Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

10.7.14

KJM wirft netzpolitik.org vor, Kinderpornographie zugänglich zu machen

Netzpolitik.org, das bekannteste deutschsprachige Blog für netzpolitische Themen, hatte vorgestern darüber berichtet, dass die von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien geführte Liste indizierter Websites im Netz geleakt wurde. Netzpolitik.org hat auf diese Veröffentlichung verlinkt. Dort waren die indizierten URLs aufgelistet, allerdings ohne Verlinkung.

Den Link auf diesen BPjM-Leak hat netzpolitik.org zwischenzeitlich entfernt, nachdem das Blog einen Anruf der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) erhalten hat, in dem der Vorwurf erhoben wurde, das Blog würde Kinderpornographie zugänglich machen. Eine durchaus interessante juristische These der KJM.

In der strafrechtlichen Rechtsprechung und Literatur wird zwar überwiegend angenommen, dass mittels eines Hyperlinks ein Zugänglichmachen nach § 184 b Abs. 1 Nr. 2 StGB (Verbreitung kinderpornographischer Schriften) oder auch nach § 130 Abs. 2 Nr. 1b) StGB (Volksverhetzung) möglich ist.

Der konkrete Fall liegt allerdings anders, eine (direkte) Verlinkung ist nicht gegeben. Netzpolitik.org hat keine Links auf indizierte Websites gesetzt, sondern lediglich auf eine andere Seite verlinkt, auf der die Liste mit indizierten Websites veröffentlicht worden war. Aber auch auf dieser Seite sind  keine Links vorhanden, sondern nur eine Auflistung der URLs in Textform. Die Frage ist also, ob der bloße Hinweis auf eine im Netz befindliche Veröffentlichung einer Liste in reiner Texform bereits strafrechtlich relevant sein kann. Insoweit ist außerdem besonders zu berücksichtigen, dass der Hinweis im Rahmen der Berichterstattung erfolgte, weshalb zusätzlich eine Würdigung im Lichte von Art. 5 GG geboten ist.  Ein solches Verhalten kann deshalb auch bei großzügiger Auslegung nicht mehr als öffentliche Zugänglichmachung von strafbaren Inhalten angesehen werden.

Die Liste mit indizierten Telemedien wird, anders als bei Trägermedien, nach § 24 JSchG nicht im Bundeanzeiger veröffentlicht, weil man Chilling Effects verhindern möchte. Nach § 24 Abs. 5 JSchG kann diese Liste aber anerkannten Einrichtungen der Selbstkontrolle zum Zweck der Aufnahme in nutzerautonome Filterprogramme mitgeteilt werden, soweit ausländische Telemedien betroffen sind. Die Mitteilung darf nach dem Wortlaut des Gesetzes aber nur zum Zweck der Aufnahme in nutzerautonome Filterprogramme verwendet werden. Nach Informationen von netzpolitik.org sollen sich außerdem auch 37 De-Domains auf der Liste befinden, die nach dem Gesetzeswortlaut noch nicht einmal an Anbieter von Filterprogrammen weitergegeben werden dürften.

Die Bundesprüfstelle und/oder die Einrichtungen der Selbstkontrolle geben diese Liste aber – entgegen der gesetzlichen Regelung – auch an Suchmaschinen und Hersteller von Routern weiter, wie Heise berichtet. Suchmaschinen und Routerhersteller sind allerdings keine Anbieter nutzerautonomer Filterprogramme, so dass eine Weitergabe der Listen insoweit nicht vom Gesetz gedeckt ist. Erst die rechtswidrige Weitergabe der Liste an Routerhersteller wie AVM hat den Hack, der nunmehr zur Veröffentlichung der Liste geführt hat, überhaupt erst ermöglicht. Dieses pikante Detail sollte nicht unerwähnt bleiben.

