Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

4.4.14

Darf der Verfassungsschutz das Urheberrecht verletzen?

Die Punkband „Feine Sahne Fischfilet“ steht unter Beobachtung des Verfassungsschutzes in Mecklenburg-Vorpommern und wird in den dortigen Verfassungsschutzberichten 2011 und 2012 ausführlich gewürdigt.

Im Verfassungsschutzbericht 2012 (S. 58) wird der Eintrag durch ein Foto illustriert, das der Website der Band entnommen worden ist. Dagegen hat der Fotograf nach einem Bericht von publikative.org beim Amtsgericht Charlottenburg geklagt und unterlag in erster Instanz. Über die Berufung des Fotografen verhandelt das Landgericht Berlin nächste Woche.

Die Übernahme des Fotos in den Verfassungsschutzbericht stellt zunächst eine Vervielfältigung im Sinne des Urheberrechts dar. Nachdem der Verfassungsschutzbericht auch im Netz steht, wird das Foto von der Behörde zudem öffentlich zugänglich gemacht. Das stellt zunächst eine Urheberrechtsverletzung dar.

Diese Urheberrechtsverletzung könnte allerdings von der Schrankenbestimmung des § 45 UrhG gedeckt sein. Danach ist es für Zwecke der Rechtspflege und der öffentlichen Sicherheit zulässig, urheberrechtlich geschützte Werke und Bildnisse zu verviefältigen und zu verbreiten bzw. öffentlich wiederzugeben.

Die Regelung soll beispielsweise eine Vorführung im Gerichtssaal oder die Veröffentlichung von Fahndungsfotos ermöglichen. Die Verwendung muss sich allerdings im Rahmen der engen Zweckbestimmung bewegen. Und an diesem Punkt wird es problematisch. Denn der Verfassungsschutzbericht dient der Dokumentation und nicht (unmittelbar) der Gefahrenabwehr oder der Strafverfolgung. Es ist zwar richtig, dass die Verfassungsschutzbehörden – zumindest nach dem Gesetz – die Aufgabe haben, die freiheitlich demokratische Grundordnung und die Sicherheit des Bundes und der Länder zu schützen. Die Frage ist allerdings, inwieweit die Veröffentlichung eines Fotos in einem Verfassungsschutzbericht diesem Zweck dient und für diese Zwecke erforderlich ist.

Ein Foto auf dem eine Rockband lediglich posiert, stellt keinen Beleg für die angeblich demokratiefeindlichen Umtriebe der Band dar. Anders wäre das m.E. nur dann, wenn das Foto ein Geschehen zeigen würde, das den Vorwurf der linksextremistischen Aktivitäten zumindest ansatzweise darstellen und belegen würde. Das ist aber nicht der Fall. Welchen spezifischen Zwecken der öffentlichen Sicherheit die Veröffentlichung eines neutralen Bandfotos in einem Verfassungsschutzbericht dienen soll, bleibt unklar. Die Veröffentlichung dient offenbar lediglich der Zurschaustellung von Personen und ist daher von der – eng auszulegenden – Ausnahmevorschrift des § 45 UrhG nicht gedeckt.

posted by Stadler at 17:00  

8 Comments

  1. Zur Erläuterung des Inhalts darf zitiert werden (§ 51 UrhG).

    Comment by Dr. Klaus Graf — 4.04, 2014 @ 18:37

  2. Direkt eingefügt ein Zitat aus dem KunstUrhG:

    㤠22

    Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Die Einwilligung gilt im Zweifel als erteilt, wenn der Abgebildete dafür, daß er sich abbilden ließ, eine Entlohnung erhielt.
    ….“

    Mindestens einer der Abgebildeten dürfte vom Verfassungsschutz bezahlt worden sein – so dass
    ein denkbarer Verstoß gegen das KunstUrhG und eine Verletzung des Rechts am eigenen Bild wohl ausscheiden.

    Oder ?

    Comment by Arne Rathjen, Rechtsanwalt — 4.04, 2014 @ 19:16

  3. @Arne Rathjen — Ausgezeichnete Polemik :-)

    Comment by Wolf-Dieter — 5.04, 2014 @ 12:14

  4. Ich finde den Humor in diesem Beitrag einfach super, eine Formulierung wie die hier: „Es ist zwar richtig, dass die Verfassungsschutzbehörden – zumindest nach dem Gesetz – die Aufgabe haben, die freiheitlich demokratische Grundordnung und die Sicherheit des Bundes und der Länder zu schützen.“ ist einfach wunderschoen!
    Das waere auch so richtig zum Lachen, wenn die Konsequenz, die sich aus der Realitaet von dem, was die Verfassungschutzbehoerden so treiben ergibt, fuer den Normalbuerger nicht so unendlich traurig waere.

    Comment by Tom — 6.04, 2014 @ 18:11

  5. Danke für den Lesetipp VSB, der ist sehr lustig. Wer beim VS „linksextremistisch“ so trennt: „linksext-remistisch“ (S. 59), weiss hoffentlich trotzdem, worüber er schreibt.

    Aber woran erkennt man echte Blender? Auf der gleichen Seite beklagen die sich über eine „…grundlegende Ablehnung des Staates einschließlich seiner freiheitlichen demokratischen Grundwerte…“ – Leute, euer Job dreht sich um die freiheitliche demokratische Grundordnung! Merkhilfe: abgekürzt sagt man FDGO dazu, nicht FDGW.

    Kein Wunder, dass die nicht mit Urheberrechten klar kommen.

    Comment by zarl — 7.04, 2014 @ 16:53

  6. Offenbar scheint da ein staatsamtlicher Publizist der Meinung gewesen zu sein, er könne seine Models einfach so abbilden, ohne zu fragen.

    Nach allem, was nach NPD-Verbotsverfahren,
    U-Ausschüssen und anderem klar geworden ist bleibt die Prognose, dass, würde man den Laden in eine Therapiegruppe umwandeln, der Extremismus dramatisch zurück gehen würde, was dann allerdings den Vorwand für zahlreiche unrechtmäßige Gesetzesvorlagen entfallen ließe.

    Comment by Arne Rathjen, Rechtsanwalt — 7.04, 2014 @ 20:32

  7. Hinweis zum ersten Kommentar: In einem Bericht über ein bestimmtes Ereignis darf nicht einfach irgendein ein beliebiges Foto „zitiert“ werden. Hierzu ein Zitat aus SCHRICKER/LOEWENHEIM (hier Schricker/Spindler), bei dem es um ein auf einem Foto abgebildetem dreidimensionalem Kunstwerk ging: „Die Reform des Zitatrechts weist damit immer noch den Schwachpunkt auf, dass sich die Zitierfreiheit nicht auf das Lichtbild erstreckt, welches das zitierte Kunstwerk wiedergibt (Schack Rdnr. 550), da regelmäßig keine Auseinandersetzung mit dem Lichtbild an sich vorliegen wird …“

    Comment by Schmunzelkunst — 7.04, 2014 @ 20:46

  8. Laut Webseite der Band FEINE SAHNE FISCHFILET hat das Landgericht im Berufungsverfahren der Klage stattgegeben: http://feinesahnefischfilet.blogsport.de/2014/04/08/und-alle-so-yeah/

    Comment by martinf — 22.04, 2014 @ 20:02

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