Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

30.11.13

Lügen für die Vorratsdatenspeicherung

SPD-Chef Sigmar Gabriel hat bereits vor seinem denkwürdigen Auftritt im Heute-Journal zu einem weiteren argumentativen Höhenflug angesetzt. Im ARD-Brennpunkt hat er vergangene Woche die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung mit den Morden von Anders Breivik gerechtfertigt und behauptet, dass man durch die Vorratsdatenspeicherung in Norwegen sehr schnell wusste, wer der Mörder war. Jetzt ist allerdings hinlänglich bekannt, dass Breivik noch vor Ort auf der Insel Utøya festgenommen wurde. Außerdem gab es in Norwegen zu diesem Zeitpunkt überhaupt keine (umgesetzte) Vorratsdatenspeicherung, worauf Gabriel jetzt sogar von seinen Genossen Netzpolitikern hingewiesen wurde.

Es ist unredlich so zu argumentieren, aber wer die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung fordert, kann gar nicht anders, denn es gibt keine Fakten, die den Nutzen der Vorratsdatenspeicherung belegen würden. Der EuGH hat hierzu übrigens die richtigen Fragen gestellt. Beantwortet wurden sie bislang nicht.

Innenminister Friedrich hat wieder einmal in dasselbe Horn geblasen wie Gabriel und verweist aktuell darauf, dass Telekommunikationsdaten bei der Aufklärung von Kinderpornographie und Computerkriminalität hilfreich seien. Hierzu sollte man dann allerdings ergänzend auch erwähnen, dass die Ermittlungsbehörden bereits über umfangreiche Befugnissen für die TK-Überwachung verfügen und davon auch rege Gebrauch gemacht wird. Die Bekämpfung von Computerkriminalität mittels Vorratsdatenspeicherung wird wegen Vorgaben des BVerfG übrigens auch künftig schwierig sein. Denn das BVerfG verlangt die Begrenzung der Vorratsdatenspeicherung auf schwere Katalogstraftaten, die auch im Einzelfall schwer wiegen müssen. Das trifft auf die Delikte der Computerkriminalität aber weitgehend nicht zu.

Wer erhebliche Grundrechtseingriffe wie bei der Vorratsdatenspeicherung fordert, der schuldet den Bürgern zuerst eine stichhaltige und auf belastbare Zahlen gestützte Begründung für deren Notwendigkeit. Solche Fakten werden aber von der Politik nicht präsentiert, weil sie nicht existieren. Stattdessen ist die Debatte seit Jahren von Unsachlichkeit und Angstmacherei geprägt. Sigmar Gabriel steht den Unions-Hardlinern da in nichts nach.

posted by Stadler at 21:58  

12 Comments

  1. Es geht um das Informationspivileg der Herrschenden und die Beseitigung der Konkurrenz bei der Manipulation der Hirne.

    Comment by Rolf Schälike — 1.12, 2013 @ 00:00

  2. Angesichts der jüngsten Abhörskandale frage ich mich allerdings, ob die Diskussion über eine zukünftige Vorratsdatenspeicherung nicht eh schon der Realität weit hinterher hinkt. Das ist eben der Job, den die Geheimdienste längst recht gut machen bzw. weiter perfektionieren, und wovon Teilmengen nur legalisiert werden sollen. So gesehen wäre die öffentliche Debatte dazu bloß ein Kampf wie um Windmühlen. Ich bin jedoch unsicher, ob diese Überlegung nicht zu stark übertrieben ist.

    Comment by Franz Krojer — 1.12, 2013 @ 03:46

  3. Schon erstaunlich, mit welcher Chuzpe die eigene Instinktlosigkeit demonstriert wird. Aber hey, wenn schon glaubensbasierte statt faktenbasierte Politik gemacht wird, kann man wohl nichts anderes erwarten. Die Tatsache, dass das LSR mit Lügen durchgepeitscht wurde, lässt allerdings nichts Gutes hoffen.

