Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

22.2.10

BGH zur doppelten Schriftform

In einer neuen urheberrechtlichen Entscheidung des BGH (Urteil vom 17.09.2009, Az.: I ZR 43/07) finden sich etwas versteckt interessante Ausführungen zur Zulässigkeit von Klauseln, die eine sog. doppelte Schriftform vorsehen.

In vielen Verträgen findet man häufig Klauseln, die so oder so ähnlich lauten:

„Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der Schriftform. Das Erfordernis der Schriftform kann nur durch eine schriftliche Vereinbarung der Vertragsparteien aufgehoben werden.“

In letzter Zeit war die Meinung auf dem Vormarsch, dass derartige Klauseln generell unwirksam seien, weil durch das Verbot abweichender mündlicher Vereinbarungen gegen die Vertragsfreiheit verstoßen würde oder es zumindest treuwidrig sei, sich auf eine solche Klausel zu berufen.

Das sieht der BGH zumindest für Individualverträge im kaufmännischen Verkehr anders. Die m.E. insoweit entscheidende Passage aus den Urteilsgründen lautet

Eine solche „doppelte“ Schriftformklausel kann, jedenfalls wenn sie – wie hier – zwischen Kaufleuten (§ 6 Abs. 1 HGB) in einem Individualvertrag vereinbart worden ist, nicht durch eine Vereinbarung abbedungen werden, die die Schriftform nicht wahrt (…). Das Berufungsgericht hat den Einwand der Beklagten, es sei mit Rücksicht auf die „gelebte Vertragspraxis“ rechtsmissbräuchlich und daher unbeachtlich, dass die Klägerin sich auf die Formbedürftigkeit einer nachträglichen Vereinbarung (…) berufe, mit Recht nicht als durchgreifend erachtet. Haben Kaufleute in einem Individualvertrag eine „doppelte“ Schriftformklausel vereinbart, so ist der Einwand, die Berufung auf die Formbedürftigkeit nachträglicher Änderungs- oder Ergänzungsvereinbarungen verstoße gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) und stelle eine unzulässige Rechtsausübung dar, grundsätzlich nur erheblich, wenn die Einhaltung der Schriftform bewusst vereitelt worden ist.

posted by Stadler at 10:35  

21.2.10

Zugangserschwerungsgesetz tritt in Kraft, soll aber nicht angewendet werden

Das Zugangserschwerungsgesetz wird vermutlich schon morgen im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und würde dann bereits am 23.02.2010 in Kraft treten.

Mit einer Art Nichtanwendungserlass – was im Hinblick auf ein Gesetz ein bislang einzigartiger Vorgang sein dürfte – will die Bundesregierung aber offenbar verhindern, dass das BKA das Gesetz tatsächlich umsetzt.

Die Bundesregierung hatte offenbar bis zuletzt gehofft, dass Bundespräsident Köhler das Gesetz „entsorgt“, was für die Politik sicherlich die bequemste Lösung gewesen wäre. Köhler hat ihr diesen Gefallen aber nicht getan und das Gesetz nach längerer Prüfungsphase doch noch ausgefertigt.

Update:
Das Zugangserschwerungsgesetz ist in der Ausgabe Nr. 6 aus 2010 vom 22.02.10 (S. 78) des Bundesgesetzblatts veröffentlicht worden und tritt daher am 23.02.2010 in Kraft.

posted by Stadler at 15:12  

19.2.10

Was bitte ist „Digital rights fair trade“?

Die grüne Europaageordnete Helga Trüpel hält die Idee einer Kulturflatrate für unausgereift und fordert stattdessen ein „Digital rights fair trade“. Ihre diesbezüglichen Vorstellungen hat sie in einem Thesenpapier und in einem Interview mit Carta zum Besten gegeben.

Nach der Lektüre der 12 Thesen wird schnell klar, dass es sich um nichts weiter handelt, als die gute alte Kopiergeräteabgabe in neuem Gewand. Internet Service Provider und Hardwarehersteller sollen dazu gezwungen werden, die Kreativen, von denen sie nach Ansicht von Frau Trüpel leben, angemessen zu bezahlen. Das ist nicht lediglich alter Wein in neuen Schläuchen, sondern weist eine enge geistige Nähe zur Forderung der Verleger nach Schaffung eines neuen Leistungsschutzrechts auf.

Dass Frau Trüpel insgesamt sehr schlecht informiert ist, zeigen die zahlreichen inhaltlichen Mängel ihres Papiers. So spricht sie z.B. von ISP Adressen, wenn sie IP-Adressen meint.

Die Kernaussage der Europaabgeordneten Trüpel lautet:

Gerätehersteller wie Apple, Unternehmen wie Amazon und Internetserviceprovider verdienen Rekordsummen, ohne diejenigen, die die Inhalte schaffen, angemessen zu beteiligen

Das hätte man unzutreffender wohl kaum formulieren können.

