Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

16.4.14

Das Kind mit dem Bade ausgeschüttet: Der Kampf gegen Nacktbilder (von Kindern)

Zu der vom Bundesministerium der Justiz angekündigten Verschärfung des Sexualstrafrechts liegt mir mittlerweile der Referentenentwurf vor, über den die Medien in den letzten Tagen berichtet hatten. Prantl hat den Gesetzesvorschlag in der SZ bereits äußerst treffend kommentiert. Dieser Blogbeitrag beschränkt sich auf die geplante Änderung des § 201a StGB, der Entwurf enthält allerdings zahlreiche weitere Änderungen und Neuerungen.

Nach der geplanten Neuregelung des §201a StGB soll sich künftig auch strafbar machen, wer unbefugt eine bloßstellende Bildaufnahme oder eine Bildaufnahme von einer unbekleideten Person herstellt oder überträgt. Zudem ist die Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung solcher Bildaufnahmen strafbar.

Folgende Änderung des § 201a StGB ist nach dem Referentenentwurf konkret vorgesehen:

§ 201a wird wie folgt geändert:
a) Dem Absatz 1 wird folgender Satz angefügt:
Ebenso wird bestraft, wer unbefugt eine bloßstellende Bildaufnahme von einer anderen Person oder unbefugt eine Bildaufnahme von einer unbekleideten anderen Person herstellt oder überträgt.“

b) Absatz 2 wird wie folgt geändert:
aa) Das Wort „Ebenso“ wird durch die Wörter „Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe“ und die Wörter „einem Dritten“ werden durch die Wörter „einer dritten Person“ ersetzt.
bb) Folgender Satz wird angefügt:
„Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine durch eine Tat nach Absatz 1 hergestellte Bildaufnahme verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht.“

c) Absatz 3 wird durch die folgenden Absätze 3 und 4 ersetzt
„ (3) Wer dadurch, dass er eine befugt hergestellte Bildaufnahme der in Absatz 1 Satz 1 bezeichneten Art wissentlich unbefugt einer anderen Personen zugänglich macht oder sie verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht, den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt, wird wie folgt bestraft:
1. mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe, wenn er die Bildaufnahme einer dritten Person zugänglich macht,
2. mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe, wenn er die Bildaufnahme verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht.
(4) Wer eine befugt hergestellte Bildaufnahme der in Absatz 1 Satz 2 bezeichneten Art unbefugt einer anderen Person zugänglich macht oder sie verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht, wird wie folgt bestraft:
1. mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe, wenn er die Bildaufnahme einer dritten Person zugänglich macht, oder
2. mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe, wenn er die Bildaufnahme verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht.“

d) Der bisherige Absatz 4 wird Absatz 5.

Interessant hieran ist zunächst, dass man das geplante Verbot der Verbreitung von Nacktbildern von Kindern nicht im Sexualstrafrecht ansiedelt, sondern im Abschnitt über die Verletzung des persönlichen Lebens- und Geheimnisbereichs. Demzufolge wird sich diese Gesetzesverschärfung auch nicht primär im Bereich der Nacktbilder von Kindern auswirken, sondern vorwiegend in ganz anderen Bereichen, nämlich bei der Veröffentlichung von Bildern von Prominenten, Politikern und anderen Personen zu denen ein Berichterstattungsinteresse besteht.

Die gewählte Konstruktion wirft Probleme und Fragestellungen auf, die weit über das Strafrecht hinausreichen.