    Comment by Moon — 1.12, 2013 @ 07:49

  4. Das ist schon krass!

    Daß viel zum Thema VDS gelogen wird ist ja leider fast schon normal. Daß bei einem hinreichenden Tatverdacht auch ohne VDS ermittelt werden darf, wird (bewusst?) „vergessen“.

    Aber das was Herr Gabriel da von sich lässt schlägt dem Fass den Boden aus!

    Wie ich im anderen thread schon schrieb, bleiben die (mainstream-)Medien weitestgehend stumm (hab das nur bei heise gefunden, den Beitrag auf zeit-online finde ich nicht mehr).

    Ich bin – offen gesagt- fassungslos

    Gruß und schönen 1. Advent, Baxter

    Comment by Baxter — 1.12, 2013 @ 13:12

  5. Nachtrag (zur Info):

    Hab den Artikel auf zeit-online doch wiedergefunden –>
    http://www.zeit.de/digital/datenschutz/2013-11/kommentar-vorratsdaten-speicherung-koalitionsvertrag-gabriel-oslo

    Comment by Baxter — 1.12, 2013 @ 13:24

  6. Siegmar Gabriel war schon immer ein unsäglicher Populist und geistiger Brandstifter, der sich zu seinen Thema immer schon tolle Bsp. einfallen ließ (Koalitionsvertrag ist endlich mal einer für die kleinen Leute, war bei rot/grün und früher rot/gelb ja nie so). Fähnchen im Wind konnte er auch schon immer gut, da steht er Angela Merkel auch in nichts nach. Das er auf Kritik an seiner Person oder Meinung unsachlich oder wegen mir auch dünnheutig reagiert, ist ebenfalls nicht neu.
    Ansonsten stimme ich @Franz Krojer zu: IMO will die gemeinsame Regierung die jahrelangen illegale Abhörpraxis legitimieren.

    Comment by ralf sippel — 1.12, 2013 @ 15:27

  7. GrKo: Da wuchert zusammen, was zusammgengehört… oder anders ausgedrückt:
    Schwarz und Rot sind der Bürgerrechte Tod.

    Comment by Musenrössle — 1.12, 2013 @ 16:02

  8. Hier bei Internet-Law tummeln sich mal wieder ziemlich viele Terroristenfreunde.

    Wer nichts zu verbergen und sich nichts zu Schulden kommen lässt, hat auch nichts zu befürchten. Das lernt doch jedes Kind schon in der Schule.

    Die Vorratsdatenspeicherung ist alternativlos. Datenschutz ist Täterschutz. Nur Verbrecher haben Privatsphäre und das muss auch so bleiben.

    Mit der Vorratsdatenspeicherung kann man seine Unschuld viel besser beweisen. Das ist doch ein Gewinn für uns alle!

    Für mehr Sicherheit fordere ich außerdem, in allen Wohnungen Videokameras zu installieren! Die Daten werden 10 Jahre präventiv gespeichert. Der Zugriff erfolgt selbstverständlich nur bei schweren Straftaten und nachdem der diensthabende Wachtmeister zugestimmt hat. Das gesunde Volksempfinden bezeugt, dass diese Sicherheitsmaßnahmen zum Wohle des deutschen Volkes erforderlich, geeignet und verhältnismäßig sind.

    Es ist eine unzumutbare Schutzlücke, dass Vergewaltiger und Kinderschänder unentdeckt und straflos Frauen und Kinder in deutschen Wohnungen schlagen und missbrauchen können! Wir müssen der grassierenden häuslichen Gewalt und dem umsichgreifenden Kindesmissbrauch in deutschen Wohnungen endlich einen wirksamen Riegel vorschieben! Nur durch flächendecke permanente Videoüberwachung deutscher Wohnungen können wir das unermessliche Leid deutscher Frauen und Kinder lindern!

    Wer nichts zu verbergen hat, braucht sich vor Überwachungskameras in der eigenen Wohnung nicht zu fürchten.

