Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

22.8.14

Bericht eines Teilnehmers über die Diskussionsrunde „Forum digitale Gesellschaft“ bei Innenminister de Maizière

Rigo Wenning (Legal Counsel des W3C) hat am 21.08.2014 an einer Expertenrunde im Innenministerium zum Thema „Big Da­ta – ei­ne Her­aus­for­de­rung für den Datenschutz“ teilgenommen. In diesem Gastbeitrag für internet-law berichtet er aus seiner Sicht über diese Gesprächsrunde.

Auf Einladung von Bundesinnenminister Thomas de Maizière traf sich am 21. August eine illustre Runde hochrangiger Vertreter aus Industrie und Forschung im Innenministerium, um über big data und Datenschutz zu reden. Ein Video der Veranstaltung ist verfügbar. Der offizielle Berichtstext wird der Veranstaltung aber nur teilweise gerecht.

Eröffnet wurde die vom Minister moderierte Runde mit der Frage, wie sich big data eigentlich definiere, wenn man es mit dem altbackenen Begriff der Statistik vergleicht. Der Rückgriff auf die Statistik war rechtlich intelligent. Alle kritisieren derzeit die Digitale Agenda Deutschland und die dafür zuständigen Minister. Entgegen der Kritik zu Sigmar Gabriel bei Netzpolitik.org muss zuerst gesagt werden, dass de Maizière inhaltlich beim rechtlichen Datenschutz kaum Schwächen gezeigt hat. Dass rechtlich die richtigen Themen angesprochen wurden, ist nicht zuletzt auch sein Verdienst.

Volker Markl vom DFKI erklärte uns, was big data ausmacht: Die lernfähigen Systeme, die Dynamik und Masse der Daten und die neuartigen Abfragetechniken. Björn Bergh ergänzte mit einer Erklärung, wie medizinische Datenanalysen innerhalb eines Klinikums datenschutzrechtlich realisiert werden. Schwierig wird es insbesondere, wenn Daten aus verschiedenen Institutionen für die Medizinforschung europaweit zusammengeführt werden sollen. Wrobel und Eckert, beide von Fraunhofer, komplettierten das Bild. Alle hatten eine enge Brille auf, die von ihrem Fachgebiet und ihren Interessen bestimmt war. Mir fehlte besonders die Erwähnung des Internet of Things und der notwendigen Interoperabilität der Daten, um überhaupt solche Datenmengen zu einer kritischen Masse zusammenzufassen. Man hatte das Gefühl, es gehe um data warehouse und data mining, also alten Wein in neuen Schläuchen. Das blieb auch in der gesamten Debatte so, mit Ausnahme der Beiträge von crowdflow.com. Insofern kam beim Minister an, dass die Datenbanken jetzt größer sind. Man könne nun neue Dinge aus den größeren Datenbanken abfragen. Es gehe bei big data letztlich darum, dass man alte Daten neu befragt. In einem Satz, big data und die Zweckbindung personenbezogener Datensammlung sind Feinde. Ausnahme war nur, dass ein Startup ein Problem mit der Datengewinnung hat und damit gegen-UBER einen Nachteil habe.

Die Frage nach dem wirtschaftlichen Nutzen von big data war eine berechtigte. Die Forscher konnten sehr interessante Dinge berichten und hoffen weiter auf bahnbrechende Erkenntnisse durch big data-Analysen. Die Frage an die Wirtschaft wurde aus meiner Sicht weniger überzeugend beantwortet und verlor sich teilweise im Klein-Klein der konkreten Datenschutz-Petita. Es gab das übliche Argument zur Optimierung der Geschäftsprozesse. Was bei big data neu ist, kam nicht wirklich heraus. Das kann auch daran liegen, dass sich alle in der Runde sehr schnell über die Bedeutung von big data für Dinge wie Industrie 4.0 einig waren.

Dann ging es um Lösungen und ich kam nun ein einziges Mal in 3 Stunden zu Wort. Ich habe dann versucht das Boot ein wenig zum Schaukeln zu bringen. In technischer Hinsicht bestand keine Hoffnung, denn die Runde war nicht „Restful“. Aber zu rechtlichen Themen ist mir ein Aufrütteln in zweierlei Punkten gelungen: Zuerst habe ich meine Fundamentalkritik am Datenschutz angebracht, und das generelle Verbot mit Erlaubnisvorbehalt im Datenschutz als ein grundsätzliches Problem entlarvt.

Dann habe ich angeboten, dass die Datenschutzverordnung mittelfristig durch eine Öffnungsklausel für akzeptierte technische Standards eine gewisse Rechtssicherheit für innovative Unternehmen und Investoren schaffen kann. So funktioniert letztlich auch Web-Standardisierung. Es entsteht ein level-playing-field, in dem alle sich an gewisse Regeln halten müssen, und die eine sichere Basis für weitere Innovation liefert. Nehmen wir nochmal crowdflow.com. Deren datenschutzrechtliche Sorge ist vor allem das Sammeln von Positions- oder Geodaten. Diese kommen personenbezogen an und werden dann auf die notwendige Information kondensiert. Der Rest wird – inklusive des Personenbezuges – gelöscht. Das machen fast alle Dienste, die englisch unter dem Stichwort „location based services“ zusammengefasst werden. Ein technischer Standard zur Frage, was wann gelöscht werden muss, würde hier enorm helfen. Die technische Beschreibung hat keinen Platz in der Datenschutzverordnung selbst, und sollte in einem Standard geregelt werden. Deswegen braucht man eine Ermächtigung und einen Prozess, die es der Europäischen Kommission erlauben, eine von allen akzeptierte, technische Lösung, nach Durchsicht durch die Datenschützer, rechtlich verbindlich zu machen.

Der Minister nannte das dann „Schneisen schlagen“, was ein innovatives Potential zu Begrifflichkeiten seinerseits zeigte. Das wurde von der Runde aufgenommen und weiter entwickelt. In der IETF hätte man von „rough consensus“ gesprochen. Es sollte nun versucht werden, das Albrecht-Amendment 108 zu retten, oder den Ratsentwurf um eine vergleichbare Lösung zu ergänzen. Das Innenministerium hat hierzu durchaus eigene Vorstellungen. Die Hoffnung besteht darin, dass ein erster Ansatz geschafft ist. Denn die Aufmerksamkeit für das Problem wurde erzielt. Also hat sich der 18-Stunden-Trip nach Berlin, trotz einer 6-Minuten-Intervention, am Ende gelohnt.

Der erste Punkt, die Fundamentalkritik, wurde von Matthias Cornils erneut in die Diskussion eingeführt. Leute, die Popcorn mögen, sollten sich im Video seine fulminante Intervention ansehen. Denn auf „Verbot mit Erlaubnisvorbehalt“ reagierte er mit Masings Fundamental-Kritik am Datenschutz nach der Entscheidung des EuGH. Zur Google-Entscheidung des EuGH hatte der Blogherr eine Sammlung angelegt. Aus meinen Beiträgen zum Thema hatte ich eine eigene Fundamentalkritik abgeleitet, die aber der von Masing sehr ähnlich ist. Erstaunlich, dass ich ohne von seinem Vermerk zu wissen, so nahe am Ergebnis von Masing bin.

posted by Stadler at 19:45  

Ein Kommentar

  1. …keine Hoffnung…

    I am wondering whether this was about web 1 or web 2
    or bananas.

    Comment by Arne Rathjen, RA — 25.08, 2014 @ 20:25

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