Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

16.9.09

Die falschen Propheten der Mediendemokratie

Gestern gegen 23 Uhr habe ich dann noch mal kurz den Fernseher eingeschaltet, das ZDF-Wahlforum lief schon drei Stunden. Und dann kam noch das Thema Netzsperren auf. Es wurden ruckelige Videos von Internetusern eingespielt, die Fragen stellten. Das Thema ist von der Co-Moderatorin schlecht eingeleitet worden und so bekam Ursula von der Leyen sogleich ihre Plattform. Wie immer bei diesem Thema setzte sie auf die emotionale Komponente, denn Fakten gibt es keine, die ihre Haltung untermauern könnten. Frau von der Leyen erklärt, dass Kinder vor laufenden Kameras vergewaltigt würden und diese Filme im Netz frei verfügbar seien und sie genau hiergegen vorgehen würde. Dem Einwand, diese Inhalte doch besser gleich vor Ort löschen zu lassen, begegnete sie einmal mehr mit der – längst widerlegten – Behauptung, dass es eine Reihe von Ländern gäbe, in denen Kinderpornografie nicht geächtet sei und man deshalb vor Ort nichts machen könne. Sigmar Gabriel hatte nichts Besseres zu tun, als ihr ausdrücklich zuzustimmen.

Wer wissen will, warum diese Form der Mediendemokratie nicht funktionieren kann, dem hat eine Sendung wie das Wahlforum die Antwort gegeben. Viele Themen und Probleme sind zu komplex für derartige Veranstaltungen, weil man Hintergründe und Zusammenhänge erklären müsste und keiner der Gäste dafür die Zeit bekommt. Und deshalb schlägt dort immer wieder die Stunde der wahlkämpfenden Heuchler und Demagogen. Für Frau von der Leyen ist problemlos möglich, mit einem Thema wie Netzsperren, für die es bei Lichte betrachtet nicht ein vernünftiges Sachargument gibt, zu punkten und Applaus zu bekommen. Wer sich tatsächlich informieren will, braucht derartige Sendungen erst gar nicht einzuschalten.

Ich habe mich gefragt, wie man Frau von der Leyen in solch einer Situation hätte widersprechen müssen. Cem Özdemir hat es kurz versucht, aber er kam nicht richtig zum Zug. Ich denke, man hätte die Ministerin auffordern müssen, konkret drei Staaten zu benennen, in den Kinderpornografie nicht strafbar ist und die in der Vergangenheit tatsächlich bereits damit aufgefallen sind, dass bei ihnen solche Inhalte gehostet werden. Frau von der Leyen hätte solche Staaten nämlich nicht benennen können, weil es sie nicht gibt. Früher hatte sie insoweit gerne Indien genannt, bis man ihr nachgewiesen hat, dass diese Aussage falsch war und sie sich sogar bei der indischen Botschaft entschuldigen musste.

In so einer Runde wäre es vermutlich auch sinnvoll gewesen, nochmals deutlich zu machen, dass dieses Vorhaben ungeeignet ist auch nur ein einziges Kind zu schützen, sondern, dass der Staat ganz im Gegenteil Wegweiser für Pädophile aufstellt, die ihnen das Auffinden solcher Inhalte noch erleichtert. Aber niemand hat Frau von der Leyen wirklich widersprochen, die Moderatoren wollten das offenbar auch gar nicht zulassen.

Dem Saalpublikum dürfte deshalb, wie vielen Menschen da draußen, auch nicht bewusst gewesen sein, dass sie mit Ursula von der Leyen einer falschen Prophetin Beifall gespendet haben.

posted by Stadler at 07:00  

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