Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

16.1.14

Uneinheitliche Rechtsprechung zum Filesharing

Eine neue Entscheidung des Amtsgerichts Hamburg (Az.: 36a C 134/13) erweitert die Palette uneinheitlicher Entscheidungen zum Thema Filesharing.

Ähnlich wie das Amtsgericht München – und anders als die Oberlandesgerichte Hamm, Köln und Frankfurt – geht das AG Hamburg davon aus, dass es für die Erfüllung der sog. sekundären Darlegungslast nicht genügt, sich darauf zu berufen, dass die im Haushalt lebende Lebensgefährtin den Internetanschluss ebenfalls benutzt. Vielmehr müsse vorgetragen werden, ob die Lebensgefährtin den Anschluss im fraglichen Zeitpunkt genutzt hat, wobei es das Amtsgericht als unbeachtlich betrachtet, wenn vorgetragen worden ist, dass der Anschlussinhaber und seine Lebensgefährtin im fraglichen Zeitpunkt gar nicht zu Hause waren, weil die Rechtsverletzung die persönliche Anwesenheit eines Menschen nicht erfordert.

Die Entscheidung des AG Hamburg ist noch aus zwei anderen Gründen bemerkenswert. Das AG Hamburg vertritt die Ansicht, dass eine isolierte Verfolgung des Schadensersatzanspruchs nicht statthaft ist. Wer also seinen Unterlassungsanspruch nicht verfolgt, kann gerichtlich auch keine Schadensersatzansprüche durchsetzen. Wenn gar kein Unterlassungsprozess droht – so das AG Hamburg – dann kann die Abmahnung einen solchen auch nicht vermeiden helfen und ist daher nicht berechtigt. Auch das hat das Amtsgericht München in einem von mir vertreten Verfahren anders beurteilt. Obwohl schriftsätzlich ausdrücklich gerügt wurde, dass nur der Schadensersatz- und nicht auch der Unterlassungsanspruch gerichtlich verfolgt wird, hat das Gericht Schadensersatz zugesprochen, ohne diese Frage im Urteil überhaupt zu thematisieren. Es ist in der Tat erstaunlich, wie weit die Rechtsansichten der Gerichte bei einzelnen Rechtsfragen auseinander liegen.

Das AG Hamburg hat außerdem die Ansicht vertreten, dass es ausreichend ist, bei einem Pornofilm als Schaden eine (fiktive) Lizenzgebühr von EUR 100,- anzusetzen. Das Gericht berücksichtigt hierbei ausdrücklich die kurze Nutzungsdauer beim Filesharing. Bei anderen Gerichten wird insoweit regelmäßig ein Schaden von mehreren hundert EUR in Ansatz gebracht.

Beim Amtsgericht München wurde übrigens unlängst die Geschäftsverteilung geändert, mit der Folge, dass die Filesharing-Fälle nicht mehr bei wenigen Richtern konzentriert werden, sondern bei allen Zivilrichtern landen können. Dies scheint nunmehr dazu zu führen, dass die Rechtsprechung auch innerhalb des Amtsgerichts München nicht mehr einheitlich ist. Nach einem Blogbeitrag des Kollegen Schwartmann soll das AG München am 15.01.2014 eine Abweisung mehrerer Klagen von Waldorf Frommer verkündet bzw. angekündigt haben.

Die aktuelle Entwicklung erscheint daher uneinheitlich und mehr und mehr unberechenbar.

posted by Stadler at 10:43  

10 Comments

  1. Und diese Entwicklung verstärkt meiner Meinung nach noch das schwindende Vertrauen vieler Menschen in das deutsche Rechtssystem. Wenn man sich nur mal vor Augen führt, wieviele Menschen hierzulande erst durch diese Abmahnwellen mit der deutschen Justiz in Kontakt gekommen sind und feststellen, dass eigentlich alles möglich ist. Und davon vieles dem gesunden Menschenverstand widerspricht.

