Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

17.9.09

Das Bürgerrechtsvakuum

Für immer mehr Menschen rücken die Freiheitsrechte wieder stärker in den Vordergrund, weil nicht länger zu übersehen ist, dass der Staat die Grundrechte Stück für Stück beschneidet und abbaut. Hiergegen entwickelt sich aus dem Netz heraus eine neue digitale Bürgerrechtsbewegung, die sich unter anderem gegen Netzsperren, Vorratsdatenspeicherung und Onlineüberwachung richtet. Gleichzeitig hat die Piratenpartei einen atemberaubenden Mitgliederzuwachs zu verzeichnen. Der Grund für diese Entwicklung ist sehr einfach. Keine, aber wirklich gar keine der etablierten Parteien setzt sich konsequent für den Schutz und den Erhalt der Freiheitsrechte ein. Immer mehr Bürger erkennen deshalb die Notwendigkeit, selbst für den Erhalt ihrer Rechte kämpfen zu müssen, sich zu engagieren, zu vernetzen und zu organisieren.

Wer bei der Verteidigung seiner Bürgerrechte vielleicht noch auf FDP oder Grüne hofft, muss sich mit den Fakten der Vergangenheit vertraut machen und erkennen, dass auch diese Parteien Bürgerrechtspolitik immer nur in der Opposition betreiben. Die FDP hat den sog. Großen Lauschangriff – der später vom Bundesverfassungsgericht weitgehend wieder kassiert wurde – in der Regierung Kohl aktiv mitgetragen. Der Große Lauschangriff stellte in den 90´er Jahren einen Dammbruch dar und markierte den Auftakt zu einer ganzen Reihe freiheitsfeindlicher Gesetzesvorhaben (Online-Durchsuchung, Vorratsdatenspeicherung, ePass, Ausweitung der Rasterfahndung, KFZ-Kennzeichen-Erfassung) der darauffolgenden Jahre. Viele dieser Gesetzesvorhaben wurden schließlich von den Grünen in der Regierung Schröder mitbeschlossen und mitgetragen. Die Grünen hatten als Koalitionspartner dem Hardliner auf dem Posten des Innenministers, Otto Schily, praktisch nichts entgegenzusetzen. Von Widerstand war nichts zu spüren. Es gibt deshalb keinen vernünftigen Grund anzunehmen, dass es bei einer Regierungsbeteiligung von FDP und/oder Grünen nach diesen Wahlen anders laufen wird.

Beim Thema des Schutzes der Bürgerrechte muss man vielmehr von einem Totalversagen aller im Bundestag vertretenen Parteien sprechen. Wir beobachten eine tiefgreifende Krise der parlamentarischen Demokratie weshalb es wenig erstaunlich ist, wenn manche im Zusammenhang mit der Netzbewegung sogar schon vom Aufkommen einer neuen APO sprechen.

Die etablierten Parteien haben in den letzten Jahren allesamt gegen die Bürgerrechte agiert und dadurch ein Vakuum erzeugt, in das neue Parteien und Bewegungen stoßen werden. Eine wachsende Zahl von Bürgern fühlt sich von den etablierten Parteien gar nicht mehr vertreten, was auch mit einer tiefgreifenden Kluft im Denken zu tun hat. Und diese Bürger artikulieren sich mehr und mehr und ihr Medium ist das Netz.

Für diejenigen, denen ihre Freiheitsrechte so wichtig sind, dass sie ihre Wahlentscheidung daran ausrichten, gibt es, zumindest im etablierten Spektrum, keinerlei wählbare Parteien. Es ist deshalb als zwangsläufig zu betrachten, dass eine Partei wie die Piraten so starken Zulauf erhält.

Aber gegen die Piraten sind (noch) erhebliche Vorbehalte angebracht. Bei keiner der maßgeblichen Netzinitiativen der letzten zehn Jahre – von Freedom For Links bis hin zum AK Zensur – sind die Piraten irgendwie aufgefallen. Sie haben bislang in der dgitalen Bürgerrechtsbewegung keine nennenswerten Akzente gesetzt. Vieles ist bei ihnen derzeit noch holprig, schlecht durchdacht und wirkt reichlich naiv. Die Spötter sagen sogar, die Trolls aus dem Heise-Forum hätten jetzt eine eigene Partei gegründet. Aber der immer wieder gegen sie erhobene Vorwurf, sie hätten nur ein Thema, zieht meines Erachtens nicht. Denn Freiheit mag nicht alles sein, aber ohne Freiheit ist alles nichts.

posted by Stadler at 13:00  

Keine Kommentare

No comments yet.

RSS feed for comments on this post.

Sorry, the comment form is closed at this time.