Zunächst gilt es zu erkennen, dass die Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung von Abbildungen von Personen bereits nach § 22 KUG verboten ist, der Verstoß stellt nach § 33 Abs. 1 KUG eine Straftat dar. Insoweit besteht kein Bedürfnis für eine weitere Strafvorschrift, die wiederum dem Schutz des Persönlichkeitsrechts dient. Andererseits erlaubt § 23 KUG die Verbreitung von Fotos von Personen der Zeitgeschichte, wenn nicht deren berechtigtes Interesse verletzt wird. Eine solche Gestattung bzw. Ausnahme fehlt in der geplanten Neuregelung des § 201a StGB. Die bisherige Fassung des § 201a StGB betraf ausschließlich den geschützten höchstpersönlichen Rückzugsbereich, während sich die Neuregelung nicht hierauf beschränkt, sondern beispielsweise auch auch auf Bildaufnahmen im öffentlichen Raum anwendbar ist. Dass insoweit verfassungsrechtlich aber ganz unterschiedliche Anforderungen gelten, je nachdem, ob die Intims- oder Privatsphäre eines Menschen betroffen ist oder nur seine Sozialsphäre, ist einer der Aspekte, denen der Entwurf keinerlei Rechnung trägt.

Das Verhältnis der geplanten Neuregelung des § 201a StGB zu §§ 23, 23, 33 KUG bleibt unklar, die Regelungen sind nicht konsistent. Die Gesetzesbegründung spricht nur ganz allgemein davon, dass die Neufassung den strafrechtlichen Schutz des § 33 KUG verbessern würde. Dass sich die Regelungen teilweise widersprechen, hat man im BMJ offenbar aber nicht erkannt. Das wäre vielleicht noch zu verschmerzen, wenn es sich nur um einen einfachgesetzlichen Normenkonflikt handeln würde.

Die Regelung des § 23 KUG entspricht aber im Wesentlichen auch der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrecht (EGMR) zu Art. 5 GG bzw. Art. 10 MRK (Freiheit der Meinungsäußerung). Danach dürfen Bildnisse von Personen der Zeitgeschichte, die der EGMR „public figure“ nennt, unter Umständen auch gegen den Willen des Abgebildeten verbreitet werden, insbesondere dann, wenn sie einen Beitrag zu einer Debatte von allgemeinem Interesse leisten. Das betrifft selbstredend auch unvorteilhafte oder bloßstellende Fotos. Die Einschränkungen und Differenzierungen, die die Rechtsprechung des EGMR und des BVerfG vornimmt, finden sich in der geplanten Neuregelung nicht wieder, weshalb sie allein deshalb als verfassungsrechtlich in höchstem Maße problematisch einzustufen ist. Denn die Neuregelung des § 201a StGB postuliert ein absolutes Verbot der Herstellung, Verbreitung und öffentlichen Zugänglichmachung von bloßstellenden Bildaufnahmen einer Person.

Unabhängig davon, dürfte der unbestimmte Rechtsbegriff „bloßstellende Bildaufnahme“ aber auch unter Bestimmtheitsgesichtspunkten problematisch sein. Sind beispielsweise unvorteilhafte Fotos von Politikern oder Prominenten bereits bloßstellend? Die Gesetzesbegründung definiert den Begriff folgendermaßen:

Unter bloßstellenden Bildaufnahmen versteht man solche, die die abgebildete Person in peinlichen oder entwürdigenden Situationen oder in einem solchen Zustand zeigen, und bei denen angenommen werden kann, dass üblicherweise ein Interesse daran besteht, dass sie nicht hergestellt, übertragen oder Dritten zugänglich gemacht werden.

Der Gesetzesentwurf hätte an dieser Stelle die Beschränkungen des § 23 KUG bzw. die von der Rechtsprechung des BVerfG und des EGMR entwickelten Kritieren, unter welchen Voraussetzungen Bildnisse einer Person auch gegen deren Willen angefertigt und veröffentlicht werden dürfen, in § 201a StGB aufnehmen müssen. Denn das Zugrundeliegen einer peinlichen Situation stellt im Lichte der Meinungs- und Pressefreiheit sicherlich keinen Grund dar, eine Veröffentlichung eines Fotos einer „public figure“ zu untersagen.

In der jetzigen Form wird die Neuregelung vor allen Dingen zu Einschränkungen der Meinungs- und Pressefreiheit führen, aber kaum nennenswert zum Schutz von Kindern beitragen. Sollte das Gesetz in dieser Form in Kraft treten, dürfte es einer verfassungsgerichtlichen Überprüfung kaum standhalten.