Was Amazon in dieser Aufzählung verloren hat, erschließt sich mir überhaupt nicht. Denn Amazon verkauft Bücher, DVD’s, CD’s und MP3-Dateien und sorgt somit dafür, dass die Content-Industrie und die Künstler verdienen. Das gilt in abgeschwächter Form auch für Apple, denn schließlich ist ITunes die vermutlich größte Plattform für Paid-Content im Musikbereich. Somit generiert auch Apple Umsätze zugunsten der Content-Industrie und macht damit das Gegenteil dessen, was Frau Trüpel behauptet. Bleiben noch die Provider. Die Forderung, dass ISP’s Abgaben zugunsten von Content-Anbietern zahlen sollen, ist nicht wirklich neu. Würde man dies in die Tat umsetzen, dann führte das zunächst zu einer erheblichen Verteuerung des Internetzugangs zu Lasten aller Nutzer, denn die ISP’s würden ihre gestiegenen Kosten natürlich auf die Kunden umlegen. Gerade in einer Informationsgesellschaft kann der Vorschlag von Trüpel deshalb nur als töricht bezeichnet werden.

Ganz abgesehen davon, stellt sich natürlich auch die Frage, was daran denn gegenüber der Idee einer Kulturflatrate vorzugswürdig sein soll.

posted by Stadler at 18:30  

19.2.10

Was bitte ist "Digital rights fair trade"?

Die grüne Europaageordnete Helga Trüpel hält die Idee einer Kulturflatrate für unausgereift und fordert stattdessen ein „Digital rights fair trade“. Ihre diesbezüglichen Vorstellungen hat sie in einem Thesenpapier und in einem Interview mit Carta zum Besten gegeben.

Nach der Lektüre der 12 Thesen wird schnell klar, dass es sich um nichts weiter handelt, als die gute alte Kopiergeräteabgabe in neuem Gewand. Internet Service Provider und Hardwarehersteller sollen dazu gezwungen werden, die Kreativen, von denen sie nach Ansicht von Frau Trüpel leben, angemessen zu bezahlen. Das ist nicht lediglich alter Wein in neuen Schläuchen, sondern weist eine enge geistige Nähe zur Forderung der Verleger nach Schaffung eines neuen Leistungsschutzrechts auf.

Dass Frau Trüpel insgesamt sehr schlecht informiert ist, zeigen die zahlreichen inhaltlichen Mängel ihres Papiers. So spricht sie z.B. von ISP Adressen, wenn sie IP-Adressen meint.

Die Kernaussage der Europaabgeordneten Trüpel lautet:

Gerätehersteller wie Apple, Unternehmen wie Amazon und Internetserviceprovider verdienen Rekordsummen, ohne diejenigen, die die Inhalte schaffen, angemessen zu beteiligen

Das hätte man unzutreffender wohl kaum formulieren können.

Was Amazon in dieser Aufzählung verloren hat, erschließt sich mir überhaupt nicht. Denn Amazon verkauft Bücher, DVD’s, CD’s und MP3-Dateien und sorgt somit dafür, dass die Content-Industrie und die Künstler verdienen. Das gilt in abgeschwächter Form auch für Apple, denn schließlich ist ITunes die vermutlich größte Plattform für Paid-Content im Musikbereich. Somit generiert auch Apple Umsätze zugunsten der Content-Industrie und macht damit das Gegenteil dessen, was Frau Trüpel behauptet. Bleiben noch die Provider. Die Forderung, dass ISP’s Abgaben zugunsten von Content-Anbietern zahlen sollen, ist nicht wirklich neu. Würde man dies in die Tat umsetzen, dann führte das zunächst zu einer erheblichen Verteuerung des Internetzugangs zu Lasten aller Nutzer, denn die ISP’s würden ihre gestiegenen Kosten natürlich auf die Kunden umlegen. Gerade in einer Informationsgesellschaft kann der Vorschlag von Trüpel deshalb nur als töricht bezeichnet werden.

Ganz abgesehen davon, stellt sich natürlich auch die Frage, was daran denn gegenüber der Idee einer Kulturflatrate vorzugswürdig sein soll.

posted by Stadler at 18:30  

19.2.10

Stellen Filesharing-Abmahner selbst Dateien in P2P-Netzwerken bereit?

Die Vermutung, dass Rechteinhaber bzw. Gesellschaften wie DigiProtect Honigtöpfe aufstellen, in die Filesharer dann tappen, geistert immer wieder durch das Netz. Gibt es Anhaltspunkte dafür, dass Gesellschaften wie DigiProtect selbst MP3-Dateien in Filesharing-Netzwerken platzieren, um Tauschbörsennutzer in die Abmahnfalle zu locken?