    Vertraut dem fürsorglichen Staat. Er will nur Euer Bestes und hat immer Recht.

    Es dient alles unserer Sicherheit!

    Comment by Käsehobel — 1.12, 2013 @ 17:39

  9. Überraschung — der joviale, hinterfotzige und in jeder Hinsicht inkompetente Oberloser der rückgratlosen, opportunistischen Verräterpartei larbert ohne Unterlass dreiste Lügen in Feder und Kamera, wer hätte das nur ahnen können.

    Comment by _Josh — 2.12, 2013 @ 01:04

  10. Was ich mich seit NSA frage:
    Bei dem inzwischen bekannten Ausmaß der Überwachung durch NSA, GCHQ u. a., und der erlaubten (zumindest in den USA) Weitergabe der Daten an andere Behörden, wie kommt es dann, daß denen doch anscheinend recht wenige KiPo-Fälle und andere gravierende Straftaten „ins Netz gehen“?
    Also halten sie sich entweder an ihren eigentlichen Aufgabenbereich – was nach bekannten Umständen nicht so recht einleuchten will – oder es gibt tatsächlich weit weniger als Politik, Medien und interessierte Kreise verkünden!
    Aber so weit scheint auch der Erzengel nicht denken zu können!
    Vielleicht sollte er Dieter Nuhrs Idee realisieren, nämlich in den Rhein springen, damit wir in D auch mal einen Tsunami erleben!
    Lebensgefahr besteht dabei ja für ihn nicht! F… schwimmt bekanntlich oben! :)

    Comment by Hans-Peter Hammer — 2.12, 2013 @ 08:02

  11. Zum Thema VDS & Computerkriminalität: Ich bin gespannt darauf, wie das am Ende gehandhabt wird. Bereits bisher ist es ja zulässig die Bestandsdaten zu einer IP-Adresse anzufragen. In der Praxis scheitert dies aber meist daran, dass die Provider diese Daten spätestens nach 10 Tagen gelöscht haben. Mit der VDS sind aber Daten über Monate hinweg gespeichert. Bekommt man bei einer solchen IP-Anfrage nun Auskunft obwohl die Daten eigentlich gar nicht für derartige Straftaten gespeichert wurden? Auf der anderen Seite wäre ich auf die Diskussion gespannt wenn die Daten vorhanden sind, aber nicht benutzt werden dürfen. Erinnert sich noch wer an den LKW-Unfall auf der A5 1 Woche nach Beginn der Mautdatenerhebung?

    Comment by Teckpirat — 2.12, 2013 @ 10:14

  12. Ich kann zwar Herrn Gabriels Politik und der seiner Partei nichts abgewinnen, die Lügen für die undemokratische Vorratsdatenspeicherung passen da ins Bild, aber „denkwürdig“ im ZDF war allein die penetrant dümmliche Frau Slomka. Die erste Frage zur Beteiligung der Mitglieder an der Koalitionsentscheidung ging noch in Ordnung. Gabriel hat das erklärt. Alles weitere, was Frau Slomka in den Nachfragen abgesondert hat, war reiner Unsinn. Sie behauptet letztlich, dass die Entscheidung eines Parteivorstandes, dessen Mitglieder wie Herr Seehofer nicht einmal im Bundestag sitzen, demokratischer ist als die einer ganzen Partei. Mit der Ansicht steht sie zwar nicht allein, in der Presse liest man teils ähnlich hraarsträubenden Unsinn, richtig wird es dadurch nicht. Auch nicht, dass durch dieses Verfahren Wähler zweiter Klasse entstehen (in der SPD, nicht in der SPD). Als wenn Wähler jemals über Koalitionen entschieden hätten oder entscheiden. Das Ganze war allenfalls unterhaltend, wobei Frau Slomka m. E. nahc Punkten verloren hat, weil sie sich bar jeder Sachkenntnis erwies.

    Comment by M. Boettcher — 2.12, 2013 @ 15:13

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