussion um Open-Access stellt einen ersten positiven Ansatz dar, der in eine andere Richtung weist.

posted by Stadler at 17:42  

7 Comments

  1. Man muss da aufpassen, natürlich helfen Patente und ein Urheberrecht mit moderaten [ähnlich dem Patentrecht] Schutzzeiten der Wirtschaft, da sie Menschen dazu anregen, Neues zu schaffen. Problematisch sind zwei Entwicklungen, die inzwischen dazu führen, dass Kreativität frühzeitig erstickt wird:

    – viel zu lange Schutzzeiten beim Urheberrecht
    – die Ausweitung zweitrangiger Nutzungsrechte

    Es mag zuerst ganz schön klingen, dass Autoren ihr Leben lang etwas von ihren Werken haben sollen [dem würde ich nicht einmal widersprechen], aber bei Schutzzeiten von 50 oder gar 70 oder [geplanten] 100 Jahren nach Ableben des Autors wird es lächerlich. Hier werden Verlage, Gesponse und Nachkommen auf Kosten der Gesellschaft versorgt.

    Da Verlage nur selten Urheber sind, sichern die sich selbstverständlich gerne weitreichende Nutzungsrechte, nicht immer zum Schaden der Autoren, aber auch nicht immer zu deren Nutzen. Auf keinen Fall aber zum Nutzen der Gesellschaft.

    Comment by Dierk — 27.07, 2010 @ 20:17

  2. Die negativen Auswirkungen des geistigen Eigentums überwiegen die positiven Auswirkungen inzwischen deutlich.

    Was ist eigentlich der Zweck dieser Rechte?
    Letztendlich doch nur die Vergütung der kreativen und sonstigen geistigen Arbeit und Weiterentwicklung.

    Was sind aber die Folgen dieser Rechte?
    – Kontrolle der Art, wie ein darauf beruhendes Produkt genutzt werden kann
    – Häufig Einschränkung der Benutzung
    – Einfrierung von gewachsenen Vertriebsstrukturen
    – Patentkriege
    – Trivialpatente
    – Patenttrolle
    – Abgrenzung von Marktsegmenten gegenüber Konkurrenten
    – Investierung von volkswirtschaftlichen Resourcen in unsinnige Parallelentwicklungen. Insbesondere auch Monopol auf Weiterentwicklung durch den Rechteinhaber.
    – Nutzungsentscheidung hängt nicht von den Vervielfältigungskosten sondern von den Entwicklungskosten ab, selbst bei schon stattgefundener Entwicklung. Häufig auch Monopolpreise. Beispielsweise führt dies zur geringen Verfügbarkeit von eigentlich billig herzustellender Medizin in Entwicklungsländern.
    – Verschwendung von volkswirtschaftlichen Resourcen durch extensive Patentrecherchen, selbst bei Eigenentwicklungen, um mögliche Patentfallen wahrzunehmen.
    – Entstehung von kriminellen Strukturen

    Und das ist sicher keine abschliessende Liste.
    Ist es wirklich sinnvoll, zur Vergütung von geistiger Arbeit eine solche Unmenge an negativen Effekten in Kauf zu nehmen, die in vielen Fällen auch noch genau jene Menschen behindern, die man ursprünglich damit vergüten wollte?

    Es ist an der Zeit, diesen ganzen Unfug abzuschaffen und alternative Vergütungsmodelle zu verwenden.
    Wenn man sich die Negativliste betrachtet, kann es nur besser werden, selbst wenn eine saubere Struktur der Vergütung sicher nicht leicht ist.

    Comment by AndreasM — 28.07, 2010 @ 11:30

  3. Das ist sicher ein breites Thema, über das man diskutieren muss, und es nicht Lobbyisten überlassen. Allerdings muss man aufpassen, dass nicht – wie vom Vorredner – alles in einen Topf geworfen wird.
    Zu unterscheiden sind z.B. Urheberrecht und technische Schutzrechte (Patente). Der freie Informationsfluss wird – wie ja erst gestern wieder hier im Blog bezüglich der Valentin-Zitate berichtet – durch das Urheberrecht beeinträchtigt. Hier entsteht eine Unsicherheit für jeden, der – auch privat – im Internet aktiv wird. Können wir das wollen ?

    Bei technischen Schutzrechten liegt für mich die Sache anders. Erst durch Patentierung veröffentlicht man seine Erfindung und erlaubt die Weiterentwicklung auf dem veröffentlichten Wissen. Trivialpatente sind ein – wenn nicht das – zu lösendes Problem im Patentwesen. Das reicht aber nicht als Argument dafür, das Patentwesen als ganzes in Frage zu stellen. Der Vroteil, eigene Erfindungen für eine überschaubare Zeit exklusiv nutzen zu können, ist vornehmlich in den klassischen Ingenieurs-Branchen weiterhin vorhanden. Wenn es keinen Schutz gegen Plagiatoren und Nachahmer gibt, lohnt sich die Eigenentwicklung in vielen Branchen nicht.
    Ein branchenspezifisch angepasstes Patentrecht, z.B. was Laufzeiten angeht, würde auch Trivialpatente (die ja meist im Softwarebereich liegen) verhindern.

