Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

19.10.09

Was nutzt der Koalitionskompromiss den Bürgerrechten?

Die Einigung in den Koalitionsverhandlungen im Bereich der inneren Sicherheit ist erwartungsgemäß sowohl unterschiedlich dargestellt, als auch bewertet worden.

Bei näherem Hinsehen zeigt sich, dass die FDP beim Thema Vorratsdatenspeicherung nichts erreicht hat aber mit Blick auf die Onlinedurchsuchung zumindest einen kleinen Achtungserfolg erzielen konnte.

Bleibt das Thema Netzsperren, bei dem der FDP scheinbar ein Durchbruch gelungen ist, was selbst bei Bürgerrechtlern und Netzaktivisten zu verhaltenem Jubel geführt hat.

Die erzielte Einigung ist freilich rechtsstaatlich fragwürdig. Unklar ist zudem, weshalb das Zugangserschwerungsgesetz sachlich gänzlich unangetastet bleibt. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass dieser Kompromiss nur dem Zweck der Gesichtswahrung dient. Die spannende Frage bleibt hierbei nur, welche Seite ihr Gesicht wahren muss, obwohl sie in Wahrheit zurückstecken musste. Ist es die Union, die nicht so weit gehen will, das Gesetz zu beerdigen, noch bevor es in Kraft getreten ist oder doch die FDP, die zeigen muss, dass sie zumindest eines ihrer Wahlkampfversprechen in diesem Bereich halbwegs umsetzen konnte?

Möglicherweise ist die Stimmung in der Union auch einfach die, dass man es in einem Jahr ohnehin machen wird und man der FDP kurzfristig aber einen Teilerfolg gönnen musste. Nach alledem, was man in den letzten Monaten aus den verschiedensten Lagern gehört hat, scheint mir dies die naheliegendste Schlussfolgerung zu sein. Zumal auch auf EU-Ebene eine zunehmende Sympathie für Netzsperren festzustellen ist und die Lobbyisten unterschiedlichster Couleur Netzsperren weiterhin zum Schutz verschiedenster Rechtsgüter propagieren werden. Die Diskussion wird in jedem Fall weiter gehen und mit ihr auch der Versuch, Druck auf die Politik auszuüben.

Vielleicht ist die Einigung deshalb auch nur ein geschickter politischer Schachzug, um das Lager der Sperrgegner zu schwächen. Der teilweise wirklich beeindruckende Widerstand aus dem Netz heraus wird nämlich umso deutlicher abnehmen, je mehr man daran glaubt, bereits einen substantiellen Erfolg erzielt zu haben.

posted by Stadler at 13:40  

Keine Kommentare

  1. Ich bin mir da auch nicht sicher.
    Einerseits hat Schäuble ja bestätigt, dass das Ganze v.a. Wahlkampfzwecken diente.
    Wenn man sich andererseits die derzeitige Politik seitens der EU ankuckt, bleibt wirklich zu befürchten, dass die Netzsperren über diesen Weg umgesetzt werden könnten.
    Umso mehr gilt es, das Thema nicht aus den Augen zu verlieren und ihm weiterhin Widerstand entgegen zu setzen.

    Comment by Markus — 19.10, 2009 @ 14:52

  2. Effektiv hat die FDP beim Thema Bürgerrechte komplett versagt (respektive sich von der Union über den Tisch ziehen lassen).

    Das Zensurgesetz ist jetzt da, wird halt nur erstmal nicht angewendet. Das entbindet die Provider aber nicht davon die techn. Infrastruktur aufbauen zu müssen. Anstatt Zensur gegen großen Widerstand einzuführen wird die Sache jetzt halt erstmal ein Jahr auf kleiner Flamme köcheln gelassen und de Zeit genutzt um Fakten zu schaffen.