Der Deutsche Journalistenverband hat den Gesetzesvorschlag bereits kritisiert und sieht ganz zu recht die Gefahr einer Beeinträchtigung der Bildberichterstattung.

posted by Stadler at 10:31  

12 Comments

  1. Zu einer „bloßstellenden Bildaufnahme“ eines Politikers, die 1919 erlaubt war und 2014 nach dem Willen der Bundesregierung dann wohl verboten wäre:

    http://blog.delegibus.com/2012/01/03/bundesprasident-wulff-ein-abgrund-von-landesverrat/

    :-)

    Comment by OG — 16.04, 2014 @ 11:22

  2. Ich hatte in anderem Zusammenhang irgendwo bereits Maas als Opportunisten betitelt und hielt ihn wenig geeignet für das Amt.

    Ich fühle mich bestätigt.

    Comment by Frank — 16.04, 2014 @ 11:30

  3. Die Bedenken von Herrn Stadler in Bezug auf die Pressefreiheit sind berechtigt. Ein Beispiel:
    Vor einigen Jahren hatte eine britische Boulevardzeitung Fotos von Angela Merkel am Strand in Italien veröffentlicht. Die Fotos zeigten die Kanzlerin „außer Form“ mit größtenteils entblößten Hinterbacken beim Umziehen am Strand. Dumm, dass eine weltbekannte Politikerin so etwas tut. Einigermaßen geschmacklos vielleicht, so etwas zu verbreiten. Ein zivilrechtlicher Grenzfall war es sicher auch… Wie auch immer: Die Verantwortlichen der Zeitung hätten sich nach dem Wortlaut der Entwurfsfassung dann wohl strafbar gemacht!? Und wäre das als Ergebnis wirklich wünschenswert?

    Comment by AS — 16.04, 2014 @ 12:36

  4. Da liegt noch mehr Sprengstoff drin:

    […] oder unbefugt eine Bildaufnahme von einer unbekleideten anderen Person herstellt oder ÜBERTRÄGT.
    […]

    Sind da die Provider da fällig….

    Btw. was ist mit dem §184b der da neu lauten soll:
    […]oder die Wiedergabe eines ganz oder teilweise unbekleideten Kindes in unnatürlich geschlechtsbetonter
    Körperhaltung zum Gegenstand hat (kinderpornographische Schrift), verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht,[…]
    Damit wird die Definition „unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung“ wie sie im §4 des JmStV zu finden ist nun ins StgB aufgenommen, das ist eine ganz gewaltige Verschärfung…..damit und in Verbindung mit dem neuen § 184d „Zugänglichmachen pornographischer Inhalte mittels Rundfunk oder Telemedien; Abruf kinder- und jugendpornographischer Inhalte mittels Telemedien“ (vgl. PDF) mutieren eine Menge Bilder die im Ausland gehostet werden (ich denke da an einen russischen Bilderhoster) zu strafbarer Inhalten und das wird auch ganz offen zugegeben:
    […]
    Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHSt 43, 366, 368) liegt eine sexuelle Handlung eines
    Kindes oder eines Jugendlichen im Sinne von § 184b, 184c StGB zum Beispiel vor, wenn
    ein Kind oder Jugendlicher für ein Nacktfoto seine Beine spreizt, da das Spreizen der Beine,
    um die unbedeckten Genitalien offen zur Schau zu stellen, eine nicht unerhebliche
    sexuelle Handlung, durch die der Betrachter sexuell erregt werden soll, beinhaltet.
    Um auch unwillkürlich eingenommene geschlechtsbetonte Körperhaltungen, etwa durch ein
    schlafendes Kind, strafrechtlich in § 184b StGB zu erfassen, soll es nicht mehr auf das Einnehmen dieser Körperhaltung als sexuelle Handlung ankommen, sondern lediglich auf die Körperhaltung selbst.
    […]

    D.h. Gesinnungsstrafrecht reinsten Wassers…..

    bombjack

    Comment by bombjack — 16.04, 2014 @ 12:52

  5. Hier greift natürlich wieder der Stammtischreflex, dass Politiker dämlich sind und keine Ahnung haben von dem, was sie da tun.