    Comment by Oliver — 28.07, 2010 @ 12:55

  4. Wie wahr, wie wahr.

    Aber Wahrheit hat in diesem Land leider nicht mehr viel zu suchen, sondern nur noch das eingeflüsterte Wort der Lobbyisten der 19Jhrdt-Industrien.

    Und beim Thema „Open Access“ gibt es dann ja auch regelmässig unsachliche Propaganda von Hr. Reuß aus Heidelberg – unterstützt vom FAZ-Verlag, der sich selbst für den offensichtlichsten Spin nicht zu schade ist.

    Comment by karbau — 28.07, 2010 @ 14:03

  5. Ich habe das Patentrecht absichtlich mit hineingenommen, da es auch hier um die Vergütung für die geistige Leistung, nämlich die Erfindung, geht.
    Und genau diese Vergütung stelle ich auch nicht in Frage, sondern schlage vor, sie durch alternative Vergütungssysteme zu lösen.

    Momentan wird die Vergütung der Erfindung durch die Exklusivität der Herstellung für eine gewisse Zeit gewährleistet. Es ist also notwendig, die Kosten für die Erfindung auf die Produkte umzulegen. Daraus ergibt sich ein unnötiger Konflikt. Eigentlich könnte ich das Produkt zu seinem Herstellungspreis + x% Gewinn an grosse Massen verkaufen, aber ich muss ja die Entwicklungskosten reinholen. Also verteuert sich das Produkt und weniger kaufen es. Bei dieser Kalkulation ergibt sich eine bestimmte Menge an verkauften Produkten, ab denen ich meine Entwicklungskosten wieder reingeholt habe. Ab dann ist die Differenz zwischen Verkaufspreis und Herstellungspreis Reingewinn.
    Bei klassischen Produkten mit relevantem Herstellungspreis ist das kein Problem, bei solchen mit niedrigem Herstellungspreis aber hohen Entwicklungskosten schon. Denn die Belohnung für die Erfindung sollte nicht in so extremem Masse davon abhängen, dass man es möglichst exklusiv und begrenzt macht.

    Trivialpatente sind auch nicht das einzige Problem des Patentrechts. Selbst nicht so triviale Patente werden je komplexer die Materie wird desto mehr zu einem Minenfeld. Macht jemand eine Erfindung, geht diese erstmal in einem Meer von anderen Erfindungen unter. Diese „Veröffentlichung“ ist also gar nicht so öffentlich, wie man meinen könnte. Insbesondere ist sie heutzutage selten so geschrieben, dass sie dem Leser tatsächlich etwas an die Hand gibt, mit dem man etwas herstellen könnte. Denn häufig beschreibt sie einfach die Idee selber.
    Setze ich mich also in mein stilles Kämmerchen und stecke ein Jahr in die Entwicklung von etwas, könnte es durchaus sein, dass ich trotz der Nutzung nur eigener Resourcen etwas entwickelt habe, dass halt zufällig halbwegs einer Idee entspricht, die jemand in dem Berg an Patenten schon mal beschrieben hat.
    Ich entwickle also etwas, aber jemand anders hat schon das Monopol darauf, auch wenn er es gar nicht nutzt oder noch nicht mal einen Prototyp gemacht hat.

    Ausserdem gibt es den Patentkrieg. Jedes grosse Unternehmen hat in seinem Keller Unmengen an Patenten liegen. Greift ein grosses Unternehmen ein anderes mit einem Patent an, holt man die eigenen aus dem Keller und sucht nach einem, mit dem man ein Produkt des Gegners angreifen kann. Das endet dann regelmässig mit einem Waffenstillstand. Kommt jetzt aber ein kleines Unternehmen einem in die Quere, findet man sicher ein Patent, mit dem man dieses Unternehmen abschiessen kann und kleine Unternehmen haben selber genug eigene Patente, um sich dagegen zu wehren.
    Dann gibt es da noch die Patenttrolle, die keine eigenen Produkte herstellen, um nicht angreifbar zu sein. Das bringt sie in die Position, mit eigenen (für Produkte) ungenutzten Patenten grosse Unternehmen anzugreifen und ihnen teils immense Gelder abzujagen.

    Man könnte da jetzt noch viel schreiben, aber letztendlich ist das ganze System des geistigen Eigentums, das in früheren Zeiten noch funktioniert hat, zunehmend dysfunktional geworden.

    Comment by AndreasM — 28.07, 2010 @ 14:10

  6. @karbau (Beitrag #4)

    Zur Info: Seit März diesen Jahres ist der Herr Dr. Gerckens, seines Zeichens Führungskraft bei der FAZ, neuer Geschäftsführer der Digiprotect GmbH –> http://board.gulli.com/showthread.php?p=12671149

    Ist das nicht bezeichnend, erbärmlich bzw. jämmerlich?