    Man kann Pech haben und wird verklagt. Wenn es soweit ist geht es nicht darum jemanden die Schuld beweisen zu können, sondern man muss im Gegenteil selbst seine Unschuld beweisen. Was ja in den meisten Fällen gar nicht möglich wäre.
    Manchmal muss man aber auch einfach nur stur sein und nicht bezahlen und nach der Verjährungsfrist hat sich das Ganze in Wohlgefallen aufgelöst. Ohne dass es einen offensichtlichen Grund gibt, warum das eine verfolgt wird, das andere aber nicht.

    Der Schaden der mit dem ganzen Abmahnsystem zur Verfolgung von Lappalien verursacht wird, ist für mich dabei der größte Skandal.

    Comment by Mike — 16.01, 2014 @ 11:42

  2. Es ist doch überhaupt kein Wunder, dass die Richter in einer Angelegenheit zu völlig verschiedenen Urteilen kommen, in denen

    – technische Realität,
    – gesetzliche Begrifflichkeit und Umsetzung,
    – laienhaftes Verständnis und
    – Geschäftsmodelle / Nutzungsverhalten

    überhaupt nicht zueinander passen. Jedes Urteil kann man irgendwie begründen und widerlegen, ohne dass es gänzlich konsistent oder wie kompletter Unsinn erscheint.

    Comment by Der dicke Hecht — 16.01, 2014 @ 12:46

  3. http://fliegender-gerichtsstand.de/ksp_tagesspiegel_amtsgericht-hamburg_23a_C_311-13_03.09.2013.pdf

    Comment by Franzy — 16.01, 2014 @ 17:06

  4. Hallo Thomas, hast du schon die lustige Entwicklung um die RedTube-Abmahnungen mitbekommen?

    http://blog.kowabit.de/redtube-the-archive-firma-zieht-um/

    und dann

    http://blog.kowabit.de/redtube-spektakulaere-entwicklung/

    Comment by daMax — 16.01, 2014 @ 17:14

  5. „wobei es das Amtsgericht als unbeachtlich betrachtet, wenn vorgetragen worden ist, dass der Anschlussinhaber und seine Lebensgefährtin im fraglichen Zeitpunkt gar nicht zu Hause waren“

    m(

    Man kann davon ausgehen, dass die Leute ihre Computer (besonders wenn sie länger weg sind) ausschalten, aber was interessiert ein Gericht die Wirklichkeit.

    Comment by Heinz — 16.01, 2014 @ 20:07

  6. Die Amtsgerichte in Hamburg entscheiden heute anders als die LG-Kammern, was die Abmahnkosten ohne weiterer Rechtverfolgung betrifft.

    Hierzu zwei Urteile.

    36a C 556/11 v. 29.11.13 vom gleichen Richter Dr. Hewicker http://bit.ly/1kEymp6

    18b C 352/12 v. 11.12.13 vom Richter Dr. Rock

    http://bit.ly/1j9p0QC

    Dr. Rock hat allerdings auf diesen Aspekt verzichtet, weil es genug andere Gründe gab, die Klage abzuweisen.

    Richterin Dr. Kaiser sah das im Urteil 20a C 72/12 v. 09.01.13 noch anders. http://bit.ly/LkARNV

    Es bewegt sich einiges am Sievekingplatz in Hamburg von unten nach oben.

    Comment by Rolf Schälike — 16.01, 2014 @ 20:23

  7. Das Gutachten liegt vor

    http://www.mueller-roessner.net/aktuell/artikel/article/das-gutachten-zur-software-gladii-113-liegt-nun-im-wortlaut-vor.html

    Comment by Franzy — 17.01, 2014 @ 11:43

  8. Es scheint nach wie vor die ungefährlichste Lösung zu sein, auf Filesharing zu verzichten.

    Comment by RA Hechler — 18.01, 2014 @ 12:47

  9. @ RA Hechler,
    Punkt1 Filesharing ist nicht illegal
    Punkt2 hätten Sie ja nix mehr zu tun, denn so wie es aussieht,ist der ganze Abmahnwahn ein gutes Geschäft für Sie.
    Mal schön,wieder Ihre Werbung zu sehen.

    Comment by Abgemahnter — 20.01, 2014 @ 13:25

  10. Soll es in die nächste Runde gehen?

    Comment by anwalt-in-mol.de — 28.01, 2014 @ 15:35

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