Der Vertrag zwischen DigiProtect und Kontor Records (u.a. Scooter) aus dem Jahre 2007 enthält hierzu folgende Klausel:

„DigiProtect ist verpflichtet, vor Einstellung von Aufnahmen in Netzwerke die gesonderte schriftliche Zustimmung von Lizenzgeber für jedes einzelne Netzwerk einzuholen.“

Ob das dann in einzelnen Fällen auch passiert, bleibt freilich unklar.

posted by Stadler at 17:30  

19.2.10

Streitwert von 6.000 EUR bei unberechtiger Onlinenutzung eines Fotos

Das Landgericht Köln hält einen Streitwert von 6.000 EUR bei Unterlassungsansprüchen, die sich gegen die unberechtigte Nutzung eines Fotos im Internet richten, für angemessen (Beschluss vom 13.01.2010, Az. 28 O 688/09).

Die Begründung des Landgerichts reicht allerdings über Allgemeinplätze nicht hinaus. Weil die Unterbindung der Missachtung geistiger Schutzrechte ein wichtiges Anliegen sei, so das Gericht, könne auch bei individuell nicht erheblichen Verstößen ein Streitwert von EUR 6.000,- in Ansatz gebracht werden.

Nachdem die Unterbindung von Rechtsverletzungen stets ein Anliegen der Allgemeinheit darstellt, müsste dies eigentlich auf jedwede (geringfügige) Rechtsverletzung übertragbar sein.

Das OLG Köln hat den Beschluss des Landgerichts bestätigt.

posted by Stadler at 14:20  

19.2.10

Petition gegen Netzsperren am 22.Februar im Bundestag

Das sog. Zugangserschwerungsgesetz hat Franziska Heine im vergangenen Jahr auf den Plan gerufen, beim Deutschen Bundestag eine Petition, die sie „Keine Indizierung und Sperrung von Internetseiten“ überschrieben hat, einzureichen. Kurze Zeit später hatten 134.000 Unterstützer nicht nur dafür gesorgt, dass daraus die erfolgreichste Petition der deutschen Geschichte wurde, sondern auch dafür, dass der Druck auf die Bundesregierung in dieser Frage erheblich zugenommen hat. Dieser Druck wurde aber nicht wie sonst von Lobbyisten erzeugt, sondern durch ganz normale Bürger.

Die Petition wird am 22.Februar 2010 im Petitionsausschuss des Bundestages behandelt. Nachdem das Gesetz jetzt nach Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten wohl doch in Kraft treten wird, bleibt das Thema weiterhin aktuell.

Franziska Heine, die Initiatorin der Petition, erhält Rederecht im Ausschuss und wird den Ausschussmitgliedern ihre Position und ihre Bedenken gegen das Zugangserschwerungsgesetz nochmals darlegen. Wer Franziska hierfür noch Anregungen mit auf den Weg geben möchte, kann und sollte im Blog des AK Zensur dazu einen Kommentar hinerlassen.

posted by Stadler at 10:42  

18.2.10

OLG Brandenburg: Schlösser dürfen auch zu gewerblichen Zwecken frei fotografiert werden

Das Landgericht Potsdam hatte in erster Instanz entschieden, dass der Eigentümer eines Gebäudes (hier: Stiftung Preussische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg) die gewerbliche Verwertung von Fotografien der Gebäude untersagen kann, die von öffentlichen Plätzen aus gefertigt worden sind. Konkret ging es um die Frage, ob das Fertigen von Lichtbildaufnahmen von Außenansichten der Schlösser der Stiftung im Park Sanssouci in Potsdam zu gewerblichen Zwecken zulässig ist („Knipsgebühr“).

Die Entscheidungen des Landgerichts, die ich bereits vor einem Jahr kritisiert hatte, sind vom Oberlandesgericht mit Urteilen vom 18.02.2010 (5 U 12/09, 5 U 13/09, 5 U 14/09) nun aufgehoben worden. Die Revision zum BGH wurde zugelassen.

posted by Stadler at 14:45  

18.2.10

Filesharing: Wie zuverlässig ist die Ermittlung des Anschlussinhabers?

In der aktuellen Ausgabe der c’t (5/2010, S. 50) stellt Holger Bleich die Beweisführung der Rechteinhaber bei der Ermittlung der Rechtsverletzer in Fällen des Filesharing in Frage.

Wie die Ermittlung und Abmahnung von Filesharern abläuft, habe ich vor einigen Wochen in einem längeren Beitrag erläutert.