    Der Meinung bin ich nicht. Die Wissen GENAU was sie da tun. Und wenn man das ganze unter dieser Prämisse betrachtet ergibt sich plötzlich ein bekanntes Muster:

    Es wird in die Welt hinaus posaunt, man wolle was gegen Kinderpornographie unternehmen und schafft ein Gesetz, dass die Pressefreiheit einschränkt. Das kommt einem nicht nur vage bekannt vor.

    Comment by Vinterblot — 16.04, 2014 @ 13:02

  6. Ich erinnere daran, dass ein Fotograf des Spiegel vor mehreren Jahrzehnten mal FJS „abschoss“, als er in einem passenden (oder unpassenden) Winkel zu einem Hirschgeweih stand.

    Oder das Foto von Regina Schmeken, das Kohl und John Major(?) nebeneinder stehend zeigt. So dass hinter Major ein Stück Kohl herausragt und vor ihm erst recht: http://www.fotomuveszet.net/_site/templates/images/stories/fotok/200412/08/04120805.jpg

    Beides hochgradig unvorteilhafte Bilder.

    Comment by Marc B. — 16.04, 2014 @ 14:04

  7. Warum können Politiker für ihre Gesetzesvorschläge nicht haftbar gemacht werden? Ist doch unglaublich was die sich erlauben können. An das Gemeinwohl denkt dort keiner, ebensowenig an den Eid den sie geleistet haben. Ich schäme mich für unsere gesamte Politik.

    Comment by Politikverdrossener — 16.04, 2014 @ 14:49

  8. Siehe auch
    http://archiv.twoday.net/stories/752348287/

    Comment by Dr Klaus Graf — 16.04, 2014 @ 18:13

  9. „Bloßstellend“ als Rechtsbegriff in einem Strafgesetz? Was ist denn das?

    Comment by W. J. Zinke — 16.04, 2014 @ 21:45

  10. Also ich finde den Gesetzesentwurf nicht schlecht. ich finde schon das man insbesondere Kinderbilder
    verbieten sollte und auch härter bestrafen, bei Erwachsenenpersonen sehe ich es anders, da diese in der Regel wissen was Sie tun, den Rest könnte man sich schenken da unerlaubte Verbreitung ohne Einverständis der fotographierten Privatperson eh schon strafbar ist.

    Comment by Patrick — 17.04, 2014 @ 11:22

  11. @Patrick
    Du willst also alle Kinderbilder verbieten, egal welcher Couleur? Habe ich das richtig verstanden? Auch den Besitz von Kinderbildern willst du bestrafen? Was ist mit Klassenfotos? Ich habe noch zahlreiche Klassenfotos aus meiner Schulzeit. Dort sind auch viele andere Kinder drauf (meine ehemaligen Schulfreunde). Dann mache ich mich also nach deiner Ansicht strafbar, wenn ich diese Bilder weiter behalte?
    Geh mal bitte an die frische Luft! Solche dummen Vorschläge können nur von Menschen kommen, die Sauerstoffmangel haben.

    Falls du Bilder von nackten Kindern meinst, hättest du das auch so schreiben sollen. So wie du das schreibst, hört sich das halt an, als ob du generell Kinderbilder verbieten willst (egal ob nackt oder angezogen, egal in welcher Situation).

    Comment by J. S. — 17.04, 2014 @ 15:47

  12. Protest

    http://www.spiegel.de/politik/deutschland/nacktbilder-verbot-widerstand-gegen-plaene-von-maas-a-965033.html

    Comment by Franzy — 18.04, 2014 @ 19:31

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