    @all:

    Wer nicht weiß, wer oder was „DigiProtect“ ist klickt hier: http://view.txtbear.com/70910/microsoft-powerpoint-digiprotect-text-d-jh-pptx/

    Die waren es z.B. auch, die den allerersten Auskunftanspruch gemäß § 101 UrhG durchgesetzt hatten. Darauf basieren im Grunde alle anderen grunderechtverletzenden Datenschiebereien…

    Beim „WLAN-BGH“-Prozess im Mai diesen Jahres haben die auch mit rumgeturnt. Quasi die Klägerseite, wenn man so will…

    Frage #1 aus Interesse: Ist eigentlich irgendeinem aufgefallen, ob auch schon ‚mal jemand anders als nur diese „Turn Piracy Into Profit“-Massenabmahner-Fraktion den Auskunftanspruch nach § 101 URHEBERrechtgesetz in Anspruch genommen hat?
    Mir ist diesbzgl. bis dato noch kein anderer, wie z.B. ein „echter“ Urheber aufgefallen, der solche eine Auskunft ersuchte.

    Wenn dem tatsächlich so sein sollte, dann wäre das im Grunde nichts anderes als ein reiner Massenabmahner-Paragraph! Wenn ich in dem gleichen Paragraph dann zum Absatz 10 schiele, muss ich unentwegt kotzen! Zumal auch noch irgendein P- und C-Vermerk auf ’nem CD-cover i.d.R. von den UrhG-Auskunftgerichten (= Massenabmahnwahn-Lakeien) als Legitimation akzeptiert wird, um die Einschränkung von Grundrechten ungeprüft durchzuwinken…

    Das muss man sich ‚mal auf der Zunge zergehen lassen: Mutmaßliche Betrüger, die zum Zweck der Profitgenerierung Grundrechte einschränken und das dann auch noch als „Schutz des geistigen Eigentums“ verkaufen. Das „Beste“: Einen Urheber sucht man diesbzgl. vergebens. Nur: Wenn doch kein „echter“ Urheber den § 101 UrhG in Anspruch nimmt, dann braucht man den doch auch nicht, oder!? Wo wäre die „Daseinsberechtigung“?

    Frage #3: Bei „Verstößen“ gegen das Urheberrechtgesetz in Form einer „unerlaubten Verwertung“ wird von den Massenabmahnern regelmäßig der § 106 UrhG herangezogen. Nach § 109 UrhG wird das aber nur auf Antrag verfolgt und nach § 1 Absatz 3 UrhWahrnG bedarf es dafür einer Erlaubnis des Patent- und Markenamtes.

    Frage #3: Warum rafft obiges eigentlich niemand? Dabei insbesondere Richter, Staatsanwälte, Verteidiger – kurz: Juristen ?

    Im Bezug auf die Eingangsfrage „Sind Urheberrecht wirtschaftsfördernd“?

    Das liegt wohl im Auge des Betrachters, je nachdem auf welcher Seite man steht. Oder?

    Fakt ist, daß das Urheberrecht in der derzeitigen Form Kriminalitätsfördernd ist. Anstatt den Lobbyisten mit irgendwelchen „Körben“ sämtliche Wünsche zu erfüllen, sollten die tatsächlichen URHEBER sowie der tatsächliche (End-)NUTZER des Werkes in die Diskussion involviert werden. Und nicht irgendwelche Presswerke, Lizenznehmer, Plattenbosse und dergleichen…

    So, d.h. in der derzeitigen Form ist das Urheberrecht auf jeden Fall kreativitätshemmend und „volksfern“!

    Danke und Gruß, Baxter
    ________________________________________
    KLICK „Bunte Tüte“ mit allerlei
    Informationen rund um das Thema
    „Urheberrecht in der Praxis“:
    http://www.abmahnwahn-dreipage.de/forum/viewtopic.php?p=8820#p8820

    Comment by Baxter — 30.07, 2010 @ 02:38

  7. @Dierk: Da sind wir aber schon im ersten Satz auf die Herren Lobbyisten hereingefallen.

    „natürlich helfen Patente […], da sie Menschen dazu anregen, Neues zu schaffen.“

    Genau diese These ist seit ihrer Existenz unbelegt. Ich behaupte sogar ganz im Gegenteil, dass gerade in den Bereichen in denen derartige Schutztechniken nicht oder nur eingeschränkt existieren, innovativer sind (siehe die Softwarebranche, die zwar das Urheberrecht auf ihrer Seite hat, mehrheitlich aber davon nicht Gebrauch macht [Closed Source]). Natürlich habe ich für diese These ebenso wenige Zahlen, wie für die ihre. Dass diese These allein weil sie schlüssig klingt ohne Substanz breit vertreten wird, zeigt aber schon den Erfolg der Patentlobbyisten.

    Umgekehrt kann man übrigens argumentieren, dass so oder so geforscht werden muss, weil es sonst die Konkurrenz tut und einen abhängt. Allein vom kopieren kann man nicht leben, da Time-to-Market heute schon sehr entscheidend ist. Das halbe Jahr Verzug durch Nachbau (im günstigsten Fall) ist in so mancher Branche der wirtschaftliche Bankrott. Patente helfen hier also nur Neueinsteiger aus dem Markt zu drängen.

    Comment by Kommentator — 31.07, 2010 @ 14:10

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