Dass sich auf der Liste tatsächlich noch erreichbare kinderpornographische Angebote befinden sollen, überrascht außerdem. Denn im Regelfall funktioniert die Löschung bekannter kinderpornographischer Internetangebote innerhalb kürzester Zeit.

posted by Stadler at 11:13  

6 Comments

  1. Sollten wir dann nicht eigentlich die BPjM verklagen? Immerhin hat die als erstes die Liste zugänglich gemacht, bundesweit verbreitet (rechtswidrig!) und dabei so schlecht gesichert, dass die Wiederherstellung der enthaltenen Adressen trivial möglich war.

    Comment by Arne Babenhauserheide — 10.07, 2014 @ 11:30

  2. Was ich mich frage, machen sich auch die Leute die einen Tweet mit der Liste verbreitet v.a. retweeted haben, schon strafbar?
    Oder anders gesagt, muss ich mit einer Hausdurchsuchung rechnen :p?

    Comment by Andreas — 10.07, 2014 @ 11:43

  3. […]Dass sich auf der Liste tatsächlich noch erreichbare kinderpornographische Angebote befinden sollen, überrascht außerdem.[…]

    Bei der hiesigen Definition dürften da durchaus Medien vorhanden sein, die hier als unter die Paragraphen fallend gesehen werden, aber im Ursprungsland nicht oder um konkret zu werden, da gibt es eine Seite wo dementsprechende Texte zu finden sind, dort legal bei uns aber illegal….

    bombjack

    Comment by bombjack — 10.07, 2014 @ 12:49

  4. Das mit der Zugänglichmachung sehe ich ein, aber was ist mit Beihilfe zur Verbreitung? Eventualvorsatz sollte hier ja gegeben sein und eine Ausnahme zwecks Berichterstattung halte ich für zweifelhaft, auch vor dem Hintergrund, dass Anwälte ihren Mandanten solches Material auch nicht zur Zwecken der effektiven Verteidigung überlassen dürfen.

    Comment by Bernd — 10.07, 2014 @ 12:53

  5. Ist die Weitergabe an AVM als Routerhersteller in dem Sinne der obigen Erklärung wirklich rechtswidrig ? So wie ich die vorgehende Erklärung verstanden habe ist eine Herausgabe an Hersteller von Filtersystemen in Ordnung.
    Das wäre dann auch eine AVM (Fritzbox) dann wohl, denn der Router hat tatsächlich eine Black-/Whiteliste zur Ausfilterung sowie das Ausfiltern von Inhalten gemäß einer offiziellen Liste (BPSfJm oder so ähnlich) integriert um ggf. eine Kindersicherung anzuknipsen.
    So ein AVM (Fritzbox) Router ist halt meistens nicht nur ein technischer Router, sondern ist dann auch ggf. Filter.
    So einen Filter im Rahmen einer Kindersicherung auf dem Router (also der Schnittstelle ins Internet) zentral einzusetzen macht auch mehr Sinn als auf dem Rechner, den dort kann es im Idealfall weniger leicht ausgehebelt werden als z.B. auf dem PC des Kindes direkt (auf den PC hat das Kind, zumindest begrenzten, Zugriff, auf den Router erst mal nicht zwingend. Ein findiger 15-jähriger der sich gut mit Computern auskennt könnte da schon einen Filter aushebeln).

    Comment by Andre — 10.07, 2014 @ 16:23

  6. AVM und Co hat keine direkte Liste, sondern die Prüfsummen der betreffenden Domains erhalten. Wenn also example.com aufgerufen werden soll, wird eine Prüfsumme von example.com mit den Prüfsummen in der übergebenen Liste verglichen. Man kann also nicht einfach in die Liste schauen.

    Um zu erfahren, was wirklich in der Liste steht, mußten also die Prüfsummen von bekannten Domains (laut Heise beispielsweise „öffentlichen zugänglichen Blacklists“) erstellt und mit den Listenprüfsummen verglichen werden. Wenn das passt, weiß man was in der Liste steht. Allerdings dient das ja nur zum schauen, was da gesperrt wird. Die betreffenden Domains müssen demjenigen der das durchführte schon vorher bekannt gewesen sein.

    Comment by Achtzig — 10.07, 2014 @ 18:50

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