Das gerichtliche Auskunftsverfahren, durch das derjenige Anschlussinhaber identifiziert wird, über dessen Anschluss die Nutzung von P2P-Netzwerken stattgefunden haben soll, stellt mittlerweile ein Massenverfahren dar, bei dem sowohl auf Seiten der Antragsteller als auch der Gerichte, insbesondere des Landgerichts Köln, nur noch mit Textbausteinen gearbeitet wird. Eine Einzelfallprüfung findet nicht statt. Die Beschlüsse des Landgerichts Köln enthalten stets folgenden Textbaustein:

Die Kammer sieht dabei von weiteren Ermittlungen ab, da nach dem bisherigen Vorbringen der Beteiligten von dem Vorliegen der Voraussetzungen des § 101 Abs. 9 UrhG auszugehen ist und im Rahmen weiterer Ermittlungen nichts Sachdienliches mehr zu erwarten ist.

Wie das Gericht zu dieser Einschätzung gelangt, besagt der Beschluss freilich nicht.

Die Antragsteller, egal ob sie z.B. von den Rechtsanwälten Kornmeier oder wie im Beispiel der c’t von der Kanzlei Nümann & Lang vertreten werden, verweisen im Hinblick auf die angebliche Zuverlässigkeit ihrer Ermittlungsmaßnahmen immer auf Aussagen von „Privatgutachtern“ oder auf eidesstattliche Versicherungen von „Administratoren“, die bestätigen, dass eine Software verwendet wird, die in der Lage ist, eindeutig und zweifelsfrei ein bestimmtes Werk anhand des Hash-Werts zu ermitteln. Das Gericht prüft, auch mangels eigener Sachkenntnis, dabei regelmäßig weder die fachliche Eignung dieser Sachverständigen, noch die Plausibilität der inhaltlichen Aussagen.

Die Hashwert-Methode mag mit hoher Wahrscheinlichkeit zu richtigen Ergebnissen führen, eindeutig und zweifelsfrei sind diese Ergebnisse aber nicht. Es ist unstreitig einerseits so, dass ein und dasselbe Musikstück mit verschiedenen Hash-Werten im Umlauf sein kann und es andererseits zumindest möglich ist, dass inhaltlich unterschiedliche Dateien denselben Hash-Wert aufweisen.

Es kann aber auch bei den Providern zu Fehlern kommen, wenn die IP-Adresse einem Anschlussinhaber zugeordnet wird. Für den Betroffenen ist auch nicht überprüfbar, ob die IP-Adresse, die er angeblich benutzt hat, überhaupt Gegenstand des fraglichen Auskunftsbeschluss ist.

Die c’t hat in ihrem Beitrag das Gutachten, auf das sich die Kanzlei Nümann & Lang regelmäßig beruft, von einem unabhängigen Sachverständigen durchsehen lassen, der erhebliche Mängel und Defizite festgestellt hat.

Die Schlussfolgerung der c’t, dass zwar in den meisten Fällen zumindest der richtige Anschlussinhaber ermittelt wird, dass aber wohl eine gewisse Fehlerquote verbleibt, deckt sich mit den Erkenntnissen meiner Sachbearbeitung. Die Fehlerquote dürfte sich bereits im Prozent- und nicht mehr im Promillebereich bewegen. Nun mag man eine Zuverlässigkeit von 98 oder 99 % für hoch halten. Angesichts von hunderttausenden derartiger Abmahnungen jährlich, bedeutet das aber auch, dass tausende gänzlich Unbeteiligter in Anspruch genommen werden.

Dass außerdem in jedem zweiten Fall der Anschlussinhaber nicht der Verletzer ist, kommt hinzu. Ob der Anschlussinhaber ohne weiteres in Anspruch genommen werden kann, stellt eine umstrittene Rechtsfrage dar, die einer höchstrichterlichen Klärung bedarf.

Das System der Filesharing-Abmahnungen funktioniert auch deshalb, weil Gerichte wie das Landgericht Köln den Angaben der Antragsteller in den Auskunftsverfahren blindlings folgen.

posted by Stadler at 13:00  

18.2.10

DPA wohl keine seriöse Quelle mehr

Wenn man von der DPA verbreitete Falschmeldungen wie diese hier liest, die die Presseagentur anschließend ohne jede Klarstellung einfach wieder umschreibt, fragt man sich unweigerlich, ob die DPA noch als seriöse Informationsquelle betrachtet werden kann. Wieviele solcher Falschmeldungen von Presseagenturen, die anschließend von dutzenden Redaktionen ungeprüft übernommen werden, bekommt man tagtäglich wohl vorgesetzt? Es werden nicht wenige sein. Viel schwerer wiegt allerdings der Umstand, dass die DPA das unter den Teppich kehrt, anstatt eine Richtigstellung zu veröffentlichen.

posted by Stadler at 08:00  
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