    Nach der Jahresfrist wird dann evaluiert ob man tatsächlich alle gefundenen KiPo Angebote hat schließen können und das BKA wird garantiert mit einer kleinen Liste von Fällen aufwarten, bei der es nichts erreichen konnte (wobei die Ergebnislosigkeit vermutlich das Ergebnis einer Dienstanordnung sein wird – man will ja das neue Spielzeug haben).
    Wenn die FDP dann das Gesetz kassieren will, wird die CDU triumphierend mit der Liste wedeln und ein Eingeständnis von Inkompetenz als Erfolg feiern, dass man das Zensurgesetz eben doch braucht.

    Selbst wenn sich dann immer noch Widerstand gegen das Gesetz regt und selbst wenn dieser Widerstand doppelt so stark ist wie jetzt, spielt das dann keine Rolle mehr. Die techn. Infrastruktur für Internetzensur ist geschaffen und wartet nur darauf für ihren eigentlichen Bestimmungszweck eingesetzt zu werden. Dass es nie wirklich um Kinder ging hat Schäuble ja bereits bestätigt.

    Comment by Patrick — 19.10, 2009 @ 18:12

  3. Es ist letztendlich nur eine Frage der Zeit bis auf nationaler und/oder europäischer Ebene die "totale Netzkontrolle" eingeführt wird. Nötigenfalls werden dann eben die Amerikaner "gebeten", mit ihren "Kampf gegen den Terror"-Totschlagargument die entsprechende Forderungen zu stellen (so wie bei der "Flugdaten-Kontrolle"). Ich sehe da kein "Entkommen".
    Da ich von IT-rechtlichen Dingen keine Ahnung habe, frag ich einfach mal: Wäre es denn möglich ein paralleles I-Net zu "erschaffen" (privat betrieben?), bei dem man eine staatliche Kontrolle verhindern kann ?

    Comment by Anonymous — 19.10, 2009 @ 21:37

  4. Wie wird es mit dem "Zugangserschwerungsgesetz" weitergehen?

    Die bisher bekannt gewordenen "Kinder"pornosperrlisten aus Skandinavien und Australien zeigen übereinstimmend, dass keine (wie auch mehrfach vom BKA behauptet) tausende kinderpornografischer Seiten im Internet existieren. Lediglich 2-3 % der gesperrten Seiten zeigen tatsächlich Kinderpornografie; die anderen 97 – 98% zeigen, wenn überhaupt, Pornografie mit jungen Erwachsenen oder Scheinjugendlichen.

    Das BKA wird wie die "erfolgreichen Vorbilder" neben den ein oder zwei Dutzend tatsächlich von dem Inhalt des Gesetzes erfassten kinderpornografischen Seiten diverse Inhalte auf seine "Löschwunschliste" setzen, die auch nach Aufforderung von vielen ausländischen Providern aus gutem Grunde nicht gelöscht werden. Neben den bereits erwähnten Pornoseiten mit jungen Erwachsenen/Scheinjugendlichen (die in den meisten Staaten bei urkundlichem Nachweis der Volljährigkeit der Darsteller legal sind) sind nach deutschem Recht darüber hinaus auch "kinder"pornografische Zeichnungen/Comics oder Texte kriminalisiert. De facto handelt es sich bei diesen Darstellungen von "Straftaten an Kindern" um reine Fiktionen; ohne Täter und Opfer.

    Das BKA wird bei vielen seiner Löschbegehren (aufgrund der Legalität der beanstandeten Inhalte an den Serverstandorten) keinen Erfolg haben und diese Zahlen (ohne die eben geschilderten Hintergründe) nach Ablauf der Evaluierungsphase der Bundesregierung/dem Bundestag als erfolglose Löschversuche "kinder"pornografischer Seiten präsentieren.

    Dann könnte die F.D.P. unter Tränen ihr Bedauern äußern, dass sie zwar prinzipiell gegen jegliche Zensur sei, jedoch der "ausufernden" Kinderpornografie im Internet mit dem Prinzip "Löschen statt Sperren" leider nicht beizukommen ist.

    Comment by Anonymous — 20.10, 2009 @ 02:59

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